5. Welches Recht kommt bei einer internationalen Scheidung zur Anwendung?

Wenn feststeht, dass für die Scheidung deutsche Gerichte zuständig sind, mit anderen Worten, dass ein Scheidungsantrag bei einem deutschen Gericht eingereicht werden kann, heißt das nicht automatisch, dass auf die Scheidung auch deutsches Recht anzuwenden ist. Welches Recht das zuständige deutsche Gericht auf die Scheidung anzuwenden hat, richtet sich nach einer anderen europäischen Norm, nämlich nach Art. 8 der sogenannten Rom III - Verordnung. Dieser Artikel lautet:

Die Ehescheidung und die Trennung … unterliegen:

a)    dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, oder anderenfalls

b)    dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern dieser nicht vor mehr als einem Jahr vor Anrufung des Gerichts endete und einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder anderenfalls

c)    dem Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts besitzen, oder anderenfalls

d)    dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts.

Die Prüfung anhand dieser Norm erfolgt - anders als bei der Prüfung des international zuständigen Gerichts - nach der Reihenfolge der Tatbestände, wie bei einer Leiter, die von oben nach unten bestiegen wird. Ist der erste Tatbestand erfüllt, gilt dieser. Ist er nicht erfüllt, ist zu prüfen, ob der darauf folgende Tatbestand einschlägig ist. Im Ergebnis führt die Prüfung nach dieser Vorschrift immer zu Bestimmung eines nationalen Rechts, das auf die Scheidung anzuwenden ist. Die Anwendung eines weiteren nationalen Rechts daneben ist ausgeschlossen.

Auch bei der Frage, welches Recht auf eine internationale Scheidung anzuwenden ist, kommt es entscheidend auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Beteiligten an.

  • Beispiele:

Bsp. 1
Der Ehemann und die Ehefrau sind beide Amerikaner. Sie sind vor Jahren nach Europa gezogen. Die Ehefrau lebt seit seither Jahren in Berlin. Der Ehemann, der für Microsoft in Prag arbeitet und direkt von den USA dorthin gezogen ist, möchte sich scheiden lassen und reicht in Berlin einen Scheidungsantrag ein.


Ergebnis: Hier sind nach Art. 3a iii) der Brüssel IIb - Verordnung zwar deutsche Gerichte für die Scheidung zuständig. Jedoch ist auf die Scheidung amerikanisches Scheidungsrecht anzuwenden. Weder Art. 8 a) noch Art. 8 b) der Rom III - Verordnung sind auf diesen Fall anwendbar. Einschlägig ist vielmehr Art. 8 c) der Rom III - Verordnung, mit der Folge, dass auf die Scheidung amerikanisches Recht anzuwenden ist.

Bsp. 2
Die Ehefrau ist Deutsche, der Ehemann Inder. Sie haben in Deutschland zusammengelebt. Der Ehemann ist nach der Trennung der Beteiligten vor zwei Jahren nach Indien zurückgekehrt. Die Ehefrau lebt nach wie vor in Deutschland und möchte sich jetzt scheiden lassen.

Ergebnis: Auch hier sind nach Art. 3 a) ii) der Brüssel IIb - Verordnung deutsche Gerichte für die Scheidung zuständig, da beide Ehegatten ihren ständigen Aufenthalt zuletzt in Deutschland hatten und die Ehefrau nach wie vor Ihren Aufenthalt in Deutschland hat. Auf die Scheidung ist nach Art. 8 d) der Rom III - Verordnung deutsches Recht anzuwenden, weil die vorstehenden Tatbestände a) - c) der Verordnung nicht einschlägig sind.