“(1) Das Vorliegen eines Elternkonflikts oder die Ablehnung der gemeinsamen elterlichen Sorge durch die Mutter sprechen für sich genommen allerdings noch nicht gegen die gemeinsame elterliche Sorge (BT-Drucks. 17/11048 S. 17). Allein die Verweigerungshaltung eines Elternteils ist kein entscheidender Gesichtspunkt dafür, dass die Beibehaltung oder Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl widerspricht (vgl.
OLG Köln NJW-RR 2008, 1319, 1320). Dass Eltern in Einzelfragen verschiedener Meinung sind und ihre Meinungsverschiedenheiten im Einzelfall streitig ausgetragen haben, genügt ebenfalls nicht, um die gemeinsame elterliche Sorge abzulehnen. Es gehört zur Normalität im Eltern-Kind-Verhältnis, dass sich in Einzelfragen die für das Kind beste Lösung erst aus Kontroversen herausbildet (
OLG Karlsruhe Beschluss vom 2. April 2015 - 18 UF 253/14 - juris
Rn. 16). Hierdurch können sogar mehr Argumente abgewogen werden als bei Alleinentscheidungen und so dem Kindeswohl besser entsprechende Ergebnisse erreicht werden (vgl. BT-Drucks. 17/11048 S. 17; KG
FamRZ 2011, 1659). Insbesondere sieht das Gesetz für einzelne kontrovers diskutierte und von den Eltern nicht lösbare Fragen mit
§ 1628 BGB ein geeignetes Instrumentarium vor.
(2) Die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt allerdings ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus (Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2007 -
XII ZB 158/05 -
FamRZ 2008, 592 Rn. 11 mwN; BT-Drucks. 17/11048 S. 17 mwN).
Die gemeinsame elterliche Sorge ist daher nicht anzuordnen, wenn eine
schwerwiegende und nachhaltige Störung auf der Kommunikationsebene der Eltern vorliegt, die befürchten lässt, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind folglich erheblich belastet würde, würde man die Eltern zwingen, die Sorge gemeinsam zu tragen (
OLG Schleswig FamRZ 2014, 1374, 1375; KG
FamRZ 2014, 1375;
OLG Koblenz FamRZ 2014, 319; BT-Drucks. 17/11048 S. 17; vgl. auch OLG Stuttgart [11. ZS]
FamRZ 2015, 674; OLG Brandenburg [2. FamS]
FamRZ 2014, 1856;
OLG Köln NJW-RR 2008, 1319, 1320; Schilling
NJW 2007, 3233, 3238).
Maßgeblich ist, welche Auswirkungen die mangelnde Einigungsfähigkeit der Eltern bei einer Gesamtbeurteilung der Verhältnisse auf die Entwicklung und das Wohl des Kindes haben wird (Senatsbeschluss vom 29. September 1999 -
XII ZB 3/99 -
FamRZ 1999, 1646, 1648). Die Gefahr einer erheblichen Belastung des Kindes kann sich im Einzelfall auch aus der Nachhaltigkeit und der Schwere des Elternkonflikts ergeben.
(3) Eine vollständige Kommunikationsverweigerung der Eltern muss allerdings nicht gegeben sein (a.A. OLG Brandenburg [4. FamS]
FamRZ 2016, 240, 243). Die Kommunikation der Eltern ist bereits dann schwer und nachhaltig gestört, wenn sie zwar miteinander in Kontakt treten, hierbei aber regelmäßig nicht in der Lage sind, sich in der gebotenen Weise sachlich über die Belange des Kindes auszutauschen und auf diesem Wege zu einer gemeinsamen Entscheidung zu gelangen. Dann ist zu prüfen, ob hierdurch eine erhebliche Belastung des Kindes zu befürchten ist.
Entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Meinung (OLG Brandenburg [4. FamS]
FamRZ 2016, 240, 243; OLG Celle [10. ZS]
FamRZ 2014, 857; OLG Stuttgart [16. ZS]
FamRZ 2014, 1715, 1716) muss die Belastung des Kindes nicht bereits tatsächlich bestehen. Es genügt die begründete Befürchtung, dass es zu einer solchen Belastung kommt (OLG Celle [15. ZS]
FamRZ 2016, 385, 386; vgl. auch Senatsbeschluss vom 15. November 2007 -
XII ZB 136/04 -
FamRZ 2008, 251 Rn. 24).
Dafür genügt die begründete Besorgnis, dass die Eltern auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen. Denn ein fortgesetzter destruktiver Elternstreit führt für ein Kind zwangsläufig zu erheblichen Belastungen (Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2007 -
XII ZB 158/05 -
FamRZ 2008, 592 Rn. 15; Gödde
ZfJ 2004, 201, 207, 209; vgl. auch Senatsbeschluss vom 15. November 2007 -
XII ZB 136/04 -
FamRZ 2008, 251 Rn. 24). Notwendig ist hierfür die Einschätzung im Einzelfall, ob der Elternkonflikt so nachhaltig und so tiefgreifend ist, dass gemeinsame, dem Kindeswohl dienliche Entscheidungen der Eltern in den wesentlichen Belangen der elterlichen Sorge auch für die Zukunft nicht gewährleistet sind (vgl. Senatsbeschluss vom 15. November 2007 -
XII ZB 136/04 -
FamRZ 2008, 251 Rn. 23).
Ebenfalls nicht erforderlich ist die teilweise geforderte zusätzliche Feststellung einer günstigen Prognose der Alleinsorge eines Elternteils dahingehend, dass die Eltern aufgrund der gerichtlichen Entscheidung für die Alleinsorge ihren Streit nicht fortsetzen werden (a.A. OLG Brandenburg [4. FamS]
FamRZ 2016, 240, 243 und
FamRZ 2015, 760, 762). In die Abwägung ist vielmehr einzubeziehen, ob durch die Alleinsorge die Konfliktfelder zwischen den Eltern eingegrenzt werden, was für sich genommen bereits dem Kindeswohl dienlich sein kann (vgl.
Staudinger/Coester BGB [2016] § 1671 Rn. 137), während bereits das Risiko, dass das Kind durch die Begründung der gemeinsamen Sorge verstärkt dem fortdauernden Konflikt der Eltern ausgesetzt wird, dem Kindeswohl entgegenstehen kann (vgl. Senatsbeschluss vom 15. November 2007 -
XII ZB 136/04 -
FamRZ 2008, 251 Rn. 24).
(4) Zu den wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge, für die ein Mindestmaß an Verständigungsmöglichkeiten gefordert werden muss, gehören alle nach
§ 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB gemeinsam zu treffenden Entscheidungen, zu denen entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts auch die Grundentscheidungen über den persönlichen Umgang des Kindes mit dem nicht betreuenden Elternteil zählen (Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2007 -
XII ZB 158/05 -
FamRZ 2008, 592 Rn. 12 mwN; Schilling
NJW 2007, 3233, 3234). Die Art und Weise, wie die Eltern insoweit in der Lage zu gemeinsamen Entscheidungen sind, kann bei der Gesamtabwägung nicht unberücksichtigt bleiben.”
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