4. Spezialprobleme beim Kindesunterhalt Volljähriger

  • Der Unterhaltsanspruch steht dem Kläger nicht mehr zu

Es gibt Fälle, in denen eine ursprünglich zulässige Unterhaltsklage (teilweise) unzulässig wird, weil der Antragsteller während des Verfahrens seinen Anspruch ganz oder teilweise dadurch verliert, dass dieser auf eine staatliche Behörde übergeht (Verlust der Aktivlegitimation des Antragstellers). Praxisrelevante Beispiele dafür sind:
  • Der Übergang auf die Unterhaltsvorschusskasse, wenn diese an den klagenden Elternteil Unterhaltsvorschuss für die Kinder zahlt127
  • Der Übergang auf das Arbeitsamt, wenn diese Sozialleistungen oder Leistungen der Grundsicherung an den klagenden Elternteil zahlt.128

Ist der Unterhaltsanspruch auf eine staatliche Behörde übergegangen, nachdem der Unterhaltsantrag rechtshängig geworden ist, das heißt nachdem der Unterhaltsantrag dem Antragsgegner zugestellt worden ist, fehlt dem Antragsteller die Befugnis, die Ansprüche im eigenen Namen geltend zu machen. Jedoch darf er die Ansprüche gemäß § 265 Absatz 2 Satz 1 ZPO dennoch weiterhin im Wege einer sogenannten gesetzlichen Verfahrensstandschaft geltend machen. Allerdings muss der Antragsteller seinen Antrag auf Unterhalt in Höhe des auf die staatliche Behörde übergegangenen Betrags umstellen und eine Zahlung dieses Betrags an die Staatskasse beantragen.

Ist der Unterhaltsanspruch auf eine staatliche Behörde übergegangen, bevor der Unterhaltsantrag rechtshängig geworden ist, fehlt dem Antragsteller nicht nur die die Befugnis, die Ansprüche im eigenen Namen geltend zu machen, sondern auch die Befugnis, das Verfahren überhaupt zu führen. Folglich wäre sein Unterhaltsantrag in Höhe des auf die staatliche Behörde übergegangenen Betrags eigentlich zurückweisen und die staatliche Behörde müsste ein neues Unterhaltsverfahren gegen den Unterhaltsschuldner einleiten. Um dies zu vermeiden, wird in der Praxis häufig folgendermaßen vorgegangen: Die staatliche Behörde überträgt den auf sie übergegangenen Unterhaltsanspruch im Einvernehmen mit dem Antragsteller auf diesen zur gerichtlichen Geltendmachung zurück und lässt sich den geltend gemachten Unterhaltsanspruch anschließend abtreten.129

  • Das Minderjährige Kind wird während des Unterhaltsverfahrens volljährig

Wird das minderjährige Kind während des Verfahrens volljährig, verliert der antragstellende Elternteil das Recht das Unterhaltsverfahren weiter zu betreiben und zwar sowohl für die Vergangenheit für den rückständigen Unterhalt bis zur Volljährigkeit des Kindes, als auch für die Zukunft, also für künftigen Unterhalt des nunmehr volljährigen Kindes. (Verlust der Aktivlegitimation des Antragstellers). Reagiert der klagende Elternteil auf die veränderte Situation nicht richtig, führt das zum Verlust des Verfahrens. Die Klage wird abgewiesen.

Lösung 1: Kind tritt dem Verfahren bei

Eine Möglichkeit dieses Problem zu lösen besteht darin, dass das volljährig gewordene Kind dem Verfahren als neuer Antragsteller beitritt (sog. gewillkürter Parteiwechsel). In diesem Fall kann der nunmehr Volljährige auf den bisherigen Verfahrensstand aufsetzen und seinen Anspruch gegen den beklagten Elternteil schnell und ohne das Verfahren von neuem beginnen zu müssen weiterverfolgen.

In der Praxis scheitert diese Lösung allerdings oft daran, dass das voll- jährig gewordene Kind nicht bereit ist, gegen den anderen Elternteil zu klagen.

Lösung 2: Abtretung des Anspruchs

Will das Kind selbst nicht gegen den Verpflichteten klagen, besteht noch die Möglichkeit, dass es seinen Anspruch auf rückständigen Unterhalt gegen den Beklagten - für die Zeit bis zur Volljährigkeit - an den bisher klagenden Elternteil abtritt.130

Lösung 3: Der Familienrechtliche Ausgleichsanspruch

Will das Kind überhaupt nicht gegen den unterhaltspflichtigen Elternteil vorgehen, dann bleibt dem bisherigen Antragsteller, der seine Aktiv- legitimation verloren hat, nur der sogenannten familienrechtliche Ausgleichsanspruch.

Der familienrechtliche Ausgleichsanspruch ist ein von der Rechtsprechung entwickelter Ersatzanspruch für Fälle, in denen ein Elternteil allein für den Kindesunterhalt eines gemeinsamen ehelichen Kindes aufgekommen ist.131 Der familienrechtliche Ausgleichsanspruch hat zwei Voraussetzungen: Erstens, dass der den Unterhalt leistende Elternteil mit seiner Leistung eine im Innenverhältnis der Eheleute zueinander an sich dem anderen Elternteil obliegende Verpflichtung gegenüber dem Kind erfüllt hat.132 Und zweitens, dass der Elternteil zu der Zeit, als er die Unterhaltsleistungen erbrachte, die Absicht gehabt hat, von dem anderen Elternteil Ersatz zu verlangen.133 Diese beiden Voraussetzungen sind in Kindesunterhaltsverfahren, in denen das minderjährige Kind volljährig wird, regelmäßig erfüllt.