Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023,
§ 1567 BGB, Rn. 25.

Fußnote 40.

Werk:

Erman BGB, Kommentar

Autor:

Preisner

Datum:

09.2023

Dokumentstand:

17. Auflage, 9/2023

Werkstand:

17. Auflage 2023


Quelle:

 

Zitiervorschlag:

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB




 

§ 1567 Getrenntleben


 

 


 

§ 1567 Getrenntleben


 

(1) Die Ehegatten leben getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Die häusliche Gemeinschaft besteht auch dann nicht mehr, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben.



(2) Ein Zusammenleben über kürzere Zeit, das der Versöhnung der Ehegattendienn soll, unterbricht oder hemmt die in § 1566 bestimmten Fristen nich



 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 1


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I. Zweck und Regelungsgehalt


 

Abs I S 1 enthält eine gesetzl Definition des Getrenntlebens. Abs I S 2 enthält die gesetzgeberische Klarstellung, dass ein Getrenntleben iSd Abs I S 1 auch innerhalb der gemeinsamen ehelichen Wohnung möglich ist und stellt damit sicher, dass eine Scheidung unter wirtschaftl beengteren Verhältnissen nicht faktisch ausgeschlossen ist (vgl auch Rn 10). Abs II privilegiert erfolglose Versöhnungsversuche der Ehegatten von kurzer Dauer, indem er bestimmt, dass diese keine Auswirkungen auf den Fristlauf des § 1566 haben. Die Privilegierung soll es Ehegatten erleichtern, sich auf einen Versöhnungsversuch einzulassen, da sich ein solcher im Fall des Scheiterns nicht negativ auf den Fristlauf im Scheidungsverfahren auswirkt.


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 2


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II. Begriff des Getrenntlebens


 

1. Legaldefinition


 

Nach der Legaldefinition des Abs I S 1 leben die Ehegatten im Rechtssinne getrennt, wenn zw ihnen (1) keine häusliche Gemeinschaft besteht und (2) zumindest ein Ehegatte sie auch erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Die Legaldefinition setzt sich damit aus zwei Komponenten - einer obj Komponente (keine häusliche Gemeinschaft, Rn 6) und einer, wiederum aus zwei Elementen bestehenden, subj Komponente (Trennungswillen und Trennungsmotiv, Rn 13) - zusammen. Ein Getrenntleben iSd Norm liegt nur vor, wenn beide Komponenten kumulativ vorliegen (BeckOGK/S. Kappler Rn 69).


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 3


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2. Bedeutung


 

a) Die Vorschrift wurde im Zuge der Scheidungsrechtsreform mWz 1.7.1977 ins Gesetz aufgenommen, sie knüpfte aber an die Vorschrift zur Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft des § 48 I EheG und die hierzu ergangene Rspr an (BeckOGK/S. Kappler Rn 2). Dem Begriff des Getrenntlebens kommt im Recht der Zerrüttungsscheidung zentrale Bedeutung zu. Das Getrenntleben als nach außen tretendes Faktum wird als Indiz für die schwer fassbaren und schwer nachweisbaren inneren Vorgänge der Ehegatten aufgefasst. Entscheidend für die gesetzl Regelungen ist dabei der Zeitpunkt des Beginns des Getrenntlebens. IVm bestimmten Fristen bekommt der Trennungszeitpunkt insb Bedeutung für die Scheidungstatbestände der §§ 1565f.


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 4


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b) Den Begriffen des Getrenntlebens und des Trennungszeitpunkts kommt über das Scheidungsrecht hinaus zentrale Bedeutung zu; damit wird der Besonderheit Rechnung getragen, dass das Eheband einerseits bis zur Scheidung fortbesteht, dass aber andererseits das Rechte- und Pflichtengefüge den geänderten Lebensverhältnissen anzupassen ist. Die Schlüsselgewalt ruht während der Trennungszeit (§ 1357 III), die Eigentumsvermutung des § 1362 I 2 ist ebenfalls nicht mehr anwendbar. Der Unterhaltsanspruch getrenntlebender Ehegatten ist nicht mehr auf Familienunterhalt (§ 1360), sondern auf Trennungsunterhalt (§ 1361) gerichtet und es kann die Verteilung der Haushaltsgegenstände (§ 1361a) sowie die Überlassung der ehelichen Wohnung (§ 1361b) verlangt werden.


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 5


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Im Zugewinnausgleichsrecht erlangt der Trennungszeitpunkt im Rahmen der § 1379 II, § 375 II Bedeutung (str). Im Versorgungsausgleich wirkt sich die Trennungszeit nur ausnahmsw (lange Trennungsdauer) aus (§ 27 VersAusglG). Während des Trennungsjahres sind die Ehegatten zudem nach § 1353 I 2 zu einer Mitwirkung an der steuerlichen Zusammenveranlagung verpflichtet.


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 6


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III. Objektives Element


 

1. Nichtbestehen der häuslichen Gemeinschaft


 

Obj Voraussetzung ist, dass zw den Ehegatten keine häusliche Gemeinschaft besteht. Das Gesetz fordert nicht, dass zw den Ehegatten eine solche Gemeinschaft jemals bestand, erforderlich ist also nicht die Aufhebung derselben. Der Begriff der häuslichen Gemeinschaft ist nicht legaldefiniert. Unter „häuslicher Gemeinschaft“ iSd Norm ist das Bestehen eines gemeinsamen räumlichen Mittelpunktes der privaten ehelichen Lebensführung zu verstehen (Ernst in Schwab/Ernst ScheidungsR-HdB § 2 Rn 41). Begrifflich umfasst ist der gesamte häusliche Lebensalltag, wie Wohnen, Essen, Schlafen, Freizeitgestaltung und persönliche Kontakte (BeckOGK/S. Kappler Rn 20). Die häusliche Gemeinschaft ist nicht mit der Wahl einer bestimmten Wohnsituation verknüpft. Die häusliche Gemeinschaft kann demnach auch bestehen, wenn die Ehegatten in verschiedenen Wohnungen leben (str. aA MüKo/Weber Rn 16). Die Gründe für getrennte Wohnungen können vielfältig sein. Zu berücksichtigen sind die individuellen Lebensverhältnisse und die sich aus ihnen ergebenden Auswirkungen auf die Lebensführung. Insb ausbildungs-, studiums- und berufsbedingt getrennte Wohnungen („Wochenendehen“) gehen nicht zwingend mit der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft einher. Entscheidend ist, ob die Ehegatten selbst einen oder mehrere Wohnstätten als gemeinsamen ehelichen Lebensmittelpunkt ansehen (Ernst in Schwab/Ernst ScheidungsR-HdB § 2 Rn 41).


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 7


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Haben die Ehegatten dagegen keinen gemeinsamen räumlichen Mittelpunkt der privaten ehelichen Lebensführung, besteht zw ihnen keine häusliche Gemeinschaft, ohne dass es auf die Gründe und Motivlagen ankommt (BGH 25.1.1989 - IVb ZR 34/88, NJW 1989, 1988; BeckOGK/S. Kappler Rn 21). Dh auch bei einer unfreiwilligen Trennung aufgrund von Strafhaft oder dauerhafter Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung oder willentlichen (aber ohne Trennungsmotivation beruhenden) Trennung, etwa aus beruflichen Gründen, liegt keine häusliche Gemeinschaft vor. Vorübergehende kurzfristige räumliche Trennungen wie bspw Krankenhaus- oder Kuraufenthalte, getrennte Urlaube oder Kurzzeitpflege heben die häusliche Gemeinschaft dagegen nicht auf, da hier der gemeinsame Lebensmittelpunkt grds erhalten bleibt. Bei berufsbedingten Trennungen ist hinsichtl der Frage des Bestehens der häuslichen Gemeinschaft auf die Lebenswirklichkeit der Ehegatten abzustellen. Ob bei einer berufsbedingten Fernbeziehung eine häusliche Gemeinschaft am Wochenendwohnsitz anzunehmen ist, ist Frage des Einzelfalls. Beurteilungskriterium ist, ob in der konkreten Gestaltung der Ehe eine Wohnung einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt der Ehegatten darstellt.


 

 

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Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 8


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2. Getrenntleben


 

a) In verschiedenen Wohnungen. Zieht ein Ehegatte aus der gemeinsamen ehelichen Wohnung aus und begründet er einen neuen Lebensmittelpunkt in einer eigenen Wohnung, liegt der Grund hierfür nach allg Lebenserfahrung in der Trennung der Ehegatten. Nach allg Lebenserfahrung ist der Auszug in aller Regel also die von außen erkennbare Manifestation der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft. Da dies aber nicht zwingend ist, ist zusätzl erforderlich, dass sich die räumliche Trennung auch im Alltag der Ehegatten niederschlägt. Eine Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft liegt nämlich - auch bei getrennten Wohnungen - nicht vor, wenn die Ehegatten im Wesentlichen einen gemeinsamen Haushalt führen. Die Frage, ob noch eine eingeschränkte Fortführung der häuslichen Gemeinschaft vorliegt oder diese aufgehoben ist, kann schwierig sein, wenn die Ehegatten auch weiterhin regelmäßig Kontakt haben. Erforderlich für die Annahme des Nichtbestehens der häuslichen Gemeinschaft ist, dass erkennbar eine weitgehend getrennte Haushaltsführung und eine jew private Lebensführung beider Ehegatten vorliegt (BeckOGK/S. Kappler Rn 25f). Regelmäßige Kontakte - auch gelegentliche körperliche Kontakte - zw den Ehegatten sind unbeachtlich. Eine Teilung der Haushaltsgegenstände ist nicht erforderlich (Johannsen/Henrich/Althammer/Kappler Rn 13).


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 9


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Lebt einer der Ehegatten dauerhaft in einer Pflegeeinrichtung, wird regelmäßig die häusliche Gemeinschaft zw den Ehegatten aufgehoben sein (s auch Rn 6f). Ein Getrenntleben iSd § 1567 liegt jedoch nur vor, wenn auch das subj Element (Rn 13ff) bei zumindest einem Ehegatten nachweislich vorliegt.


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 10


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b) In der ehelichen Wohnung. Regelmäßig wird die Trennung durch den Auszug eines Ehegatten aus der Ehewohnung vollzogen. Abs I S 2 enthält die gesetzgeberische Klarstellung, dass eine Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft auch innerhalb der ehelichen Wohnung möglich ist. Damit sollte sichergestellt werden, dass die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft von Ehegatten, für die der Auszug eines Ehegatten bzw der Bezug zweier neuer Wohnungen eine erhebliche finanzielle Belastung darstellt, auch als Getrenntleben im Rechtssinne anzuerkennen ist, wenn dieses in einer Wohnung vollzogen werden muss. Voraussetzung hierfür ist, dass die Ehegatten (1) innerhalb der gemeinsamen Wohnung tatsächliche getrennte Lebenssphären haben (räumliche Trennung) und (2) keine wesentlichen persönlichen Beziehungen und keine gemeinsame Haushaltsführung mehr haben (BGH NJW 1978, 1810).


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 11


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Hinsichtl des Umfangs der räumlichen Trennung wird ein an den konkreten Wohnverhältnissen orientiertes Höchstmaß an räumlicher Trennung als erforderlich, aber auch als ausreichend erachtet, da eine vollkommene Trennung nur in sehr großen Wohnungen mit mehreren Küchen, Bädern usw zu realisieren ist (BGH NJW 1978, 1810). Soweit eine vollständige Trennung möglich ist, muss eine solche vollzogen werden (OLG München 4.7.2001 - 12 UF 820/01, FamRZ 2001, 1457). Ansonsten ist es erforderlich, dass die Nutzung der Ehewohnung zumindest so organisiert wird, dass ein getrenntes Wirtschaften möglich ist. Es darf kein gemeinsamer Haushalt mehr geführt werden und wesentliche gegenseitige Versorgungsleistungen dürfen nicht mehr erbracht werden (Koblenz OLGRp 2004, 632, 633). Von dem Erscheinungsbild einer strikten ausnahmslosen Trennung darf also auch hier nicht abgewichen werden. Die Trennung muss nach außen erkennbar sein. Nach hM steht bei beengteren Wohnverhältnissen allerdings die gemeinsame Nutzung von nur einmal vorhandenen Nutzräumen wie Küche, Bad, WC und Waschküche einschl der dort installierten Haushaltsgeräte einem Getrenntleben nicht entgegen, wenn für die übrigen Räume eine strikte Trennung besteht (BGH 28.9.1978 - II ZR 10/77, NJW 1979, 105; OLG München 4.7.2001 - 12 UF 820/01, FamRZ 2001, 1457). Gemessen an diesen Maßstäben dürfte ein Getrenntleben in einer Einzimmerwohnung praktisch nicht möglich sein (MüKo/Weber Rn 26).


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 12


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Mit dem zweiten Element - keine wesentlichen persönlichen Beziehungen und keine gemeinsame Haushaltsführung - wird auf die personale Beziehung der Ehegatten abgestellt. Hier ist ebenfalls ein strenger Maßstab anzulegen. Bei einer Gesamtbetrachtung müssen sich die verbleibenden Gemeinsamkeiten als unwesentlich für das eheliche Zusammenleben darstellen (BeckOGK/S. Kappler Rn 36). Ein freundschaftlicher Kontakt bzw gelegentliche Versorgungsleistungen stehen dem Getrenntleben nicht entgegen. Auch persönliche Kontakte in Ausübung der gemeinsamen Elternverantwortung hindern die Annahme des Getrenntlebens nicht (OLG Köln 21.1.1986 - 4 UF 317/85, NJW 1987, 1561; BeckOGK/S. Kappler Rn 42f). Dies gilt auch für die Fortsetzung einer gemeinsamen Erwerbstätigkeit sowie für eine weitere berufliche Zusammenarbeit. Anderes gilt für eine gemeinsame Wirtschaftsführung (OLG Zweibrücken 22.2.2000 - 5 UF 82/99, NJW-RR 2000, 1388; OLG München 4.7.2001 - 12 UF 820/01, FamRZ 2001, 1457). Als Leitlinie gilt, dass es keine vermeidbaren Gemeinsamkeiten mehr geben darf bzw dass diese so selten sind, dass darin eine Fortsetzung der Haushaltsgemeinschaft in einem nennenswerten Restbestand nicht mehr erblickt werden kann (Johannsen/Henrich/Althammer/Kappler Rn 23 aE; OLG Zweibrücken 22.2.2000 - 5 UF 82/99, NJW-RR 2000, 1388). Auf die Motive der Fortführung der persönlichen Beziehungen kommt es nicht an (Aufrechterhalten des Scheins der ehelichen Gemeinschaft „im Interesse der Kinder“, vgl OLG Stuttgart 27.2.2001 - 17 UF 411/00, FamRZ 2002, 239).


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 13


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IV. Subjektives Element: Trennungswille

 

1. Allgemeines


 

Neben dem obj Element ist erforderlich, dass sich zumindest auch einer der Ehegatten subj von der Ehe gelöst hat. Die subj Komponente besteht nach dem Wortlaut des Gesetzes ebenfalls aus zwei Elementen, die kumulativ vorliegen müssen: (1) Dem erkennbaren Willen zumindest eines Ehegatten, die häusliche Gemeinschaft nicht mehr herstellen zu wollen, weil (2) die eheliche Lebensgemeinschaft von diesem abgelehnt wird. Mit diesem (zweigliedrigen) subj Element soll die Trennung als Ausdruck der Abkehr von der Ehe von den Sachverhalten unterschieden werden, in denen die Trennung ungewollt eintritt wie bei Strafhaft oder Heimunterbringung (BGH 27.4.2016 - XII ZB 485/14, FamRZ 2016, 1142).


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 14


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Die Kundgabe des Willens zur Trennung ist keine Willenserklärung (BGH 25.1.1989 - IVb ZR 34/88, NJW 1989, 1988), sondern eine Tatsachenhandlung. Sie ist nicht empfangsbedürftig (MüKo/Weber Rn 42 mwN). Der Wille zur Trennung setzt Geschäftsfähigkeit nicht voraus, sondern nur die Fähigkeit des geschäftsunfähigen Ehegatten, einen natürlichen

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Willen im Hinblick auf die Ehe zu formen und zu äußern (BGH 25.1.1989 - IVb ZR 34/88, NJW 1989, 1988). Auf den Willen des gesetzl Vertreters kommt es nicht an.


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 15


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2. Keine Wiederherstellung der häuslichen Gemeinschaft gewollt (Trennungswille)


 

Für ein Getrenntleben iSd Norm ist nach dem Gesetzeswortlaut zudem der erkennbare Wille zumindest eines Ehegatten erforderlich, die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wiederherzustellen. Dieses Kriterium dient der Abgrenzung von Lebenssachverhalten freiwilliger bzw beabsichtigter Trennung, von denen aus Sicht der Ehegatten unfreiwilligen bzw durch äußere Umstände verursachten räumlichen Trennungen. Fälle unfreiwilliger Trennung können insb bei Verbüßung von Strafhaft, Trennung zur Ausübung des Berufs, dauerhafter Unterbringung in Pflegeheimen oder psychiatrischen Einrichtungen vorliegen. Hinsichtl des Trennungswillens ist es ausreichend, wenn dieser erkennbar bei dem Ehegatten vorhanden ist, der die Trennung aufrechterhält; das Bemühen des anderen Ehegatten, die häusliche Gemeinschaft wiederherzustellen, steht dem Getrenntleben iSd Norm nicht entgegen (BGH NJW 1978, 1811).


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 16


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3. Ablehnung der ehelichen Lebensgemeinschaft (Trennungsmotiv)


 

Mit der Neufassung der Norm durch das 1. EheRG ist zur weiteren Abgrenzung die Aufnahme des Trennungsmotivs eingeführt worden. Dies ermöglicht, die Fälle, in denen zwar die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft willentlich (etwa aus beruflichen Gründen) erfolgt, diese ihren Grund aber nicht (auch) in der Ablehnung der ehelichen Gemeinschaft hat, von den Fällen zu unterscheiden, in denen die Ablehnung (mit)ursächlich ist. Teilw ist dies als Einführung einer „kleinen Zerrüttungsprüfung“ verstanden worden. Zutr wird diese weitgehende Auffassung von BGH und hL unter Verweis auf Gesetzessystematik und Normzweck abgelehnt: Das Getrenntleben iSd § 1567 ist ein Grundelement der Zerrüttungsvermutung des § 1566 und kann daher nicht seinerseits eine Zerrüttung zur Voraussetzung haben (BGH 25.1.1989 - IVb ZR 34/88, NJW 1989, 1988; MüKo/Weber Rn 14).


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 17


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Erforderlich aber auch ausreichend ist es, wenn sich die Ablehnung des trennungswilligen Ehegatten auf die eheliche Lebensgemeinschaft in der bisher konkret gelebten Form bezieht. Eine ehefeindliche Gesinnung bzw eine Scheidungsabsicht ist nicht erforderlich (BGH 25.1.1989 - IVb ZR 34/88, NJW 1989, 1988). Der Ehegatte muss auch keine Vorstellung davon haben, ob die Lebensgemeinschaft aus seiner Sicht wiederherzustellen ist. Ausreichend ist es, wenn der Ehegatte etwa den gemeinsamen Umzug in eine bestimmte Stadt oder das Zusammenleben in einem bestimmten Haus oder einer bestimmten Wohnung ablehnt (MüKo/Weber Rn 34). Beruht das Nichtbestehen der häuslichen Gemeinschaft auf ehefremden Gründen, liegt damit ein Getrenntleben iSd des Gesetzes nicht vor, solange die Ehegatten innerlich an der Aufrechterhaltung der Ehe festhalten.


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 18


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4. Erkennbarkeit


 

Der Wille zur Abkehr von der ehelichen Lebensgemeinschaft muss nicht ausdrückl, insb nicht schriftlich, erklärt werden. Er muss nach dem Wortlaut der Vorschrift („erkennbar“) jedoch im Verhalten des Ehegatten, der die Trennung aufrechterhält, jedenfalls aus Sicht eines obj Betrachters unmissverständlich zum Ausdruck kommen. Hinsichtl der Erkennbarkeit für den anderen Ehegatten wird in Rspr und Lit zutr eine differenzierte Herangehensweise gewählt. Auch hier ist wegen des besonderen verfassungsrechtl Schutzes der Ehe, Art 6 I GG, im Grundsatz die Erkennbarkeit für den anderen Ehegatten zu verlangen. Dies gilt insb in den Fällen, in denen die häusliche Gemeinschaft im Zeitpunkt der inneren Abkehr eines Ehegatten bereits nicht mehr besteht oder noch nie bestand, etwa weil der eine Ehegatte eine Strafhaft verbüßt oder in einem Pflegeheim untergebracht ist (so auch BeckOGK/S. Kappler Rn 54). Einschränkungen sind aber in den Fällen angezeigt, in denen der andere Ehegatte - etwa aufgrund einer fortgeschrittenen Demenz - nicht mehr in der Lage ist, ein für jeden Anderen offensichtliches Verhalten einzuordnen und zu verstehen (hierzu auch Rn 20).


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 19


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Nach außen erkennbar ist der Trennungswille, bei einem - ohne äußeren erkennbaren Grund - Auszug aus der ehelichen Wohnung bzw bei einer vollständigen Trennung der Lebensbereiche innerhalb der ehelichen Wohnung. Zudem durch das Einleiten des Scheidungsverfahrens oder durch das Stellen von Anträgen nach §§ 1361a, 1361b. Leben die Ehegatten bereits getrennt, kommt dem subj Element besondere Bedeutung zu. Maßgebend ist insoweit, ob ein Trennungswille besteht, der in derartigen Fällen nicht allein auf die Ablehnung der - ohnehin nicht bestehenden und nicht erreichbaren - häuslichen Gemeinschaft gerichtet ist, sondern die Aufgabe der bisher noch rudimentär verwirklichten Lebensgemeinschaft insg betrifft. Das Gesetz verlangt, dass der trennungswillige Ehegatte diese Verhaltensabsicht unmissverständlich zu erkennen gibt (BGH 25.1.1989 - IVb ZR 34/88, NJW 1989, 1988). Unabhängig davon, ob die räumliche Trennung freiwilligen oder unfreiwilligen Ursprungs ist, sind also an die Erkennbarkeit des später entstandenen Trennungswillens aufgrund innerer Abkehr von der Lebensgemeinschaft strengere Anforderungen zu stellen; nach überwiegender und zutr Auffassung ist etwa ein bloßer stillschweigender Kontaktabbruch nicht ausreichend (BeckOGK/S. Kappler Rn 57 mwN).


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 20


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Bei einem geistig erheblich behinderten Menschen (Demenz), der zur Dauerpflege untergebracht ist, ist die eheliche Gesinnung nicht an den Definitionselementen zu messen, die an einer entwickelten partnerschaftlichen Beziehung zw gesunden Ehegatten ausgerichtet sind (BGH 25.1.1989 - IVb ZR 34/88, NJW 1989, 1988). Hier sind die Anforderungen an die wechselseitige innere Bindung, ein von Achtung, Treue, Zuneigung und Rücksichtnahme geprägtes eheliches Empfinden, verbunden mit der Bereitschaft, sich in allen für das eheliche Zusammenleben wichtigen Angelegenheiten um eine Einigung zu bemühen, nicht - mehr-- zu stellen und ist auch eine noch vorhandene tiefere Einsicht in das Wesen der Ehe und der - abgelehnten - Ehescheidung nicht zu verlangen. Vielmehr reicht es aus, wenn das Verhalten des geistig behinderten Ehegatten erkennen lässt, dass ihm der nach seinem Zustand noch mögliche Rest ehelichen Empfindens geblieben ist.

 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 21


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5. Dauer


 

Der Wille zur Trennung aufgrund einer inneren Abkehr von der Ehe ist gegenwartsbezogen (MüKo/Weber Rn 35). Er kann jederzeit wieder aufgegeben werden. Entfällt das Trennungsmotiv, ist das Tatbestandsmerkmal nicht mehr verwirklicht (BGH 25.1.1989 - IVb ZR 34/88, NJW 1989, 1988).


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 22


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V. Versöhnungsversuch, Abs II


 

1. Zielsetzung


 

Die Bestimmung soll eine Wiederherstellung der Ehe erleichtern, indem nach Abs II ein Zusammenleben über kurze Zeit, das der Versöhnung der Ehegatten dienen soll, die in § 1566 bestimmte Frist nicht unterbricht oder hemmt. Dies soll bewirken, dass die Ehegatten Versöhnungsversuche nicht bereits deshalb von vornherein unterlassen, um Verzögerungen im Scheidungsprozess zu vermeiden (MüKo/Weber Rn 5).


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 23


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2. Anwendungsbereich und Voraussetzungen


 

a) Nach dem Wortlaut der Norm bezieht sie sich auf die Fristen des § 1566. Für die Trennungsfrist in § 1565 II gilt Abs II seinem Sinn und Zweck nach analog (Hamm FamRZ 1978, 190; Celle FamRZ 1979, 234; BeckOGK/S. Kappler Rn 72).


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 24


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b) Die Privilegierungsregelung des Abs II hat eine obj und eine subj Komponente, die kumulativ vorliegen müssen: Es muss (1) ein Zusammenleben der Ehegatten von kürzerer Dauer vorliegen (obj Element), und dieses muss (2) der Versöhnung der Ehegatten dienen (subjektives Element). Dem Wortlaut nach ist damit in obj Hinsicht zunächst erforderlich, dass die Ehegatten „zusammenleben“. Nach dieser systematischen Bezugnahme auf Abs I reichen gegenseitige Besuche der Ehegatten daher idR nicht aus. Lebten die Ehegatten innerhalb der gemeinsamen Ehewohnung getrennt, ist es erforderlich, dass die häusliche Gemeinschaft (zumindest in eingeschränkten Sinnen) wieder hergestellt wird. Das erneute Zusammenleben muss - nach dem übereinstimmenden Willen beider Ehegatten - auf der Absicht beruhen, die Ehe zu retten. Die Versöhnung der Ehe muss Zweck und tragendes Motiv des Zusammenlebens sein. Es schadet jedoch nicht, wenn weitere Motive wie Mitleid mit dem anderen Ehegatten oder den gemeinsamen Kindern oder finanzielle Aspekte bei einem oder beiden Ehegatten hinzutreten. Beruht das Zusammenleben jedoch ausschließlich auf versöhnungsfremden Motiven, stellt dies keinen Versöhnungsversuch iSd Abs II dar. Ein solches Zusammenleben unterfällt nicht der Privilegierung des Abs II und führt zu einer Beendigung der Trennungszeit.


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 25


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Wie lange ein „Zusammenleben über kurze Zeit“ ist, ist gesetzl nicht definiert. In der Rspr hat sich zutr die Auffassung durchgesetzt, dass die Beurteilung eine Frage des Einzelfalls ist. Berücksichtigt werden hierbei insb die Dauer der Ehe, der Grad und ggf die Ursache der Zerrüttung. Als obere Grenze für die Jahresfristen in § 1565 II, § 1566 I wird idR wohl eine Zeitspanne von drei Monaten anzunehmen sein (hM, OLG Saarbrücken 14.9.2009 - 6 WF 98/09, FamRZ 2010, 469 mwN; MüKo/Weber Rn 59), während bei der Dreijahresfrist in § 1566 II ggf auch eine längere Zeitspanne noch als „kurze Zeit“ eingeordnet werden kann.


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 26


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3. Folgen des fristwahrenden gescheiterten Versuchs


 

a) Liegen die Voraussetzungen des fristwahrenden gescheiterten Versuchs vor, wird die Zeit des Versöhnungsversuchs so behandelt, als wenn die Ehegatten diesen Versuch nicht unternommen hätten. Der Fristlauf wird nicht unterbrochen oder gehemmt.


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 27


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b) Die Privilegierung des Abs II greift nicht, wenn mindestens eine der Voraussetzungen nicht erfüllt ist, dh wenn das Zusammenleben nicht nur von kurzer Dauer ist oder es nicht der Versöhnung der Ehe dient (MüKo/Weber Rn 64ff mwN). Sie entfällt auch, wenn der Versuch erfolgreich ist und zu einer (vorübergehenden) Versöhnung der Ehegatten führt (BGH 31.3.1982 - IVb ZR 661/80, NJW 1982, 1870; Bremen FamFR 2012, 332). Leben die Ehegatten nach einer Versöhnung wieder zusammen und trennen sie sich dann erneut, sind die Trennungsfristen wieder voll einzuhalten (OLG München 29.6.1989 - 16 UF 854/89, FamRZ 1990, 885). Auf die Dauer zw erfolgter Versöhnung und erneuter Trennung kommt es nicht an. Haben Ehegatten nach eingeleiteter Versöhnung in einem Scheidungsverfahren ihre wechselseitigen Scheidungsanträge zurückgenommen, liegt darin eine endgültige Versöhnung, so dass im Falle eines erneuten Scheidungsbegehrens die gesetzl Trennungsfristen neu zu laufen beginnen (so Bremen MDR 2012, 918 Rn 5).


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 28


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4. Mehrere Versuche


 

Auch wenn der Wortlaut der Norm von „einem“ Zusammenleben spricht und damit nahelegt, dass lediglich ein Versöhnungsversuch privilegiert werden soll, sind nach allg Auffassung weitere Versöhnungsversuche von einer Privilegierung nicht grds ausgeschlossen. Bei mehrfachen Versöhnungsversuchen durch Zusammenleben sind jedoch die einzelnen Zeitspannen zu addieren (MüKo/Weber Rn 62). Wird die zeitl Grenze (s Rn 25) überschritten, endet das Getrenntleben (BeckOGK/S. Kappler Rn 89).


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 29


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VI. Fristberechnung


 

Das Getrenntleben iSd § 1567 liegt vor, wenn alle Voraussetzungen - dh obj und subj Komponenten - des Abs I vorliegen. Die Frist beginnt in dem Moment, in dem die Voraussetzungen erstmals kumulativ erfüllt sind und läuft, solange die Voraussetzungen vollständig fortbestehen.


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 30


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VII. Verfahrensrechtliche Fragen


 

1. Darlegungen zur Trennung


 

Die Tatsache der Trennung der Ehegatten ist Scheidungsvoraussetzung (Voraussetzung für die Feststellung des Scheiterns der Ehe) und daher vom Antragsteller vorzutragen und ggf zu beweisen. Dies gilt auch für den Ablauf der Trennungszeit, da vor Ablauf des maßgeblichen Trennungszeitraums eine Ehe idR nicht geschieden werden kann (BeckOK/Neumann Rn 11). Bei einem Getrenntleben in der gemeinsamen Ehewohnung ist ein substantiierter Vortrag über die konkreten Umstände der personalen und räumlichen Trennung innerhalb der gemeinsamen Wohnung erforderlich (OLG Bremen 30.9.1999 - 4 WF 80/99, NJW-RR 2001, 3; BeckOGK/S. Kappler Rn 91).


 

Preisner in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1567 BGB, Rd-Nr. 31


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2. Feststellungslast


 

Für die Tatsache des Getrenntlebens und die Dauer der Trennung gem Abs I liegt die Feststellungslast beim antragstellenden Ehegatten. Eine notarielle Vereinbarung der Eheleute, in der die Trennung zu einem bestimmten Zeitpunkt bekundet wird, ist kein Beweis für eine Trennung, wenn die häusliche Gemeinschaft tatsächlich über diesen Zeitpunkt hinaus fortbestand (OLG Koblenz 24.2.2015 - 11 UF 849/14, FamRZ 2015, 1116). Der Antragsgeg

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ner trägt die Feststellungslast für die Beendigung bzw Unterbrechung des Getrenntlebens (BeckOGK/S. Kappler Rn 92f mwN). Hinsichtl des Versöhnungsversuchs in Abs II liegt die Feststellungslast dafür, dass das Zusammenleben nicht nur der Versöhnung diente bzw nicht lediglich von kurzer Dauer war (Celle FamRZ 1979, 234; OLG München 29.6.1989 - 16 UF 854/89, FamRZ 1990, 885) bzw zu einer (vorübergehenden) Versöhnung führte ebenfalls beim Antragsgegner.




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