BGH vom 21. November 2012, XII ZR 48/11,
BGH vom 26. Juni 2013 XII ZR 133/11 und
BGH vom 08.10.2014, XII ZB 318/11

Fußnote 33.
FN 33:  BGH vom 21. November 2012, XII ZR 48/11

Gericht:

BGH 12. Zivilsenat

Entscheidungsdatum:

21.11.2012

Rechtskraft:

ja

Aktenzeichen:

XII ZR 48/11

Dokumenttyp:

Urteil


Quelle:

 

Normen:

§ 138 Abs 1 BGB, § 242 BGB, § 1379 BGB

Zitiervorschlag:

BGH, Urteil vom 21. November 2012 – XII ZR 48/11 –, juris



            Ehevertrag: Wirksamkeit der Vereinbarung einer Gütertrennung; Bedeutung salvatorischer Klauseln

Leitsatz

            1. Der Zugewinnausgleich ist einer ehevertraglichen Disposition im Hinblick auf die nachrangige Bedeutung des Zugewinnausgleichs im System des Scheidungsfolgenrechts am weitesten zugänglich (Festhaltung an Senatsurteil BGH, 11. Februar 2004, XII ZR 265/02, BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601).(Rn.17)

            2. Zur Bedeutung von salvatorischen Klauseln in Eheverträgen.(Rn.31)
Fundstellen
NSW BGB § 138 Aa (BGH-​intern)
NSW BGB § 138 Cd (BGH-​intern)
NSW BGB § 242 Bd (BGH-​intern)
NSW BGB § 242 Cd (BGH-​intern)
NJW 2013, 457-​461 (Leitsatz und Gründe)
FamRZ 2013, 269-​273 (Leitsatz und Gründe)
MDR 2013, 224-​227 (Leitsatz und Gründe)
FF 2013, 119-​124 (Leitsatz und Gründe)
MittBayNot 2013, 235-​239 (Leitsatz und Gründe)
DNotZ 2013, 376-​385 (Leitsatz und Gründe)
Verfahrensgang
vorgehend OLG Frankfurt 6. Senat für Familiensachen, 18. April 2011, 6 UF 225/09
vorgehend AG Dieburg, 8. Oktober 2009, 50 F 115/09 S
Diese Entscheidung wird zitiert
Rechtsprechung
Anschluss OLG Frankfurt 8. Senat für Familiensachen, 21. Oktober 2022, 8 UF 170/20
Abgrenzung BGH 12. Zivilsenat, 4. März 2015, XII ZR 46/13
Vergleiche BGH 12. Zivilsenat, 8. Oktober 2014, XII ZB 318/11
Fortführung BGH 12. Zivilsenat, 29. Januar 2014, XII ZB 303/13
Kommentare
Erman, BGB
● Budzikiewicz, § 1372 Zugewinnausgleich in anderen Fällen; 5. Regelung des Zugewinnausgleichs durch Vereinbarung der Ehegatten
● Heinemann, § 1408 Ehevertrag, Vertragsfreiheit
● Heinemann, § 1414 Eintritt der Gütertrennung
● Norpoth;Sasse, § 1587 Verweis auf das Versorgungsausgleichsgesetz; IV. Verhältnis zu sonstigen Scheidungsfolgen
Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-​BGB
● Hausch, 10. Auflage 2023, § 1408 BGB
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Zeitschriften
Hans-​Otto Burschel, FamRB 2013, 69-​70
Praxisreporte
Hans Klingelhöffer, jurisPR-​BGHZivilR 5/2013 Anm. 3 (Anmerkung)
Literaturnachweise
Hans Klingelhöffer, jurisPR-​BGHZivilR 5/2013 Anm. 3 (Anmerkung)
Barbara Dauner-​Lieb, AnwBl 2013, 845-​849 (Aufsatz)
Stephan Böhne, FamFR 2013, 84 (Anmerkung)
Christof Münch, FamRB 2013, 160-​165 (Aufsatz)
Ludwig Bergschneider, FamRZ 2013, 273-​274 (Anmerkung)
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Sonstiges
Duderstadt, Scheidung und Scheidungsfolgen
● Jochen Duderstadt, 2 Eheverträge und Scheidungsfolgenvergleiche; 2.1 Inhaltskontrolle; 2.1.3 Zugewinnausgleich
Duderstadt, Vermögensrecht
● Jochen Duderstadt, 1 Zugewinnausgleich; 1.2 Das Anfangsvermögen; 1.2.2 Privilegiertes Anfangsvermögen; 1.2.2.6 Zuwendungen von Schwiegereltern
Horndasch, AnwF Familienrecht
● Dr. Peter Horndasch, § 1 Das Scheidungsverfahren; E. Der Versorgungsausgleich; III. Checkliste: Versorgungsausgleich; 9. Vereinbarung über den Versorgungsausgleich, §§ 6 – 8 VersAusglG
● Dr. Peter Horndasch, § 3 Vermögensauseinandersetzung zwischen Ehegatten; A. Vermögensauseinandersetzung…; II. Güterstandsbezogene Ausein…; 3. Allgemeiner familienrechtli…; d) Rechtliche Grundlagen
● Dr. Peter Horndasch, § 7 Familienrechtliche Vereinbarungen; A. Grundsätze zu Vereinbarungen im Familienrecht; III. Die Grenzen der Vertragsgestaltung
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Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
Festhaltung BGH 12. Zivilsenat, 11. Februar 2004, XII ZR 265/02

Tenor
            Die Revision gegen das Urteil des 6. Senats für Familiensachen in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. April 2011 wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

            Von Rechts wegen
Tatbestand
1          Die Parteien streiten im Scheidungsverbund um Zugewinnausgleich und dabei insbesondere um die Wirksamkeit eines Ehevertrages.

2          Der 1956 geborene Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) und die 1957 geborene Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) heirateten am 26. September 1985, nachdem sie zuvor zwölf Jahre lang durch eine nichteheliche Lebensgemeinschaft miteinander verbunden gewesen waren. Am 25. September 1985, dem Tage vor der Eheschließung, hatten die Parteien einen notariell beurkundeten Ehevertrag geschlossen, durch den sie Gütertrennung vereinbarten, den Versorgungsausgleich ausschlossen und für den Fall der Scheidung gegenseitig auf nachehelichen Unterhalt verzichteten; ferner war in dem Vertrag geregelt, dass eine etwaige Unwirksamkeit einer Vertragsklausel auf die Wirksamkeit des Vertrages in seinen übrigen Teilen keinen Einfluss haben sollte. Aus der Ehe der Parteien sind drei Kinder hervorgegangen, die in den Jahren 1988, 1989 und 1996 geboren wurden.

3          Die Ehefrau ist gelernte Bankkauffrau, hat in diesem Beruf nach Abschluss ihrer Ausbildung im Jahre 1977 allerdings nie gearbeitet. Zwischen 1977 und 1984 war sie als Büroangestellte bei den amerikanischen Streitkräften in Deutschland tätig. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im September 1985 war sie arbeitslos. Der Ehemann ist Polizeibeamter, der bei Abschluss des Ehevertrages im Rang eines Polizeiobermeisters im mittleren Polizeivollzugsdienst beschäftigt war.

4          Der Ehemann engagierte sich seit dem Jahre 1983 als stiller Teilhaber beim Aufbau eines großen Fitnessstudios. Im Jahre 1997 veräußerte er diese Beteiligung; der Erlös floss in die Finanzierung eines im Alleineigentum des Ehemannes stehenden Einfamilienhauses. Die Ehefrau war während der Ehe zeitweise auf der Basis eines sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses in dem Fitnessstudio geringfügig beschäftigt gewesen; eine darüber hinausgehende Erwerbstätigkeit übte sie bis zur Trennung der Parteien im Januar 2008 nicht mehr aus. Aus der Aufteilung eines gemeinschaftlichen Bankguthabens erhielt die Ehefrau nach der Trennung rund 23.000 €.

5          Das Scheidungsverfahren ist seit dem 4. März 2009 rechtshängig. Die Ehefrau hat in den Folgesachen Unterhalt und Zugewinnausgleich Stufenklagen erhoben und - in der ersten Stufe - von dem Ehemann Auskunft über seine sämtlichen Einkünfte zwischen September 2008 und August 2009 einerseits und über sein Endvermögen zum Stichtag 4. März 2009 andererseits verlangt. Das Amtsgericht hat durch Teilurteil den Ehemann antragsgemäß zur Erteilung von Auskünften über sein Einkommen in der Folgesache Unterhalt verurteilt; den Auskunftsantrag in der Folgesache Zugewinnausgleich hat es demgegenüber abgewiesen. Die Ehefrau hat gegen die Abweisung ihrer güterrechtlichen Auskunftsklage Berufung eingelegt und ihre Klage in der Berufungsinstanz um den Antrag erweitert, den Ehemann zur Erteilung einer Auskunft über sein Vermögen zum Trennungszeitpunkt am 1. Januar 2008 zu verurteilen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision der Ehefrau, die ihre güterrechtlichen Auskunftsansprüche weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe

6          Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.



7          Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-​RG noch das bis zum 31. August 2009 geltende Prozessrecht anzuwenden, weil das Verfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 10).



            I.



8          Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen der Ehefrau keine Auskunftsansprüche zum Güterrecht zu, da diese allein auf dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gegründet seien (§ 1379 BGB) und die Parteien diesen Güterstand durch den Ehevertrag vom 25. September 1985 wirksam ausgeschlossen hätten.



9          Das Amtsgericht habe zu Recht die Unwirksamkeit des Unterhaltsverzichts und des Verzichts auf den Versorgungsausgleich angenommen. Nach dem bestrittenen Vorbringen des Ehemannes seien Kinder zwar nicht ausdrücklich geplant; andererseits sei auch nach seinem Vorbringen nicht endgültig eine kinderlose Ehe beabsichtigt gewesen, so dass mit der Möglichkeit zu rechnen gewesen sei, dass sich der Unterhaltsverzicht auch auf den Betreuungsunterhalt beziehen würde. Dabei sei auch die ungünstige Erwerbssituation der Ehefrau zu berücksichtigen, die ihren sicheren Arbeitsplatz etwa ein Jahr vor der Eheschließung aufgegeben habe, während die berufliche Existenz des Ehemannes als Polizeibeamter dauerhaft gesichert gewesen sei. Ebenso sei von Anfang an klar gewesen, dass der Verzicht auf den Versorgungsausgleich gravierende Nachteile für die Ehefrau mit sich bringen werde. Der Vertrag sei daher bezüglich der Regelungen zum Unterhalt und zum Versorgungsausgleich als sittenwidrig (§ 138 BGB) anzusehen, weil er schon nach seinem objektiven Gehalt einer Inhaltskontrolle nicht standhalte.



10        Dies gelte aber nicht für die vereinbarte Gütertrennung. Die Vereinbarung eines anderen als des gesetzlichen Güterstandes sei in weitgehendem Umfang der vertraglichen Regelung durch die Ehegatten zugänglich. Dies gelte selbst dann, wenn der Vertrag auch hinsichtlich der Gütertrennung auf die Benachteiligung eines Ehegatten abziele. Insbesondere könne bei Selbständigen ein berechtigtes Interesse an der Vereinbarung der Gütertrennung bestehen, um die wirtschaftliche Substanz ihres Unternehmens und damit ihre Existenzgrundlage zu erhalten. Dem Ehemann sei es nach seinen eigenen Angaben darum gegangen, seine Beteiligung an dem Fitnessstudio nicht durch eine Ausgleichszahlung zu gefährden. Dieser Gedanke sei zwar nachvollziehbar; allerdings sei die wirtschaftliche Existenz des Ehemannes durch seine Einkünfte als Polizeibeamter ohnehin gesichert gewesen. Auch wenn danach kein ohne weiteres schützenswertes Interesse des Ehemannes an der Gütertrennung anzuerkennen sei, reiche das Zusammenspiel zwischen den Regelungen zum Unterhalt, zum Versorgungsausgleich und zum Güterrecht nicht aus, um den Ehevertrag insgesamt für sittenwidrig zu erachten. Denn die Parteien hätten sich nicht in einer ungleichen Verhandlungsposition befunden. Die bei Vertragsschluss 27-​jährige Ehefrau sei nicht unerfahren gewesen. Sie habe den Beruf der Bankkauffrau erlernt und bis etwa ein Jahr vor Vertragsschluss voll im Berufsleben gestanden. Die Ehefrau habe sich in keiner Drucksituation befunden und sei mit dem Vertragsschluss auch nicht überrumpelt worden. Sie habe selbst angegeben, dass der Ehemann schon einen Monat vor der Hochzeit erklärt habe, nur bei vorherigem Abschluss eines Ehevertrages heiraten zu wollen. Vor diesem Hintergrund spiele es keine entscheidende Rolle, ob vor dem notariellen Vertragsschluss - wie der Ehemann behauptet - ein weiterer Notartermin zur Vorbesprechung stattgefunden habe. Sollte es darauf für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit jedoch ankommen, müsse von der diesbezüglichen Darstellung des Ehemannes ausgegangen werden, weil die Ehefrau für ihre Behauptung, es habe nur ein Notartermin stattgefunden, trotz gerichtlichen Hinweises keinen Beweis angeboten habe. Da eine einseitige Unterlegenheit der Ehefrau im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss nicht gegeben sei, erscheine die Vereinbarung der Gütertrennung auch bei einer Gesamtschau des Ehevertrages nicht sittenwidrig. Gerade weil die Wahl des Güterstandes am weitesten der Dispositionsfreiheit der Parteien zugänglich sei, müsse die Annahme der Unwirksamkeit einer Güterstandswahl an strenge Voraussetzungen geknüpft sein. Diese seien aber nicht erfüllt, solange der Vertrag nicht wegen subjektiver Gesichtspunkte, insbesondere wegen einer Übervorteilung des in einer schwächeren Verhandlungsposition befindlichen Vertragspartners von der Rechtsordnung missbilligt werden könne.



11        Eine Gesamtnichtigkeit des Vertrages folge auch nicht aus § 139 BGB. Die Parteien hätten den Fall der Teilnichtigkeit ausdrücklich bedacht und vereinbart, dass diese auf die Wirksamkeit des Vertrages in seinen übrigen Teilen keinen Einfluss haben solle. Die vereinbarte Gütertrennung stehe auch nicht in wechselseitiger Abhängigkeit zu den Regelungen über Unterhalt und Versorgungsausgleich.



12        Schließlich halte die vereinbarte Gütertrennung auch der Ausübungskontrolle stand. Die Berufung auf eine wirksam vereinbarte Gütertrennung könne sich nur unter engsten Voraussetzungen als rechtsmissbräuchlich erweisen, so etwa, wenn die Ehegatten bei ihrer Abrede von beiderseitiger ökonomisch vergleichbar gewinnbringender Berufstätigkeit ausgegangen seien und diese Planung nicht habe verwirklicht werden können. Hier sei Grund für die vereinbarte Gütertrennung gewesen, eine Gefährdung der Beteiligung des Ehemannes an dem Fitnessstudio nicht durch güterrechtliche Ansprüche der Ehefrau zu gefährden. Der Umstand, dass diese Beteiligung von dem Ehemann zwischenzeitlich aufgegeben worden sei, führe nicht dazu, dass sich der Ehemann nicht mehr auf die Gütertrennung berufen könne, weil die Beteiligung am Fitnessstudio zwar Motiv, aber nicht Geschäftsgrundlage der Vereinbarung gewesen sei. Das Vermögen des Ehemannes habe bei Vertragsschluss allein aus der Beteiligung an dem Fitnessstudio bestanden, und es sei zu diesem Zeitpunkt nicht vorhersehbar gewesen, wie sich das Fitnessstudio in der Folgezeit entwickeln würde. Bei Vereinbarung der Gütertrennung nähmen Eheleute solche Unsicherheiten in Kauf, so dass die tatsächliche Entwicklung der Vermögensverhältnisse nur in extremen - und im vorliegenden Falle nicht gegebenen - Ausnahmefällen dazu führen könnten, dass die Berufung auf die Gütertrennung rechtsmissbräuchlich erscheinen müsse. Auch die Tatsache, dass die Ehefrau in dem Fitnessstudio mitgearbeitet habe, führe zu keiner anderen Beurteilung. Es habe sich um geringfügige und geringfügig entlohnte Tätigkeiten gehandelt, die kein solches Gewicht gehabt hätten, dass sich der Ehemann deshalb auf die vereinbarte Gütertrennung nicht mehr berufen könne.



            II.



13        Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.



14        1. Mit Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Parteien den Zugewinnausgleich im vorliegenden Fall wirksam ausgeschlossen haben.



15        a) Wie der Senat wiederholt dargelegt hat (grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 604 ff.), darf die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Das wäre der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten - unter angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede - bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. Die Belastungen des einen Ehegatten werden dabei umso schwerer wiegen und die Belange des anderen Ehegatten umso genauerer Prüfung bedürfen, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift. Zu diesem Kernbereich gehört in erster Linie der Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB). Im Übrigen wird man eine Rangabstufung vornehmen können, die sich vor allem danach bemisst, welche Bedeutung die einzelnen Scheidungsfolgenregelungen für den Berechtigten in seiner jeweiligen Lage haben.



16        Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle hat der Tatrichter dabei zunächst zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr - und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB). Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse beim Vertragsschluss abstellt, insbesondere also auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und auf die Kinder. Subjektiv sind die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen (Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 606; vgl. zuletzt Senatsurteil vom 18. März 2009 - XII ZR 94/06 - FamRZ 2009, 2124 Rn. 13).



17        b) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erweist sich der Zugewinnausgleich einer ehevertraglichen Disposition am weitesten zugänglich. Schon im Hinblick auf die nachrangige Bedeutung des Zugewinnausgleichs im System des Scheidungsfolgenrechts wird ein Ausschluss des gesetzlichen Güterstands - für sich genommen - regelmäßig nicht sittenwidrig sein (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 9. Juli 2008 - XII ZR 6/07 - FamRZ 2008, 2011 Rn. 19 mwN). An dieser Auffassung hält der Senat auch in Anbetracht der von der Revision geäußerten Bedenken im Grundsatz fest.



18        aa) Das Bundesverfassungsgericht hat bereits vor Erlass der grundlegenden Senatsentscheidung vom 11. Februar 2004 (Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601) ausgeführt, dass aus Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 GG ein verfassungsrechtlich geschützter Anspruch auf Teilhabe beider Ehegatten am gemeinschaftlich erwirtschafteten Vermögen folge (BVerfG FamRZ 2002, 527, 529 und FamRZ 2003, 1153). Der Zugewinnausgleich diene ebenso wie der Versorgungsausgleich der Aufteilung von gemeinsam erwirtschaftetem Vermögen der Eheleute, welches nur wegen der in der Ehe gewählten Aufgabenverteilung einem der Ehegatten rechtlich zugeordnet war (BVerfG FamRZ 2003, 1153).



19        Davon ist auch der Senat ausgegangen. Die formal ausgestalteten Regelungen über den Zugewinnausgleich greifen allerdings über die teleologischen Grundlagen des Teilhabeanspruches - die verfassungsrechtlich verbürgte Gleichwertigkeit von Familienarbeit und Erwerbstätigkeit - deutlich hinaus, soweit sie auch solche Partnerschaften dem Ausgleich ehezeitlicher Vermögenszuwächse unterwerfen, in denen eine dem klassischen Ehetyp der Alleinverdienerehe entsprechende Rollenverteilung überhaupt nicht stattgefunden hat und indem sie - von den wenigen Ausnahmen des § 1374 Abs. 2 BGB abgesehen - auch solchen Zugewinn in den Ausgleich einbeziehen, zu dem der andere Ehegatte nicht beigetragen haben kann. Der Grundgedanke des Zugewinnausgleiches, den in der Ehe eingetretenen Vermögenszuwachs zumindest teilweise ungeachtet der Herkunft des Vermögens und ungeachtet der Rollenwahl der Partner in der Ehe nach einem Halbteilungsmaßstab auszugleichen, kann zwar durch ein zwingendes Bedürfnis nach Pauschalierung und Vereinfachung gerechtfertigt werden. Sonst wird er aber durch keines der bekannten Begründungsmodelle für den Anspruch auf Teilhabe am Vermögen des anderen Ehegatten - z.B. Ausgleich für den mit dem Verzicht auf eigenverantwortliche Vermögensbildung einhergehenden Verzicht auf eigene Erwerbstätigkeit, Ausgleich dafür, dem anderen Ehegatten dessen Erwerbstätigkeit ermöglicht zu haben, Ausgleich für Ehegattenmitarbeit in Beruf und Geschäft des anderen Ehegatten, Ausgleich für Konsumverzicht während der Ehe - dogmatisch überzeugend legitimiert (vgl. insbesondere Muscheler Familienrecht 2. Aufl. Rn. 336).



20        Die insoweit als Korrektiv zur gesetzlichen Typisierung zu verstehende güterrechtliche Vertragsfreiheit der Ehegatten umschließt das Recht, den von ihnen als unbillig oder unbefriedigend empfundenen Verteilungsergebnissen des gesetzlichen Güterstandes durch eine eigenverantwortliche Gestaltung ihrer Vermögenssphäre begegnen und in diesem Rahmen auch eigene ökonomische Bewertungen ihrer Beiträge zum Familienunterhalt vornehmen zu können (Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 605). Ausgeschlossen wäre eine solche autonome Bewertungsbefugnis der Ehegatten nur dann, wenn die Verfassung eine ökonomische Gleichbewertung derjenigen Beiträge erzwänge, die von den Ehegatten während bestehender Ehe im Unterhaltsverband erbracht worden sind. Dafür fehlt es nach Auffassung des Senats an einer verfassungsrechtlich überzeugenden Herleitung (vgl. auch Wagenitz in Hölland/Sethe, Eheverträge und Scheidungsfolgenvereinbarungen [2007] S. 1, 18).



21        bb) Der Senat hat den Versorgungsausgleich - anders als den Zugewinnausgleich - dem Kernbereich der Scheidungsfolgen zugeordnet. Als vorweggenommener Altersunterhalt steht der Versorgungsausgleich einer vertraglichen Gestaltung nur begrenzt offen, so dass Vereinbarungen über ihn nach denselben Kriterien geprüft werden müssen wie ein vollständiger oder teilweiser Unterhaltsverzicht (Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 605 und Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2004 - XII ZB 57/03 - FamRZ 2005, 185, 187). Die hochrangige Bedeutung des Versorgungsausgleichs innerhalb des Systems der Scheidungsfolgen rechtfertigt sich auch daraus, dass die Ansammlung von Vorsorgevermögen - gerade in den Regelsicherungssystemen - wirtschaftlichen Dispositionen der Ehegatten weitgehend entzogen und auch auf diese Weise sichergestellt ist, dass das gebildete Vermögen entsprechend seiner Zweckbestimmung für die Absicherung bei Alter oder Invalidität tatsächlich zur Verfügung steht.



22        In seiner bisherigen Rechtsprechung hat der Senat an der Kernbereichsferne des Zugewinnausgleichs auch für Unternehmerehen festgehalten, in denen der selbständig erwerbstätige Ehegatte seine Altersvorsorge nicht durch die Bildung von Vorsorgevermögen im Sinne des § 2 VersAusglG, sondern im Wesentlichen durch die Ansammlung privaten Vermögens aufbaut. Der Senat hat sich auch dann nicht veranlasst gesehen, einen vertraglichen Ausschluss des Zugewinnausgleichs im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle zu korrigieren, wenn bereits bei Vertragsschluss absehbar gewesen ist, dass sich der andere Ehegatte ganz oder teilweise aus dem Erwerbsleben zurückziehen würde und ihm deshalb eine vorhersehbar nicht kompensierte Lücke in der Altersversorgung verbleibt. Vielmehr hat der Senat demgegenüber ein überwiegendes legitimes Interesse des erwerbstätigen Ehegatten anerkannt, das Vermögen seines selbständigen Erwerbsbetriebes durch die Vereinbarung der Gütertrennung einem möglicherweise existenzbedrohenden Zugriff seines Ehegatten im Scheidungsfall zu entziehen und damit nicht nur für sich, sondern auch für die Familie die Lebensgrundlage zu erhalten (Senatsurteile vom 28. März 2007 - XII ZR 130/04 - FamRZ 2007, 1310, 1311 und vom 17. Oktober 2007 - XII ZR 96/05 - FamRZ 2008, 386 Rn. 23). Diese Rechtsprechung ist nicht ohne Kritik geblieben (vgl. etwa Dauner-​Lieb AcP 210 [2010], S. 580, 604; Bergschneider FamRZ 2010, 1857, 1859; Reetz FamFR 2011, 339, 341; Brudermüller NJW 2008, 3191, 3192 f.), worauf im vorliegenden Fall allerdings nicht näher eingegangen werden muss. Denn ein Fall der Funktionsäquivalenz zwischen Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich liegt hier nicht vor, weil der Ehemann während der gesamten Ehezeit beamtenrechtliche Versorgungsanwartschaften erworben hat.



23        cc) Der Senat vermag sich auch den im Schrifttum zur Fortbildung der Kernbereichslehre entwickelten Ansätzen, der Dispositionsbefugnis der Ehegatten über ihre güterrechtlichen Beziehungen von vornherein denjenigen Betrag zu entziehen, der - nach oben durch den Halbteilungsgrundsatz beschränkt - dem Betrag einer hypothetischen Vermögensbildung des auf die eigene Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise verzichtenden Ehegatten entspricht (vgl. insbesondere Dauner-​Lieb AcP 210 [2010], 580, 605 ff.; Meder FPR 2012, 113, 116), nicht anzuschließen.



24        Der Maßstab einer hypothetischen Vermögensbildung lässt sich nur schwer mit nachvollziehbaren und rechtssicheren Kriterien erfassen. Ob einem Ehegatten ein Nachteil in Form unterlassener Vermögensbildung entstanden ist, beurteilt sich nicht allein nach dessen fiktiver Erwerbsbiographie, sondern darüber hinaus nach seiner individuellen Bereitschaft und Neigung, einen Teil seiner Einkünfte unter Inkaufnahme von Konsumverzicht zur Bildung privaten Vermögens zu verwenden. Der Senat verkennt dabei keineswegs, dass er solche Betrachtungen im Einzelfall bereits für erforderlich gehalten hat (vgl. Senatsurteile vom 11. August 2010 - XII ZR 102/09 - FamRZ 2010, 1637 Rn. 33 und vom 31. Oktober 2012 - XII ZR 129/10 - zur Veröffentlichung bestimmt); als allgemeiner Maßstab zur Beschränkung der Vertragsfreiheit der Ehegatten im Güterrecht werden Hypothesen zur Vermögensbildung des haushaltführenden Ehegatten allerdings kaum Akzeptanz finden können (vgl. auch Hoppenz FamRZ 2011, 1697, 1699).



25        Von ausschlaggebender Bedeutung ist für den Senat allerdings weiterhin der Gesichtspunkt, dass die generelle Ausdehnung des Kernbereiches der Scheidungsfolgen auf das Güterrecht - wenn auch unter Zugrundelegung eines vom Halbteilungsgrundsatz abweichenden Verteilungsmaßstabs - die Grenze des zulässigen Eingriffes in die Privatautonomie der Ehegatten überschreitet. Mit dem Ausschluss des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft machen die Ehegatten lediglich von einer im Gesetz ausdrücklich eröffneten Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2007 - XII ZR 130/04 -FamRZ 2007, 1310, 1311). Die unter fairen Verhandlungsbedingungen getroffene Entscheidung der Ehegatten, sich einem anderem durch das Gesetz ausdrücklich vorgehaltenen vertraglichen (und subsidiär-​gesetzlichen) Güterstand zu unterstellen, kann für sich genommen regelmäßig nicht die Missbilligung der Rechtsordnung finden.



26        c) Auch wenn die Vereinbarung der Gütertrennung für sich genommen den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht zu rechtfertigen vermag, kann sich ein Ehevertrag im Rahmen einer Gesamtwürdigung als insgesamt sittenwidrig erweisen, wenn das Zusammenwirken aller ehevertraglichen Einzelregelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten abzielt (vgl. dazu Senatsurteile vom 12. Januar 2005 - XII ZR 238/03 - FamRZ 2005, 691, 693 und vom 9. Juli 2008 - XII ZR 6/07 - FamRZ 2008, 2011 Rn. 20 f.). Auch daraus lässt sich hier allerdings nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts eine Sittenwidrigkeit des Ehevertrages nicht herleiten.



27        Der Senat hat mehrfach betont, dass das Gesetz einen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten nicht kennt (vgl. Senatsurteile BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 604 und vom 28. März 2007 - XII ZR 130/04 - FamRZ 2007, 1309, 1310), so dass auch aus dem objektiven Zusammenspiel einseitig belastender Regelungen nur dann auf die weiter erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten geschlossen werden kann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt. Eine lediglich auf die Einseitigkeit der Lastenverteilung gegründete tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit lässt sich bei familienrechtlichen Verträgen nicht aufstellen (Senatsurteil BGHZ 178, 322 = FamRZ 2009, 198 Rn. 32 f.). Ein unausgewogener Vertragsinhalt mag zwar ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten sein. Gleichwohl wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit in der Regel nicht gerechtfertigt sein, wenn sonst außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität, insbesondere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit, hindeuten könnten (Senatsurteil vom 31. Oktober 2012 - XII ZR 129/10 -zur Veröffentlichung bestimmt; vgl. auch OLG Celle NJW-​RR 2009, 1302, 1304; Palandt/Brudermüller BGB 71. Aufl. § 1408 Rn. 10; Rauscher Familienrecht 2. Aufl. Rn. 366 m; Münch DNotZ 2005, 819, 825 f.; Bergschneider FamRZ 2007, 1246). In dieser Hinsicht geht das Berufungsgericht zu Recht davon aus, dass tragfähige Anhaltspunkte für eine subjektive Imparität im Zeitpunkt des Vertragsschlusses weder von der Ehefrau dargelegt noch sonst ersichtlich sind.



28        Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang mit Recht darauf abgestellt, dass die Parteien bei Vertragsschluss etwa gleich alt gewesen sind und angesichts ihrer Ausbildungs- und Erwerbsbiographien auch ein vergleichbarer Bildungshintergrund vorgelegen haben dürfte. Auch von einer ausgeprägten sozialen oder wirtschaftlichen Abhängigkeit der Ehefrau von dem Ehemann kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Ehefrau etwa ein Jahr vor der Eheschließung ihre Beschäftigung als Zivilangestellte bei den amerikanischen Streitkräften aufgegeben hatte und im Zeitpunkt des Vertragsschlusses arbeitslos gewesen ist. Zwar sind durchaus solche Sachverhaltsgestaltungen denkbar, in denen ein Einkommens- oder Vermögensgefälle zwischen den Ehegatten den Rückschluss auf eine gestörte subjektive Vertragsparität zulässt. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der mit dem Verlangen auf Abschluss eines Ehevertrages konfrontierte Ehegatte erkennbar in einem besonderen Maße auf die Eheschließung angewiesen ist, weil er ohne den ökonomischen Rückhalt der Ehe einer ungesicherten wirtschaftlichen Zukunft entgegensehen würde (vgl. Senatsbeschluss vom 18. März 2009 - XII ZB 94/06 - FamRZ 2009, 1041 Rn. 17). Dafür ist unter den hier obwaltenden Umständen angesichts des bisherigen beruflichen Werdeganges der bei Vertragsschluss noch jungen Ehefrau nichts ersichtlich; auch der eigene Vortrag, den die Ehefrau in diesem Verfahren zum Umfang ihrer ehebedingten Erwerbsnachteile gehalten hat, lässt nicht darauf schließen, dass sie sich selbst keine Berufschancen beigemessen hätte. Das Berufungsgericht hat auch nicht festgestellt, dass der Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses bei den amerikanischen Streitkräften und der anschließenden Arbeitslosigkeit der Ehefrau eine Vereinbarung der seinerzeit noch in nichtehelicher Partnerschaft verbundenen Parteien zugrunde lag, wonach sich die Ehefrau künftig unter Verzicht auf die Erzielung eigener auskömmlicher Erwerbseinkünfte ausschließlich der Mitarbeit im Fitnessstudio widmen sollte.



29        Auch sonstige Umstände, die eine Zwangslage der Ehefrau begründet oder sie gehindert hätten, auf Abschluss oder Inhalt des Ehevertrags Einfluss zu nehmen, sind nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht hat keine konkreten Anhaltspunkte für eine Überrumpelung der Ehefrau im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss festgestellt; zutreffend ist im Übrigen auch seine Beurteilung, dass der sich auf die Sittenwidrigkeit des Ehevertrages berufende Ehegatte nach den allgemeinen Grundsätzen für eine von ihm behauptete Drucksituation bei der Errichtung der Vertragsurkunde die Beweislast trägt (vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 2007 - XII ZR 96/05 - FamRZ 2008, 386 Rn. 26; OLG Hamm FamRZ 2012, 232, 234).
30        d) Ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt, wonach der im Ehevertrag vom 25. September 1985 vereinbarte Verzicht auf Unterhalt und Versorgungsausgleich sittenwidrig und daher nichtig sei, hat das Berufungsgericht folgerichtig geprüft, ob die von ihm angenommene Teilnichtigkeit gemäß § 139 BGB eine Gesamtnichtigkeit des Vertrages zur Folge hat. Dies konnte das Berufungsgericht jedenfalls mit Blick auf die von den Parteien vereinbarte salvatorische Klausel mit Recht verneinen.
31        Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass für die Beurteilung der Frage, ob ein Ehevertrag auch ohne einzelne sittenwidrige und daher nichtige Vertragsbestandteile geschlossen worden wäre, eine in den Vertrag aufgenommene salvatorische Klausel nicht von vornherein unbeachtlich sein muss (Senatsurteil vom 25. Mai 2005 - XII ZR 296/01 - FamRZ 2005, 1444, 1447). Andererseits hat der Senat, worauf die Revision mit Recht hinweist, auch ausgesprochen, dass dann, wenn sich das Verdikt der Sittenwidrigkeit aus der Gesamtwürdigung eines einseitig belastenden Ehevertrages ergibt, die Nichtigkeitsfolge notwendig den gesamten Vertrag erfasst, ohne dass eine Erhaltungsklausel hieran etwas zu ändern vermag (Senatsbeschluss vom 17. Mai 2006 - XII ZB 250/03 - FamRZ 2006, 1097, 1098 und Senatsurteil vom 9. Juli 2008 - XII ZR 6/07 - FamRZ 2008, 2011 Rn. 24). Denn dann erfüllt die salvatorische Klausel im Interesse des begünstigten Ehegatten die Funktion, den Restbestand eines dem benachteiligten Ehegatten aufgedrängten Vertragswerkes so weit wie möglich gegenüber der etwaigen Unwirksamkeit einzelner Vertragsbestimmungen rechtlich abzusichern; in diesem Falle spiegelt sich auch in der Vereinbarung der Erhaltungsklausel selbst die auf ungleichen Verhandlungspositionen beruhende Störung der Vertragsparität zwischen den Ehegatten wider. Lassen sich indessen - wie hier - ungleiche Verhandlungspositionen nicht feststellen, ist aus Rechtsgründen nichts dagegen zu erinnern, dass der Tatrichter seine Beurteilung, ein teilweise nichtiger Ehevertrag wäre auch ohne seine unwirksamen Bestimmungen geschlossen worden, durch das Vorhandensein einer salvatorischen Klausel gestützt sieht.
32        Es braucht deshalb auch nicht erörtert zu werden, ob dem Berufungsgericht darin gefolgt werden kann, dass der im Ehevertrag vereinbarte Unterhaltsverzicht (und zwar hinsichtlich sämtlicher Unterhaltstatbestände) und der Verzicht auf den Versorgungsausgleich bereits einer Wirksamkeitskontrolle nicht standhalten, obwohl das Berufungsgericht für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahre 1985 weder einen übereinstimmenden Kinderwunsch der Parteien noch sonstige konkrete Planungen festgestellt hat, nach denen sich die Ehefrau langfristig aus dem Erwerbsleben zurückziehen sollte.
33        2. Die Vereinbarung der Gütertrennung ist auch im Rahmen der Ausübungskontrolle nicht zu korrigieren.
34        Soweit die Regelungen eines Ehevertrages ganz oder - wie hier - bezüglich der streitbefangenen Scheidungsfolge der Wirksamkeitskontrolle standhält, muss der Richter im Rahmen einer Ausübungskontrolle prüfen, ob und inwieweit es einem Ehegatten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt ist, sich auf eine ihn begünstigende Regelung zu berufen. Entscheidend ist insofern, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige, unzumutbare Lastenverteilung ergibt. Hält die Berufung eines Ehegatten auf die getroffene Regelung der Ausübungskontrolle nicht stand, so führt dies weder zur Unwirksamkeit des Ausschlusses der gesetzlichen Scheidungsfolge noch dazu, dass die gesetzliche Regelung in Vollzug gesetzt wird. Der Richter hat vielmehr diejenige Rechtsfolge anzuordnen, die den berechtigten Belangen beider Parteien in der eingetretenen Situation in ausgewogener Weise Rechnung trägt (vgl. grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 606). Auch die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) können dabei auf Eheverträge Anwendung finden, wenn und soweit die tatsächliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von derjenigen ursprünglichen Lebensplanung abweicht, welche die Ehegatten dem Ehevertrag zugrunde gelegt haben (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 2. Februar 2011 - XII ZR 11/09 - FamRZ 2011, 1377 Rn. 16).
35        a) Die Berufung auf eine wirksam vereinbarte Gütertrennung kann sich nur unter engen Voraussetzungen als rechtsmissbräuchlich erweisen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats hindert auch der Umstand, dass sich ein Ehegatte in der Ehe der Haushaltsführung und Kindererziehung gewidmet und entgegen den Erwartungen bei Vertragsschluss Nachteile beim Aufbau einer eigenständigen Altersversorgung erlitten hat, selbst in den Fällen der Funktionsäquivalenz von Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich den anderen Ehegatten nach Treu und Glauben grundsätzlich nicht, sich auf eine von den Parteien wirksam vereinbarte Gütertrennung zu berufen (vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 2007 - XII ZR 96/05 - FamRZ 2008, 386 Rn. 34).



36        Durch den vorliegenden Fall ist keine Entscheidung zu der Frage veranlasst, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen es im Rahmen der Ausübungskontrolle geboten erscheinen kann, dem haushaltführenden Ehegatten über einen (modifizierten) Zugewinnausgleich einen Ausgleich für die in der Ehezeit entgangene Altersversorgung zu gewähren (vgl. Kogel Strategien beim Zugewinnausgleich 3. Aufl. Rn. 46; Münch FamRB 2008, 350, 353 f.). Denn die von der Ehefrau erlittenen Versorgungsnachteile sind hier systemgerecht über den Versorgungsausgleich auszugleichen. Selbst wenn der vereinbarte Verzicht auf den Versorgungsausgleich der ehevertraglichen Wirksamkeitskontrolle standhalten sollte, könnte sich der Ehemann - in Ansehung der dem Ehevertrag nachfolgenden Geburt der drei gemeinsamen Kinder und die mit deren Betreuung einhergehende eingeschränkte Erwerbstätigkeit der Ehefrau - nach Treu und Glauben auf diesen Verzicht nicht berufen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2004 - XII ZB 57/03 - FamRZ 2005, 185, 187 und Senatsurteil vom 31. Oktober 2012 - XII ZR 129/10 - zur Veröffentlichung bestimmt). Der Versorgungsausgleich wird entweder zu einer vollständigen Kompensation der Versorgungsnachteile der Ehefrau oder zu einer Halbteilung der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte führen. Für einen darüber hinausgehenden Nachteilsausgleich ist kein Raum.
37        b) Andere, für die Ausübungskontrolle maßgebliche Umstände, die den von der Ehefrau begehrten Zugewinnausgleich rechtfertigen könnten, liegen entgegen der Ansicht der Revision nicht vor.
38        aa) Soweit die Ehefrau auf ihre Mitarbeit im Fitnessstudio abstellen will, handelte es sich hierbei nach den Feststellungen des Berufungsgerichts um Tätigkeiten in einem (lediglich) geringfügigen Umfang, die im Rahmen eines sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses entfaltet wurden. Auch die Revision zeigt nicht auf, dass die Arbeitsleistung der Ehefrau im Fitnessstudio durch das ihr gezahlte Entgelt nicht angemessen vergütet worden sein könnte. In solchen Fällen der arbeitsvertraglich geregelten Ehegattenmitarbeit werden schon vermögensrechtliche Ansprüche außerhalb des ehelichen Güterrechts - etwa aufgrund eines familienrechtlichen Kooperationsvertrages - nicht gegeben sein (vgl. Büte Zugewinnausgleich bei Ehescheidung 4. Aufl. Rn. 527). Dann allerdings besteht erst recht keine Veranlassung, die Zuordnung der ehelichen Güter bei Gütertrennung über die ehevertragliche Ausübungskontrolle korrigieren zu müssen.
39        bb) Auch der weitergehende Hinweis der Revision auf die handwerklichen Arbeiten, die der Vater der Ehefrau in den 1990er Jahren bei der Errichtung des Familienheimes geleistet habe, vermag ihr nicht zum Erfolg zu verhelfen. Soweit solche Arbeitsleistungen durch den Vater der Ehefrau in der Vergangenheit erbracht worden sind, werden im Verhältnis zwischen dem Ehemann und seinem Schwiegervater gegebenenfalls Ansprüche nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eines konkludent geschlossenen familienrechtlichen Kooperationsvertrages in Betracht kommen. Bei der dort anzustellenden Beurteilung, ob sich die Beibehaltung der bestehenden Vermögenssituation für die Schwiegereltern im Sinne des § 313 BGB als unzumutbar darstellt, ist nach der Rechtsprechung des Senats das güterrechtliche Ergebnis im Verhältnis zwischen Kind und Schwiegerkind und somit die Frage, ob das eigene Kind über den Zugewinnausgleich an der Zuwendung profitiert, ohne Bedeutung (Senatsurteil BGHZ 184, 190 = FamRZ 2010, 958 Rn. 32 ff., 54). Es lässt sich schon deshalb aus dem Umstand einer schwiegerelterlichen Zuwendung für sich genommen nichts für die Annahme gewinnen, dass sich der begünstigte Ehegatte mit der Berufung auf die vereinbarte Gütertrennung treuwidrig verhalten könnte.
Dose                     Vézina                      Klinkhammer Günter                      Botur
FN 33: BGH vom 26. Juni 2013 XII ZR 133/11

Gericht:

BGH 12. Zivilsenat

Entscheidungsdatum:

26.06.2013

Rechtskraft:

ja

Aktenzeichen:

XII ZR 133/11

Dokumenttyp:

Urteil


Quelle:

 

Normen:

§ 242 BGB, § 1572 Nr 1 BGB, § 1578 BGB, § 1578b BGB, § 1581 BGB ... mehr

Zitiervorschlag:

BGH, Urteil vom 26. Juni 2013 – XII ZR 133/11 –, juris



            Scheidungsverbundverfahren mit Auslandsbezug: Beschwer für Rechtsmittel gegen den Scheidungsausspruch; Berücksichtigung der erst in der Revisionsinstanz geltend gemachten Einrede der verfahrensfehlerhaften Anwendung des Haager Unterhaltsprotokolls; Bemessung der fiktiven Erwerbsunfähigkeitsrente des aus dem Ausland stammenden Unterhaltsberechtigten nach Rückkehr in sein Heimatland bei ehebedingter Aufgabe seiner Erwerbstätigkeit; Berücksichtigung eines Erwerbstätigkeitsbonus bei der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen

Leitsatz

            1. Das Begehren eines Ehegatten, die Auflösung des Scheidungsverbundes vor einer abschließenden Entscheidung über eine Folgesache in der Rechtsmittelinstanz zu verhindern, vermag die für ein Rechtsmittel gegen den Scheidungsausspruch erforderliche Beschwer nicht zu begründen (im Anschluss an Senatsurteil vom 26. November 1986, IVb ZR 92/85, FamRZ 1987, 264).(Rn.15)

            2. Die erstmals in der Revisionsinstanz erhobene Einrede nach Art. 5 HUP ist vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn die Anwendung des Haager Unterhaltsprotokolls und des danach berufenen Sachrechts auf einem Verfahrensfehler beruht, die der Einrede zugrundeliegenden Tatsachen unstreitig sind und auch die weiteren Voraussetzungen vorliegen, die eine ausnahmsweise Berücksichtigung neuer Tatsachen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Revisionsinstanz zulassen (im Anschluss an Senatsurteile vom 14. Oktober 2009, XII ZR 146/08, FamRZ 2009, 1990 Rn. 27 und vom 21. November 2001, XII ZR 162/99, FamRZ 2002, 318, 319 mwN).(Rn.42)

            3. Gibt der aus dem Ausland stammende Unterhaltsberechtigte ehebedingt seine Erwerbstätigkeit auf und wird er später erwerbsunfähig, so ist die fiktive Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach Rückkehr in sein Heimatland so zu bemessen, als hätte er dort bis zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit durchgehend gearbeitet und einen entsprechenden Rentenanspruch erworben (im Anschluss an Senatsurteil vom 16. Januar 2013, XII ZR 39/10, FamRZ 2013, 534 Rn. 24).(Rn.77)

            4. Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nach § 1581 BGB ist ein Erwerbstätigkeitsbonus nicht zu berücksichtigen.(Rn.87)
Fundstellen
NSW BGB § 242 D (BGH-​intern)
NSW BGB § 1578 (BGH-​intern)
NSW BGB § 1578b (BGH-​intern)
NSW BGB § 1581 (BGH-​intern)
NSW BGB § 1613 (BGH-​intern)
NSW ZPO § 308 (BGH-​intern)
NSW ZPO § 559 (BGH-​intern)
NSW HUÜ Art. 8 F.: 1973 (BGH-​intern)
NSW HUP Art. 2 (BGH-​intern)
NSW HUP Art. 3 (BGH-​intern)
NSW HUP Art. 5 (BGH-​intern)
NSW HUP Art. 18 (BGH-​intern)
NSW EuUnthVO Art. 15 (BGH-​intern)
NSW EuUnthVO Art. 76 (BGH-​intern)
NJW 2013, 2662-​2668 (Leitsatz und Gründe)
FamRZ 2013, 1366-​1373 (Leitsatz und Gründe)
MDR 2013, 1227-​1229 (Leitsatz und Gründe)
IPRax 2014, 345-​349 (Leitsatz und Gründe)
IPRspr 2013, Nr 1, 1-​5 (red. Leitsatz und Gründe)
Verfahrensgang
vorgehend OLG Stuttgart 17. Senat für Familiensachen, 22. November 2011, 17 UF 133/10
vorgehend AG Nürtingen, 26. April 2010, 17 F 873/05
Diese Entscheidung wird zitiert
Rechtsprechung
Abgrenzung OLG Frankfurt 8. Senat für Familiensachen, 26. November 2021, 8 UF 159/21
Anschluss OLG Hamm 2. Senat für Familiensachen, 14. Juli 2020, II-​2 UF 241/19, ...
Vergleiche BGH 12. Zivilsenat, 8. Oktober 2014, XII ZB 318/11
Abgrenzung BGH 12. Zivilsenat, 4. September 2013, XII ZB 87/12
Kommentare
Dutta/Jacoby/Schwab, FamFG
● Borth, § 219 Beteiligte
Erman, BGB
● Maier;Schachtschneider, Vorbemerkung vor § 1569; II. Besonderheiten des Unterhaltsanspruchs; 2. Unterhaltsrechtliches Einkommen
● Maier/Schachtschneider, § 1581 Leistungsfähigkeit
● Stürner, Art 18 Koordinierung mit den früheren Haager Übereinkommen über Unterhaltspflichten
● Stürner, Art 5 Besondere Regel in Bezug auf Ehegatten und frühere Ehegatten
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Zeitschriften
Mark Schneider, FamRB 2013, 312-​313
Mark Schneider, FamRB 2013, 346-​347
Jörg-​Michael Dimmler, FamRBint 2013, 87-​88
Literaturnachweise
Michael Leipold, FamFR 2013, 399 (Anmerkung)
Norbert Heiter, FamRZ 2013, 1882-​1883 (Anmerkung)
Anatol Dutta, FamRZ 2014, 2005-​2006 (Anmerkung)
Ernst Spangenberg, FamRZ 2014, 440-​441 (Aufsatz)
Werner Gutdeutsch, FamRZ 2015, 96-​100 (Aufsatz)
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Sonstiges
Borth, Praxis des Unterhaltsrechts
● Borth, G. Bedarf sowie Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten; II. Das Maß des Unterhalts bei getrennt lebenden und geschiedenen Ehegatten; 1. Grundsatz der Bedarfsermittlung
● Borth, H. Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit nach § 1578b BGB; IV. Problem…; 1. Begriff der fortwirkenden ehebedingten Nachteile nach der Rechtsprechung des BGH
● Borth, J. Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners und Rangfolge; III. Voraussetzungen der mangelnden Leistungsfähigkeit des Verpflichteten
● Borth, J. Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners und Rangfolge; IV. Unterhaltsbestimmung im Mangelfall nach Aufhebung…; 3. Wiederbelebung der Begriffe eines relativen und absoluten Mangelfalls
● Borth, J. Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners und Rangfolge; X. Einkommen des Unterhal…; 7. Obliegenheit zu einer überobligationsmäßigen Erwerbstätigkeit bei beschränkter Leistungsfähigkeit
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Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
Fortführung BGH 12. Zivilsenat, 16. Januar 2013, XII ZR 39/10
Fortführung BGH 12. Zivilsenat, 14. Oktober 2009, XII ZR 146/08
Fortführung BGH 12. Zivilsenat, 21. November 2001, XII ZR 162/99
Fortführung BGH 4b. Zivilsenat, 26. November 1986, IVb ZR 92/85

Tenor

            Die Revision der Antragsgegnerin gegen den Scheidungsausspruch (Ziffer I 1 des Tenors) des Urteils des 17. Familiensenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 22. November 2011 wird verworfen.



            Auf die Revisionen der Parteien wird das vorgenannte Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel im folgenden Umfang aufgehoben:



            - auf die Revision der Antragsgegnerin im Tenor zu Ziffer I 3, soweit darin zu ihrem Nachteil erkannt worden ist und



            - auf die Revision des Antragstellers im Tenor zu Ziffer I 4, soweit darin zu seinem Nachteil erkannt worden ist.



            Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.



            Von Rechts wegen
Tatbestand

1          Die Antragsgegnerin begehrt von dem Antragsteller in einem Scheidungsverbundverfahren nachehelichen Unterhalt sowie einen vermögensrechtlichen Ausgleich.



2          Der Antragsteller ist deutscher Staatsangehöriger; die Antragsgegnerin ist Staatsangehörige der Schweiz. Die Parteien heirateten am 29. Juni 1990. Zwei Tage zuvor schlossen sie einen notariellen Ehevertrag. Dieser hat unter anderem folgenden Inhalt:



            "§ 1



            Gütertrennung



            Wir wollen in Gütertrennung leben und schließen deshalb den gesetzlichen Güterstand für unsere Ehe aus (...).



            Der Ehegatte, der den Haushalt versorgt, die Kinder betreut oder dem anderen im Beruf oder Gewerbe hilft, hat Anspruch darauf, dass der andere ihm regelmäßig einen angemessenen Betrag zur freien Verfügung stellt. Hat ein Ehegatte im Beruf oder Gewerbe des anderen erheblich mehr mitgearbeitet, als sein Beitrag an den Unterhalt der Familie verlangt, so hat er dafür Anspruch auf angemessene Entschädigung, sofern diese Entschädigung nicht im Rahmen eines Arbeits- oder Gesellschaftsvertrages separat geleistet wird.



            § 2



            Nachehelicher Unterhalt



            2.1 Wir verzichten gegenseitig auf jeglichen Unterhalt nach der Scheidung. Dieser Verzicht gilt jedoch nur, wenn beide Ehegatten bis zum Zeitpunkt des Getrenntlebens berufstätig waren und keine gemeinsamen natürlichen oder adoptierten minderjährigen Kinder vorhanden sind.



            2.2 Hat ein Ehegatte wegen Kindererziehung seinen Beruf zeitweise nicht ausgeübt, so ist ihm Unterhalt zu zahlen, der sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemisst, wenn er durch die Erziehung der Kinder bedingt in seinem Beruf noch nicht oder nicht voll tätig ist. Dieser Unterhalt ist so lange zu zahlen, bis sich der Ehegatte ohne Gefährdung der Kindererziehung und des Kindeswohls selbst unterhalten kann. Sollte sich diese Vereinbarung anlässlich der Ehescheidung als unwirksam erweisen, so verpflichten sich die Ehegatten, eine entsprechende angemessene Scheidungsvereinbarung unter Berücksichtigung vorgenannter und der Grundsätze von Treu und Glauben zu treffen (...).



            (...)"



3          Die Parteien lebten bis zu ihrer Trennung im Oktober 2005 gemeinsam in Deutschland. Anschließend verzog die Antragsgegnerin in die Schweiz. Aus der Ehe ist ein im Dezember 1990 geborener Sohn hervorgegangen, der bei der Antragsgegnerin lebt.



4          Die Antragsgegnerin arbeitete bis zur Eheschließung in der Schweiz als Personalberaterin und erzielte zuletzt einen Bruttolohn von 6.400 Schweizer Franken (CHF). Nach der Heirat war sie im Unternehmen des Antragstellers als geringfügig Beschäftigte angestellt. Der Antragsteller zahlte ihr ab Oktober 1990 neben Lohn und Haushaltsgeld monatliche Beträge in Höhe von 256 € bis 350 €, die mit dem Verwendungszeck "zur freien Verfügung" bezeichnet waren. Die Antragsgegnerin übernahm die Betreuung des gemeinsamen Kindes und die Haushaltsführung. Sie ist erwerbsunfähig.



5          Der Antragsteller ist Geschäftsführer und zu 49 % Gesellschafter der E.      GmbH. Er ist seit Januar 2005 Präsident der Handwerkskammer S.    . Zudem ist er Mitglied des Aufsichtsrats der Landesmesse S.     und der S.    I.   Gruppe.



6          Das Amtsgericht hat die Ehe mit Zustimmung der Antragsgegnerin geschieden. Ferner hat es den öffentlich-​rechtlichen Versorgungsausgleich durchgeführt und dabei auf das Versicherungskonto der Antragsgegnerin Rentenanwartschaften von monatlich 61 € bezogen auf den 31. Dezember 2005 übertragen. Zudem hat es den Antragsteller unter Anwendung deutschen Rechts zur Zahlung monatlichen nachehelichen Unterhalts in Höhe von 2.903 € bis einschließlich Mai 2012 sowie ab Juni 2012 in Höhe von dann noch 2.056 € verurteilt. Ferner hat es den Antragsteller verurteilt, an die Antragsgegnerin einen einmaligen Betrag von 51.366 € zuzüglich Zinsen zu zahlen. Auf die Berufungen der Parteien hat das Oberlandesgericht den Ehegattenunterhalt auf monatlich 3.081 € (davon 549 € als Alters- und 556 € als Kranken- und Pflegevorsorgeunterhalt) heraufgesetzt und die Einmalzahlung auf 46.261 € zuzüglich Zinsen reduziert. Im Übrigen hat es den Scheidungsausspruch und die Entscheidung zum Versorgungsausgleich bestätigt.



7          Hiergegen wenden sich die Parteien mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen. Dabei wendet sich der Antragssteller gegen die Verurteilung zur Zahlung nachehelichen Unterhalts und des Ausgleichsbetrags von 46.261 €. Die Antragsgegnerin wendet sich gegen den Ausspruch der Ehescheidung. Sie begehrt zudem die Zahlung höheren nachehelichen Unterhalts, ausgeurteilt in Schweizer Franken.
Entscheidungsgründe

8          Die Revision des Antragstellers ist zulässig und teilweise begründet. Die Revision der Antragsgegnerin ist teilweise unzulässig und - soweit sie zulässig ist - ebenfalls nur teilweise begründet.



9          Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-​RG noch das bis zum 31. August 2009 geltende Prozessrecht anzuwenden, weil das Verfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 10).



            A.



10        Die Revision der Antragsgegnerin gegen den Scheidungsausspruch ist unzulässig, weil die Antragsgegnerin insoweit nicht beschwert ist.



11        1. Zwar ist ein zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Ehe eingelegtes Rechtsmittel auch ohne formelle Beschwer des Rechtsmittelführers zulässig. Aus dem Ausnahmecharakter dieses Grundsatzes folgt jedoch, dass der Rechtsmittelführer in diesem Fall das Ziel der Aufrechterhaltung der Ehe eindeutig und vorbehaltlos verfolgen muss (Senatsurteil vom 26. November 1986 - IVb ZR 92/85 - FamRZ 1987, 264, 265).



12        Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die Antragsgegnerin möchte sich im Rahmen einer Eventual-​Anschlussrevision die Rücknahme ihrer Zustimmung zur Scheidung bzw. ihres eigenen Scheidungsantrags für den Fall vorbehalten, dass im Revisionsverfahren Folgesachen zu ihrem Nachteil entschieden würden. Damit fehlt es an einem vorbehaltlosen Festhalten an der bestehenden Ehe. Deshalb kann dahinstehen, ob insoweit schon die Berufung unzulässig war.



13        2. Soweit die Antragsgegnerin rügt, die Formulierung des Scheidungsausspruchs lasse nicht erkennen, auf wessen Antrag die Scheidung erfolgt sei, fehlt es ebenfalls an einer Rechtsbeeinträchtigung.



14        Die Rechtsordnung knüpft keine Folgen daran, ob die Scheidung auf den Antrag des einen oder des anderen Ehegatten ausgesprochen wird (Senatsurteil vom 26. November 1986 - IVb ZR 92/85 - FamRZ 1987, 264, 265). Es ist weder substantiiert dargetan noch sonst ersichtlich, dass die fehlende Angabe im Tenor, auf wessen Antrag die Ehe geschieden worden ist bzw. die Bezugnahme des Oberlandesgerichts auf die Begründung des Scheidungsausspruchs im amtsgerichtlichen Urteil i.S.v. § 629 a i.V.m. § 540 ZPO, einer möglichen Anerkennung des Scheidungsurteils entgegenstehen könnte.



15        3. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin vermag schließlich auch ihr Wunsch, die Auflösung des Scheidungsverbundes vor einer abschließenden Entscheidung über die Folgesachen zu verhindern, eine für die Revision erforderliche Beschwer nicht zu begründen.



16        Zwar soll mit dem Scheidungsverbund erreicht werden, dass die Scheidung erst dann ausgesprochen wird, wenn die mit ihr zusammenhängenden Folgefragen geklärt sind (vgl. § 623 Abs. 1 ZPO, s. jetzt §§ 137 Abs. 1, 142 Abs. 1 FamFG). Dieser Grundsatz gilt aber nur für die erste Instanz. Denn gemäß § 629 a Abs. 2 ZPO können Folgesachen isoliert angefochten werden. Sind mehrere Folgesachen angefochten, gilt der Scheidungsverbund nur noch für diese Folgesachen entsprechend § 623 Abs. 1 ZPO fort (vgl. Zöller/Philippi ZPO 27. Aufl. § 629 a Rn. 6).



            B.



17        Die Revisionen der Parteien haben in der Sache jeweils nur teilweise Erfolg, die Revision des Antragstellers, soweit er sich gegen die Ausgleichszahlung wendet, und die Revision der Antragsgegnerin, soweit sie einen höheren Unterhalt begehrt.



            I.



18        Das Berufungsgericht hat den Unterhaltsanspruch auf § 2 des Ehevertrages i.V.m. Art. 125 Schweizer ZGB gestützt. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Allerdings ist der vom Oberlandesgericht zugesprochene Unterhalt nach dem hier anzuwendenden deutschen Sachrecht mindestens in der ausgeurteilten Höhe gerechtfertigt.



19        1. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Ehevertrages, nach der der von der Antragsgegnerin geltend gemachte Krankheitsunterhalt nicht ausgeschlossen ist, ist entgegen der Auffassung des Antragstellers revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.



20        a) Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, nach dem Wortlaut von § 2 Ziffer 2.1 Satz 1 verzichteten die Vertragspartner zwar gegenseitig auf jeglichen Unterhalt nach der Scheidung. Dieser zunächst unbedingte Verzicht werde aber im Satz 2 stark eingeschränkt, nämlich auf den Fall, dass beide Ehegatten bis zum Zeitpunkt des Getrenntlebens berufstätig gewesen und keine gemeinsamen minderjährigen Kinder vorhanden seien. Damit seien schon nach dem Wortlaut Unterhaltsansprüche jedenfalls dann nicht mehr ausgeschlossen, wenn ein Ehegatte nicht bis zum Zeitpunkt des Getrenntlebens berufstätig habe sein können. Sei in diesem Zeitpunkt - wie hier - auch noch ein minderjähriges Kind vorhanden, gelte dies erst recht.



21        Die Gesamtumstände des Vertragsabschlusses zeigten vielmehr, dass die Eheleute den Fall der Unterhaltsbedürftigkeit wegen Krankheit gar nicht bedacht hätten. Da dem Vertrag hierzu keine bestimmte Regelung zu entnehmen sei, sei der Vertrag ergänzend dahin auszulegen, dass die Antragsgegnerin dem Grunde nach einen Anspruch auf Krankheitsunterhalt habe. Eine solche Auslegung sei auch angesichts des Umstandes, dass eine Krankheit regelmäßig schicksalsbedingt sei, nicht unbillig. Sie werde den Interessen beider Parteien gerecht, wenn die Ehegestaltung mit der Erziehung des gemeinsamen Kindes und der Aufgabe der gut dotierten Arbeitsstelle durch die Antragsgegnerin bedacht werde.



22        b) Diese Auslegung hält den Angriffen der Revision des Antragstellers stand.



23        aa) Die Auslegung von Verträgen ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten. Seine Auslegung kann vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt worden ist, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf im Revisionsverfahren gerügten Verfahrensfehlern beruht, wobei die Auslegung auch ohne entsprechende Rüge vom Revisionsgericht zu überprüfen ist (Senatsurteile vom 25. Januar 2012 - XII ZR 139/09 - FamRZ 2012, 525 Rn. 30 und BGHZ 186, 1 = FamRZ 2010, 1238 Rn. 15 mwN).



24        bb) Gemessen hieran ist die vom Oberlandesgericht vorgenommene Auslegung aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Entgegen der Rüge der Revision ist die vertragliche Unterhaltsregelung bei dieser Auslegung auch nicht "sinnlos". Denn mit der Regelung in § 2 Ziffer 2.1 haben die Parteien einen Anspruch auf eine Unterhaltsbemessung nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB bei fortdauernder Berufstätigkeit beider Ehegatten ausgeschlossen. Ohne diese Regelung müsste derjenige Ehegatte mit dem höheren Einkommen dem anderen Differenzunterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen leisten.



25        2. Das Berufungsgericht hat den Unterhaltsanspruch allerdings zu Unrecht auf Schweizer Sachrecht gestützt.



26        a) Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, auf den Unterhaltsanspruch sei nach Art. 2 des Haager Protokolls über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23. November 2007 (ABl. EU 2009 Nr. L 331, S. 19 im Folgenden: Haager Unterhaltsprotokoll/HUP) Schweizer Recht (Art. 125 Schweizer ZGB) in Verbindung mit dem Ehevertrag anzuwenden. Im Übrigen ergäbe sich kein anderes Ergebnis, wenn deutsches Recht anzuwenden wäre. Daher sei ein weiterer Hinweis entbehrlich gewesen.



27        Die Ehe sei nach deutschem Recht geschieden worden, Art. 17 Abs. 1 Satz 2, Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB. Gemäß Art. 8 Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht vom 2. Oktober 1973 (BGBl. 1986 II 837, im Folgenden: Haager Unterhaltsübereinkommen 1973/HUÜ 73) richte sich der nacheheliche Unterhalt nach dem auf die Ehescheidung angewandten Recht. Das wäre hier deutsches Recht. Durch Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 30. November 2009 sei das Haager Unterhaltsprotokoll gebilligt und festgelegt worden, dass dieses ab 18. Juni 2011 innerhalb der Gemeinschaft anzuwenden sei, selbst wenn es zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft getreten sei. Nach Art. 3 Abs. 1 HUP sei für Unterhaltspflichten das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts der unterhaltsberechtigten Person maßgebend. Das sei hier die Schweiz, da die Antragsgegnerin seit der Trennung der Parteien am 19. Oktober 2005 dort lebe.



28        Der Anwendbarkeit des Protokolls stehe nicht entgegen, dass das Verfahren schon vor dem 18. Juni 2011 eingeleitet worden sei. In einem solchen Fall sei der Zeitraum maßgeblich, für den Unterhalt verlangt werde.



29        Unschädlich sei auch, dass die Schweiz dem Protokoll bisher nicht beigetreten sei. Nach Art. 2 HUP sei es auch dann anzuwenden, wenn das darin bezeichnete Recht dasjenige eines Nichtvertragsstaats sei. Da die Schweiz allerdings zu den Staaten gehöre, die dem Haager Unterhaltsübereinkommen 1973 beigetreten seien, werde mit Hinweis auf Art. 18 des Protokolls die Auffassung vertreten, dass gegenüber diesen Staaten weiterhin die Bestimmungen jenes Übereinkommens anzuwenden seien. Dieser Auffassung, die zu einer Einführung der Gegenseitigkeit führe, sei aber nicht zu folgen.



30        b) Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision des Antragstellers im Ergebnis nicht stand.
31        Auf den geltend gemachten Unterhaltsanspruch ist deutsches Recht anzuwenden. Dabei kann dahinstehen, ob das Haager Unterhaltsprotokoll im Verhältnis zur Schweiz dem Grunde nach bzw. bezogen auf die entsprechenden Übergangsvorschriften auf den vorliegenden Fall grundsätzlich unanwendbar ist und deshalb nach dem Haager Unterhaltsübereinkommen 1973 deutsches Recht Anwendung findet. Denn jedenfalls hätte sich der Antragsteller für den Fall einer etwaigen Anwendung des Haager Unterhaltsprotokolls erfolgreich auf Art. 5 HUP berufen, womit ohnehin deutsches Sachrecht berufen wäre.



32        aa) Es ist umstritten, ob das Haager Unterhaltsprotokoll gegenüber der Schweiz überhaupt zur Anwendung gelangt, weil die Schweiz diesem Abkommen (bislang) nicht beigetreten ist.



33        Gemäß Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen vom 18. Dezember 2008 (ABl. EU 2009 Nr. L 7, S. 1 - im Folgenden: EuUnthVO) bestimmt sich das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht für die Mitgliedsstaaten, die durch das Haager Unterhaltsprotokoll gebunden sind, nach jenem Protokoll. Die EuUnthVO ist gemäß Art. 76 Abs. 3 seit dem 18. Juni 2011 anwendbar. Der Beschluss des Rates vom 30. November 2009 über den Beitritt zum Haager Unterhaltsprotokoll (Art. 4, ABl. EU Nr. L 331, S. 17) sieht die innergemeinschaftliche Billigung des Haager Unterhaltsprotokolls, die Ermächtigung zu seiner rechtsverbindlichen Unterzeichnung, die vorläufige Anwendung ab dem 18. Juni 2011 sowie eine intertemporale Überleitungsregelung in Abweichung zum Haager Unterhaltsprotokoll vor (Andrae GPR 2010, 196). Ausweislich Art. 18 HUP ersetzt dieses Protokoll im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten das Haager Unterhaltsübereinkommen 1973.



34        Da das Haager Unterhaltsprotokoll einerseits auch im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten anwendbar ist (Art. 2 HUP), die Schweiz aber andererseits - anders als beim Haager Unterhaltsübereinkommen 1973 - nicht beigetreten ist, ist streitig, ob das Haager Unterhaltsprotokoll gleichwohl auf die Schweiz anwendbar ist.



35        Die herrschende Meinung in der Literatur stellt maßgeblich auf Art. 18 HUP ab und lehnt deswegen eine Anwendung im Verhältnis zur Schweiz ab (Ring FPR 2013, 16; Henrich Internationales Scheidungsrecht 3. Aufl. Rn. 136; Erman/Hohloch BGB 13. Aufl. Art. 18 EGBGB aF/UnthProt Rn. 1; Özen/Odendahl FamRBint 2012, 11, 13; Meyer FPR 2013, 83, 87; Andrae GPR 2010, 196, 200; Palandt/Thorn BGB 72. Aufl. Art. 18 HUntProt Rn. 53).



36        Die Gegenmeinung stellt maßgeblich auf Art. 2 HUP ab, wonach das von dem Übereinkommen bestimmte Recht unabhängig vom Erfordernis der Gegenseitigkeit anzuwenden ist, auch wenn es das Recht eines Nichtvertragsstaates ist (vgl. Conti/Bißmaier FamRBint 2011, 62, 63; s. auch BT-​Drucks. 17/4887 S. 53).



37        Der Senat ist zu einer abschließenden Beantwortung dieser Streitfrage nicht berufen. Mit der Ratifikation durch die EU ist das Haager Unterhaltsprotokoll Teil der Gemeinschaftsrechtsordnung geworden. Auslegungsfragen, die vor mitgliedsstaatlichen Gerichten entstehen, sind daher dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der europäischen Union (AEUV) vorzulegen (vgl. dazu Rauscher/Pabst GPR 2011, 41, 47 und Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 9 Rn. 2). Letztlich kann die Frage aber aus den unten zu cc) dargestellten Gründen dahinstehen.



38        bb) Auch kann die - ebenfalls streitige - Frage dahinstehen, ob das Protokoll nach den entsprechenden Übergangsregelungen auf Unterhaltsverfahren Anwendung finden kann, die - wie hier - vor Anwendbarkeit der EuUnthVO, also vor dem 18. Juni 2011, eingeleitet worden sind (gegen eine Anwendung des Haager Unterhaltsprotokolls in Fällen, in denen das Verfahren vor dem 18. Juni 2011 eingeleitet worden ist, sprechen sich aus: Dimmler/Bißmaier FPR 2013, 11, 12; Erman/Hohloch BGB 13. Aufl. Art. 18 EGBGB aF/UnthProt Rn. 1; Coester-​Waltjen IPRax 2012, 528, 529; aA OLG Köln FamRZ 2012, 1509, 1510; Rauscher/Andrae Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht [Bearbeitung 2010] Einleitung HUntStProt Rn. 14; Conti/Bißmaier FamRBint 2011, 62, 64).



39        cc) Unabhängig von den genannten umstrittenen Rechtsfragen ist vorliegend im Ergebnis ohnehin deutsches Recht anzuwenden.



40        Lehnte man eine Anwendung des Haager Unterhaltsprotokolls ab, wäre nach Art. 8 HUÜ 73 für die Unterhaltspflicht zwischen geschiedenen Ehegatten das auf die Scheidung angewandte Recht maßgebend. Das ist - wie das Amtsgericht für den vorliegenden Fall zutreffend ausgeführt hat - gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EGBGB i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB deutsches Recht.



41        Bei unterstellter Anwendung des Haager Unterhaltsprotokolls ist im Ergebnis ebenfalls deutsches Sachrecht auf den Unterhaltsanspruch anzuwenden. Nach Art. 5 HUP findet Art. 3 HUP, der für Unterhaltspflichten das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts der berechtigten Person als maßgeblich anordnet, keine Anwendung, wenn eine der Parteien sich dagegen wendet und das Recht eines anderen Staates, insbesondere des Staates ihres letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, zu der betreffenden Ehe eine engere Verbindung aufweist.



42        Der Antragsteller hat sich auf Art. 5 HUP berufen. Dieser erstmals in der Revisionsinstanz geltend gemachte Einwand ist vom Senat deswegen zu berücksichtigen, weil die Anwendung des Haager Unterhaltsprotokolls und damit des Schweizer Sachrechts auf einem Verfahrensfehler beruht und auch die weiteren Voraussetzungen vorliegen, die eine Berücksichtigung neuer Tatsachen in der Revisionsinstanz zulassen.



43        (1) Der Antragsteller hat in der Revisionsinstanz ausdrücklich erklärt, dass er sich nach Art. 5 HUP gegen die Anwendung Schweizer Rechts wende.



44        Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sind die Voraussetzungen des Art. 5 HUP nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen erfüllt. Maßgeblich hierfür ist, dass das Recht eines anderen Staates, insbesondere des Staates des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Eheleute, zu der betreffenden Ehe eine engere Verbindung aufweist. In diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden. Hintergrund der als Einrede zu qualifizierenden Regelung des Art. 5 HUP (vgl. zum Begriff OLG Köln FamRZ 2012, 1509, 1510; Palandt/Thorn BGB 72. Aufl. Art. 5 HUntProt Rn. 21; Andrae GPR 2010, 196, 202 "kollisionsrechtliche Einrede") ist das Vertrauen eines Ehegatten in diejenige Rechtsordnung, der sich beide Eheleute während des Bestehens der Ehe unterstellt haben (Dimmler/Bißmaier FPR 2013,11, 14).



45        Danach ist deutsches Recht berufen. Die Eheleute haben 1990 in Deutschland geheiratet und bis zur Einleitung des Scheidungsverfahrens im Herbst 2005 in Deutschland gelebt. Der Antragsteller besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit; das gemeinsame Kind hat die deutsche Staatsangehörigkeit mit seiner Geburt erworben (vgl. § 4 Abs. 1 StAG). Da die Parteien ihre Ehe 15 Jahre lang in Deutschland gelebt haben, weist das deutsche Recht zu ihrer Ehe eine deutlich engere Verbindung auf als das Schweizer Recht. Daran ändert auch nichts, dass die Antragsgegnerin mittlerweile rund siebeneinhalb Jahre mit dem Kind in der Schweiz lebt. Im Hinblick auf die eindeutige Sachlage bedarf es entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin keiner Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV.



46        (2) Die erst in der Revisionsinstanz erhobene Einrede ist unter Berücksichtigung der hier vorliegenden Besonderheiten zu beachten.



47        (a) Zwar ist gemäß § 559 Abs. 1 ZPO neues Tatsachenvorbringen in der Revisionsinstanz grundsätzlich unbeachtlich. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO allerdings einschränkend dahin auszulegen, dass in bestimmtem Umfang auch Tatsachen, die sich erst während der Revisionsinstanz ereignen, in die Urteilsfindung einfließen können, soweit sie unstreitig sind oder ihr Vorliegen in der Revisionsinstanz ohnehin von Amts wegen zu beachten ist und schützenswerte Belange der Gegenseite nicht entgegenstehen. Der Gedanke der Konzentration der Revisionsinstanz auf die rechtliche Bewertung eines festgestellten Sachverhalts verliert nämlich an Gewicht, wenn die Berücksichtigung von neuen tatsächlichen Umständen keine nennenswerte Mehrarbeit verursacht und die Belange des Prozessgegners gewahrt bleiben. Dann kann es aus prozessökonomischen Gründen nicht zu verantworten sein, die vom Tatsachenausschluss betroffene Partei auf einen weiteren, gegebenenfalls durch mehrere Instanzen zu führenden Prozess zu verweisen. In einem solchen Fall ist vielmehr durch die Zulassung neuen Vorbringens im Revisionsverfahren eine rasche und endgültige Streitbereinigung herbeizuführen (Senatsurteile vom 14. Oktober 2009 - XII ZR 146/08 - FamRZ 2009, 1990 Rn. 27 und vom 21. November 2001 - XII ZR 162/99 - FamRZ 2002, 318, 319 mwN - hinsichtlich der Einrede der Verjährung offengelassen in BGHZ 139, 214 = NJW 1998, 2972, 2974).



48        (b) Gemessen hieran kann sich der Antragsteller in der Revisionsinstanz ausnahmsweise auf die Anwendung des Art. 5 HUP berufen.



49        (aa) Zwar hätte der Antragsteller die Einrede bereits im instanzgerichtlichen Verfahren erheben können; bei den ihr zugrunde liegenden Tatsachen handelt es sich also nicht um solche, "die sich erst während der Revisionsinstanz ereignen". Dass der Antragsteller die Einrede nicht früher erhoben hat, beruht jedoch auf einem Verfahrensfehler des Berufungsgerichts. Das Berufungsgericht hat nicht darauf hingewiesen, dass es seiner Entscheidung zum Unterhaltsrecht das Haager Unterhaltsprotokoll und damit Schweizer Sachrecht zugrunde legen werde. Damit liegt ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vor.



50        Ein Verstoß gegen die Hinweispflicht aus § 139 ZPO liegt vor, wenn das Berufungsgericht - wie hier - überraschend ausländisches Recht anwendet, die Parteien ihren Ausführungen dagegen ausschließlich deutsches Recht zugrunde gelegt haben und das Revisionsgericht an die Entscheidung des Berufungsgerichts über Bestehen und Inhalt des ausländischen Rechts gebunden ist (BGH Urteil vom 19. Dezember 1975 - I ZR 99/74 - NJW 1976, 474). Entsprechendes muss gelten, wenn das der Anwendung ausländischen Rechts vorgeschaltete Kollisionsrecht den Parteien die Möglichkeit einräumt, die Anwendung der entsprechenden Kollisionsnorm mittels einer Einrede zu verhindern.



51        Gemessen hieran hätte das Berufungsgericht auf die beabsichtigte Anwendung des Haager Unterhaltsprotokolls und damit des Schweizer Rechts hinweisen müssen. Nachdem das Amtsgericht den Unterhaltsanspruch nach deutschem Recht beurteilt hatte, hat das Berufungsgericht in seinem der angefochtenen Entscheidung vorangegangen Hinweisbeschluss den Parteien mitgeteilt, den Unterhaltsrechtsstreit nach der ehevertraglichen Regelung in Verbindung mit § 1572 BGB und damit nach deutschem Recht entscheiden zu wollen, was die Parteien - soweit ersichtlich - nicht anders gesehen haben. Deshalb konnten sie nicht damit rechnen, dass das Berufungsgericht Schweizer Recht anwenden würde. Der Antragsteller hat in seiner Revision zudem dargetan, dass er bei entsprechendem Hinweis die Einrede aus Art. 5 HUP erhoben hätte.



52        (bb) Verwehrte man dem Antragsteller in einem Fall wie dem vorliegenden die Möglichkeit, in der Revisionsinstanz eine entsprechende Einrede zu erheben, wäre dies für ihn letztlich nicht hinnehmbar. Berücksichtigte der Senat die Einrede des Antragstellers im Revisionsverfahren nicht, müsste er die Frage, welches Recht anzuwenden ist, dem Europäischen Gerichtshof vorlegen. Käme dieser zu dem Ergebnis, dass das Haager Unterhaltsprotokoll nicht anzuwenden ist, wäre über Art. 8 HUÜ 73 das auf die Scheidung angewandte Recht, also deutsches Recht maßgebend. Würde der Europäische Gerichtshof entscheiden, dass das Haager Unterhaltsprotokoll vorliegend anzuwenden sei, ist - jedenfalls im Revisionsverfahren - davon auszugehen, dass sich der Antragsteller im anschließenden Instanzverfahren auf Art. 5 HUP berufen würde mit der Folge, dass ebenfalls deutsches Recht anzuwenden wäre. Dies würde das Verfahren unnötig in die Länge ziehen und weitere Kosten verursachen, obgleich die der Einrede zugrunde liegenden Tatsachen unstreitig sind und vom Senat ohne weiteres seiner Entscheidung zugrunde gelegt werden können.



53        3. Der vom Berufungsgericht aufgrund der getroffenen Feststellungen zugesprochene Krankheitsunterhalt ist entgegen der Auffassung des Antragstellers mindestens in der ausgeurteilten Höhe auch nach deutschem Recht gerechtfertigt, und zwar aus § 1572 BGB i.V.m. dem Ehevertrag. Zu Recht rügt die Antragsgegnerin indes, dass hiernach auch ein höherer Unterhalt als zugesprochen möglich ist, weshalb ihre Revision - anders als die des Antragstellers - insoweit Erfolg hat.



54        a) Zum Unterhalt hat das Berufungsgericht ausgeführt, unter Berücksichtigung der Wertung in § 2 Ziffer 2.1 (kein Unterhalt bei voller Berufstätigkeit) und des Umstandes, dass beide Parteien bei Eheschließung in Ausbildungsberufen gearbeitet hätten, sei der Vertrag so auszulegen, dass sich der Ehegatte selbst unterhalten könne, wenn er wieder ohne Nachteil den eigenen oder einen gleichwertigen Beruf ausüben könne. Dann bilde die Fähigkeit, sich aus dem erlernten Beruf zu unterhalten, sowie das daraus erwirtschaftete Gehalt die Grenze und das Maß eines Unterhaltsanspruchs.



55        Da der kranke Ehegatte aber regelmäßig auch ohne Ehe krank geworden wäre, sei der Anspruch auf dasjenige beschränkt, was dieser Ehegatte wegen der Kindererziehung bis zur Erkrankung nicht habe erwirtschaften können und was ihm heute deshalb an Rente wegen (voller) Erwerbsminderung fehle. Das begründe einen Anspruch der Antragsgegnerin auf einen nachehelichen Unterhalt in Höhe der Differenz aus ihren tatsächlichen Rentenansprüchen wegen voller Erwerbsminderung und denjenigen, die sie ohne die Eheschließung - bei fiktiver voller Erwerbstätigkeit bis zum Eintritt ihrer Erwerbsunfähigkeit - hätte. Denn nach allen vorliegenden Anhaltspunkten wäre die Antragsgegnerin ohne Eheschließung in der Schweiz geblieben und hätte dort weiterhin gearbeitet. Sie habe aufgrund der Aufgabe ihrer Erwerbstätigkeit und der damit verbundenen Einstellung der Zahlung von Beiträgen an die schweizerische Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) gegenwärtig keine Rentenansprüche in der Schweiz.



56        Bei Fortführung der Erwerbstätigkeit bei der A.    in der Schweiz hätte die Antragsgegnerin dagegen einen Rentenanspruch aus Betriebsrente sowie aus der staatlichen Invalidenrente in Höhe von umgerechnet mindestens 3.790 € netto. Rentenansprüche könne die Antragsgegnerin erst mit Erreichen des Rentenalters von 64 Jahren geltend machen. Da sie in der Bundesrepublik Deutschland nie erwerbstätig gewesen sei, habe sie auch hier keinen Anspruch auf Rente wegen geminderter Erwerbsfähigkeit (§ 43 Abs. 2 Nr. 2, 3 SGB VI).



57        Der Umstand, dass die Antragsgegnerin sich vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit nicht wieder in das Arbeitsleben integriert habe, sei nicht maßgeblich, weil die Ehe tatsächlich über den Bestand des Zusammenlebens, also 15 Jahre lang, so gelebt worden sei. Es sei nicht ersichtlich, dass die unterlassene Vorsorge für den eingetretenen Fall der krankheitsbedingten Erwerbsunfähigkeit seitens der Antragsgegnerin allein in deren Verantwortungsbereich falle.



58        Der Antragsteller sei für den Bedarf der Antragsgegnerin nicht in vollem Umfang leistungsfähig. Ihm müsste im Wesentlichen die Hälfte seiner bereinigten Einkünfte verbleiben. Als Einkommen des Antragstellers sei das Gehalt aus seiner Geschäftsführertätigkeit bei der N.  GmbH, hälftig die Einkünfte aus der ehrenamtlichen Tätigkeit als Präsident der Handwerkskammer und als Aufsichtsrat der Landesmesse, Einkünfte aus Kapitalanlagen sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus den Immobilien B.         zugrunde zu legen.



59        Die Einkünfte als Präsident der Handwerkskammer seien als überobligatorische Tätigkeit nur zur Hälfte zu berücksichtigen (= 21.976 €). Das Amt sei neben der vollschichtigen Tätigkeit als Geschäftsführer des Familienbetriebs überobligatorisch. Es erfordere insbesondere im Herbst und im Frühjahr einen nicht zu vernachlässigenden Arbeitsaufwand von bis zu zwei Tagen pro Woche. Gleiches gelte für die Einkünfte aus der Aufsichtsratstätigkeit bei der Landesmesse. Die Einkünfte aus der Aufsichtsratstätigkeit für die S.    I.     Gruppe, die der Antragsteller erst seit Mitte des Jahres 2008 ausübe, seien dagegen nicht anrechenbar. Diese Tätigkeit beruhe auf dem persönlichen Engagement des Antragstellers. Anrechenbar seien die Mieteinkünfte aus den Immobilien in der B.     .



60        Die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge der Antragsgegnerin einschließlich des Selbstbehalts seien vom Antragsteller zu bezahlen, da die Antragsgegnerin mindestens in dieser Höhe Krankenversicherungsbeiträge auch in der Schweiz zahlen müsste, um angemessen versichert zu sein. Es sei zudem angemessen, dem Antragsteller einen Betrag in Höhe von 10 % aus Erwerbstätigkeit zu belassen.



61        Unter Berücksichtigung eines Altersvorsorgeunterhalts von 548,65 € hat das Berufungsgericht ein verbleibendes bereinigtes Einkommen des Antragstellers von 3.835,78 € ermittelt, davon 10 % in Abzug gebracht und von dem verbleibenden Betrag von 3.452,20 € die Hälfte als (restlichen) Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin ermittelt, das bedeutet: Elementarunterhalt (1.726,10 €), zuzüglich Altersvorsorgeunterhalt (548,65 €), zuzüglich Krankenversicherung für die Antragsgegnerin (525,69 €), zuzüglich Pflegeversicherung für die Antragsgegnerin (30,51 €), zuzüglich von der Antragsgegnerin in der Schweiz zu zahlenden Steuern (125 €) und schließlich zuzüglich Selbstbehalt für die Krankenversicherung der Antragsgegnerin (125 €). Daraus hat das Berufungsgericht einen Gesamtunterhaltsanspruch von 3.080,95 € errechnet.



62        Der Unterhaltsanspruch sei gegenwärtig nicht zu begrenzen. Nach Schweizer Recht sei die Ehedauer mit 15 Jahren lang und lebensprägend gewesen. Die Antragsgegnerin habe über die gesamte Zeit das gemeinsame Kind großgezogen und ihre Verdienstmöglichkeiten aufgegeben. Sie könne aufgrund ihrer Krankheit nicht mehr für sich selbst aufkommen. Auch die lange Trennungszeit führe nicht zu einer Begrenzung.



63        Eine Herabsetzung nach deutschem Recht schiede aus, weil sich der Unterhaltsanspruch bereits am angemessenen Lebensstandard orientiere, den die Antragsgegnerin im Falle einer vollen Erwerbsminderung seit 1995 in der Schweiz - also ohne die Ehe - erworben hätte.



64        Ebenso wenig käme derzeit eine Befristung nach deutschem Recht gemäß § 1578 b Abs. 2 BGB in Betracht. Als Zeitpunkt einer möglichen Herabsetzung oder zeitlichen Begrenzung des Unterhalts komme das Erreichen des gesetzlichen Rentenalters der Antragsgegnerin mit 64 Jahren (in der Schweiz) in Betracht. Dann zu erwartende Einkünfte seien heute nicht hinreichend bekannt und hingen auch nicht bloß vom Zeitablauf ab.



65        b) Dies hält den Angriffen der Revisionen nicht in allen Punkten stand.



66        aa) Der Revision des Antragstellers bleibt insoweit allerdings der Erfolg versagt.



67        (1) Nicht zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht der Antragsgegnerin, die nach revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden und von dem Antragsteller auch nicht angegriffenen Feststellungen erwerbsunfähig ist, einen Krankheitsunterhaltsanspruch i.S.d. § 1572 Nr. 1 BGB i.V.m. dem Ehevertrag zuerkannt hat.



68        (2) Soweit das Berufungsgericht den Bedarf der Antragsgegnerin nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern im Ergebnis nach ihrem angemessenen Lebensbedarf bemessen hat, ist die entsprechende Auslegung des Ehevertrages weder von den Parteien gerügt noch revisionsrechtlich zu beanstanden.



69        Danach bemisst sich ihr Bedarf nach den Einkünften, die sie ohne Ehe und Kindererziehung hätte. Nach den vom Berufungsgericht in tatrichterlicher Verantwortung getroffenen und von keiner der Parteien beanstandeten Feststellungen bezöge die Antragsgegnerin in der Schweiz eine Invalidenrente von umgerechnet jedenfalls 3.790 € netto monatlich, wenn sie bis zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit erwerbstätig geblieben wäre.



70        Dabei ist das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des vorehelich erzielten Einkommens der Antragsgegnerin von dem Höchstbetrag der Invalidenrente von 27.360 CHF im Jahr ausgegangen. Dieser Rente hat es eine fiktive betriebliche Rente hinzugerechnet. Auch die betragsmäßige Ermittlung der Betriebsrente ist von den Revisionen weder angegriffen noch sonst revisionsrechtlich zu beanstanden.



71        Allerdings ist die Steuerlast für die (fiktiven) Renteneinkünfte nach dem für Alleinstehende maßgeblichen Grundtarif zu berechnen. Da es allein um die Frage geht, welches Einkommen die Antragsgegnerin ohne Ehe und Kindererziehung erzielte, ist fiktiv auf den für Alleinstehende zutreffenden Steuertarif abzustellen (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2012 - XII ZB 670/10 - FamRZ 2013, 274 Rn. 32 zur Anwendung der Steuerklasse I ohne Kinderfreibetrag). Dann verbleiben der Antragsgegnerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts 3.790 € monatlich. Dass das Berufungsgericht die Frage nach dem maßgeblichen Steuertarif offengelassen hat, vermag der Revision des Antragstellers indes nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil das Berufungsgericht wegen der nach seiner Auffassung nur eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Antragstellers ohnehin nur einen deutlich unter diesem Bedarf liegenden Unterhalt zugesprochen hat.



72        (3) Die Rügen des Antragstellers, das Berufungsgericht hätte im Rahmen der Leistungsfähigkeit die Einkünfte aus seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Präsident der Handwerkskammer, seiner Aufsichtsratstätigkeit bei der Landesmesse und den Mieteinkünften aus den Immobilien B.          nicht berücksichtigen dürfen, weil diese auf einem in der Ehe nicht angelegten Karrieresprung beruhten bzw. die Immobilien erst nach gescheiterter Ehe angeschafft worden seien, gehen fehl.



73        Die Revision verkennt, dass es für die Frage der Leistungsfähigkeit - anders als im Rahmen der Bedarfsbemessung nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. hierzu Wendl/Gerhardt Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 4 Rn. 477) - nicht darauf ankommt, was in der Ehe angelegt ist. Maßgeblich für die Beurteilung sind vielmehr alle eheprägenden und nicht prägenden Einkünfte (Wendl/Gutdeutsch Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 4 Rn. 969; vgl. zur Berücksichtigung von Einkünften aus einem nachehelichen Karrieresprung Senatsurteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn. 47).



74        (4) Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision des Antragstellers auch insoweit stand, als das Berufungsgericht zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Begrenzung des Unterhalts nach § 1578 b BGB abgelehnt hat.



75        (a) Eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs auf den angemessenen Lebensbedarf scheidet schon deshalb aus, weil sich der Unterhaltsanspruch bereits nach diesem Bedarf bemisst. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats besteht der Maßstab des angemessenen Lebensbedarfs, der nach § 1578 b BGB regelmäßig die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts bildet, in dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte (s. etwa Senatsurteil vom 4. August 2010 - XII ZR 7/09 - FamRZ 2010, 1633 Rn. 32). Maßgeblich ist danach die (fiktive) Invalidenrente, die die Antragsgegnerin bei fortdauernder Beschäftigung in der Schweiz erzielen würde.



76        (b) Eine Befristung kommt entgegen der Auffassung der Revision des Antragstellers vor allem deshalb nicht in Betracht, weil der vom Berufungsgericht zugesprochene Unterhalt lediglich den ehebedingten Nachteil widerspiegelt, der darin besteht, dass die Antragsgegnerin infolge der Rollenverteilung in der Ehe ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben hat.



77        (aa) Nach der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteil vom 2. März 2011 - XII ZR 44/09 - FamRZ 2011, 713 Rn. 20) kann sich ein ehebedingter Nachteil wegen Aufgabe der Erwerbstätigkeit infolge der Kindererziehung und der Haushaltstätigkeit etwa dann ergeben, wenn deswegen die Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht erfüllt sind.



78        So liegt der Fall auch hier. Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden und von der Revision im Übrigen auch nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Antragsgegnerin infolge der ehebedingten Aufgabe ihrer Erwerbstätigkeit derzeit keinen Anspruch auf Invalidenrente. Dabei braucht sich die Antragsgegnerin nicht auf einen Rentenbezug in Deutschland verweisen zu lassen, da sie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ohne Eheschließung und Kinderbetreuung in der Schweiz verblieben wäre (vgl. Senatsurteil vom 16. Januar 2013 - XII ZR 39/10 - FamRZ 2013, 534 Rn. 24).



79        (bb) Zwar entfällt der sich hieraus ergebende ehebedingte Nachteil regelmäßig mit dem Beginn der Altersrente (vgl. Senatsurteil vom 2. März 2011 - XII ZR 44/09 - FamRZ 2011, 713 Rn. 20). Allerdings gilt diese Einschränkung nur für den Fall, dass durch den Versorgungsausgleich die von dem Unterhaltsberechtigten aufgrund der ehelichen Rollenverteilung erlittene Einbuße bei ihrer Altersvorsorge vollständig ausgeglichen worden ist (vgl. Senatsurteil vom 4. August 2010 - XII ZR 7/09 - FamRZ 2010, 1633 Rn. 25).



80        Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin durch den Versorgungsausgleich indes nur Rentenanwartschaften von 61 € übertragen bekommen. Dies folgt daraus, dass die Altersvorsorge des Antragstellers als Selbständiger im Wesentlichen nicht dem Versorgungsausgleich unterfiel. Damit ist deutlich, dass der Antragsgegnerin auch hinsichtlich ihrer Altersversorgung erhebliche ehebedingte Nachteile verblieben sind (vgl. auch Senatsurteil vom 4. August 2010 - XII ZR 7/09 - FamRZ 2010, 1633 Rn. 25).



81        (cc) Entgegen der Auffassung der Revision des Antragstellers kommt es für die Feststellung eines ehebedingten Nachteils auf seinen Vortrag, wonach die Antragsgegnerin jetzt einen Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente hätte, wenn sie absprachegemäß nach der "Kleinkindbetreuung" wieder in das Erwerbsleben eingetreten wäre, nicht an.



82        Gemäß § 1578 b BGB ist auf die tatsächliche Gestaltung von Kinderbetreuung und Haushaltsführung abzustellen. Bei den dort aufgeführten Kriterien handelt es sich um objektive Umstände, denen kein Unwerturteil und keine subjektive Vorwerfbarkeit anhaften, weshalb im Rahmen der Abwägung nach § 1578 b BGB nicht etwa eine Aufarbeitung ehelichen Fehlverhaltens stattfindet. Daher kann der unterhaltspflichtige Ehegatte nicht einwenden, dass er den Unterhaltsberechtigten während der Ehe zur Berufstätigkeit angehalten habe (Senatsurteile vom 16. Februar 2011 - XII ZR 108/09 - FamRZ 2011, 628 Rn. 20 und vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 27).



83        (dd) Ebenso geht der Einwand der Revision fehl, die Antragsgegnerin habe die ihr nach dem Ehevertrag überlassenen Barmittel zum Aufbau einer entsprechenden Altersvorsorge einsetzen müssen.



84        Unbeschadet der rechtlichen Einordnung der Regelung in § 1 Abs. 2 des Ehevertrages und der vom Berufungsgericht bejahten Frage, ob die hieraus getätigten Zahlungen durch den Antragsteller unzulänglich waren, ergibt sich aus dem Vertrag eindeutig, dass der jeweilige Barbetrag der Antragsgegnerin zur freien Verfügung bzw. als Entschädigung zu leisten ist. Demgemäß hat der Antragsteller in seiner Revision selbst ausgeführt, dem Begriff der "freien Verfügung" wohne eine völlige Dispositionsfreiheit inne; er schließe eine Pflicht zur Rechenschaft gerade aus. Damit fehlt es aber an einer Obliegenheit der Antragsgegnerin, diese Zahlungen für eine angemessene Altersversorgung einzusetzen.



85        (ee) Bei fortbestehenden ehebedingten Nachteilen ist eine Befristung des nachehelichen Unterhalts regelmäßig nicht auszusprechen. Eine Befristung kommt dann nur unter außergewöhnlichen Umständen in Betracht (Senatsurteil vom 16. Februar 2011 - XII ZR 108/09 - FamRZ 2011, 628 Rn. 24), wofür nach den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen nichts ersichtlich ist.



86        bb) Demgegenüber hat die Revision der Antragsgegnerin teilweise Erfolg.



87        (1) Gemäß § 1581 BGB darf der eigene angemessene Unterhalt des Unterhaltspflichtigen nicht geringer sein als der an den Unterhaltsberechtigten zu leistende Betrag (vgl. Senatsurteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn. 33 mwN). Allerdings ist bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit - anders als beim Bedarf - kein Erwerbstätigkeitsbonus in Abzug zu bringen (vgl. auch Kleffmann in Scholz/Kleffmann/Motzer Praxishandbuch Familienrecht [Stand Januar 2013] H 132 f.; aA Eschenbruch/Schürmann Der Unterhaltsprozess 5. Aufl. Kap. 1 Rn. 1104 ff., 1106 unter Hinweis auf OLG Düsseldorf FamRZ 1990, 1364, 1365). Bei der Billigkeitsabwägung nach § 1581 BGB ist das gesamte unterhaltsrelevante Einkommen namentlich des Unterhaltspflichtigen einzubeziehen. Das schließt auch Einkünfte aus einem nachehelichen Karrieresprung ein (vgl. Senatsurteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn. 47 mwN).



88        Ob eine Tätigkeit des Unterhaltspflichtigen hingegen als überobligatorisch zu qualifizieren ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. hierzu Wendl/Gerhardt Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 1 Rn. 828, 831 mwN). Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das Einkommen aus überobligatorischer Tätigkeit für den Unterhalt heranzuziehen ist, ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (Senatsurteile vom 31. Oktober 2012 - XII ZR 30/10 - FamRZ 2013, 191 und BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454 Rn. 23 ff. mwN).



89        (2) Diesen Grundsätzen zur Leistungsfähigkeit wird das Berufungsurteil nicht in jeder Hinsicht gerecht.



90        (a) Zutreffend hat das Berufungsgericht zwar erkannt, dass der eigene angemessene Unterhalt des Unterhaltspflichtigen nicht geringer sein darf als der an den Unterhaltsberechtigten zu leistende Betrag.



91        (b) Allerdings vermag das Berufungsurteil die Nichtberücksichtigung der Einkünfte des Antragstellers aus seiner Aufsichtsratstätigkeit bei der S.   I.    Gruppe nicht zu rechtfertigen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers kommt es dabei nicht auf den Umstand an, dass er diese Tätigkeit erst nach der Trennung aufgenommen hat. Denn bei der Leistungsfähigkeit geht es nicht um die Frage, ob es sich um eheprägende Einkünfte handelt. Vielmehr sind hier grundsätzlich alle Einkünfte zu berücksichtigen. Deshalb ist es auch unerheblich, dass die Tätigkeit nach den getroffenen Feststellungen auf dem persönlichen Engagement des Antragstellers beruht. Eine (teilweise) Nichtberücksichtigung dieser Einkünfte ließe sich allenfalls aus dem Gesichtspunkt einer überobligatorischen Tätigkeit herleiten. Hierzu fehlt es indes an den erforderlichen Feststellungen.



92        (c) Soweit das Berufungsgericht in Einklang mit dem Amtsgericht von den Einkünften des Antragstellers aus seinem Amt als Präsident der Handwerkskammer und seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat der Landesmesse unter dem Gesichtspunkt einer überobligatorischen Tätigkeit jeweils nur die Hälfte zugrunde gelegt hat, unterliegt diese Entscheidung dem tatrichterlichen Ermessen. Sie ist vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen vertretbar. Danach erfordere die Nebentätigkeit insbesondere im Herbst und Frühjahr einen nicht zu vernachlässigenden Arbeitsaufwand von zwei Tagen pro Woche neben der Vollzeittätigkeit in seiner Funktion als Geschäftsführer. Diese Erwägungen sind - wie der Antragsteller in seiner Revisionserwiderung zu Recht ausführt - aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.



93        (d) Allerdings hat das Berufungsgericht zu Lasten der Antragsgegnerin einen auf Seiten des Antragstellers bestehenden Wohnvorteil unberücksichtigt gelassen.



94        Nach den von dem Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Amtsgerichts bewohnt der Antragsteller seit Januar 2009 ein in seinem hälftigen Miteigentumsanteil stehendes Haus. Der Vorteil des mietfreien Wohnens im eigenen Haus ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich als Gebrauchsvorteil unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 18. Januar 2012 - XII ZR 177/09 - FamRZ 2012, 514 Rn. 29 und vom 5. März 2008 - XII ZR 22/06 - FamRZ 2008, 963 Rn. 11 ff. jew. mwN). Auf die Frage, ob der Wohnvorteil eheprägend war, kommt es nach dem oben Gesagten nicht an.



95        (3) Soweit die Antragsgegnerin mit ihrer Revision die Tenorierung der Unterhaltsverpflichtung in Schweizer Franken begehrt, hat sie indes keinen Erfolg.



96        (a) Grundsätzlich kann der Unterhaltspflichtige allerdings aus Gründen der gegenseitigen Rücksichtspflicht verlangen, dass er die Geldrente in der betreffenden Fremdwährung entrichten darf (Senatsbeschluss vom 9. Mai 1990 - XII ZB 133/88 - FamRZ 1990, 992, 993; Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 9 Rn. 94).



97        (b) Zutreffend weist die Revisionserwiderung des Antragstellers allerdings darauf hin, dass einer Verurteilung in Schweizer Franken bereits § 308 Abs. 1 ZPO entgegensteht.



98        Unstreitig hat die Antragsgegnerin beantragt, ihr den Unterhalt in Euro auszuzahlen. Dass es sich hierbei um einen - von Amts wegen zu berichtigenden - Schreibfehler handeln könnte, erscheint nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die Antragsgegnerin bereits beim Amtsgericht beantragt hatte, den Unterhalt in Euro zu tenorieren, fernliegend.



99        Nach der Rechtsprechung des Senats sind die in ausländischer Währung ausgedrückte Geldschuld (Valutaschuld) und eine auf die inländische Währung lautende Geldschuld nicht gleichartig. Dementsprechend darf, wenn der Klageantrag auf Zahlung in ausländischer Währung gerichtet ist, das Gericht nicht zur Zahlung in inländischer Währung verurteilen (vgl. BGH Urteil vom 7. April 1992 - X ZR 119/90 - IPRax 1994, 366). Entsprechendes gilt für den umgekehrten Fall, wenn - wie hier - der Klageantrag auf inländische Währung (Euro) gerichtet ist, im Ergebnis aber eine Verurteilung in ausländischer Währung gewünscht wird (s. auch Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 9 Rn. 94).


II.



100       Soweit das Berufungsgericht der Antragsgegnerin einen Vermögensausgleich zugesprochen hat, hält das Berufungsurteil den Angriffen der Revision des Antragstellers nicht stand.



101       1. Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, der Antragsgegnerin stehe ein solcher Anspruch aus § 1 Abs. 2 des Ehevertrages zu. Die Situation der Eheleute bei Vertragsschluss spreche dafür, dass mit dieser Regelung dem Ehegatten, der aufgrund der Kindererziehung eigenes Vermögen nicht in dem Maße aufbauen könne, wie der arbeitende Ehegatte, jedenfalls auch eine Ausgleichszahlung zum Zwecke der Vermögensbildung habe zugesichert werden sollen. Die Regelung in § 1 Abs. 2 sei allerdings dahin auszulegen, dass in dem Betrag auch Taschengeld enthalten gewesen sei. Der Betrag "zur freien Verfügung" lege begrifflich nahe, dass die Antragsgegnerin hierüber keine Rechenschaft abzulegen habe. Die Verortung des Betrages unter der Überschrift "Gütertrennung" hindere die Auslegung (auch) als Teil des Familienunterhaltsanspruchs angesichts der fehlenden Klarheit und Zweckbestimmung durch die Parteien nicht.



102       Als Maßstab für die Angemessenheit des Betrags sei die Lebensversicherung des Antragstellers heranzuziehen. Es sei von der Hälfte der hierfür eingezahlten Beträge auszugehen. Demgegenüber sei entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht auf den Auszahlungsbetrag zur Fälligkeit der Lebensversicherung abzustellen. Die Antragsgegnerin begründe ihre Forderung damit, dass die Lebensversicherung die Altersversorgung und ihre Absicherung dargestellt habe. Nach ihrem Vortrag sei eine konkludent einverständliche Abkehr vom Ehevertrag und die Errichtung einer Ersatzvereinbarung erfolgt. Dagegen spreche aber der Umstand, dass der Antragsteller auch nach Abschluss der Lebensversicherung weiterhin monatliche Beträge "zur freien Verfügung" gezahlt habe. Es sei auch nicht auf den bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags angesparten Betrag abzustellen, wie das Amtsgericht es getan habe. Die Auffassung des Amtsgerichts folge aus dem Umstand, dass es die gesamten Beträge zur freien Verfügung als Taschengeld klassifiziert habe. Dem sei nicht zu folgen.



103       Zur Berechnung des Zahlungsanspruchs sei von dem "zur freien Verfügung" gezahlten Betrag der jeweils errechnete Taschengeldanspruch abzuziehen. Die Differenz sei wiederum vom hälftigen Lebensversicherungsbeitrag abzuziehen. Das Ergebnis stelle den Betrag dar, den der Antragsteller nicht geleistet habe und noch zahlen müsse, um insgesamt seiner Verpflichtung aus § 1 Abs. 2 des Ehevertrages zu genügen.



104       In der Summe ergebe dies einen nicht verzinsten Betrag von gerundet 38.753 €. Werde das anwachsende Kapital kontinuierlich mit durchschnittlichen 3 % verzinst, ergebe sich der zugesprochene Betrag von gerundet 46.261 €.



105       2. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision des Antragstellers nicht stand.



106       a) Frei von Rechtsfehlern und von der Revision zugestanden ist die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der Regelung in § 1 Abs. 2 des Ehevertrages, wonach die dort vom Antragsteller übernommene Verpflichtung, der Antragsgegnerin "regelmäßig einen angemessenen Betrag zur freien Verfügung" zu stellen, jedenfalls auch laufende Zahlungen zur Vermögensbildung beinhaltet. Ebenso wenig ist es revisionsrechtlich zu beanstanden, dass das Berufungsgericht das Bestehen einer - konkludent geschlossenen und über die Regelung des Ehevertrages hinausgehende - Ersatzvereinbarung abgelehnt hat, woraus die Antragsgegnerin im Ergebnis einen güterrechtlichen Ausgleichsanspruch in Form einer einmaligen Kapitalzahlung hätte verlangen können.



107       b) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch im Nachhinein einen Betrag bestimmt, der seiner Auffassung nach "angemessen" i.S.d. ehevertraglichen Regelung sein soll, und unter Berücksichtigung geleisteter Zahlungen Rückstände errechnet, diese addiert und der Antragsgegnerin als Gesamtsumme zuerkannt. Dabei hat das Berufungsgericht verkannt, dass nach den von ihm getroffenen Feststellungen - worauf die Revision zutreffend hinweist - davon auszugehen ist, dass der Antragsteller die Zahlungspflicht aus § 1 Abs. 2 Satz 1 des Ehevertrages gemäß § 362 Abs. 1 BGB tatsächlich erfüllt hat. Er hat der Antragsgegnerin danach monatlich Haushaltsgeld, Lohn und einen Betrag zur freien Verfügung gezahlt. Das Geld hat die Antragsgegnerin jeweils entgegengenommen und verbraucht. Dies entsprach der langjährigen Übung der Parteien in der Ehe, weshalb davon auszugehen ist, dass sie die gezahlten Beträge als angemessen und damit vertragsgemäß angesehen haben. Dass sich die Antragsgegnerin bei der Entgegennahme der Zahlungen vorbehalten hätte, die Leistung sei nur unvollständig und deshalb nicht vertragsgemäß erbracht worden, ist nicht festgestellt (§ 363 BGB).



108       Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Angemessenheit der während der Ehe geleisteten Zahlungen nicht nachträglich abweichend von den Vorstellungen der Parteien beurteilt werden. Dass die Eheleute keinen festen Betrag vereinbart haben, spricht dafür, dass sie die Zahlungen der Höhe nach ihrer jeweils aktuellen Situation anpassen wollten. Hätten die Parteien eine andere Regelung treffen wollen, wäre es ihnen unbenommen geblieben, etwa durch eine Bezifferung einen - dann jedenfalls am Beginn der Ehezeit - angemessenen Betrag zu bestimmen. Alternativ hierzu hätten sie auch vereinbaren können, dass am Ende der Ehe ein angemessener (Einmal-​) Betrag zu leisten wäre. Weil die Parteien dies nicht vereinbart haben, kann eine solche Abrede auch nicht Grundlage des begehrten Ausgleichsanspruchs sein.



            III.



109       Gemäß § 562 Abs. 1 ZPO ist das Berufungsurteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben. Insoweit ist die Sache nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Der Senat vermag in der Sache nicht abschließend zu entscheiden, da sie nicht entscheidungsreif ist, § 563 Abs. 3 ZPO.



110       Das gilt auch für den Antrag auf Zahlung eines Vermögensausgleichs. Die Antragsgegnerin hat mit ihrer hierzu erhobenen Gegenrüge den Ausschluss des Zugewinnausgleichs angegriffen. Das Berufungsgericht wird demgemäß jedenfalls zu überprüfen haben, ob dieser angesichts der tatsächlichen Ausgestaltung der regelmäßigen Zahlungen nach § 1 Abs. 2 Satz 1 des Ehevertrages und des Eintritts der krankheitsbedingten Erwerbsunfähigkeit der Ausübungskontrolle standhält. Dabei wird es auch Gelegenheit haben, sich auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats mit der Frage zu befassen, wie sich die hier gegebene Funktionsäquivalenz zwischen Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich auf die Frage der Ausübungskontrolle auswirkt (vgl. Senatsurteil vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 35 f.).
Dose         Weber Monecke      KlinkhammerSchilling         Nedden-​Boeger
Book design is the art of incorporating the content, style, format, design, and sequence of the various components of a book into a coherent whole. In the words of Jan Tschichold, "Methods and rules that cannot be improved upon have been developed over centuries. To produce perfect books, these rules must be revived and applied." The front matter, or preliminaries, is the first section of a book and typically has the fewest pages. While all pages are counted, page numbers are generally not printed, whether the pages are blank or contain content.
FN 33: BGH vom 08.10.2014, XII ZB 318/11

Gericht:

BGH 12. Zivilsenat

Entscheidungsdatum:

08.10.2014

Rechtskraft:

ja

Aktenzeichen:

XII ZB 318/11

Dokumenttyp:

Beschluss


Quelle:

 

Normen:

§ 138 BGB, § 242 BGB

Zitiervorschlag:

BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2014 – XII ZB 318/11 –, juris



            Ehevertraglicher Ausschluss des Versorgungsausgleichs: Ausübungskontrolle in einer Doppelverdienerehe von Freiberuflern

Leitsatz

            Zur Ausübungskontrolle bei einem ehevertraglichen Verzicht auf den Versorgungsausgleich in einer Doppelverdienerehe von Freiberuflern.(Rn.22)

Orientierungssatz

            1. Haben Ehegatten, die jeweils als Freiberufler in eigener (Groß-​)Praxis als Zahnarzt bzw. Physiotherapeutin arbeiteten, vor der Eheschließung (im Jahre 1994) ehevertraglich den Ausschluss des Versorgungsausgleichs, Gütertrennung und einen - teilweisen - Unterhaltsverzicht vereinbart, hält dieser Ehevertrag der Wirksamkeitskontrolle am Maßstab des § 138 BGB stand.(Rn.20)

            2. Soweit ein Ehevertrag - wie hier - der Wirksamkeitskontrolle standhält, muss der Richter im Rahmen einer Ausübungskontrolle prüfen, ob und inwieweit ein Ehegatte die ihm durch den Vertrag eingeräumte Rechtsmacht missbraucht (§ 242 BGB), wenn er sich im Scheidungsfall gegenüber einer vom anderen Ehegatten begehrten gesetzlichen Scheidungsfolge darauf beruft, dass diese Rechtsfolge durch den Vertrag wirksam abbedungen sei. Entscheidend ist insofern, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige und nach Treu und Glauben unzumutbare Lastenverteilung ergibt.(Rn.22)

            3. Durch die richterliche Anpassung von Eheverträgen im Wege der Ausübungskontrolle sollen ehebedingte Nachteile ausgeglichen werden. Der Ehegatte kann daher durch die Anpassung des Ehevertrags nicht besser gestellt werden, als er ohne die Ehe und die mit der ehelichen Rollenverteilung einhergehenden Dispositionen über Art und Umfang seiner Erwerbstätigkeit stünde.(Rn.26)

            4. Sind die Ehegatten einvernehmlich, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, von der ursprünglichen Lebensplanung dergestalt abgewichen, dass die Ehefrau ehebedingt ihre Großpraxis aufgab und eine Einzelpraxis im Familienheim eröffnete, lassen sich aber gleichwohl keine ehebedingten Nachteile der Ehefrau im Hinblick auf den Aufbau von Versorgungsanrechten feststellen, scheidet eine Anpassung des Ehevertrags im Hinblick auf den Ausschluss des Versorgungsausgleichs aus.(Rn.27)

            5. Nur ausnahmsweise kann es in Fällen der Funktionsäquivalenz von Versorgungs- und Zugewinnausgleich besondere Sachverhaltskonstellationen geben, in denen ein "Hinübergreifen" auf das andere vermögensbezogene Ausgleichssystem im Rahmen der Ausübungskontrolle in Betracht gezogen werden kann (vergleiche BGH, 21. November 2012, XII ZR 48/11, FamRZ 2013, 269 und BGH, 26. Juni 2013, XII ZR 133/11,FamRZ 2013, 1366). Eine solche Ausnahme greift aber im vorliegenden Sachverhalt einer Doppelverdienerehe zweier selbständiger Ehegatten nicht. Diese Überlegungen haben solche Fälle im Blick, in denen ein Haushalt führender Ehegatte, der zugunsten der Familienarbeit auf die Ausübung einer versorgungsbegründenden Erwerbstätigkeit verzichtet hat, im Falle der Scheidung im Versorgungsausgleich keine Kompensation für seine Nachteile beim Aufbau von Versorgungsvermögen erlangt, weil sein (selbständig) erwerbstätiger Ehegatte aufgrund seiner individuellen Vorsorgestrategie keine nennenswerten Versorgungsanrechte erworben, sondern seine Altersvorsorge bei vereinbarter Gütertrennung allein auf die Bildung von Privatvermögen gerichtet hat.(Rn.30)

Fundstellen
NSW BGB § 242 Cd (BGH-​intern)
MDR 2014, 1394-​1395 (Leitsatz und Gründe)
FamRZ 2014, 1978-​1982 (Leitsatz und Gründe)
ZNotP 2014, 343-​348 (Leitsatz und Gründe)
NZFam 2014, 1132-​1137 (Leitsatz und Gründe)
NJW 2015, 52-​55 (Leitsatz und Gründe)
DNotZ 2015, 131-​137 (Leitsatz und Gründe)
Verfahrensgang
vorgehend KG Berlin Senat für Familiensachen, 19. Mai 2011, 13 UF 136/10, Beschluss
vorgehend AG Tempelhof-​Kreuzberg, 20. Mai 2010, 134 F 4506/09
Diese Entscheidung wird zitiert
Rechtsprechung
Anschluss Brandenburgisches Oberlandesgericht 4. Senat für Familiensachen, 5. Juli 2018, 13 UF 117/17
Fortführung BGH 12. Zivilsenat, 20. Juni 2018, XII ZB 84/17
Kommentare
Erman, BGB
● Heinemann, § 1414 Eintritt der Gütertrennung
● Norpoth;Sasse, § 8 Besondere materielle Wirksamkeitsvoraussetzungen; II. Inhalts- und Ausübungskontrolle
Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-​BGB
● Breuers, 10. Auflage 2023, § 8 VersAusglG
● Hausch, 10. Auflage 2023, § 1408 BGB
Staudinger, BGB
● Löhnig, Vorbemerkungen zu §§ 1408–1413; II. Vertragsfreiheit im ehelichen Güterrecht; 4. Grenzen der Ehevertragsfreiheit; a) Zwingende gesetzliche Vorschriften; aa) Wirksamkeitskontrolle 2023
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Zeitschriften
Herbert Grziwotz, FamRB 2015, 4-​5
Literaturnachweise
Rainer Kanzleiter, DNotZ 2015, 138-​140 (Anmerkung)
Ludwig Bergschneider, FamRZ 2014, 1982-​1983 (Anmerkung)
Rainer Hoppenz, FamRZ 2015, 630-​632 (Entscheidungsbesprechung)
Anne Sanders, FF 2015, 260-​261 (Anmerkung)
Jürgen Soyka, FuR 2015, 224-​227 (Anmerkung)
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Sonstiges
Bergschneider, Familienvermögensrecht
● Bergschneider, D. Eheverträge; IV. Richterliche Inhaltskontrolle von Eheverträgen (Güterrecht und Versorgungsausgleich)
● Hauß, 6. Abschnitt; I. Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich
Duderstadt, Scheidung und Scheidungsfolgen
● Jochen Duderstadt, 2 Eheverträge und Scheidungsfolgenvergleiche; 2.3 Ausübungskontrolle
Rahm/Künkel, Handbuch Familien- und Familienverfahrensrecht
● Schwonberg, B. Elemente der Inhaltskontrolle; M Formulierungsvorschlag für den Ausschluss von nach der Trennung erworbenen Versorgungsanrechten
● Schwonberg, B. Elemente der Inhaltskontrolle; M Formulierungsvorschlag für die Herausnahme einzelner Vermögensgegenstände aus dem Zugewinnausgleich
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Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
Vergleiche BGH 12. Zivilsenat, 26. Juni 2013, XII ZR 133/11
Vergleiche BGH 12. Zivilsenat, 21. November 2012, XII ZR 48/11

Tenor
            Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 13. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 19. Mai 2011 aufgehoben.

            Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Tempelhof-​Kreuzberg vom 20. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

            Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden der Antragsgegnerin auferlegt.

            Beschwerdewert: 2.000 €
Gründe

            I.



1          Die Parteien streiten im Scheidungsverbund über die Folgesache Versorgungsausgleich und in diesem Zusammenhang insbesondere darüber, ob ein ehevertraglich vereinbarter Ausschluss des Versorgungsausgleichs der Ausübungskontrolle standhält.



2          Der 1947 geborene Antragsteller und die 1959 geborene Antragsgegnerin schlossen am 26. Mai 1994 ihre Ehe, aus der keine gemeinsamen Kinder hervorgegangen sind. Kurz vor der Eheschließung hatten die Parteien am 18. Mai 1994 einen notariell beurkundeten Ehevertrag geschlossen, in dem sie den Güterstand der Gütertrennung vereinbarten und den Versorgungsausgleich für den Fall der Scheidung ausschlossen. Ferner verzichteten die Parteien wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt mit Ausnahme des Betreuungsunterhalts. Beide Eheleute brachten jeweils ein minderjähriges Kind aus einer früheren Ehe in die Verbindung mit, und zwar der (verwitwete) Antragsteller einen 1983 geborenen Sohn und die (geschiedene) Antragsgegnerin eine 1984 geborene Tochter. Der Scheidungsantrag wurde am 23. April 2009 zugestellt.



3          Der Antragsteller ist Zahnarzt in eigener Praxis. Er hat während der gesetzlichen Ehezeit zwischen dem 1. Mai 1994 und dem 31. März 2009 volldynamische Anwartschaften auf eine berufsständische Versorgung bei dem Beteiligten zu 2 (Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin) in monatlicher Höhe von 772,13 € erworben.



4          Die Antragsgegnerin ist Physiotherapeutin. Im Zeitpunkt der Eheschließung betrieb sie eine eigene Großpraxis mit acht Angestellten, die sie 1988 für einen Kaufpreis von umgerechnet rund 92.000 € erworben hatte. Zur Finanzierung des Praxiserwerbs hatte sie einerseits einen Kontokorrentkredit über umgerechnet rund 25.000 € und andererseits ein tilgungsfreies Darlehen bei der B.-​Bank über umgerechnet rund 71.000 € in Anspruch genommen, welches im Jahr 2002 über die Auszahlung einer kapitalbildenden Lebensversicherung bei der K.-​Versicherung zurückgeführt werden sollte. Daneben hatte die Antragsgegnerin im Jahr 1991 zur Vermögensbildung eine fondsgebundene Lebensversicherung mit Rentenwahlrecht bei der N.-​Versicherung eingerichtet, die mit monatlichen Beiträgen in Höhe von umgerechnet rund 500 € zu bedienen war und im Jahr 2009 zur Auszahlung kommen sollte. Die Antragsgegnerin hat in der Ehezeit keine dem Versorgungsausgleich unterliegenden Versorgungsanrechte erworben. Aus vorehelichen Zeiten verfügt die Antragsgegnerin über Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in monatlicher und auf das Ende der Ehezeit bezogener Höhe von 419,27 € (15,7856 Entgeltpunkte), die etwa zur Hälfte aus einem zu ihren Gunsten durchgeführten Versorgungsausgleich nach Scheidung ihrer ersten Ehe herrühren.



5          Im Jahr 1996 veräußerte die Antragsgegnerin ihre Praxis nebst Patientenstamm für einen Kaufpreis von umgerechnet rund 141.000 € und richtete eine neue physiotherapeutische Einzelpraxis im damaligen Familienheim der Eheleute ein, welches eine Gesamtwohnfläche von etwa 400 qm hatte und im Alleineigentum des Antragstellers stand; diese Immobilie war zuvor umfangreich umgebaut worden. Den Verkaufserlös für die Praxis verwendete die Antragsgegnerin unter anderem zur Rückführung ihres Kontokorrentkredits und zur weiteren Bedienung der Prämien für die Tilgungslebensversicherung bei der K.-​Versicherung. Ferner brachte sie einen Teil des Erlöses auch in die Umbaumaßnahmen ein. Die Tilgungslebensversicherung bei der K.-​Versicherung wurde im Jahr 2002 mit einer Ablaufleistung von rund 103.000 € fällig und insbesondere zur Ablösung des noch mit 71.000 € valutierenden Kredits der Antragsgegnerin bei der B.-​Bank eingesetzt.



6          Nachdem der Antragsteller im Jahr 2003 einen Unfall infolge eines epileptischen Anfalls erlitten hatte, verkaufte er das vormalige Familienheim. Die Parteien bezogen vorübergehend eine Mietwohnung. Im Jahr 2006 kauften sie gemeinsam ein Einfamilienhaus, dessen Erwerb durch einen Kredit finanziert wurde. Im Zusammenhang mit dem Immobilienerwerb löste die Antragsgegnerin ihre fondsgebundene Lebensversicherung bei der N.-​Versicherung mit einem Rückkaufswert von rund 61.000 € auf und brachte diesen Betrag in Investitionen für das gemeinsame Haus und die Kosten des Umzugs ein. Nach dem Umzug richtete die Antragsgegnerin ihre physiotherapeutische Praxis, die sie zuvor schon in die Mietwohnung verlegt hatte, nunmehr in der gemeinsamen Immobilie ein. Der jährliche Bruttogewinn aus der selbständigen Tätigkeit der Antragsgegnerin als Physiotherapeutin, der beim Betrieb der Großpraxis in den Jahren 1993 bis 1996 zwischen 50.000 € und 60.000 € gelegen hatte, sank in den Jahren 1998 bis 2007 in der - in den verschiedenen Wohnimmobilien geführten - Einzelpraxis auf etwa 5.000 € bis 25.000 € ab. Das gemeinsame Einfamilienhaus der Eheleute hatte am Ende der Ehezeit einen Wert von 320.000 €; die darauf ruhenden Finanzierungsverbindlichkeiten valutierten noch mit rund 200.000 €.



7          Das Amtsgericht hat die Ehe durch Urteil vom 20. Mai 2010 geschieden und die Durchführung des Versorgungsausgleichs zugunsten der Antragsgegnerin abgelehnt. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Beschwerdegericht den Versorgungsausgleich nach früherem Recht uneingeschränkt durchgeführt, indem es zulasten der Versorgung des Antragstellers im Wege der Realteilung bei dem Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin zugunsten der Antragsgegnerin monatliche und auf den 31. März 2009 bezogene Rentenanwartschaften in Höhe von 386,07 € begründet hat.



8          Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der er eine Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstrebt.



            II.



9          Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-​RG und § 48 Abs. 1 VersAusglG noch das bis zum 31. August 2009 geltende Prozessrecht und materielle Recht anzuwenden, weil das Verbundverfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet und eine Endentscheidung zum Versorgungsausgleich im ersten Rechtszug vor dem 31. August 2010 erlassen worden ist (vgl. Art. 111 Abs. 5 FGG-​RG, § 48 Abs. 3 VersAusglG).



            III.



10        Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.



11        1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner in FamRZ 2011, 1587 veröffentlichten Entscheidung das Folgende ausgeführt:



12        Eine Nichtigkeit des Ehevertrags vom 18. Mai 1994 stehe nicht in Rede, auch wenn sich die Antragsgegnerin darauf berufen habe, erst acht Tage vor der Hochzeit mit dem Vertrag konfrontiert worden zu sein. Die Antragsgegnerin habe insoweit nicht einmal hinreichend dargelegt, dass die im Vertrag enthaltenen Vereinbarungen inhaltlich mit ihr vorher nicht besprochen worden seien. Vielmehr habe sie selbst vorgetragen, dass sich die Eheleute schon vor der Hochzeit grundsätzlich darüber einig gewesen seien, auch nach der Heirat wirtschaftlich selbständig bleiben und vollschichtig in ihren eigenen Betrieben weiterarbeiten zu wollen. Die Antragsgegnerin sei als Inhaberin einer großen Physiotherapiepraxis mit mehreren Angestellten auch nicht in einer grundlegend unterlegenen Position gewesen. Allein der Umstand, dass die Hochzeitsvorbereitungen vergeblich gewesen wären, wenn der Antragsteller bei Verweigerung des Ehevertragsschlusses die Hochzeit abgesagt hätte, könne keinen subjektiv unlösbaren Konflikt begründen, der den Vertrag deshalb als eine evident einseitige Übervorteilung erscheinen lasse.



13        Allerdings halte der vereinbarte Ausschluss des Versorgungsausgleichs der gemäß § 242 BGB gebotenen Ausübungskontrolle nicht stand. Es widerspräche Treu und Glauben, wenn sich die Antragsgegnerin an der Vereinbarung über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs festhalten lassen müsste, denn dies hätte eine evident einseitige Lastenverteilung zum Nachteil der Antragsgegnerin zur Folge. Aufgrund der tatsächlichen Gestaltung der Ehe, die von den Vorstellungen der Ehegatten bei der Heirat abgewichen sei, habe die Antragsgegnerin ihre Alterssicherung verloren. Diese Entwicklung habe im Jahre 1996 mit dem Verkauf der großen Physiotherapiepraxis ihren Ausgangspunkt genommen. Durch die Entscheidung, die große Praxis zu verkaufen und im Familienwohnheim eine Einzelpraxis zu betreiben, sei die Antragsgegnerin nicht mehr in der Lage gewesen, vergleichbar hohe Gewinne zu erzielen. Durch die erhebliche Verkleinerung der Praxis habe sie den Zugang zu einem großen Teil ihrer früheren Patienten - vor allem der Kassenpatienten - verloren. Die Antragsgegnerin habe zudem nachvollziehbar dargelegt, dass sie den Verkaufserlös im Zusammenhang mit dem Schuldendienst und der Finanzierung der Umbauten und des Umzugs verbraucht habe und ihr deshalb keine Mittel für den Erwerb einer neuen großen Praxis zur Verfügung gestanden hätten.



14        Die Aufgabe der Großpraxis im Jahre 1996 sei ehebedingt gewesen. Maßgeblich für diese Beurteilung sei, wie sich die Verhältnisse in der Ehe tatsächlich - nicht einmal notwendig einvernehmlich - entwickelt hätten und die Ehe tatsächlich gestaltet gewesen sei. Die von den Parteien hier einvernehmlich getroffene Entscheidung zur Veräußerung der Großpraxis sei unstreitig dadurch veranlasst worden, dass die Antragsgegnerin nach der Eheschließung nicht mehr genügend Zeit für die Führung der Praxis aufgewendet habe und sich die Praxisumsätze dadurch nachteilig entwickelt hätten. Entgegen der Darstellung des Antragstellers habe dies aber nicht an der fehlenden Arbeitsbereitschaft der Antragsgegnerin, sondern daran gelegen, dass die Antragsgegnerin wegen der Wahrnehmung von familiären Aufgaben keinen höheren zeitlichen Einsatz für ihren Beruf mehr habe aufbringen können. Dieser Zusammenhang sei nicht zu verkennen. Die Antragsgegnerin habe im Einzelnen dargelegt, dass sie während des Zusammenlebens überwiegend mit der Betreuung und der Erziehung der beiden Kinder betraut gewesen sei. Sie habe vorgetragen, sich überwiegend auch um den Sohn des Antragstellers gekümmert zu haben, der aufgrund einer nach dem Tode seiner Mutter bestehenden Belastungsreaktion besonderer Zuwendung und therapeutischer Hilfe bedurft habe. Der Vortrag der Antragsgegnerin zum Umfang der Betreuungsbedürftigkeit der Kinder sei ohne weiteres nachvollziehbar. Die Antragsgegnerin habe auch unwidersprochen klargestellt, dass es keine häusliche Fremdbetreuung für die Kinder gegeben habe, sondern lediglich eine Haushaltshilfe. Es könne dahinstehen, ob es Möglichkeiten gegeben hätte, die Einnahmesituation der Großpraxis durch betriebsorganisatorische Maßnahmen wieder zu verbessern; allein maßgeblich sei, dass die Entscheidung zur Veräußerung der Praxis von den Eheleuten einvernehmlich getroffen worden sei.



15        In der Folgezeit hätten sich die durch die Gestaltung der Ehe bedingten Nachteile der Antragsgegnerin bei ihrer selbständigen Tätigkeit fortgesetzt. Auch nachdem die Betreuungsbedürftigkeit der Kinder entfallen sei, habe die Antragsgegnerin mit ihrer Einzelpraxis nicht mehr die gleichen Gewinnaussichten gehabt wie vorher. Die Mittel für den Erwerb oder den Aufbau einer neuen Großpraxis seien nicht vorhanden gewesen. Die tatsächliche Gewinnentwicklung zeige zudem, dass die Antragsgegnerin durch die mehrfachen Umzüge und dadurch bedingten Standortwechsel auch beim Betrieb ihrer Einzelpraxis beeinträchtigt gewesen sei. Die Antragsgegnerin habe sich mit ihrer beruflichen Tätigkeit stets auf die Belange der Familie eingerichtet. Es sei angesichts der entstandenen Nachteile unbillig, wenn die Antragsgegnerin als Folge eines auf gänzlich anderen Vorstellungen beruhenden Ehevertrags auf die (nacheheliche) Solidarität verzichten müsste, die sie selbst während der Ehe aufgebracht habe.



16        Die Altersvorsorge der Antragsgegnerin sei im Zeitpunkt der Eheschließung über die relativ geringfügigen gesetzlichen Rentenanwartschaften hinaus ausschließlich auf die Ansparung von Kapital gegründet gewesen. Nach dem Ergebnis der während der Ehe verlaufenen Entwicklung sei das ursprüngliche Vorsorgekonzept der Antragsgegnerin weitgehend weggebrochen. Die Großpraxis, die mit der Einrichtung und dem Kundenstamm hätte veräußert werden können, bestehe nicht mehr. Mit der Einzelpraxis könne die Antragsgegnerin - wenn überhaupt - nur geringfügige Einkünfte erzielen. Die Lebensversicherung bei der K.-​Versicherung habe bestimmungsgemäß zur Tilgung des Praxisdarlehens verwendet werden müssen, über dessen Gegenwert die Antragsgegnerin nicht mehr verfüge. Die Lebensversicherung mit Rentenwahlrecht bei der N.-​Versicherung sei ebenfalls aufgelöst und im Rahmen der Anschaffung des neuen Familienwohnheims verbraucht worden. Ob durch den Verkauf des gemeinsamen Wohnhauses für die Antragsgegnerin überhaupt ein Erlösanteil erwirtschaftet werden könne, der den damaligen Rückkaufswert der Versicherung von 60.000 € auch nur annähernd erreiche, sei völlig offen.



17        Der fast vollständige Verlust dieser Standbeine der Versorgung sei in vollem Umfang als Nachteil zu berücksichtigen. Es sei davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin ihre Großpraxis ohne die Ehe erfolgreich weitergeführt und entschuldet hätte; dafür spreche bereits der vor der Ehe erzielte konstante Gewinn der Praxis. Bei einem regelgerechten Verlauf wäre die Rückzahlung des Betriebskredits bis zum Jahre 1999, spätestens aber bis zum Jahr 2002 abgeschlossen gewesen. Der Verlust dieser Praxis entspreche mindestens dem Anteil an den Versorgungsanrechten, welche die Antragsgegnerin nach Anpassung des Ehevertrags im Versorgungsausgleich zu erhalten habe. Der Antragsteller habe während der Ehezeit Versorgungsanwartschaften in Höhe von 772,13 € erworben, die im Anwartschafts- und Leistungsstadium volldynamisch seien. Zu übertragen seien daher 386,07 €. Um eine monatliche lebenslange Rente von rund 386 € zu erhalten, hätte die Antragsgegnerin im April 2009 bei Zugrundelegung der gängigen Kapitalisierungstabellen und einem angemessenen Zinssatz von 4 % einen Kapitalbetrag von rund 84.454 € anlegen müssen. Wenn man demgegenüber nur den im Jahre 1996 erzielten Verkaufserlös (141.116 €) ohne weiteren Wertgewinn ansetze und diesen Betrag auf das Ende der Ehezeit im Jahre 2009 indexiere, ergebe sich schon ein Betrag von 171.000 €. Es könne daher auch dahinstehen, inwieweit der Verlust der Lebensversicherung bei der N.-​Versicherung durch einen Erlösanteil aus dem Verkauf des gemeinsamen Familienheims aufgewogen werden würde. Im Hinblick auf den fast vollständigen Verlust des für die Altersversorgung vorgesehenen Grundstocks sei es angemessen, den Versorgungsausgleich vollständig durchzuführen.



18        Dies sei für den Antragsteller nicht unbillig. Dieser verfüge weiterhin über seine Zahnarztpraxis und zumindest über eine Lebensversicherung. Über seine konkrete Vermögenssituation habe er keine Auskunft gegeben und seine Angaben nicht belegt. Soweit der Antragsteller behauptet habe, dass die Einrichtung seiner Praxis völlig veraltet sei, habe die Antragsgegnerin diesem nicht näher konkretisierten Vortrag widersprochen. Zumindest seinen Patientenstamm werde der Antragsteller veräußern können, so dass er durch den Versorgungsausgleich - trotz seines relativ hohen Alters von 63 Jahren - nicht übermäßig belastet werde. Jedenfalls müsse er die Verringerung seiner Altersvorsorge aus Gründen der Solidarität, die aufgrund der tatsächlichen Ehegestaltung geboten sei, hinnehmen.



19        Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.



20        2. Noch zutreffend - und insoweit für die Rechtsbeschwerde günstig - ist das Beschwerdegericht allerdings davon ausgegangen, dass der Ehevertrag vom 18. Mai 1994 der Wirksamkeitskontrolle am Maßstab des § 138 BGB standhält. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats unterliegen die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Ehegatten. Die Disponibilität der Scheidungsfolgen darf allerdings nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle hat der Tatrichter zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr - und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (Senatsurteil BGHZ 158, 81, 100 f. = FamRZ 2004, 601, 606; vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13 - FamRZ 2014, 629 Rn. 17 und vom 27. Februar 2013 - XII ZB 90/11 - FamRZ 2013, 770 Rn. 16).



21        So liegt der Fall hier nicht. Weder der Ausschluss des Versorgungsausgleichs noch die Vereinbarung der Gütertrennung noch der (teilweise) Unterhaltsverzicht begegnen - für sich genommen - am Maßstab des § 138 BGB durchgreifenden Bedenken. Bei Abschluss des Ehevertrags erzielten beide Parteien als Selbständige in eigener freiberuflicher Praxis auskömmliche Einkünfte, die es ihnen auch ermöglichten, in dem für notwendig gehaltenen Umfang und in der für richtig befundenen Weise Vorsorge für Alter, Krankheit und Invalidität zu treffen. Auch in der Gesamtwürdigung hält der Ehevertrag der Wirksamkeitskontrolle stand. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass das Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen auf eine einseitige Benachteiligung der (potentiell) einkommensschwächeren Antragsgegnerin hinausliefe, könnte dies - da es ein unverzichtbares Mindestmaß an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten nicht gibt - nach ständiger Rechtsprechung des Senats das Verdikt der Sittenwidrigkeit erst dann begründen, wenn sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt (zuletzt Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13 - FamRZ 2014, 629 Rn. 39 mwN). Das Beschwerdegericht hat weder in der Ankündigung des Antragstellers, ohne Abschluss eines Ehevertrags keine Ehe eingehen und gegebenenfalls die Hochzeit absagen zu wollen, noch in den sonstigen Umständen des Vertragsschlusses genügende Anhaltspunkte für eine unterlegene Verhandlungsposition der Antragsgegnerin erblickt. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen; auch die Antragsgegnerin erinnert mit ihrer Rechtsbeschwerdeerwiderung hiergegen nichts mehr.



22        3. Soweit ein Ehevertrag - wie hier - der Wirksamkeitskontrolle standhält, muss der Richter im Rahmen einer Ausübungskontrolle prüfen, ob und inwieweit ein Ehegatte die ihm durch den Vertrag eingeräumte Rechtsmacht missbraucht (§ 242 BGB), wenn er sich im Scheidungsfall gegenüber einer vom anderen Ehegatten begehrten gesetzlichen Scheidungsfolge darauf beruft, dass diese Rechtsfolge durch den Vertrag wirksam abbedungen sei. Entscheidend ist insofern, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige und nach Treu und Glauben unzumutbare Lastenverteilung ergibt.



23        a) Ein zunächst wirksam vereinbarter - völliger oder teilweiser - Ausschluss des Versorgungsausgleichs hält nach diesen Maßstäben einer Ausübungskontrolle nicht stand, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte aufgrund einvernehmlicher Änderung der gemeinsamen Lebensumstände über keine hinreichende Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint (Senatsbeschlüsse vom 27. Februar 2013 - XII ZB 90/11 - FamRZ 2013, 770 Rn. 20 und vom 6. Oktober 2004 - XII ZB 57/03 - FamRZ 2005, 185, 187).



24        Dabei steht die Ansicht des Beschwerdegerichts, dass die Abweichung der tatsächlichen Lebensverhältnisse von der ursprünglichen, dem Ehevertrag zugrunde liegenden Lebensplanung nicht notwendigerweise auf einem Einvernehmen der Ehegatten beruhen müsse, nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81, 101 = FamRZ 2004, 601, 606). Die vom Beschwerdegericht für seine gegenteilige Auffassung herangezogene Rechtsprechung des Senats zu § 1578 b BGB (vgl. Senatsurteile vom 16. Februar 2011 - XII ZR 108/09 - FamRZ 2011, 628 Rn. 20 f. und vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 27) kann für die hier zu beurteilende Frage nach der Korrektur einer vertraglichen Vereinbarung der Eheleute im Wege der richterlichen Ausübungskontrolle nicht nutzbar gemacht werden. Denn eine solche Korrektur des Ehevertrags wird durch die - zumindest konkludente - Willensübereinstimmung der Ehegatten über eine von der faktischen Grundlage ihres Ehevertrags abweichende Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse gerade erst legitimiert. Durch die gemeinsame Willensbetätigung distanziert sich auch der durch den Ehevertrag begünstigte Ehepartner vom ursprünglich geschlossenen Vertrag und seinen Grundlagen, was insbesondere sein Vertrauen in den Bestand des Ehevertrags als weniger schutzwürdig erscheinen lässt (vgl. auch Schmolke Grenzen der Selbstbindung im Privatrecht S. 507). Es bedarf hierzu aber keiner näheren Erörterung, weil nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts die Entscheidung zur Veräußerung der Großpraxis der Antragsgegnerin im Jahre 1996 - die für das Beschwerdegericht den Anknüpfungspunkt für die von der Vertragsgrundlage abweichende Gestaltung der Lebensverhältnisse darstellt - einvernehmlich getroffen worden ist, wenn die Parteien auch unterschiedliche Gründe für die Herstellung dieses Einvernehmens behauptet haben.



25        b) Die richterliche Ausübungskontrolle führt auf der Rechtsfolgenseite weder ohne weiteres zur Unwirksamkeit des Ausschlusses der gesetzlichen Scheidungsfolge noch dazu, dass die gesetzliche Regelung in Vollzug gesetzt wird. Vielmehr hat der Richter diejenige Rechtsfolge anzuordnen, welche die berechtigten Belange beider Parteien in der eingetretenen Situation in ausgewogener Weise berücksichtigt (grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81, 101 = FamRZ 2004, 601, 606; vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 27. Februar 2013 - XII ZB 90/11 - FamRZ 2013, 770 Rn. 21 und Senatsurteil vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 21).



26        Durch die richterliche Anpassung von Eheverträgen im Wege der Ausübungskontrolle sollen ehebedingte Nachteile ausgeglichen werden. Der Ehegatte kann daher durch die Anpassung des Ehevertrags nicht besser gestellt werden, als er ohne die Ehe und die mit der ehelichen Rollenverteilung einhergehenden Dispositionen über Art und Umfang seiner Erwerbstätigkeit stünde (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Februar 2013 - XII ZB 90/11 - FamRZ 2013, 770 Rn. 22 und Senatsurteil vom 28. Februar 2007 - XII ZR 165/04 - FamRZ 2007, 974 Rn. 28). Die richterliche Ausübungskontrolle hat sich daher im Ausgangspunkt daran zu orientieren, welche Versorgungsanrechte der sich durch den Ausschluss des Versorgungsausgleichs benachteiligt sehende Ehegatte ohne die Ehe und die ehebedingte Rollenverteilung durch eigene Berufstätigkeit hätte erwerben können (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Februar 2013 - XII ZB 90/11 - FamRZ 2013, 770 Rn. 22).



27        Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe scheidet eine Anpassung des Ehevertrags vom 18. Mai 1994 im Hinblick auf den Ausschluss des Versorgungsausgleichs an sich schon deshalb aus, weil das Beschwerdegericht im Hinblick auf den Aufbau von Versorgungsanrechten gerade keine ehebedingten Nachteile der Antragsgegnerin festgestellt hat. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts wäre die hypothetische Versorgungsbiographie der Antragsgegnerin einerseits durch die - mit der Entschuldung ihrer physiotherapeutischen Praxis verbundenen - Schaffung eines veräußerlichen Unternehmenswertes und andererseits durch die Ansammlung von Kapital in der (später aufgelösten) fondsgebundenen Lebensversicherung bei der N.-​Versicherung geprägt gewesen. Im Übrigen geht das Beschwerdegericht selbst davon aus, dass die stets freiberuflich tätige Antragsgegnerin zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt hatte, ihre Versorgung - gegebenenfalls zusätzlich - auf den Erwerb von Versorgungsanrechten im Sinne von § 1587 a Abs. 2 BGB aF (etwa durch Entrichtung von freiwilligen Beiträgen in die gesetzliche Rentenversicherung oder durch Zahlungen auf eine Leibrentenversicherung) zu stützen und daran durch die ehebedingten Dispositionen über ihre Berufstätigkeit gehindert worden wäre.



28        c) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der vom Beschwerdegericht maßgeblich herangezogenen Erwägung, dass die Altersvorsorgestrategie eines Selbständigen typischerweise auf die Bildung von Privatvermögen gegründet sei.



29        aa) Das Scheidungsfolgenrecht unterscheidet grundsätzlich streng zwischen dem Versorgungsausgleich und dem Zugewinnausgleich (vgl. bereits Senatsurteil vom 17. Oktober 2007 - XII ZR 96/05 - FamRZ 2008, 386 Rn. 23). Dem ersten unterliegt das in den Anrechten auf Versorgung wegen Alters oder Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bestehende Versorgungsvermögen, dem zweiten unterfällt das sonstige Vermögen. Allein die Vorstellung der Parteien, der dem Zugewinnausgleich unterfallende Vermögensaufbau diene - was nicht unüblich ist - der Altersversorgung, rechtfertigt es selbst angesichts des weiten Gestaltungsspielraumes, der dem Gericht bei der Anordnung der Rechtsfolgen im Rahmen der Ausübungskontrolle eröffnet ist, noch nicht ohne weiteres, die strikte gesetzliche Abgrenzung der beiden vermögensbezogenen Ausgleichssysteme unberücksichtigt zu lassen. So wird der Entstehung von Nachteilen, die ein Haushalt führender Ehegatte beim Aufbau von Versorgungsanrechten erlitten hat, im Rahmen der Ausübungskontrolle systemgerecht durch eine Anpassung der Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich Rechnung getragen. Führt der danach anzuordnende Versorgungsausgleich zu einer Halbteilung der von den Ehegatten in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte, besteht für eine Ausübungskontrolle bezüglich der Vereinbarungen zur Gütertrennung kein Anlass mehr, und zwar auch dann nicht, wenn die ehebedingten Versorgungsnachteile durch den Versorgungsausgleich nicht vollständig kompensiert werden konnten und der (nichtselbständig) erwerbstätige Ehegatte in der Ehezeit zusätzlich zu seinen Versorgungsanrechten ein zur Altersversorgung geeignetes Privatvermögen aufgebaut hat (Senatsurteil vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 36).



30        bb) Allerdings hat der Senat in der Vergangenheit mehrfach angedeutet, dass es in Fällen der Funktionsäquivalenz von Versorgungs- und Zugewinnausgleich besondere Sachverhaltskonstellationen geben könnte, in denen ein "Hinübergreifen" auf das andere vermögensbezogene Ausgleichssystem im Rahmen der Ausübungskontrolle in Betracht gezogen werden kann (vgl. Senatsurteile vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 35 f. und vom 26. Juni 2013 - XII ZR 133/11 - FamRZ 2013, 1366 Rn. 110).



31        (1) Diese Überlegungen haben allerdings solche Fälle im Blick, in denen ein Haushalt führender Ehegatte, der zugunsten der Familienarbeit auf die Ausübung einer versorgungsbegründenden Erwerbstätigkeit verzichtet hat, im Falle der Scheidung im Versorgungsausgleich keine Kompensation für seine Nachteile beim Aufbau von Versorgungsvermögen erlangt, weil sein (selbständig) erwerbstätiger Ehegatte aufgrund seiner individuellen Vorsorgestrategie keine nennenswerten Versorgungsanrechte erworben, sondern seine Altersvorsorge bei vereinbarter Gütertrennung allein auf die Bildung von Privatvermögen gerichtet hat. In solchen Fällen kann es im Einzelfall geboten erscheinen, dem Haushalt führenden Ehegatten zum Ausgleich für die entgangenen Versorgungsanrechte einen (modifizierten) Zugewinnausgleich zu gewähren, der einerseits durch den zum Aufbau der entgangenen Versorgungsanrechte erforderlichen Betrag und andererseits durch die gesetzliche Höhe des Ausgleichsanspruchs beschränkt ist (vgl. auch Münch FamRB 2008, 350, 354; Kogel Strategien beim Zugewinnausgleich 4. Aufl. Rn. 50 ff.; Bergschneider FamRZ 2008, 2116, 2117; ähnlich OLG Celle FamRZ 2008, 2115, 2116, allerdings ohne die gebotene Beschränkung auf den Nachteilsausgleich).



32        (2) Damit lässt sich der vorliegende Sachverhalt einer Doppelverdienerehe zweier selbständiger Ehegatten aber schon im Ausgangspunkt nicht vergleichen. Kann ein Ehegatte in einer solchen Ehe keinen Zugewinnausgleich erlangen, weil sein Partner tatsächlich keinen - oder keinen höheren - ehezeitlichen Zuwachs an Privatvermögen erzielt hat, wird dies (anders als im spiegelbildlichen Fall des unterlassenen Erwerbs von Versorgungsanrechten) üblicherweise nicht mit dessen Dispositionen über seine Altersvorsorgestrategie erklärt werden können. Vielmehr können eine Vielzahl anderer Faktoren - etwa Kapitalanlagerisiken, Markteinflüsse auf die Bewertung von Vermögensgegenständen an den jeweiligen Stichtagen oder Vermögensverbrauch während der Ehe - dafür verantwortlich sein, dass sich zugunsten eines Ehegatten im Falle einer Scheidung schon rechnerisch kein Zugewinnausgleichsanspruch ergibt. Den Besonderheiten und Unwägbarkeiten des güterrechtlichen Ausgleichssystems ist es von vornherein immanent, dass etwaige in der Gestaltung der Ehe begründete Nachteile beim Vermögensaufbau im Zugewinnausgleich möglicherweise nicht oder nicht ausreichend ausgeglichen werden können. Hat dies dann ein Versorgungsdefizit zur Folge, welches (wie im Falle der Antragsgegnerin) auf einer - für sich genommen nicht ehebedingten - Entscheidung beruht, Altersvorsorge nur durch Bildung von Privatvermögen zu betreiben, kann der betroffene Ehegatte generell nicht erwarten, dass dies durch eine die vertraglichen Abreden unterlaufende Teilhabe an den Versorgungsanrechten des anderen Ehegatten kompensiert wird.



33        (3) Unabhängig davon fehlt es an ausreichenden Feststellungen zu den güterrechtlichen Verhältnissen der Parteien, so dass die Entscheidung des Beschwerdegerichts selbst von dessen eigenem Rechtsstandpunkt aus Bedenken begegnen muss.



34        Die getroffenen Feststellungen ermöglichen insbesondere keine Beurteilung der realen Vermögensentwicklung auf Seiten des Antragstellers in der Ehezeit. Sein aktives Endvermögen dürfte zum Stichtag im Jahre 2009 jedenfalls aus dem Wert seiner Zahnarztpraxis, seinem hälftigen Anteil an dem gemeinsamen Einfamilienhaus im Wert von 60.000 € (nach Abzug der Finanzierungsverbindlichkeiten) sowie aus einer oder mehreren kapitalbildenden Lebensversicherungen bestehen, deren Wert zwischen den Parteien streitig und von dem Antragsteller mit 100.000 € angegeben worden ist. Demgegenüber dürfte das aktive Anfangsvermögen im Jahre 1994 zumindest aus dem damaligen Wert seiner Zahnarztpraxis und dem Wert seines damaligen Hauses (vor dem Umbau) bestanden haben. Weitergehende Erkenntnisse zu Vermögen oder Verbindlichkeiten an den Stichtagen lassen sich aus der Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht gewinnen. Nach den weiteren Feststellungen des Beschwerdegerichts sind für den umfangreichen Umbau des ehemaligen Familienheims in den Jahren 1995 und 1996 - zum großen Teil durch den Antragsteller kreditfinanzierte - Investitionen in Höhe von mindestens 1.600.000 DM (rund 820.000 €) getätigt worden, wobei nicht aufgeklärt ist, ob und in welchem Umfang diese Investitionen bei der Veräußerung des Hauses im Jahre 2003 wieder eingebracht werden konnten. Ferner hat der Antragsteller geltend gemacht, seinerseits einen Betrag von 90.000 € in den Umbau des gemeinsamen Einfamilienhauses investiert zu haben. Allein auf der Grundlage der Feststellungen des Beschwerdegerichts lässt sich daher nicht einmal sicher ausschließen, dass das indexierte Anfangsvermögen des Antragstellers sein Endvermögen selbst dann noch übersteigt, wenn man diesem Endvermögen (fiktiv) den Kapitalwert der von dem Antragsteller in der Ehezeit zwischen 1994 und 2009 erworbenen Zahnarztversorgung hinzurechnen würde. Wäre dies aber der Fall, hätte der Antragsteller in der Ehezeit bei einer Gesamtbetrachtung aller Mittel, die aus Sicht des Beschwerdegerichts für die Altersversorgung von Selbständigen bestimmt sind, keinen realen Vermögenszuwachs in der Ehe erwirtschaften können. Würde er gleichwohl zum Ausgleich ehebedingter Nachteile der Antragsgegnerin herangezogen, obwohl - vom Standpunkt des Beschwerdegerichts aus - die Ansammlung von Privatvermögen für den Antragsteller als Selbständigen keine geringere Bedeutung für die Altersvorsorge hat, liefe dies auf einen unzulässigen, sich aus den ehelichen Wirkungen ergebenden Schadenersatzanspruch hinaus.



35        cc) Eine Korrektur der vertraglichen Abreden zum Versorgungsausgleich käme aber auch dann nicht in Betracht, wenn der Antragsteller in der Ehezeit einen auszugleichenden (fiktiven) Zugewinn erwirtschaftet hätte. Denn dies könnte allenfalls Anlass zu der Prüfung geben, ob es dem Antragsteller nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich (ganz oder teilweise) auf die vereinbarte Gütertrennung zu berufen. Zwar entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass der Zugewinnausgleich vom Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts nicht umfasst und sich eine Berufung auf eine wirksam vereinbarte Gütertrennung deshalb nur unter engsten Voraussetzungen als rechtsmissbräuchlich erweisen wird (grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81, 107 f. = FamRZ 2004, 601, 608; zuletzt Senatsurteile vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 35 und vom 17. Oktober 2007 - XII ZR 96/05 - FamRZ 2008, 386 Rn. 33); völlig ausgeschlossen ist dies aber nicht (aA Braeuer FamRZ 2014, 77, 79 ff.). Die Berufung auf eine vereinbarte Gütertrennung kann dem Verdikt des Rechtsmissbrauchs ausgesetzt sein, wenn die Ehegatten bei ihrer Abrede von beiderseitiger, ökonomisch vergleichbar gewinnbringender Berufstätigkeit ausgegangen sind, diese Planung sich aber später aufgrund von Umständen, die dem gemeinsamen Risikobereich der Ehegatten zugehören, nicht verwirklichen lässt (Senatsurteile BGHZ 158, 81, 107 f. = FamRZ 2004, 601, 608 und vom 17. Oktober 2007 - XII ZR 96/05  FamRZ 2008, 386 Rn. 33). Einer näheren Erörterung der Frage, ob sich der (fiktiv) zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs verpflichtete Antragsteller unter den obwaltenden Umständen mit der Berufung auf die vereinbarte Gütertrennung rechtsmissbräuchlich verhalten würde, bedarf es allerdings nicht, weil es hier damit sein Bewenden hat, dass die vom Beschwerdegericht festgestellten ehebedingten Defizite der Antragsgegnerin beim Vermögensaufbau jedenfalls nicht durch Anpassung der ehevertraglichen Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich, sondern vielmehr - systemgerecht - im Güterrecht oder mit den Instrumenten des Unterhaltsrechts auszugleichen wären.
Dose         Schilling       Günter Nedden-​Boeger                          Botur