FN 27: BGH FamRZ 2014,1978 Rn. 26
Gericht: | BGH |
Entscheidungsdatum: | 08.10.2014 |
Aktenzeichen: | XII ZB 318/11 |
Dokumenttyp: | Beschl. |
Quelle: | |
| Verlag Ernst und Werner Gieseking, Bielefeld |
Fundstelle: | FamRZ 2014, 1978-1983 |
Norm: | § 242 BGB |
Zitiervorschlag: | FamRZ 2014, 1978-1983 |
Titelzeile§ 242 BGB : Ausübungskontrolle bei vertraglichem Verzicht auf VersAusgl [m. Anm. Bergschneider, S. 1982]VorinstanzAmtsG Tempelhof-Kreuzberg v. 20.5.2010 - 134 F 4506/09
KG v. 19.5.2011 - 13 UF 136/10
BGB § 242
LeitsatzZur Ausübungskontrolle bei einem ehevertraglichen Verzicht auf den Versorgungsausgleich in einer Doppelverdienerehe von Freiberuflern.
(m. Anm.
Bergschneider, nachstehend S. 1982)
Aus den
Gründen: I. [1] Die Parteien streiten im Scheidungsverbund über die Folgesache Versorgungsausgleich und in diesem Zusammenhang insbesondere darü
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[2] Der 1947 geborene Antragsteller und die 1959 geborene Antragsgegnerin schlossen am 26. Mai 1994 ihre Ehe, aus der keine gemeinsamen Kinder hervorgegangen sind. Kurz vor der Eheschließung hatten die Parteien am 18. Mai 1994 einen notariell beurkundeten Ehevertrag geschlossen, in dem sie den Güterstand der Gütertrennung vereinbarten und den Versorgungsausgleich für den Fall der Scheidung ausschlossen. Ferner verzichteten die Parteien wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt mit Ausnahme des Betreuungsunterhalts. Beide Eheleute brachten jeweils ein minderjähriges Kind aus einer früheren Ehe in die Verbindung mit, und zwar der (verwitwete) Antragsteller einen 1983 geborenen Sohn und die (geschiedene) Antragsgegnerin eine 1984 geborene Tochter. Der Scheidungsantrag wurde am 23. April 2009 zugestellt.
[3] Der Antragsteller ist Zahnarzt in eigener Praxis. Er hat während der gesetzlichen Ehezeit zwischen dem 1. Mai 1994 und dem 31. März 2009 volldynamische Anwartschaften auf eine berufsständische Versorgung bei dem Beteiligten zu 2 (Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin) in monatlicher Höhe von 772,13 € erworben.
[4] Die Antragsgegnerin ist Physiotherapeutin. Im Zeitpunkt der Eheschließung betrieb sie eine eigene Großpraxis mit acht Angestellten, die sie 1988 für einen Kaufpreis von umgerechnet rund 92.000 € erworben hatte. Zur Finanzierung des Praxiserwerbs hatte sie einerseits einen Kontokorrentkredit über umgerechnet rund 25.000 € und andererseits ein tilgungsfreies Darlehen bei der B.-Bank über umgerechnet rund 71.000 € in Anspruch genommen, welches im Jahr 2002 über die Auszahlung einer kapitalbildenden Lebensversicherung bei der K.-Versicherung zurückgeführt werden sollte. Daneben hatte die Antragsgegnerin im Jahr 1991 zur Vermögensbildung eine fondsgebundene Lebensversicherung mit Rentenwahlrecht bei der N.-Versicherung eingerichtet, die mit monatlichen Beiträgen in Höhe von umgerechnet rund 500 € zu bedienen war und im Jahr 2009 zur Auszahlung kommen sollte. Die Antragsgegnerin hat in der Ehezeit keine dem Versorgungsausgleich unterliegenden Versorgungsanrechte erworben. Aus vorehelichen Zeiten verfügt die Antragsgegnerin über Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in monatlicher und auf das Ende der Ehezeit bezogener Höhe von 419,27 € (15,7856 Entgeltpunkte), die etwa zur Hälfte aus einem zu ihren Gunsten durchgeführten Versorgungsausgleich nach Scheidung ihrer ersten Ehe herrühren.
[5] Im Jahr 1996 veräußerte die Antragsgegnerin ihre Praxis nebst Patientenstamm für einen Kaufpreis von umgerechnet rund 141.000 € und richtete eine neue physiotherapeutische Einzelpraxis im damaligen Familienheim der Eheleute ein, welches eine Gesamtwohnfläche von etwa 400 qm hatte und im Alleineigentum des Antragstellers stand; diese Immobilie war zuvor umfangreich umgebaut worden. Den Verkaufserlös für die Praxis verwendete die Antragsgegnerin unter anderem zur Rückführung ihres Kontokorrentkredits und zur weiteren Bedienung der Prämien für die Tilgungslebensversicherung bei der K.-Versicherung. Ferner brachte sie einen Teil des Erlöses auch in die Umbaumaßnahmen ein. Die Tilgungslebensversicherung bei der K.-Versicherung wurde im Jahr 2002 mit einer Ablaufleistung von rund 103.000 € fällig und insbesondere zur Ablösung des noch mit 71.000 € valutierenden Kredits der Antragsgegnerin bei der B.-Bank eingesetzt.
[6] Nachdem der Antragsteller im Jahr 2003 einen Unfall infolge eines epileptischen Anfalls erlitten hatte, verkaufte er das vormalige Familienheim. Die Parteien bezogen vorübergehend eine Mietwohnung. Im Jahr 2006 kauften sie gemeinsam ein Einfamilienhaus, dessen Erwerb durch einen Kredit finanziert wurde. Im Zusammenhang mit dem Immobilienerwerb löste die Antragsgegnerin ihre fondsgebundene Lebensversicherung bei der N.-Versicherung mit einem Rückkaufswert von rund 61.000 € auf und brachte diesen Betrag in Investitionen für das gemeinsame Haus und die Kosten des Umzugs ein. Nach dem Umzug richtete die Antragsgegnerin ihre physiotherapeutische Praxis, die sie zuvor schon in die Mietwohnung verlegt hatte, nunmehr in der gemeinsamen Immobilie ein. Der jährliche Bruttogewinn aus der selbstständigen Tätigkeit der Antragsgegnerin als Physiotherapeutin, der beim Betrieb der Großpraxis in den Jahren 1993 bis 1996 zwischen 50.000 € und 60.000 € gelegen hatte, sank in den Jahren 1998 bis 2007 in der – in den verschiedenen Wohnimmobilien geführten – Einzelpraxis auf etwa 5.000 € bis 25.000 € ab. Das gemeinsame Einfamilienhaus der Eheleute hatte am Ende der Ehezeit einen Wert von 320.000 €; die darauf ruhenden Finanzierungsverbindlichkeiten valutierten noch mit rund 200.000 €.
[7] Das Amtsgericht hat die Ehe durch Urteil vom 20. Mai 2010 geschieden und die Durchführung des Versorgungsausgleichs zugunsten der Antragsgegnerin abgelehnt. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Beschwerdegericht den Versorgungsausgleich nach früherem Recht uneingeschränkt durchgeführt, indem es zulasten der Versorgung des Antragstellers im Wege der Realteilung bei dem Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin zugunsten der Antragsgegnerin monatliche und auf den 31. März 2009 bezogene Rentenanwartschaften in Höhe von 386,07 € begründet hat.
[8] Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der er eine Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstrebt.
II. [9] Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG -RG und § 48 Abs. 1 VersAusglG noch das bis zum 31. August 2009 geltende Prozessrecht und materielle Recht anzuwenden, weil das Verbundverfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet und eine Endentscheidung zum Versorgungsausgleich im ersten Rechtszug vor dem 31. August 2010 erlassen worden ist (vgl. Art. 111 Abs. 5 FGG -RG, § 48 Abs. 3 VersAusglG ).
III. [10] Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
[11]
1. [Wiedergabe der Ausführungen des Beschwerdegerichts, FamRZ 2011, 1587]
[19] Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
[20]
2. Noch zutreffend – und insoweit für die Rechtsbeschwerde günstig – ist das Beschwerdegericht allerdings davon ausgegangen, dass der Ehevertrag vom 18. Mai 1994 der
Wirksamkeitskontrolle am Maßstab des § 138 BGB standhält. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats unterliegen die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Ehegatten. Die Disponibilität der Scheidungsfolgen darf allerdings nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle hat der Tatrichter zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr – und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse – wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten
(
Senatsurteil, BGHZ 158, 81, 100 f. = FamRZ 2004, 601, 606; vgl. zuletzt
Senatsbeschluss v. 29.1.2014 – XII ZB 303/13 –, FamRZ 2014, 629 Rz. 17, und v. 27.2.2013 – XII ZB 90/11 –, FamRZ 2013, 770 Rz. 16).
[21] So liegt der Fall hier nicht. Weder der Ausschluss des Versorgungsausgleichs noch die Vereinbarung der Gütertrennung noch der (teilweise) Unterhaltsverzicht begegnen – für sich genommen – am Maßstab des § 138 BGB durchgreifenden Bedenken. Bei Abschluss des Ehevertrags erzielten beide Parteien als
Selbstständige in eigener freiberuflicher Praxis auskömmliche Einkünfte, die es ihnen auch ermöglichten, in dem für notwendig gehaltenen Umfang und in der für richtig befundenen Weise Vorsorge für Alter, Krankheit und Invalidität zu treffen. Auch in der Gesamtwürdigung hält der Ehevertrag der Wirksamkeitskontrolle stand. Selbst wenn man davon ausgehen
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wollte, dass das Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen auf eine einseitige Benachteiligung der (potenziell) einkommensschwächeren Antragsgegnerin hinausliefe, könnte dies – da es ein unverzichtbares Mindestmaß an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten nicht gibt – nach ständiger Rechtsprechung des Senats das Verdikt der Sittenwidrigkeit erst dann begründen, wenn sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine
Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt (zuletzt
Senatsbeschluss v. 29.1.2014 – XII ZB 303/13 –, FamRZ 2014, 629 Rz. 39, m. w. N.). Das Beschwerdegericht hat weder in der Ankündigung des Antragstellers, ohne Abschluss eines Ehevertrags keine Ehe eingehen und gegebenenfalls die Hochzeit absagen zu wollen, noch in den sonstigen Umständen des Vertragsschlusses genügende Anhaltspunkte für eine unterlegene Verhandlungsposition der Antragsgegnerin erblickt. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen; auch die Antragsgegnerin erinnert mit ihrer Rechtsbeschwerdeerwiderung hiergegen nichts mehr.
[22]
3. Soweit ein Ehevertrag – wie hier – der Wirksamkeitskontrolle standhält, muss der Richter im Rahmen einer
Ausübungskontrolle prüfen, ob und inwieweit ein Ehegatte die ihm durch den Vertrag eingeräumte Rechtsmacht missbraucht (§ 242 BGB ), wenn er sich im Scheidungsfall gegenüber einer vom anderen Ehegatten begehrten gesetzlichen Scheidungsfolge darauf beruft, dass diese Rechtsfolge durch den Vertrag wirksam abbedungen sei. Entscheidend ist insofern, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige und nach Treu und Glauben unzumutbare Lastenverteilung ergibt.
[23]
a) Ein zunächst wirksam vereinbarter – völliger oder teilweiser –
Ausschluss des Versorgungsausgleichs hält nach diesen Maßstäben einer Ausübungskontrolle nicht stand, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte aufgrund einvernehmlicher Änderung der gemeinsamen Lebensumstände über keine hinreichende Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint (
Senatsbeschlüsse v. 27.2.2013 – XII ZB 90/11 –, FamRZ 2013, 770 Rz. 20, und v. 6.10.2004 – XII ZB 57/03 –, FamRZ 2005, 185, 187).
[24] Dabei steht die Ansicht des Beschwerdegerichts, dass die Abweichung der tatsächlichen Lebensverhältnisse von der ursprünglichen, dem Ehevertrag zugrunde liegenden Lebensplanung nicht notwendigerweise auf einem Einvernehmen der Ehegatten beruhen müsse, nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (grundlegend
Senatsurteil, BGHZ 158, 81, 101 = FamRZ 2004, 601, 606). Die vom Beschwerdegericht für seine gegenteilige Auffassung herangezogene Rechtsprechung des Senats zu § 1578b BGB (vgl.
Senatsurteile v. 16.2.2011 – XII ZR 108/09 –, FamRZ 2011, 628 Rz. 20 f., und v. 20.10.2010 – XII ZR 53/09 –, FamRZ 2010, 2059 Rz. 27) kann für die hier zu beurteilende Frage nach der Korrektur einer vertraglichen Vereinbarung der Eheleute im Wege der richterlichen Ausübungskontrolle nicht nutzbar gemacht werden. Denn eine solche
Korrektur des Ehevertrags wird durch die – zumindest konkludente – Willensübereinstimmung der Ehegatten über eine von der faktischen Grundlage ihres Ehevertrags abweichende Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse gerade erst legitimiert. Durch die gemeinsame Willensbetätigung distanziert sich auch der durch den Ehevertrag begünstigte Ehepartner vom ursprünglich geschlossenen Vertrag und seinen Grundlagen, was insbesondere sein Vertrauen in den Bestand des Ehevertrags als weniger schutzwürdig erscheinen lässt (vgl. auch
Schmolke, Grenzen der Selbstbindung im Privatrecht, S. 507). Es bedarf hierzu aber keiner näheren Erörterung, weil nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts die Entscheidung zur Veräußerung der Großpraxis der Antragsgegnerin im Jahre 1996 – die für das Beschwerdegericht den Anknüpfungspunkt für die von der Vertragsgrundlage abweichende Gestaltung der Lebensverhältnisse darstellt – einvernehmlich getroffen worden ist, wenn die Parteien auch unterschiedliche Gründe für die Herstellung dieses Einvernehmens behauptet haben.
[25]
b) Die richterliche Ausübungskontrolle führt auf der
Rechtsfolgenseite weder ohne Weiteres zur Unwirksamkeit des Ausschlusses der gesetzlichen Scheidungsfolge noch dazu, dass die gesetzliche Regelung in Vollzug gesetzt wird. Vielmehr hat der Richter diejenige Rechtsfolge anzuordnen, welche die berechtigten Belange beider Parteien in der eingetretenen Situation in ausgewogener Weise berücksichtigt
(grundlegend
Senatsurteil, BGHZ 158, 81, 101 = FamRZ 2004, 601, 606; vgl. zuletzt
Senatsbeschluss v. 27.2.2013 – XII ZB 90/11 –, FamRZ 2013, 770 Rz. 21, und
Senatsurteil v. 21.11.2012 – XII ZR 48/11 –, FamRZ 2013, 269 Rz. 21).
[26] Durch die richterliche Anpassung von Eheverträgen im Wege der Ausübungskontrolle sollen ehebedingte Nachteile ausgeglichen werden. Der Ehegatte kann daher durch die Anpassung des Ehevertrags nicht besser gestellt werden, als er ohne die Ehe und die mit der ehelichen Rollenverteilung einhergehenden Dispositionen über Art und Umfang seiner Erwerbstätigkeit stünde (vgl.
Senatsbeschluss v. 27.2.2013 – XII ZB 90/11 –, FamRZ 2013, 770 Rz. 22, und
Senatsurteil v. 28.2.2007 – XII ZR 165/04 –, FamRZ 2007, 974 Rz. 28). Die richterliche Ausübungskontrolle hat sich daher im Ausgangspunkt daran zu orientieren, welche Versorgungsanrechte der sich durch den Ausschluss des Versorgungsausgleichs benachteiligt sehende Ehegatte
ohne die Ehe und die ehebedingte Rollenverteilung durch eigene Berufstätigkeit hätte erwerben können (vgl.
Senatsbeschluss v. 27.2.2013 – XII ZB 90/11 –, FamRZ 2013, 770 Rz. 22).
[27] Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe scheidet eine Anpassung des Ehevertrags vom 18. Mai 1994 im Hinblick auf den Ausschluss des Versorgungsausgleichs an sich schon deshalb aus, weil das Beschwerdegericht im Hinblick auf den Aufbau von Versorgungsanrechten gerade
keine ehebedingten Nachteile der Antragsgegnerin festgestellt hat. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts wäre die hypothetische Versorgungsbiographie der Antragsgegnerin einerseits durch die – mit der Entschuldung ihrer physiotherapeutischen Praxis verbundenen – Schaffung eines veräußerlichen Unternehmenswertes und andererseits durch die Ansammlung von Kapital in der (später aufgelösten) fondsgebundenen Lebensversicherung bei der N.-Versicherung geprägt gewesen. Im Übrigen geht das Beschwerdegericht selbst davon aus, dass die stets freiberuflich tätige Antragsgegnerin zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt hatte, ihre Versorgung – gegebenenfalls zusätzlich – auf den Erwerb von Versorgungsanrechten im Sinne von § 1587a Abs. 2 BGB a. F. (etwa durch Entrichtung von freiwilligen Beiträgen in die gesetzliche Rentenversicherung oder durch Zahlungen auf eine Leibrentenversicherung) zu stützen und daran durch die ehebedingten Dispositionen über ihre Berufstätigkeit gehindert worden wäre.
[28]
c) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der vom Beschwerdegericht maßgeblich herangezogenen Erwägung, dass die Altersvorsorgestrategie eines Selbstständigen typi-
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scherweise auf die
Bildung von Privatvermögen gegründet sei.
[29]
aa) Das Scheidungsfolgenrecht unterscheidet grundsätzlich streng zwischen dem Versorgungsausgleich und dem Zugewinnausgleich (vgl. bereits
Senatsurteil v. 17.10.2007 – XII ZR 96/05 –, FamRZ 2008, 386 Rz. 23). Dem ersten unterliegt das in den Anrechten auf Versorgung wegen Alters oder Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bestehende Versorgungsvermögen, dem zweiten unterfällt das sonstige Vermögen. Allein die Vorstellung der Parteien, der dem Zugewinnausgleich unterfallende Vermögensaufbau diene – was nicht unüblich ist – der Altersversorgung, rechtfertigt es selbst angesichts des weiten Gestaltungsspielraumes, der dem Gericht bei der Anordnung der Rechtsfolgen im Rahmen der Ausübungskontrolle eröffnet ist, noch nicht ohne weiteres, die strikte gesetzliche Abgrenzung der beiden vermögensbezogenen Ausgleichssysteme unberücksichtigt zu lassen. So wird der Entstehung von Nachteilen, die ein Haushalt führender Ehegatte beim Aufbau von Versorgungsanrechten erlitten hat, im Rahmen der Ausübungskontrolle systemgerecht durch eine Anpassung der Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich Rechnung getragen. Führt der danach anzuordnende Versorgungsausgleich zu einer
Halbteilung der von den Ehegatten in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte, besteht für eine Ausübungskontrolle bezüglich der Vereinbarungen zur Gütertrennung kein Anlass mehr, und zwar auch dann nicht, wenn die ehebedingten Versorgungsnachteile durch den Versorgungsausgleich nicht vollständig kompensiert werden konnten und der (nichtselbstständig) erwerbstätige Ehegatte in der Ehezeit zusätzlich zu seinen Versorgungsanrechten ein zur Altersversorgung geeignetes Privatvermögen aufgebaut hat (
Senatsurteil v. 21.11.2012 – XII ZR 48/11 –, FamRZ 2013, 269 Rz. 36).
[30]
bb) Allerdings hat der Senat in der Vergangenheit mehrfach angedeutet, dass es in Fällen der
Funktionsäquivalenz von Versorgungs- und Zugewinnausgleich besondere Sachverhaltskonstellationen geben könnte, in denen ein „Hinübergreifen“ auf das andere vermögensbezogene Ausgleichssystem im Rahmen der Ausübungskontrolle in Betracht gezogen werden kann (vgl.
Senatsurteile v. 21.11.2012 – XII ZR 48/11 –, FamRZ 2013, 269 Rz. 35 f., und v. 26.6.2013 – XII ZR 133/11 –, FamRZ 2013, 1366 Rz. 110).
[31]
(1) Diese Überlegungen haben allerdings solche Fälle im Blick, in denen ein Haushalt führender Ehegatte, der zugunsten der Familienarbeit auf die Ausübung einer versorgungsbegründenden Erwerbstätigkeit verzichtet hat, im Falle der Scheidung im Versorgungsausgleich
keine Kompensation für seine Nachteile beim Aufbau von Versorgungsvermögen erlangt, weil sein (selbstständig) erwerbstätiger Ehegatte aufgrund seiner individuellen Vorsorgestrategie keine nennenswerten Versorgungsanrechte erworben, sondern seine Altersvorsorge bei vereinbarter Gütertrennung allein auf die Bildung von Privatvermögen gerichtet hat. In solchen Fällen kann es im Einzelfall geboten erscheinen, dem Haushalt führenden Ehegatten zum Ausgleich für die entgangenen Versorgungsanrechte einen (modifizierten) Zugewinnausgleich zu gewähren, der einerseits durch den zum Aufbau der entgangenen Versorgungsanrechte erforderlichen Betrag und andererseits durch die gesetzliche Höhe des Ausgleichsanspruchs beschränkt ist
(vgl. auch
Münch, FamRB 2008, 350, 354;
Kogel, Strategien beim Zugewinnausgleich, 4. Aufl., Rz. 50 ff.;
Bergschneider, FamRZ 2008, 2116, 2117; ähnlich
OLG Celle, FamRZ 2008, 2115, 2116, allerdings ohne die gebotene Beschränkung auf den Nachteilsausgleich).
[32]
(2) Damit lässt sich der vorliegende Sachverhalt einer Doppelverdienerehe zweier selbstständiger Ehegatten aber schon im Ausgangspunkt nicht vergleichen. Kann ein Ehegatte in einer solchen Ehe keinen Zugewinnausgleich erlangen, weil sein Partner tatsächlich keinen – oder keinen höheren – ehezeitlichen Zuwachs an Privatvermögen erzielt hat, wird dies (anders als im spiegelbildlichen Fall des unterlassenen Erwerbs von Versorgungsanrechten) üblicherweise nicht mit dessen Dispositionen über seine Altersvorsorgestrategie erklärt werden können. Vielmehr können eine Vielzahl anderer Faktoren, etwa Kapitalanlagerisiken, Markteinflüsse, auf die Bewertung von Vermögensgegenständen an den jeweiligen Stichtagen oder Vermögensverbrauch während der Ehe dafür verantwortlich sein, dass sich zugunsten eines Ehegatten im Falle einer Scheidung schon rechnerisch kein Zugewinnausgleichsanspruch ergibt. Den Besonderheiten und Unwägbarkeiten des güterrechtlichen Ausgleichssystems ist es von vornherein immanent, dass etwaige in der Gestaltung der Ehe begründete Nachteile beim Vermögensaufbau im Zugewinnausgleich möglicherweise nicht oder nicht ausreichend ausgeglichen werden können. Hat dies dann ein
Versorgungsdefizit zur Folge, welches (wie im Falle der Antragsgegnerin) auf einer – für sich genommen nicht ehebedingten – Entscheidung beruht, Altersvorsorge nur durch Bildung von Privatvermögen zu betreiben, kann der betroffene Ehegatte generell nicht erwarten, dass dies durch eine die vertraglichen Abreden unterlaufende Teilhabe an den Versorgungsanrechten des anderen Ehegatten kompensiert wird.
[33]
(3) Unabhängig davon fehlt es an ausreichenden Feststellungen zu den güterrechtlichen Verhältnissen der Parteien, sodass die Entscheidung des Beschwerdegerichts selbst von dessen eigenem Rechtsstandpunkt aus Bedenken begegnen muss.
[34] Die getroffenen Feststellungen ermöglichen insbesondere keine Beurteilung der realen Vermögensentwicklung aufseiten des Antragstellers in der Ehezeit. Sein aktives Endvermögen dürfte zum Stichtag im Jahre 2009 jedenfalls aus dem Wert seiner Zahnarztpraxis, seinem hälftigen Anteil an dem gemeinsamen Einfamilienhaus im Wert von 60.000 € (nach Abzug der Finanzierungsverbindlichkeiten) sowie aus einer oder mehreren kapitalbildenden Lebensversicherungen bestehen, deren Wert zwischen den Parteien streitig und von dem Antragsteller mit 100.000 € angegeben worden ist. Demgegenüber dürfte das aktive Anfangsvermögen im Jahre 1994 zumindest aus dem damaligen Wert seiner Zahnarztpraxis und dem Wert seines damaligen Hauses (vor dem Umbau) bestanden haben. Weitergehende Erkenntnisse zu Vermögen oder Verbindlichkeiten an den Stichtagen lassen sich aus der Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht gewinnen. Nach den weiteren Feststellungen des Beschwerdegerichts sind für den umfangreichen Umbau des ehemaligen Familienheims in den Jahren 1995 und 1996 – zum großen Teil durch den Antragsteller kreditfinanzierte – Investitionen in Höhe von mindestens 1.600.000 DM (rund 820.000 €) getätigt worden, wobei nicht aufgeklärt ist, ob und in welchem Umfang diese Investitionen bei der Veräußerung des Hauses im Jahre 2003 wieder eingebracht werden konnten. Ferner hat der Antragsteller geltend gemacht, seinerseits einen Betrag von 90.000 € in den Umbau des gemeinsamen Einfamilienhauses investiert zu haben.
Allein auf der Grundlage der Feststellungen des Beschwerdegerichts lässt sich daher nicht einmal sicher ausschließen, dass das indexierte Anfangsvermögen des Antragstellers sein Endvermögen selbst dann noch übersteigt, wenn man diesem Endvermögen (fiktiv) den Kapitalwert der von dem Antragsteller in der Ehezeit zwischen 1994 und 2009 erworbenen Zahnarztversorgung hinzurechnen würde. Wäre dies aber der Fall, hätte der Antragsteller in der Ehezeit bei einer Gesamtbetrachtung aller Mittel, die aus Sicht des Beschwerdegerichts für die Altersversorgung von Selbstständigen bestimmt sind, keinen realen Vermögenszuwachs in der Ehe erwirtschaften können. Würde er
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gleichwohl zum Ausgleich ehebedingter Nachteile der Antragsgegnerin herangezogen, obwohl – vom Standpunkt des Beschwerdegerichts aus – die Ansammlung von Privatvermögen für den Antragsteller als Selbstständigen keine geringere Bedeutung für die Altersvorsorge hat, liefe dies auf einen unzulässigen, sich aus den ehelichen Wirkungen ergebenden Schadensersatzanspruch hinaus.
[35]
cc) Eine Korrektur der vertraglichen Abreden zum Versorgungsausgleich käme aber auch dann nicht in Betracht, wenn der Antragsteller in der Ehezeit einen auszugleichenden
(fiktiven) Zugewinn erwirtschaftet hätte. Denn dies könnte allenfalls Anlass zu der Prüfung geben, ob es dem Antragsteller nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich (ganz oder teilweise) auf die vereinbarte Gütertrennung zu berufen. Zwar entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass der Zugewinnausgleich vom Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts nicht umfasst und sich eine Berufung auf eine wirksam vereinbarte Gütertrennung deshalb nur unter engsten Voraussetzungen als rechtsmissbräuchlich erweisen wird
(grundlegend
Senatsurteil, BGHZ 158, 81, 107 f. = FamRZ 2004, 601, 608; zuletzt
Senatsurteile v. 21.11.2012 – XII ZR 48/11 –, FamRZ 2013, 269 Rz. 35, und v. 17.10.2007 – XII ZR 96/05 –, FamRZ 2008, 386 Rz. 33);
völlig ausgeschlossen ist dies aber nicht (
a. A. Braeuer, FamRZ 2014, 77, 79 ff.). Die Berufung auf eine vereinbarte Gütertrennung kann dem Verdikt des
Rechtsmissbrauchs ausgesetzt sein, wenn die Ehegatten bei ihrer Abrede von beiderseitiger, ökonomisch vergleichbar gewinnbringender Berufstätigkeit ausgegangen sind, diese Planung sich aber später aufgrund von Umständen, die dem gemeinsamen Risikobereich der Ehegatten zugehören, nicht verwirklichen lässt (
Senatsurteile, BGHZ 158, 81, 107 f. = FamRZ 2004, 601, 608, und v. 17.10.2007 – XII ZR 96/05 –, FamRZ 2008, 386 Rz. 33). Einer näheren Erörterung der Frage, ob sich der (fiktiv) zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs verpflichtete Antragsteller unter den obwaltenden Umständen mit der Berufung auf die vereinbarte Gütertrennung rechtsmissbräuchlich verhalten würde, bedarf es allerdings nicht, weil es hier damit sein Bewenden hat, dass die vom Beschwerdegericht festgestellten ehebedingten Defizite der Antragsgegnerin beim Vermögensaufbau jedenfalls nicht durch Anpassung der ehevertraglichen Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich, sondern vielmehr – systemgerecht – im Güterrecht oder mit den Instrumenten des Unterhaltsrechts auszugleichen wären.
Anmerkung:Mit diesem Beschluss (Kurzbezeichnung „Zahnarzt/Physiotherapeutin“) behält der BGH seine Rechtsprechung zur richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen grundsätzlich bei, präzisiert und modifiziert sie jedoch.
1. In einem ersten Schritt stellt der BGH wie bereits das KG fest, der Ehevertrag halte der Wirksamkeitskontrolle am Maßstab des § 138 I BGB stand, obwohl es sich immerhin (nahezu) um einen Globalverzicht handelte und zwei Kinder aus beiderseits vorausgegangenen Ehen zu betreuen waren. Zu dem für die Wirksamkeitskontrolle maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses erzielten nämlich beide Beteiligte als Selbstständige mit eigener Praxis (Zahnarzt bzw. Physiotherapeutin) auskömmliche Einkünfte, die es ihnen ermöglichten, Vorsorge für Alter, Krankheit und Invalidität zu treffen, sodass der Ausschluss des Versorgungsausgleichs, die Vereinbarung der Gütertrennung und der teilweise Unterhaltsverzicht keinen durchgreifenden Bedenken begegnete. Zu beanstanden war auch nicht eine etwa ungleiche Verhandlungsposition oder eine einseitige Dominanz eines der Ehegatten oder eine sonstige Störung der subjektiven Vertragsparität. Die anschließende Gesamtwürdigung bestätigte schließlich die Wirksamkeit des gesamten Ehevertrages und damit auch des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs (Rz. 21).
Damit verweist der BGH auf die in seiner Grundentscheidung (vgl.
BGH, FamRZ 2004, 601: „Archäologin“
1) gelegte Struktur für seine Rechtsprechung zur richterlichen Inhaltskontrolle: objektive Seite – subjektive Seite – Gesamtwürdigung. Anzumerken ist noch, dass die Tendenz seiner neuesten Rechtsprechung dahin geht, der subjektiven Seite besonders großes Gewicht einzuräumen und die Sittenwidrigkeit weiter zurückzudrängen (s.
BGH, FamRZ 2013, 195: „Ministerialrat/Krankenschwester“).
2. In einem zweiten Schritt kommt der BGH jedoch im Wege der Ausübungskontrolle gemäß § 242 BGB zu einem anderen Ergebnis als das KG, wobei auf den Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe abzustellen ist und es wieder um den Ausschluss des Versorgungsausgleichs ging. Dabei wendet sich der BGH zunächst gegen die Auffassung des KG, die bei der Ausübungskontrolle zu prüfende Abweichung der tatsächlichen Lebensverhältnisse von der ursprünglichen, dem Ehevertrag zugrunde liegenden Lebensplanung müsse nicht notwendigerweise auf einem Einvernehmen der Ehegatten beruhen. Der angegriffene Beschluss (abgedruckt in FamRZ 2011, 1587, 1588) hatte es nämlich als maßgeblich für das Entstehen eines ehebedingten Nachteils angesehen, wie sich die Verhältnisse entwickelt haben und die Ehe tatsächlich gestaltet war, wobei er auf die Rechtsprechung des BGH zu § 1578b BGB verwies. Demgegenüber stellt der BGH fest, dass diese zur Unterhaltsbeschränkung entwickelte Rechtsprechung (Maßgeblichkeit des „gelebten Lebens“) für eine Korrektur im Wege der Ausübungskontrolle nicht nutzbar gemacht werden könne. Vielmehr distanziere sich auch der durch den Ehevertrag begünstigte Ehepartner durch die während der Ehe vorgenommene Korrektur der vertraglichen Vereinbarung vom ursprünglich geschlossenen Vertrag und seinen Grundlagen, was insbesondere sein Vertrauen in den Bestand des Ehevertrages als weniger schutzwürdig erscheinen lasse. Im entschiedenen Fall bedurfte es für den BGH dazu allerdings keiner näheren Erörterung, weil die Vermögensumschichtung, auf die das KG die von der Vertragsgrundlage abweichende Gestaltung der Lebensverhältnisse stützte, einvernehmlich getroffen worden war (Rz. 24).
3. Da es insbesondere Aufgabe der richterlichen Anpassung von Eheverträgen ist, ehebedingte Nachteile auszugleichen und es im vorliegenden Fall um den Versorgungsausgleich ging, hatte sich die Ausübungskontrolle im Ausgangspunkt daran zu orientieren, welche Versorgungsanrechte durch eigene Berufstätigkeit derjenige Ehegatte, der sich durch den Ausschluss des Versorgungsausgleichs benachteiligt sieht, ohne die Ehe und die ehebedingte Rollenverteilung hätte erwerben können. Dabei stellt der BGH fest, dass die stets freiberuflich tätige Ehefrau zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt hatte, ihre Versorgung – ggf. zusätzlich – auf den Erwerb von Versorgungsanrechten, die in den Versorgungsausgleich fallen, zu stützen, daran aber durch die ehebedingten beruflichen Dispositionen gehindert worden wäre (Rz. 26 f.).
- 1982 -
FamRZ 2014, 1978-1983
- 1983 -
4. Im Folgenden geht es um das Verhältnis von Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich. Der BGH erkennt zwar an, dass die Altersvorsorgestrategie vieler Selbstständiger auf der Bildung von Privatvermögen gegründet ist. Er trägt dem aber nicht dadurch Rechnung, dass er einen ehebedingten Nachteil der Ehefrau beim Vermögensaufbau durch einen Ausgleich im Wege des Versorgungsausgleichs kompensiert. Vielmehr weist er darauf hin, dass das Scheidungsfolgenrecht grundsätzlich streng zwischen dem Versorgungsausgleich und dem Zugewinnausgleich unterscheidet (Rz. 28 f.).
5. Dieser Grundsatz gelte jedoch nicht ohne Ausnahmen. Danach könne es in Fällen der „Funktionsäquivalenz“ von Versorgungs- und Zugewinnausgleich besondere Sachverhaltskonstellationen geben, in denen ein „Hinübergreifen“ auf das andere vermögensbezogene Ausgleichssystem im Rahmen der Ausübungskontrolle in Betracht gezogen werden könne. Gemeint sind hier beispielsweise Eheverträge, in denen (nur) Gütertrennung vereinbart ist, beiderseits ehezeitlich keine Versorgungsanrechte entstanden sind, der Ehemann jedoch erhebliches Vermögen, die Ehefrau hingegen wegen der Kinderbetreuung kein Vermögen erwirbt und damit erhebliche ehebedingte Nachteile erleidet. Der BGH (FamRZ 2008, 386: „Mehrheitsgesellschafter/Gütertrennung“) lehnte in einem solchen Fall das Ansinnen der Ehefrau ab, anstatt der nicht vorhandenen Versorgungsanrechte am Vermögenszuwachs des Ehemannes beteiligt zu werden. In der jetzt getroffenen Entscheidung nimmt der BGH Abstand von einem solchen Ergebnis und stellt fest, dass es im Einzelfall geboten erscheinen könne, dem Haushalt führenden Ehegatten zum Ausgleich für die entgangenen Versorgungsanrechte einen (modifizierten) Zugewinnausgleich zu gewähren, der einerseits durch den zum Aufbau der entgangenen Versorgungsanrechte erforderlichen Betrag und andererseits durch die gesetzliche Höhe des Ausgleichsanspruchs beschränkt ist. Solche Voraussetzungen würden in einer Doppelverdienerehe zweier selbstständiger Ehegatten aber regelmäßig wohl nicht vorliegen (Rz. 30 ff.).
6. Abschließend befasst sich der BGH mit der Frage, ob trotz der Gütertrennung ein Ausgleich über den Zugewinnausgleich in Betracht kommen könnte, wenn sich das Vermögen der Ehegatten unterschiedlich entwickelt. Im vorliegenden Fall war ein vom Ehemann auszugleichender Zugewinn nicht nachgewiesen. Dennoch verweist der BGH auf seine ständige Rechtsprechung, wonach der Zugewinnausgleich vom Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts nicht umfasst ist und sich eine Berufung auf eine wirksame Gütertrennung deshalb nur unter engsten Voraussetzungen als rechtsmissbräuchlich erweisen wird. Und dann kommt wieder eine Ausnahme: „Völlig ausgeschlossen ist dies aber nicht.“ Ein Rechtsmissbrauch könne danach in Betracht kommen, wenn die Ehegatten bei ihrer Abrede von beiderseitiger, ökonomisch vergleichbar gewinnbringender Berufstätigkeit ausgegangen sind, diese Planung sich aber später aufgrund von Umständen, die dem gemeinsamen Risikobereich der Ehegatten zugehören, nicht verwirklichen lässt (Rz. 35).
Resümee: eine weitere Differenzierung der richterlichen Inhaltskontrolle bei der Gütertrennung.
Fachanwalt für Familienrecht Dr.
Ludwig Bergschneider, München
Fußnoten1)
Die schlagwortartigen Bezeichnungen der einzelnen BGH-Entscheidungen stammen vom Verfasser und wurden in der Literatur teilweise übernommen, so z. B.
Staudinger/Baumann, BGB, 2014, § 1585c Rz.100 ff.; s. im Einzelnen
Bergschneider, Richterliche Inhaltskontrolle von Eheverträgen und Scheidungsvereinbarungen.
Der Zeitschriftenbeitrag wird von folgenden Dokumenten zitiertRechtsprechungAG Lemgo, 14. August 2020, 9 F 201/19
BGH 12. Zivilsenat, 27. Mai 2020, XII ZB 447/19
BGH 4. Zivilsenat, 22. Januar 2020, IV ZR 54/19
KG Berlin Senat für Familiensachen, 12. April 2019, 13 UF 124/17
BGH 12. Zivilsenat, 11. Juli 2018, XII ZB 336/16
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KommentareErman, BGB● Norpoth;Sasse, § 8 Besondere materielle Wirksamkeitsvoraussetzungen; II. Inhalts- und Ausübungskontrolle
Staudinger, BGB● Löhnig, Vorbemerkungen zu §§ 1408–1413; II. Vertragsfreiheit im ehelichen Güterrecht; 4. Grenzen der Ehevertragsfreiheit; a) Zwingende gesetzliche Vorschriften; aa) Wirksamkeitskontrolle 2023
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SonstigesBraeuer, 8. Kapitel Zugewinnausgleich und Vertrag; E. Inhaltskontrolle bei Verträgen über den Zugewinnausgleich
Dr. Wolfram Viefhues, § 7 Verwirkung, Befristung, Herabsetzung, Verjährung, Verzug; A. Begrenzung und B…; V. Anwendungsfälle …; 4. Nachteil durch verringerte Altersversorgung (Versorgungsausgleich)
Wever, 13. Kapitel: Ansprüche aus Ehegattenmitarbeit; F. Perspektiven: Neue Lösungswege?; I. Weiterentwicklung der Rechtsprechung
Schwonberg, B. Elemente der Inhaltskontrolle; V. Wirksamkeitskontrolle (im engeren Sinne); 1. Voraussetzungen; b) Einseitige Lastenverteilung
Schwonberg, B. Elemente der Inhaltskontrolle; V. Wirksamkeitskontrolle (im engeren Sinne); 1. Voraussetzungen; c) Disparität
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