2. Der Wohnwert

Ist einer der beiden Ehegatten Allein- oder Miteigentümer einer Immobilie, in der der andere mietfrei wohnt, wird letzterem die ersparte Miete wie ein Einkommen fiktiv zugerechnet. Dabei differenziert die Rechtsprechung im Hinblick auf die Höhe des zuzurechnenden Wohnwerts nach dem Zeitraum, in dem die Immobilie kostenlos bewohnt wird.

  • Erstes Jahr nach der Trennung

Im Jahr nach der Trennung der Ehegatten wird als Wohnvorteil eine Miete angesetzt, die der Ehegatte auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine dem ehelichen Lebensstandard entsprechende kleinere Wohnung zahlen müsste.

Beispiel
Die Ehegatten haben gemeinsam mit Ihren beiden 13 und 15 Jahre alten Kindern in einer ihnen gehörenden Villa mit sechs Zimmern und einer Wohnfläche von 240 qm gelebt. Nach der Trennung bleibt die Ehefrau mietfrei mit den beiden Kindern in der Villa leben. Im Jahr nach der Trennung ist der Ehefrau als Einkommen lediglich die Marktmiete für eine Vierzimmerwohnung in vergleichbarer Lage zuzurechnen (Je ein Zimmer für die Ehefrau und jedes der beiden Kinder sowie ein gemeinsames Wohnzimmer).

  • Nach Ablauf des Trennungsjahres

Nach Ablauf des Trennungsjahres, spätestens mit der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags, ist ihr dann als Wohnwert der objektive Mietwert der Immobilie zuzurechnen, das heißt der Betrag, den man mit der Vermietung der Immobilie auf dem örtlichen Wohnungsmarkt erzielen könnte. Grundstückskosten und -lasten, Zins- und Tilgungsleistungen sowie verbrauchsunabhängige Kosten dürfen vom fiktiven Wohnwert abgezogen werden. Nicht abziehbar sind die Verbrauchskosten, die ein Mieter selber tragen müsste.

  • Immobilie steht im Eigentum eines Dritten

Gehört die Wohnung oder das Haus einem Dritten, z.B. den Eltern, kommt in der Regel keine Zurechnung eines Wohnwertes in Betracht. Die Eltern wollen den Berechtigten mit solchen Leistungen unterstützen und nicht den Verpflichteten finanziell entlasten.

Nur wenn ausnahmsweise der Dritte mit der Zuwendung die Zielrichtung hat, dass die Leistung (das unentgeltliche Wohnen) Einkommen sein soll, kommt Zurechnung als Einkommen in Betracht. So heißt es in den Unterhalts-Leitlinien der Oberlandes- gerichte in Ziff. 8 zu diesem Thema:

Kammergericht Berlin
Freiwillige Zuwendungen (z.B. Geldleistungen, kostenloses Wohnen) Dritter sind als Einkommen anzusehen, wenn dies ihrer Zielrichtung entspricht.

OLG Brandenburg
Freiwillige Zuwendungen Dritter sind nur Einkommen, wenn dies dem Willen des Dritten entspricht.

Darüber hinaus kommt in Betracht, kostenloses Wohnen ausnahmsweise im sogenannten Mangelfall beim Kindesunterhalt dem Unterhaltsverpflichteten als Einkommen zuzurechnen. Dann können freiwillige unentgeltliche Zuwendungen eines Dritten unter Billigkeitsgesichtspunkten ganz oder teilweise als Einkommen zugerechnet werden.