Im Rahmen der Unterhaltsberechnung stellt sich häufig die Frage, ob einem Ehegatten
fiktives Einkommen zuzurechnen ist, weil er gar nicht oder zu wenig arbeitet und damit gegen die sogenannte Erwerbsobliegenheit verstößt. Ob einem Ehegatten eine Erwerbstätigkeit zumutbar ist und welche Erwerbstätigkeit in welchem Umfang angemessen wäre, hängt von den
individuellen Umständen des Einzelfalls ab.
Vor Ablauf des Trennungsjahres ist von einem dem Haushalt führenden Ehegatten eine Berufstätigkeit grundsätzlich nicht zu erwarten
139, die Fortsetzung einer schon während der Ehe weitgehend ausgeübten Erwerbstätigkeit hingegen schon.
Nach Ablauf des Trennungsjahres, wenn die Scheidung nur noch eine Frage der Zeit ist, ist grundsätzlich von einer Pflicht zur Erwerbstätigkeit auszugehen.
140 Zu gegebener Zeit auch in Vollzeit. Hierbei kommt es jedoch stets auf die Umstände des Einzelfalls an. Je kürzer die Ehedauer und je jünger die Ehegatten, desto eher ist insbesondere bei kinderlosen Ehen eine Erwerbsobliegenheit zu bejahen. Je länger die berufliche Unterbrechung gedauert hat, desto kritischer ist die Erwerbsobliegenheit zu prüfen. Bei einer Ehezeit und damit einhergehender beruflicher Unterbrechung von mehreren Jahrzehnten ist die Erwerbsobliegenheit eines ausschließlich den Haushalt führenden Ehegatten eher zu verneinen. Es kommt jedoch letztlich auch hier wieder auf die persönlichen und wirtschaftlichen Umstände der Eheleute an. Je enger die wirtschaftlichen Verhältnisse sind, desto eher kann eine Erwerbsobliegenheit anzunehmen sein.
Ab der
Regelaltersgrenze besteht eine Erwerbsobliegenheit grundsätzlich nicht mehr.
141 Kurz vor Erreichen der Altersgrenze kommt es wiederum auf den Einzelfall an.
Eine
physische oder psychische Erkrankung kann eine Erwerbsobliegenheit je nach Einzelfall ausschließen. Verweigert der Ehegatte jedoch eine ihm zumutbare Behandlung zur Heilung der Erkrankung, verwirkt er damit unter Umständen seinen Unterhaltsanspruch.
142Im Falle gemeinsamer
minderjähriger Kinder geht die Rechtsprechung davon aus, dass sich der die Kinder hauptsächlich betreuende Ehegatte bis zu ihrem dritten Lebensjahr voll der Kindererziehung widmen darf. Ab dem vierten Lebensjahr der Kinder ist jedoch eine Erwerbsobliegenheit in demjenigen Umfang anzunehmen, in dem eine Fremd- oder anderweitige Betreuung möglich wäre.
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