BGH Beschluss vom 20.6.2018
– XII ZB 84/17 Rn. 31, BGH FamRZ 2014,1978 Rn. 26;
BGH FamRZ 2013, 770, Rn. 22;
BGH FamRZ 2007, 974, Rn. 28

Fußnote 27.
FN 27: BGH Beschluss vom 20.6.2018 – XII ZB 84/17 Rn. 31

Gericht:

BGH 12. Zivilsenat

Entscheidungsdatum:

20.06.2018

Rechtskraft:

ja

Aktenzeichen:

XII ZB 84/17

ECLI:

ECLI:DE:BGH:2018:200618BXIIZB84.17.0

Dokumenttyp:

Beschluss


Quelle:

 

Normen:

§ 242 BGB, § 826 BGB, § 1381 Abs 1 BGB

Zitiervorschlag:

BGH, Beschluss vom 20. Juni 2018 – XII ZB 84/17 –, juris



            Ehescheidung: Anpassung von Eheverträgen unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmissbrauchskontrolle; Verweigerung der Erfüllung der Zugewinnausgleichsforderung wegen überzahlten Unterhalts

Leitsatz

            1. Mit der Anpassung von Eheverträgen unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmissbrauchskontrolle (§ 242 BGB) sollen ehebedingte Nachteile ausgeglichen werden; sind solche Nachteile nicht vorhanden oder bereits vollständig kompensiert, dient die richterliche Ausübungskontrolle nicht dazu, dem durch den Ehevertrag belasteten Ehegatten zusätzlich entgangene ehebedingte Vorteile zu gewähren und ihn dadurch besser zu stellen, als hätte es die Ehe und die mit der ehelichen Rollenverteilung einhergehenden Dispositionen über Art und Umfang seiner Erwerbstätigkeit nicht gegeben (Fortführung von Senatsbeschlüssen vom 8. Oktober 2014, XII ZB 318/11, FamRZ 2014, 1978 und vom 27. Februar 2013, XII ZB 90/11, FamRZ 2013, 770).(Rn.31)

            2. Zur Anwendung von § 1381 Abs. 1 BGB bei Unterhaltsüberzahlungen.(Rn.36)


Orientierungssatz

            1. Nach § 1381 Abs. 1 BGB kann der Schuldner die Erfüllung der Ausgleichsforderung verweigern, soweit der Ausgleich des Zugewinns nach den Umständen des Falles grob unbillig wäre. Dem ausgleichsverpflichteten Ehegatten steht das Leistungsverweigerungsrecht aus § 1381 Abs. 1 BGB aber nur dann zu, wenn die Gewährung des Ausgleichsanspruchs in der vom Gesetz vorgesehenen Art und Weise dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde.(Rn.37)

            2. Eine Herabsetzung des Ausgleichsanspruchs unter dem Gesichtspunkt einer Unterhaltsüberzahlung kommt nicht in Betracht, wenn und soweit die Rechtskraft einer gerichtlichen Unterhaltsentscheidung der Rückforderung von Unterhalt entgegensteht und die Voraussetzungen einer Durchbrechung der Rechtskraft nach § 826 BGB wegen der vorsätzlichen sittenwidrigen Ausnützung eines als unrichtig erkannten Titels nicht vorliegen.(Rn.40)

            3. Kann der Ausgleichspflichtige wegen einer unerlaubten Handlung des Ausgleichsberechtigten trotz des Vorliegens einer rechtskräftigen Unterhaltsentscheidung ausnahmsweise Schadenersatz wegen des vom Gericht zu Unrecht festgesetzten Unterhalts verlangen, kann er diese Forderung beziffern und damit gegen den Zugewinnausgleichsanspruch aufrechnen.(Rn.40)
Fundstellen
NSW BGB § 242 Cd (BGH-​intern)
NSW BGB § 1381 (BGH-​intern)
NJW 2018, 2871-​2876 (Leitsatz und Gründe)
FamRZ 2018, 1415-​1421 (Leitsatz und Gründe)
FuR 2018, 537-​539 (Leitsatz und Gründe)
MDR 2018, 1188-​1190 (Leitsatz und Gründe)
NZFam 2018, 891-​897 (Leitsatz und Gründe)
DNotZ 2018, 835-​841 (Leitsatz und Gründe)
ZNotP 2018, 367-​374 (Leitsatz und Gründe)
Verfahrensgang
vorgehend OLG Köln, 9. Februar 2017, II-​10 UF 85/15
vorgehend AG Aachen, 17. April 2015, 227 F 382/14
Diese Entscheidung wird zitiert
Rechtsprechung
Fortführung BGH 12. Zivilsenat, 29. November 2023, XII ZB 531/22
Abgrenzung BGH 12. Zivilsenat, 27. Mai 2020, XII ZB 447/19
Kommentare
Erman, BGB
● Böttcher, § 242 Leistung nach Treu und Glauben; IV. Grundrechte und § 242
● Budzikiewicz, § 1372 Zugewinnausgleich in anderen Fällen; 5. Regelung des Zugewinnausgleichs durch Vereinbarung der Ehegatten
● Budzikiewicz, § 1381 Leistungsverweigerung wegen grober Unbilligkeit
● Heinemann, § 1408 Ehevertrag, Vertragsfreiheit
● Heinemann, § 1414 Eintritt der Gütertrennung
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Zeitschriften
Herbert Grziwotz, FamRB 2018, 341-​343
Praxisreporte
Frank Götsche, jurisPR-​FamR 1/2019 Anm. 6 (Anmerkung)
Literaturnachweise
Frank Götsche, jurisPR-​FamR 1/2019 Anm. 6 (Anmerkung)
Ludwig Bergschneider, FamRZ 2018, 1421 (Anmerkung)
Jürgen Soyka, FuR 2018, 539-​540 (Anmerkung)
Max Braeuer, NJW 2018, 2876 (Anmerkung)
Walther Siede, Gerd Brudermüller, NJW 2018, 3213-​3218 (Aufsatz)
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Sonstiges
Duderstadt, Scheidung und Scheidungsfolgen
● Jochen Duderstadt, 2 Eheverträge und Scheidungsfolgenvergleiche; 2.3 Ausübungskontrolle
Duderstadt, Vermögensrecht
● Jochen Duderstadt, 1 Zugewinnausgleich; 1.7 Stundung, Herabsetzung und Wegfall des Zugewinnausgleichsanspruchs
Horndasch, AnwF Familienrecht
● Dr. Peter Horndasch, § 1 Das Scheidungsverfahren; E. Der Versorgungsausgleich; III. Checkliste: Versorgungsausgleich; 9. Vereinbarung über den Versorgungsausgleich, §§ 6 – 8 VersAusglG
Rahm/Künkel, Handbuch Familien- und Familienverfahrensrecht
● Schneider, F. Unterhaltsverfahrensrecht; M Rückforderungsantrag auf zuviel geleisteten Unterhalt
Viefhues, Von der Trennung bis zur Scheidung
● Viefhues, Wolfram, § 14 Rechtskraft der Scheidung; D. Materiellrechtliche Unterhaltssituation ab der R…; IX. Begrenzung und Befristung des nachehelichen Unt…; 16. Sonstige Billigkeitsgesichtspunkte
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Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
Fortführung BGH 12. Zivilsenat, 8. Oktober 2014, XII ZB 318/11
Fortführung BGH 12. Zivilsenat, 27. Februar 2013, XII ZB 90/11

Tenor
            Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 10. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln vom 9. Februar 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Antragsgegner auf die Beschwerde der Antragstellerin zur Zahlung eines höheren Betrages als 7.218,23 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. November 2014 verpflichtet worden ist.

            Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.

            Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

            Von Rechts wegen
Gründe

            A.



1          Die Beteiligten streiten um Zugewinnausgleich und dabei insbesondere um die Auslegung und die Wirksamkeit ihres Ehevertrags.



2          Die 1955 geborene Antragstellerin und der 1952 geborene Antragsgegner heirateten am 8. September 1989; aus der Ehe ist eine im Jahr 1991 geborene Tochter hervorgegangen. Der Antragsgegner ist seit 1986 als niedergelassener Arzt in eigener Praxis erwerbstätig. Die Antragstellerin hat nach Abschluss der Höheren Handelsschule zwischen 1974 und 1985 bei einem Versandhändler gearbeitet. Nach Beendigung dieses Beschäftigungsverhältnisses nahm sie im Herbst 1986 ein Studium zur Produktdesignerin auf. Während der Ehezeit kümmerte sich die Antragsgegnerin um die Haushaltsführung und die Kinderbetreuung. Sie schloss im Jahr 1997 das vor der Ehe begonnene Studium ab und war zeitweise auf Basis einer geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung in der Arztpraxis des Ehemanns tätig. Seit 2008 bezieht sie eine Rente wegen Erwerbsminderung.



3          Zwei Wochen vor ihrer Eheschließung - am 25. August 1989 - hatten die Beteiligten einen notariell beurkundeten Ehevertrag geschlossen. Dieser sah unter anderem bei einer Ehedauer von weniger als zehn Jahren den Ausschluss des Versorgungsausgleichs und den vollständigen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt vor. Die Vereinbarungen über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs und den Verzicht auf nachehelichen Unterhalt sollten im Falle der Geburt eines gemeinsamen Kindes gegenstandslos werden. Ferner enthielt der Ehevertrag Bestimmungen zur Modifikation des gesetzlichen Güterstands. Danach sollte betriebliches Vermögen, zu dem auch die von dem Antragsgegner "geführte Arztpraxis einschließlich der gesamten Einrichtung und eines etwaigen Good Will" gerechnet wurde, bei der Ermittlung des Anfangs- und des Endvermögens außer Ansatz bleiben. Wegen der güterrechtlichen Behandlung eines von dem Antragsgegner kurz vor der Eheschließung erworbenen und vollfinanzierten Hausgrundstücks enthielt der Ehevertrag in Nr. I Ziff. 1c) die Regelung, es solle



            "bei der Ermittlung des Endvermögens der Verkehrswert dieses Hausgrundstücks für die Berechnung eines etwaigen Zugewinnausgleichsanspruchs der zukünftigen Ehefrau nur zur Hälfte angesetzt werden, wobei die auf diesem Hausgrundstück dinglich eingetragenen Belastungen - aus welchem Grunde die Belastungen auch erfolgt sein sollten - abzuziehen sind".



4          Die Eheleute trennten sich im Jahr 2005. Mit einem am 20. März 2009 zugestellten Antrag leitete die Antragstellerin ein Verfahren auf vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns ein. Der Güterstand der Zugewinngewinngemeinschaft wurde durch rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts vom 6. Mai 2009 aufgehoben.



5          Die Ehe der Beteiligten wurde auf den am 28. Juni 2006 zugestellten Scheidungsantrag durch Beschluss des Amtsgerichts vom 16. Juni 2011 - rechtskräftig seit dem 12. November 2011 - geschieden. Im Scheidungsverbund wurde der Versorgungsausgleich durchgeführt, die Folgesache nachehelicher Unterhalt geregelt und die Verpflichtung der Antragstellerin ausgesprochen, das als Ehewohnung genutzte Hausgrundstück des Antragsgegners zu räumen. Im Versorgungsausgleich wurde dabei - insoweit rechtskräftig - zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners bei der Nordrheinischen Ärzteversorgung im Wege interner Teilung zugunsten der Antragstellerin ein auf den 31. Mai 2006 bezogenes Anrecht in monatlicher Höhe von 354,48 € übertragen. In die Gegenrichtung wurde zulasten der Versorgung der Antragstellerin bei der DRV Bund im Wege interner Teilung ein auf den 31. Mai 2006 bezogenes Anrecht der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 0,9040 Entgeltpunkten auf das Versicherungskonto des Antragsgegners übertragen. In der zuvor aus dem Scheidungsverbund abgetrennten Folgesache Zugewinnausgleich wurde der Antragsgegner durch weiteren Beschluss des Amtsgerichts vom 7. Mai 2014 auf einen offenen Teilantrag der Antragstellerin rechtskräftig zur Zahlung eines Zugewinnausgleichsbetrages in Höhe von 50.000 € verpflichtet.



6          In dem vorliegenden, am 11. November 2014 rechtshängig gewordenen güterrechtlichen Verfahren hat die Antragstellerin zunächst einen weiteren Zugewinnausgleichsbetrag in Höhe von 75.077,46 € nachgefordert. Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten. Es besteht Einigkeit zwischen den Beteiligten, dass die Antragstellerin in der Ehezeit keinen Zugewinn erzielt hat und dass aufseiten des Antragsgegners kein Anfangsvermögen zu berücksichtigen ist. Das für den Zugewinnausgleich maßgebliche aktive Endvermögen des Antragsgegners besteht im Wesentlichen aus einem in zwei Lebensversicherungen angesammelten Kapitalvermögen in Höhe von insgesamt 102.514,08 € und aus dem Hausgrundstück, welches an dem für die Berechnung des Zugewinnausgleichs maßgeblichen Stichtag einen Verkehrswert von 287.500 € hatte. Auf dem Hausgrundstück lasteten am Berechnungsstichtag durch eine Grundschuld gesicherte restliche Finanzierungsverbindlichkeiten in einer Höhe von 135.786 €. Die Beteiligten streiten in erster Linie darum, ob diese Belastungen mit Blick auf die Regelung in Nr. I Ziff. 1c) des Ehevertrags bei der Ermittlung des Ausgleichsanspruchs vom vollen oder vom hälftigen Wert der Immobilie abzusetzen sind.



7          Das Amtsgericht hat den Antragsgegner zur Zahlung eines weiteren Ausgleichsbetrages in Höhe von 7.218,23 € nebst Zinsen verpflichtet und den weitergehenden Antrag zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung haben sich beide Beteiligte mit der Beschwerde gewandt. Der Antragsgegner hat weiterhin die vollständige Abweisung des Nachforderungsantrags begehrt, während die Antragstellerin in der Beschwerdeinstanz zuletzt noch die Zahlung eines weiteren Zugewinnausgleichs in Höhe von insgesamt 41.164,73 € erstrebt. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen und der Antragstellerin auf ihre Beschwerde im Wesentlichen antragsgemäß einen weiteren Zugewinnausgleich in Höhe von insgesamt 41.164,72 € nebst Zinsen zugesprochen.



8          Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragsgegners, der sein zweitinstanzliches Begehren weiterverfolgt.



            B.



9          Die Rechtsbeschwerde hat teilweise Erfolg.



            I.



10        Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung das Folgende ausgeführt:



11        Der grundsätzlichen Berücksichtigung der dinglichen Belastung des Hausgrundstücks in Höhe von 135.786 € stehe es nicht entgegen, dass durch diese Grundschuld am Berechnungsstichtag Praxisschulden des Antragsgegners in gleicher Höhe gesichert worden seien, während sich aus dem Ehevertrag ergebe, dass der Wert der Arztpraxis einschließlich der entsprechenden Verbindlichkeiten im güterrechtlichen Ausgleich nicht zu berücksichtigen sei. Tatsächlich hätten diese Schulden einen privaten Ursprung gehabt, weil der Antragsgegner - wie bei Abschluss des Ehevertrags auch beabsichtigt - aus rein steuerlichen Gründen die kurz vor der Eheschließung durch den Hauserwerb veranlassten Darlehensverbindlichkeiten über das sogenannte Zwei-​Konten-​Modell formal in Praxisverbindlichkeiten umgewandelt habe, um in den Genuss des Abzugs der Zinsbelastungen als Betriebsausgaben zu gelangen. Folgerichtig enthalte der Ehevertrag daher die Bestimmung, dass dinglich gesicherte Verbindlichkeiten unabhängig vom Schuldgrund abzuziehen seien.



12        Es könne dahinstehen, wie die ehevertragliche Vereinbarung zur Anrechnung dinglicher Belastungen auf den Immobilienwert auszulegen sei. Wenn die Ansicht des Amtsgerichts zuträfe, dass die zum Berechnungsstichtag valutierenden Grundschulden in voller Höhe vom hälftigen Grundstückswert abzuziehen seien, würde die Klausel einer Ausübungskontrolle am Maßstab des § 242 BGB nicht standhalten. Denn die tatsächlichen ehelichen Lebensverhältnisse seien von der ursprünglichen, dem Vertrag zugrunde liegenden Lebensplanung grundlegend abgewichen, was in Bezug auf die Altersvorsorge der Antragstellerin zu einer evident einseitigen und unzumutbaren Lastenverteilung geführt habe. Dies erfordere eine Vertragsanpassung dergestalt, dass die auf der Immobilie ruhenden Belastungen von dem vollen Wert des Objektes in Abzug zu bringen seien und erst der sodann verbleibende Wert hälftig im Zugewinnausgleich berücksichtigt werde.



13        Bei Vertragsschluss seien die Beteiligten erkennbar davon ausgegangen, dass im Falle der Kinderlosigkeit der Ehe sowohl der Antragsgegner als auch die Antragstellerin (nach Abschluss ihres Studiums) einer auskömmlichen Erwerbstätigkeit nachgehen würden und im Falle von Trennung und Scheidung jeder Ehegatte für sich selbst verantwortlich sein könnte. Hinsichtlich des Hausgrundstücks sei der Antragsgegner nach seinen eigenen Angaben im Zeitpunkt des Vertragsschlusses davon ausgegangen, dass seine kurz vor der Eheschließung erworbene und vollfinanzierte Immobilie innerhalb von zehn Jahren abgezahlt sein würde. Dies korrespondiere mit den Vorstellungen der Antragstellerin, dass ihr nach zehn Jahren im Falle von Trennung und Scheidung über den Zugewinnausgleich zumindest ein Viertel des Werts der Immobilie zukommen werde. Abgesehen davon sei auch mit der Geburt der gemeinsamen Tochter im Jahr 1991 eine Abweichung von der bisherigen Lebensplanung eingetreten, weil die Antragstellerin durch die Übernahme von Haushaltsführung und Kinderbetreuung daran gehindert worden sei, ihr Studium zeitnah abzuschließen. Durch die Geburt der gemeinsamen Tochter seien nach den ehevertraglichen Bestimmungen zwar der wechselseitige Unterhaltsverzicht als auch der Ausschluss des Versorgungsausgleichs hinfällig geworden; die ehevertraglichen Modifikationen zum Güterrecht seien davon aber unberührt geblieben.



14        Eine von der Lebensplanung abweichende tatsächliche Entwicklung der bei Abschluss des Ehevertrags prognostizierten wirtschaftlichen Situation in Bezug auf die Abzahlung der Darlehensverbindlichkeiten habe sich einerseits aus der ungünstigen Zinsentwicklung infolge der Wiedervereinigung und andererseits aus einer nach unten zu korrigierenden Gewinnerwartung bezüglich der Praxiseinkünfte ergeben. Dies habe dazu geführt, dass die Immobilie nicht innerhalb des anvisierten Zeitraums von zehn Jahren lastenfrei gewesen sei. Es führe zu keiner anderen Beurteilung, wenn der Antragsgegner nunmehr einwende, es sei keineswegs geplant gewesen, die Antragstellerin nach zehn Jahren in den Genuss eines lastenfreien Hauses kommen zu lassen, sondern die Vereinbarung des Schuldenabzuges unabhängig vom Schuldgrund habe auch der Sicherung künftiger Praxisinvestitionen dienen sollen. Nach diesem Plan habe der Antragsgegner die Immobilie zwar als Kreditsicherungsmittel für Praxisinvestitionen einsetzen können, was aber für den Zugewinnausgleich nicht bedeute, dass er weiterhin die Privilegierung des Schuldenabzugs für dinglich gesicherte Verbindlichkeiten für sich hätte in Anspruch nehmen können. Denn wegen der ehevertraglichen Regelung, nach der sowohl der Wert der Arztpraxis als auch die originären Praxisschulden im Zugewinnausgleich außer Ansatz bleiben, könne die Verflechtung von Hausfinanzierungsverbindlichkeiten und originären Praxisschulden nicht allein zu Lasten der Antragstellerin gehen.



15        Auch wenn der Zugewinnausgleich nicht zum Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts gehöre und folglich unter erleichterten Bedingungen einer ehevertraglichen Disposition unterliege, könne anderes gelten, wenn ein ehezeitlicher Vermögenszuwachs in einer Ehe mit dem Ehetyp der Alleinverdienerehe und klassischer Rollenverteilung stattgefunden habe oder wenn eine Funktionsäquivalenz zwischen dem Versorgungsausgleich und dem Zugewinnausgleich bestehe. Dies sei hier der Fall. Der Antragsgegner habe - wie bei Freiberuflern nicht unüblich - nur im "gesetzlich vorgeschriebenen Mindestrahmen" Altersvorsorge in den klassischen Regelsicherungssystemen betrieben. Er habe während der Ehezeit zwischen 1989 und 2006 lediglich durch Zahlung von "Mindestbeiträgen" Anwartschaften beim Versorgungswerk der Ärzte aufgebaut. Im Scheidungsverbundverfahren seien der Antragstellerin hieraus lediglich Anwartschaften in Höhe von monatlich 354,48 € übertragen worden, was in Anbetracht der gehobenen Lebensverhältnisse der Ehe in Relation zur siebzehnjährigen Ehezeit gering sei. Im Übrigen habe der Antragsgegner Altersvorsorge durch private Vermögensbildung betrieben. Mit der Übertragung der hälftigen ehezeitlichen Versorgungsanrechte des Antragsgegners aus der "Mindestversorgung" für Ärzte und der über das Güterrecht gewährleisteten Beteiligung an den beiden privaten Lebensversicherungen seien indessen weder die von der Antragstellerin durch die gelebte Rollenverteilung erlittenen Versorgungsnachteile in der Ehezeit kompensiert noch die zum Zeitpunkt des Ehevertragsschlusses vorgesehene Beteiligung an der privaten Altersversorgung des Antragsgegners realisiert worden. Ohne die klassische Rollenverteilung hätte die Antragstellerin voraussichtlich im Jahr 1991 ihr Studium abgeschlossen. Dann wäre sie voraussichtlich bis zum Ende der Ehezeit erwerbstätig geblieben und hätte bei voraussichtlich überdurchschnittlichen Verdienstmöglichkeiten im Schnitt jährliche Rentenanwartschaften in Höhe von 1,38 Entgeltpunkten in der gesetzlichen Rentenversicherung erwirtschaften können. In der Ehezeit hätte sie somit bei einer vierzehnjährigen Erwerbstätigkeit insgesamt 19,32 Entgeltpunkte erwerben können. Die daraus am Ende der Ehezeit resultierende Rente von 504,83 € sei durch den Versorgungsausgleich in Anbetracht der ihr nur in Höhe von 354,48 € übertragenen Anrechte aus der Ärzteversorgung nicht vollständig kompensiert worden. Auch die Beteiligung am Lebensversicherungskapital in Höhe von rund 50.000 € entspreche nicht der zum Zeitpunkt des Ehevertragsschlusses vorgesehenen Teilhabe der Antragstellerin an der privaten Altersvorsorge des Antragsgegners. Ein wesentlicher Baustein der Altersversorgung habe in der Immobilie bestanden. Würden die gesamten dinglichen Belastungen von der Hälfte des Verkehrswerts abgezogen, fiele die Immobilie im Endvermögen des Antragsgegners nur mit einem Vermögenswert in Höhe von 7.964 € ins Gewicht. Dies weiche wesentlich und evident einseitig zulasten der Antragstellerin von der gemeinsamen Vorstellung der Eheleute beim Abschluss des Ehevertrags ab, innerhalb von zehn Jahren über eine lastenfreie Immobilie zu verfügen. Es sei interessengerecht, der fehlgeschlagenen Finanzplanung der Eheleute dadurch Rechnung zu tragen, dass die vorliegenden dinglichen Belastungen nicht nur vom hälftigen, sondern vom vollen Grundstückswert in Abzug zu bringen seien. Es ergebe sich daher ein Zugewinn des Antragsgegners in Höhe von 182.329,45 €, von welchem die Antragstellerin die Hälfte, mithin 91.164,72 € beanspruchen könne. Da ein Teilbetrag von 50.000 € bereits tituliert sei, stünden der Antragstellerin noch 41.164,72 € zu.



16        Die Zugewinnausgleichsforderung sei weder verjährt noch verwirkt. Ohne Erfolg berufe sich der Antragsgegner auf ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 1381 BGB, weil die Antragstellerin im Jahr 2008 Kranken- und Arztunterlagen unterdrückt habe, aus denen sich eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit ergeben hätte, und ihr aus diesem Grunde ein überhöhter Ehegattenunterhalt zugesprochen worden sei. Dem stünde schon die Rechtskraft der jeweiligen unterhaltsrechtlichen Entscheidungen entgegen, weil auf § 1381 BGB keine Korrektur rechtskräftiger gerichtlicher Unterhaltsentscheidungen außerhalb eines Rechtsmittels gestützt werden könne.



            II.



17        Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.



18        1. Das Beschwerdegericht ist - insoweit für die Rechtsbeschwerde günstig - davon ausgegangen, dass der Ehevertrag vom 25. August 1989 der Wirksamkeitskontrolle am Maßstab des § 138 BGB standhält. Gegen diese Beurteilung lassen sich vor dem Hintergrund der nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts von den Beteiligten bei Vertragsschluss angestrebten partnerschaftlichen Doppelverdienerehe keine rechtlichen Bedenken erheben, zumal der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt und der Ausschluss des Versorgungsausgleichs mit der bei Vertragsschluss für möglich gehaltenen Geburt eines gemeinsamen Kindes gegenstandslos werden sollten. Damit gewährleisteten die Regelungen des Ehevertrags im Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts demjenigen Ehegatten, dem die Aufgaben der Kinderbetreuung und der Haushaltsführung übertragen werden würden, einen nachehelichen Schutz vor ehebedingten Einkommenseinbußen und Teilhabe an den in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechten. Der verfahrensgegenständliche Zugewinnausgleich ist einer ehevertraglichen Disposition ohnehin am weitesten zugänglich. Auch die Rechtsbeschwerdeerwiderung der Antragstellerin erinnert gegen die Wirksamkeit des Ehevertrags nichts.



19        2. Nicht bedenkenfrei sind demgegenüber die Erwägungen des Beschwerdegerichts zur Ausübungskontrolle.



20        Soweit die Regelungen eines Ehevertrags der Wirksamkeitskontrolle standhalten, muss der Richter im Rahmen einer Ausübungskontrolle prüfen, ob und inwieweit es einem Ehegatten nach Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) verwehrt ist, sich auf eine ihn begünstigende Regelung zu berufen. Maßgeblich ist insoweit, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige, unzumutbare Lastenverteilung ergibt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. Oktober 2014 - XII ZB 318/11 - FamRZ 2014, 1978 Rn. 22 ff. und vom 17. Juli 2013 - XII ZB 143/12 - FamRZ 2013, 1543 Rn. 22; Senatsurteil vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 34 mwN). Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die einvernehmliche (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 8. Oktober 2014 - XII ZB 318/11 - FamRZ 2014, 1978 Rn. 24) Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse durch die beiden Eheleute von der ursprünglichen, dem Vertrag zugrundeliegenden Lebensplanung grundlegend abweicht und dadurch bei dem belasteten Ehegatten ehebedingte Nachteile entstanden sind, die durch den Ehevertrag nicht angemessen kompensiert werden. Weicht die tatsächliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von der ursprünglichen Lebensplanung ab, können auch die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) Anwendung finden (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Februar 2013 - XII ZB 90/11 - FamRZ 2013, 770 Rn. 19). Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn die abweichende Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht auf einer Entscheidung der Eheleute, sondern auf einer von beiden Beteiligten unbeeinflussten Veränderung von Umständen außerhalb von Ehe und Familie beruht (vgl. Sanders Statischer Vertrag und dynamische Vertragsbeziehung S. 287 ff.; Sanders FF 2013, 239, 242; Münch NJW 2015, 288, 289; vgl. auch Senatsurteil vom 25. Januar 2012 - XII ZR 139/09 - FamRZ 2012, 525 Rn. 39).



21        a) Das Beschwerdegericht hat es ausdrücklich dahinstehen lassen, wie die im Rahmen der Modifikation des gesetzlichen Güterstands vereinbarte Bestimmung zur Anrechnung dinglicher Belastungen auf den Wert der Immobilie des Antragsgegners auszulegen ist. Soweit das Beschwerdegericht eine Auslegung der Klausel dergestalt für möglich gehalten hat, dass die zum Berechnungsstichtag valutierenden Grundschulden in voller Höhe vom hälftigen Grundstückswert abzuziehen seien, ist dieses - für die Rechtsbeschwerde günstige - Auslegungsverständnis für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu unterstellen (vgl. auch BGH Urteil vom 5. Mai 2003 - II ZR 50/01 - NJW-​RR 2003, 1196, 1197).



22        b) Der weitergehenden Beurteilung des Beschwerdegerichts, dass die Anrechnungsklausel bei diesem Auslegungsverständnis zu einem güterrechtlichen Ausgleichsergebnis führen würde, welches einer Ausübungskontrolle am Maßstab des § 242 BGB nicht standhalte, vermag der Senat nicht beizutreten. Nach ständiger Rechtsprechung folgt aus der grundsätzlichen Kernbereichsferne des Zugewinnausgleichs, dass sich eine Berufung auf eine wirksam vereinbarte Gütertrennung oder auf sonstige wirksame Modifikationen des gesetzlichen Güterstands nur unter engsten Voraussetzungen als rechtsmissbräuchlich erweisen wird (Senatsbeschluss vom 8. Oktober 2014 - XII ZB 318/11 - FamRZ 2014, 1978 Rn. 35; Senatsurteile vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 35 und vom 17. Oktober 2007 - XII ZR 96/05 - FamRZ 2008, 386 Rn. 33). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.



23        aa) Hat einer der Ehegatten durch eine von der ursprünglichen Lebensplanung abweichende einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse - insbesondere durch die Übernahme von Haushaltsführung und Kinderbetreuung - Nachteile beim Aufbau einer eigenen Altersversorgung erlitten, wird diesem Umstand systemgerecht durch den Versorgungsausgleich Rechnung getragen. Führt der Versorgungsausgleich zu einer Halbteilung der von den Ehegatten in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte, besteht für eine Ausübungskontrolle bezüglich der Vereinbarungen zum Güterrecht regelmäßig kein Anlass mehr, und zwar auch dann nicht, wenn die ehebedingten Versorgungsnachteile des haushaltsführenden Ehegatten durch den Versorgungsausgleich nicht vollständig kompensiert werden konnten und der erwerbstätige Ehegatte in der Ehezeit zusätzlich zu seinen Versorgungsanrechten ein zur Altersversorgung geeignetes Privatvermögen aufgebaut hat (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Oktober 2014 - XII ZB 318/11 - FamRZ 2014, 1978 Rn. 29 und Senatsurteil vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 36).



24        Freilich hat der Senat in der Vergangenheit mehrfach angedeutet, dass es in Fällen der sogenannten Funktionsäquivalenz von Versorgungs- und Zugewinnausgleich besondere Sachverhaltskonstellationen geben könnte, in denen ein "Hinübergreifen" auf das andere vermögensbezogene Ausgleichssystem im Rahmen der Ausübungskontrolle in Betracht gezogen werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Oktober 2014 - XII ZB 318/11 - FamRZ 2014, 1978 Rn. 30; Senatsurteile vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 35 f. und vom 26. Juni 2013 - XII ZR 133/11 - FamRZ 2013, 1366 Rn. 110). Diese Erwägungen haben solche Fälle im Blick, in denen ein haushaltsführender Ehegatte, der zugunsten der Familienarbeit auf die Ausübung einer versorgungsbegründenden Erwerbstätigkeit verzichtet hat, im Falle der Scheidung im Versorgungsausgleich keine Kompensation für seine Nachteile beim Aufbau von Versorgungsvermögen erlangt, weil der erwerbstätige Ehegatte aufgrund seiner individuellen Vorsorgestrategie keine nennenswerten Versorgungsanrechte erworben, sondern seine Altersvorsorge bei vereinbarter Gütertrennung (oder sonstigen Modifikationen des gesetzlichen Güterstands) auf die Bildung von Privatvermögen gerichtet hat. In solchen Fällen kann es im Einzelfall geboten erscheinen, dem haushaltsführenden Ehegatten zum Ausgleich für die entgangenen Versorgungsanrechte einen modifizierten Zugewinnausgleich zu gewähren, der einerseits durch den zum Aufbau der entgangenen Versorgungsanrechte erforderlichen Betrag und andererseits durch die gesetzliche Höhe des Ausgleichsanspruchs beschränkt ist (Senatsbeschluss vom 8. Oktober 2014 - XII ZB 318/11 - FamRZ 2014, 1978 Rn. 31).



25        bb) Gemessen daran ergeben sich im vorliegenden Fall keine ausreichenden Anknüpfungspunkte für eine Korrektur der zum Güterrecht getroffenen ehevertraglichen Vereinbarungen im Wege einer richterlichen Ausübungskontrolle. Sie lässt sich insbesondere nicht aus dem vom Beschwerdegericht mehrfach hervorgehobenen Umstand herleiten, dass der Antragsgegner nur "Mindestbeiträge" zum berufsständischen Versorgungswerk entrichtet habe.



26        (1) Nach den Bestimmungen der Satzung der Nordrheinischen Ärzteversorgung (im Folgenden: SNÄV) in den für die Ehezeit maßgeblichen Fassungen vom 16. Dezember 1958 (MBl. NW 1958, Sp. 2645) und vom 23. Oktober 1993 (MBl. NW 1994, S. 79) leisten niedergelassene Ärzte an das Versorgungswerk eine allgemeine Versorgungsabgabe; diese wird in Höhe von 14 v.H. der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit des vorletzten Geschäftsjahres erhoben (§ 20 SNÄV). Für niedergelassene Ärzte, die zur kassenärztlichen Tätigkeit zugelassen sind, kann die Versorgungsabgabe auch in Höhe von 7 v.H. der kassenärztlichen Umsätze erhoben werden (§ 22 SNÄV). Als Bemessungsgrundlage für den auf der jährlichen Beitragszahlung beruhenden Erwerb von Steigerungszahlen dient die "durchschnittliche Versorgungsabgabe" nach § 26 Abs. 1 SNÄV. Diese wurde im Zeitraum zwischen 1989 und 2003 berechnet, indem die in dem betreffenden Geschäftsjahr eingegangenen gesamten Versorgungsabgaben durch die Anzahl der Mitglieder geteilt worden ist, welche die Versorgungsabgabe geleistet haben; seit dem Jahr 2004 entspricht die durchschnittliche Versorgungsabgabe dem Jahresbetrag der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 159 SGB VI) multipliziert mit dem Faktor 0,1892. Ausweislich der zum Versorgungsausgleich erteilten Versorgungsauskunft der Nordrheinischen Ärzteversorgung vom 24. November 2010 hat der Antragsgegner in den Jahren von 1989 bis 1993 - bei jährlichen Versorgungsabgaben in annähernd gleichbleibender Höhe von rund 7.000 € - durchgehend Beiträge geleistet, die nur knapp unter der jeweiligen durchschnittlichen Versorgungsabgabe nach § 26 SNÄV lagen. Erst im Zeitraum seit 1994 sanken die Beitragszahlungen des Antragsgegners erkennbar ab und blieben teilweise deutlich hinter der durchschnittlichen Versorgungsabgabe nach § 26 SNÄV zurück.



27        Dies rechtfertigt aber für sich genommen noch nicht ohne weiteres den vom Beschwerdegericht gezogenen Schluss, dass das von dem Antragsgegner in der berufsständischen Versorgung aufgebaute Vorsorgevermögen im Hinblick auf die wirtschaftlichen Lebensverhältnisse während der Ehe unverhältnismäßig gering gewesen sei. Denn soweit die Beiträge zum Versorgungswerk einkommensabhängig (bzw. umsatzabhängig) erhoben werden, spiegelt sich in der individuellen Beitragsbelastung grundsätzlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds in den betreffenden Geschäftsjahren wider. Abweichende Feststellungen hat das Beschwerdegericht nicht getroffen; es kommt darauf aber auch nicht an. Der Antragsteller hat durch seine Beitragszahlung in der Ehezeit ein Versorgungsanrecht in monatlicher Höhe von 708,95 € erworben. Angesichts dieser Größenordnung konnte das geteilte Versorgungsvermögen beim Ärzteversorgungswerk - auch in Relation zu der rund siebzehnjährigen Ehezeit - durchaus die den primären Versorgungssystemen obliegende Funktion erfüllen, dem Versorgungsberechtigten eine selbständige (Basis-​) Absicherung für den Fall von Alter oder Invalidität zu bieten. Für ein über die Halbteilung der berufsständischen Versorgungsanrechte hinausgehendes "Hinübergreifen" auf das güterrechtliche Ausgleichssystem im Wege richterlicher Ausübungskontrolle besteht jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Funktionsäquivalenz kein Raum.



28        (2) Darüber hinaus tragen die Feststellungen des Beschwerdegerichts schon nicht die Annahme, dass aufseiten der Antragstellerin überhaupt ehebedingte (und nicht anderweitig kompensierte) Nachteile beim Aufbau einer Altersversorgung entstanden sind.



29        (a) Nach Durchführung des Versorgungsausgleichs verfügte die Antragstellerin über ein ehezeitlich erworbenes Versorgungsvermögen mit einem korrespondierenden Kapitalwert von 66.296,71 €, nämlich den ihr übertragenen berufsständischen Versorgungsanrechten mit einem korrespondierenden Kapitalwert von 61.131 € und den ihr nach der internen Teilung verbleibenden Anrechten der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem korrespondierenden Kapitalwert von 5.165,71 € (entspricht 0,9040 * 5.714,2800). Das Beschwerdegericht hat demgegenüber eine hypothetische Versorgungsbiographie der Antragstellerin entwickelt, in der sie ihr vor der Ehe aufgenommenes Studium zur Produktdesignerin bis zum Jahre 1991 hätte abschließen und im Anschluss daran eine versorgungsbegründende Berufstätigkeit hätte ausüben können. In diesem Zusammenhang hat das Beschwerdegericht seiner Berechnung einen durchschnittlichen Erwerb von Entgeltpunkten im Kalenderjahr zugrunde gelegt, diesen Durchschnittswert auf den gesamten Betrachtungszeitraum bis zum Ende der Ehezeit übertragen und auf diese Weise ein fiktives ehezeitliches Versorgungsanrecht in Höhe von 19,3200 Entgeltpunkten ermittelt; gegen diesen Ansatz zur Bemessung ehebedingter Versorgungsnachteile in der gesetzlichen Rentenversicherung ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern (vgl. auch Senatsurteil vom 31. Oktober 2012 - XII ZR 129/10 - FamRZ 2013, 195 Rn. 50 und Senatsbeschluss vom 27. Februar 2013 - XII ZB 90/11 - FamRZ 2013, 770 Rn. 32). Nach der vom Beschwerdegericht entwickelten hypothetischen Versorgungsbiographie hätte die Antragstellerin ohne die Ehe und die ehebedingte Rollenverteilung somit ein Versorgungsvermögen mit einem korrespondierenden Kapitalwert von 110.399,89 € (entspricht 19,3200 * 5.714,2800) bilden können. Im Vergleich zum tatsächlichen Versorgungsvermögen in Höhe von 66.296,71 € lässt sich somit am Ende der Ehezeit rechnerisch ein Versorgungsnachteil mit einem Kapitalwert von 44.103,18 € darstellen.



30        (b) Allerdings beschränkt sich die Teilhabe der Antragstellerin am Vermögensaufbau des Antragsgegners unter den hier obwaltenden Umständen nicht auf die ihr im Versorgungsausgleich übertragenen Versorgungsanrechte, sondern ihr kommen über den modifizierten Zugewinnausgleich zusätzlich die beiden kapitalbildenden Lebensversicherungen und - wenngleich in streitigem Umfang - auch das Immobilienvermögen des Antragsgegners zugute. Auch das aufgrund der Ehe erlangte Vermögen kann ehebedingte Versorgungsnachteile kompensieren; das gilt nur dann nicht, wenn der mit den Versorgungsnachteilen belastete Ehegatte auch ohne die Ehe ein vergleichbares Privatvermögen hätte aufbauen können (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13 - FamRZ 2014, 629 Rn. 31). Derartige Feststellungen hat das Beschwerdegericht nicht getroffen. Nach den nicht angegriffenen Berechnungen des Amtsgerichts ergibt sich für die Antragstellerin selbst bei einer für sie ungünstigen Auslegung der streitigen Anrechnungsklausel in Nr. I Ziff. 1c) des Ehevertrags ein Zugewinnausgleichsanspruch in einer rechnerischen Mindesthöhe von 57.218,23 €, der mit einem Teilbetrag von 50.000 € nebst Zinsen bereits im Jahr 2014 zugunsten der Antragstellerin tituliert worden ist. Ein ehebedingter Vermögenserwerb in dieser Größenordnung dürfte dazu geeignet sein, den Nachteil der Antragstellerin beim Aufbau der Altersversorgung nahezu vollständig auszugleichen, auch wenn man dabei berücksichtigt, dass der mit einem Kapitalbetrag von 44.103,18 € bemessene Versorgungsnachteil auf das Ende der Ehezeit am 31. Mai 2006 bezogen ist.
31         (3) Werden die ehebedingten Versorgungsnachteile der Antragstellerin durch den Vermögenszuwachs im (modifizierten) Zugewinnausgleich indessen tatsächlich kompensiert, kann eine weitergehende Anpassung der güterrechtlichen Regelungen des Ehevertrags entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts auch nicht mit der enttäuschten Erwartung der Antragstellerin auf eine (höhere) Teilhabe am Immobilienvermögen gerechtfertigt werden. Dies gilt selbst dann, wenn beide Beteiligte bei Vertragsschluss im Jahre 1989 übereinstimmend davon ausgegangen sein sollten, dass das Hausgrundstück innerhalb des anvisierten Zehnjahreszeitraums abbezahlt sein und der Antragstellerin dann über den Zugewinnausgleich ein Viertel des Werts der lastenfreien Immobilie für ihre Altersvorsorge zugutekommen werden würde. Denn mit der Anpassung von Eheverträgen unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmissbrauchskontrolle (§ 242 BGB) sollen allein ehebedingte Nachteile ausgeglichen werden. Sind solche Nachteile nicht vorhanden oder bereits vollständig kompensiert, dient die richterliche Ausübungskontrolle nicht dazu, dem durch den Ehevertrag belasteten Ehegatten zusätzlich (entgangene) ehebedingte Vorteile zu gewähren und ihn dadurch besser zu stellen, als hätte es die Ehe und die mit der ehelichen Rollenverteilung einhergehenden Dispositionen über Art und Umfang seiner Erwerbstätigkeit nicht gegeben (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. Oktober 2014 - XII ZB 318/11 - FamRZ 2014, 1978 Rn. 26 und vom 27. Februar 2013 - XII ZB 90/11 - FamRZ 2013, 770 Rn. 22; Senatsurteil vom 28. Februar 2007 - XII ZR 165/04 - FamRZ 2007, 974 Rn. 28).



32        3. Ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde indessen gegen die Beurteilung des Beschwerdegerichts, dass dem Antragsgegner keine rechtshemmenden oder rechtsvernichtenden Einwendungen gegen die Zugewinnausgleichsforderung zur Seite stehen.



33        a) Die Forderung ist nicht verjährt.



34        Die Verjährung der Zugewinnausgleichsforderung ist gemäß § 207 Abs. 1 Satz 1 BGB bis zur Rechtskraft der Scheidung gehemmt. Das gilt auch in den Fällen eines erfolgreichen Antrages auf vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft (klarstellend MünchKommBGB/Koch 7. Aufl. § 1378 Rn. 37; BeckOGK/Siede BGB [Stand: Mai 2018] § 1378 Rn. 72). Zwar besteht der Normzweck des § 207 Abs. 1 Satz 1 BGB darin, einem besonderen familiären Näheverhältnis Rechnung zu tragen, welches den Gläubiger während des Bestehens der Ehe davon Abstand nehmen lassen könnte, zur Durchsetzung seines Anspruchs gerichtlich gegen den Schuldner vorzugehen (vgl. BGH Urteil vom 25. November 1986 - VI ZR 148/86 - FamRZ 1987, 250). Dabei handelt es sich aber lediglich um das gesetzgeberische Motiv, das keinen unmittelbaren tatbestandlichen Niederschlag im Gesetz gefunden hat. Das Gesetz stellt für die Anwendbarkeit von § 207 Abs. 1 Satz 1 BGB - ersichtlich aus Gründen der Rechtssicherheit - nur auf das formale Kriterium der fortbestehenden Ehe und nicht auf die konkreten Verhältnisse zwischen den Eheleuten ab. Die Vorschrift kommt deshalb auch dann zur Anwendung, wenn die Beziehungen zwischen den Beteiligten zerrüttet und bereits zum Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen geworden sind (vgl. BGH Urteil vom 25. November 1986 - VI ZR 148/86 - FamRZ 1987, 250, 251; vgl. auch BGHZ 76, 293, 295 = FamRZ 1980, 560 f.). Auch nach der zum 1. Januar 2010 in Kraft getretenen Reform des Verjährungsrechts lässt sich dem Gesetz nichts dafür entnehmen, dass es für die Anwendbarkeit des § 207 BGB auf die Intensität der Beziehung zwischen den Beteiligten ankommen könnte, so dass für eine von der Rechtsbeschwerde reklamierte teleologische Norminterpretation kein Raum ist.



35        b) Mit Recht und mit zutreffender Begründung hat das Beschwerdegericht entschieden, dass die Nachforderung von Zugewinnausgleich im vorliegenden Fall nicht dem Einwand der Verwirkung (vgl. dazu auch Senatsbeschluss vom 7. Februar 2018 - XII ZB 338/17 - FamRZ 2018, 681 Rn. 20 f.) unterliegt. Auch die Rechtsbeschwerde erinnert insoweit nichts mehr.



36        c) Im Ergebnis ist dem Beschwerdegericht auch in seiner Beurteilung beizutreten, dass der Antragsgegner die Erfüllung der Ausgleichsforderung nicht wegen (angeblich) überzahlten Unterhalts nach § 1381 Abs. 1 BGB verweigern kann.



37        aa) Nach § 1381 Abs. 1 BGB kann der Schuldner die Erfüllung der Ausgleichsforderung verweigern, soweit der Ausgleich des Zugewinns nach den Umständen des Falles grob unbillig wäre. Die Vorschrift ermöglicht in besonders gelagerten Einzelfällen eine Korrektur von Ergebnissen, die sich aus der schematischen Anwendung der Vorschriften zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs ergeben können. Nicht ausreichend ist allerdings, dass sich die Unbilligkeit allein aus dem vom Gesetzgeber im Interesse der Rechtssicherheit und Praktikabilität festgelegten pauschalisierenden und schematischen Berechnungssystem ergibt. Dem ausgleichsverpflichteten Ehegatten steht das Leistungsverweigerungsrecht aus § 1381 Abs. 1 BGB nur dann zu, wenn die Gewährung des Ausgleichsanspruchs in der vom Gesetz vorgesehenen Art und Weise dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2013 - XII ZB 277/12 - FamRZ 2014, 24 Rn. 16 mwN und Senatsurteil vom 9. Oktober 2013 - XII ZR 125/12 - FamRZ 2013, 1954 Rn. 27).



38        bb) Dabei entspricht es einer verbreiteten Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum, dass in der Entgegennahme von nicht geschuldetem Unterhalt durch den Ausgleichsberechtigten ein gegen das Vermögen des Ausgleichspflichtigen gerichtetes Fehlverhalten zu sehen sein kann, welches eine Herabsetzung des Ausgleichsanspruchs wegen grober Unbilligkeit nach § 1381 Abs. 1 BGB in Höhe des überzahlten Unterhalts rechtfertigt (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2004, 106, 107; OLG Köln FamRZ 1998, 1370, 1372; OLG Celle FamRZ 1981, 1066, 1069 f.; MünchKommBGB/Koch 7. Aufl. § 1381 Rn. 29, 34; Erman/Budzikiewicz BGB 15. Aufl. § 1381 Rn. 5a; Schulz/Hauß Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung 6. Aufl. Rn. 881; Büte Zugewinnausgleich bei Ehescheidung 5. Aufl. Rn. 316; Reinken FamFR 2013, 412). Dies soll vor allem deshalb gelten, weil der Ausgleichspflichtige, der Unterhalt aufgrund einer lediglich vorläufigen und später aufgehobenen gerichtlichen Regelung oder aufgrund einer unwirksamen Unterhaltsvereinbarung geleistet hat, seinen auf § 812 BGB gestützten Rückforderungsanspruch gegen den Ausgleichsberechtigten häufig nicht durchsetzen kann, wenn sich dieser auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) beruft (vgl. Schulz/Hauß Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung 6. Aufl. Rn. 881; Büte Zugewinnausgleich bei Ehescheidung 5. Aufl. Rn. 316).



39        cc) Ob dieser Ansicht uneingeschränkt gefolgt werden kann (kritisch BeckOGK/Siede [Stand: Mai 2018] § 1381 Rn. 35; Staudinger/Thiele [2017] BGB § 1381 Rn. 10; Prütting/Wegen/Weinreich BGB 13. Aufl. § 1381 Rn. 15), braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden.



40        (1) Denn die (angeblich) überhöhten Unterhaltsansprüche sind der Antragstellerin in gerichtlichen Hauptsacheverfahren rechtskräftig zugesprochen worden. Sofern eine rechtskräftige Unterhaltsentscheidung nicht durch Prozessbetrug (§ 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB) erwirkt worden ist, kommt ein auf Rückzahlung überzahlten Unterhalts gerichteter Schadenersatzanspruch nur ausnahmsweise nach § 826 BGB im Falle der vorsätzlichen sittenwidrigen Ausnützung eines als unrichtig erkannten Titels in Betracht. Dieser Schadenersatzanspruch setzt nicht nur voraus, dass der Berechtigte Kenntnis von der Unrichtigkeit des Titels hatte, sondern es müssen besondere Umstände hinzutreten, welche die Annahme überhöhter Unterhaltszahlungen durch den Berechtigten in besonderem Maße als unredlich und geradezu unerträglich erscheinen lassen (vgl. Senatsurteile vom 23. April 1986 - IVb ZR 29/85 - FamRZ 1986, 794, 796 und vom 19. Februar 1986 - IVb ZR 71/84 - FamRZ 1986, 450, 452). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor und ist damit die Rechtskraft der gerichtlichen Unterhaltsentscheidung vor einer Durchbrechung geschützt, kommt dem Gedanken der Rechtssicherheit - und damit auch dem Vertrauen des Berechtigten, den aufgrund des Titels vereinnahmten Unterhalt entschädigungslos behalten zu dürfen - der Vorrang gegenüber der Einzelfallgerechtigkeit zu. Diese Wertung ist auch im Rahmen der Anwendung von § 1381 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen, so dass eine Herabsetzung des Ausgleichsanspruchs unter dem Gesichtspunkt einer Unterhaltsüberzahlung nicht in Betracht kommt, wenn und soweit die Rechtskraft einer gerichtlichen Unterhaltsentscheidung der Rückforderung von Unterhalt entgegensteht (so wohl auch Staudinger/Thiele [2017] BGB § 1381 Rn. 17). Kann der Ausgleichspflichtige wegen einer unerlaubten Handlung des Ausgleichsberechtigten trotz des Vorliegens einer rechtskräftigen Unterhaltsentscheidung ausnahmsweise Schadenersatz wegen des vom Gericht zu Unrecht festgesetzten Unterhalts verlangen, kann er diese Forderung beziffern und damit gegen den Zugewinnausgleichsanspruch aufrechnen, zumal die Entreicherungsproblematik bei deliktischen Rückforderungsansprüchen nach §§ 823 Abs. 2, 826 BGB ohnehin keine Rolle spielt (vgl. dazu Senatsurteil vom 19. Februar 1986 - IVb ZR 71/84 - FamRZ 1986, 450, 451).



41        Ein Anwendungsbereich für § 1381 Abs. 1 BGB kann sich in den Fällen der deliktischen Unterhaltsrückforderung allenfalls im Zusammenhang mit der Behandlung des auf Rückzahlung überzahlten Unterhalts gerichteten Schadenersatzanspruchs im Rahmen der güterrechtlichen Ausgleichsbilanz ergeben. Da der Anspruch auf Rückzahlung überzahlten Unterhalts bereits im Zeitpunkt der Überzahlung entsteht, muss dieser Anspruch wegen solcher Unterhaltszahlungen, die vor dem Stichtag für die Berechnung des Zugewinns (§§ 1384, 1387 BGB) geleistet worden sind, einerseits als Forderung im aktiven Endvermögen des Ausgleichspflichtigen und andererseits als Verbindlichkeit im passiven Endvermögen des Ausgleichsberechtigten bilanziert werden; insoweit gilt für den Anspruch auf Rückzahlung überzahlten Unterhalts nichts anderes als für den Anspruch auf Zahlung von Unterhaltsrückständen, die vor dem Berechnungsstichtag entstanden sind (vgl. dazu Senatsurteile vom 6. Oktober 2010 - XII ZR 10/09 - FamRZ 2011, 25 Rn. 36 und BGHZ 156, 105, 109 = FamRZ 2003, 1544, 1545; OLG Hamm NJW-​RR 1992, 580, 581 f.; OLG Celle FamRZ 1991, 944, 945). Die Einbeziehung der Forderung in die Ausgleichsbilanz kann nach den Umständen des Einzelfalls dazu führen, dass der Schadenersatzanspruch des Ausgleichspflichtigen durch die wertentsprechende Erhöhung der güterrechtlichen Ausgleichsforderung wirtschaftlich vollständig entwertet wird. Dieses Ergebnis wird gerade bei deliktischen Ansprüchen zwischen den Ehegatten oftmals als grob unbillig angesehen und insoweit eine Korrektur über § 1381 BGB für möglich gehalten (vgl. dazu Staudinger/Thiele [2017] BGB § 1381 Rn. 17 mwN; Jaeger FPR 2005, 352, 353 f.). Andererseits ist allerdings zu bedenken, dass sich die Zahlung des überhöhten Unterhalts in vielen Fällen bereits auf die Zugewinnausgleichsberechnung ausgewirkt hat, weil der Ausgleichspflichtige sonst weitergehendes Vermögen hätte aufbauen können und der Ausgleichsberechtigte durch die Unterhaltszahlung in der Lage versetzt worden ist, eigenes Vermögen zu erhalten oder auch zu bilden (vgl. BeckOGK/Siede [Stand: Mai 2018] § 1381 Rn. 35).



42        (2) Einer weiteren Erörterung bedarf dies indessen nicht, weil im vorliegenden Fall für einen Anspruch des Antragsgegners auf Rückzahlung von Unterhalt aus dem Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung - unabhängig davon, dass der Antragsgegner schon die Höhe des vermeintlich überzahlten Unterhalts nicht schlüssig dargelegt hat - keine hinreichenden Anhaltspunkte bestehen. Soweit sich der Antragsgegner allein auf die unterlassene Vorlage medizinischer Unterlagen aus dem Jahr 2008 stützt, hat die Antragstellerin unwiderlegt vorgetragen, jedenfalls vom Inhalt des im Zuge des Rentenbewilligungsverfahrens für die Deutsche Rentenversicherung Bund erstatteten Gutachtens des Sachverständigen Dr. E. überhaupt erst im Jahre 2015 Kenntnis erlangt zu haben. Im Übrigen lässt der Inhalt dieser Unterlagen keinen Widerspruch zu den Feststellungen des im Trennungsunterhaltsverfahren eingeholten arbeitsmedizinischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. P. vom 25. Juni 2007 erkennen, wonach die Antragstellerin aufgrund einer psychischen Erkrankung in Form einer Somatisierungsstörung bei depressiver Grundstimmung noch für die Dauer eines Jahres nicht in der Lage gewesen sei, nennenswerte gewinnbringende Tätigkeiten auszuüben. Für die Folgezeit ist schon nichts dafür ersichtlich, dass die Antragstellerin trotz der im Juli 2008 bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung gleichwohl davon ausgegangen sein könnte, durch Ausübung einer Berufstätigkeit höhere Erwerbseinkünfte erzielen zu können.

            III.

43        Die angefochtene Entscheidung kann - jedenfalls mit der gegebenen Begründung - nicht in vollem Umfang Bestand haben, sondern unterliegt der Aufhebung, soweit das Beschwerdegericht der Antragstellerin auf ihre Beschwerde einen höheren restlichen Zugewinnausgleichsanspruch als die vom Amtsgericht rechnerisch unstreitig ermittelten 7.218,23 € zugesprochen hat.

44        Insoweit kommt es streitentscheidend darauf an, ob die Anrechnungsklausel in Nr. I Ziff. 1c) des Ehevertrags entweder darauf zielt, im Endvermögen des Antragsgegners (nur) die hälftige Differenz zwischen dem Verkehrswert der Immobilie und den auf ihr ruhenden Belastungen anzusetzen oder ob sie - wie das Amtsgericht meint - dahingehend auszulegen ist, dass im aktiven Endvermögen des Antragsgegners die Hälfte des Verkehrswerts seiner Immobilie, im passiven Endvermögen demgegenüber die dinglich gesicherten Verbindlichkeiten in voller Höhe zu berücksichtigen sind. Der Wortlaut der streitigen Anrechnungsklausel lässt beide Auslegungsmöglichkeiten zu. Die Auslegung von rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen ist Sache des Tatrichters. Eine vom Beschwerdegericht nicht vorgenommene Auslegung darf das Rechtsbeschwerdegericht nur dann selbst vornehmen, wenn alle dazu erforderlichen Feststellungen getroffen sind und eine weitere Aufklärung nicht mehr in Betracht kommt (Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13 - FamRZ 2014, 629 Rn. 51; BGH Urteil vom 12. Dezember 1997 - V ZR 250/96 - NJW 1998, 1219 mwN). Diese Voraussetzungen liegen hier schon deshalb nicht vor, weil nicht ausgeschlossen ist, dass die im Laufe des Beschwerdeverfahrens schon einmal angeordnete, aber schließlich nicht durchgeführte Vernehmung des beurkundenden Notars zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen kann. Die Sache ist daher im Umfang der Aufhebung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG).
FN 27: BGH FamRZ 2013, 770, Rn. 22

Gericht:

BGH

Entscheidungsdatum:

27.02.2013

Aktenzeichen:

XII ZB 90/11

Dokumenttyp:

Beschl.


Quelle:

 

 

Verlag Ernst und Werner Gieseking, Bielefeld

Fundstelle:

FamRZ 2013, 770-773

Normen:

§ 242 BGB, § 313 BGB

Zitiervorschlag:

FamRZ 2013, 770-773




Titelzeile

§§ 242 , 313 BGB : Ausübungskontrolle bei ehevertraglichem Verzicht auf VersAusgl

Vorinstanz

AmtsG Wolfsburg v. 3.3.2009 - 17 F 3249/08

 OLG Braunschweig v. 7.2.2011 - 2 UF 55/09

 BGB §§ 242 , 313

Leitsatz

1. Zur Anpassung eines ehevertraglichen Verzichts auf den Versorgungsausgleich an geänderte Verhältnisse im Wege der Ausübungskontrolle.

2. Im Rahmen der Ausübungskontrolle kann dem ausgleichsberechtigten Ehegatten der unterlassene Erwerb eigener Versorgungsanwartschaften in der Ehezeit nicht vorgehalten werden, wenn dies auf einer gemeinsamen Lebensplanung beruht oder von dem ausgleichspflichtigen Ehegatten während bestehender Lebensgemeinschaft geduldet oder gebilligt worden ist.

(mit Beitrag Hoppenz, in diesem Heft S. 758)

Gründe:

I.

 [1] Die Parteien streiten im Scheidungsverbund über den Versorgungsausgleich und dabei insbesondere über die Wirksamkeit eines Ehevertrages.

 [2] Der 1948 geborene Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) und die 1950 geborene Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) heirateten am 18. Dezember 1981. Aus ihrer Verbindung waren bereits vor der Eheschließung ein 1979 geborener Sohn und eine 1981 geborene Tochter hervorgegangen.

 [3] Der Ehemann, der seiner geschiedenen Frau und zwei minderjährigen Kindern aus erster Ehe unterhaltspflichtig war, hatte sich im Jahre 1977 mit einem Konstruktionsbüro selbstständig gemacht. Die Ehefrau hatte mit der Geburt des ersten gemeinsamen Kindes im Jahre 1979 ihre bisherige Beschäftigung als Fabrikationshelferin aufgegeben und war seit dem Jahre 1980 im Konstruktionsbüro des Ehemannes als Bürokraft angestellt. Am 2. September 1982 schlossen die Parteien einen notariellen Betriebsübertragungsvertrag, mit dem der Ehemann sein Unternehmen mit sämtlichen Aktiva und Passiva ohne Gegenleistung auf die Ehefrau übertrug. Im gleichen Notartermin beurkundeten die Parteien einen Ehevertrag, durch den sie Gütertrennung vereinbarten und den Versorgungsausgleich ausschlossen. Es wurde ferner übereinstimmend festgestellt, dass der gesamte Hausrat von der Ehefrau in die Ehe eingebracht worden und in ihrem Alleineigentum verblieben sei; Regelungen zum Unterhalt wurden nicht getroffen.

 [4] In der Folgezeit erzielte der Ehemann Einkünfte als freier Mitarbeiter des Konstruktionsbüros, während der Ehefrau als Bürokraft unverändert ein sozialversicherungspflichtiges Bruttogehalt in monatlicher Höhe von rund 1.000 DM gezahlt wurde. Die Ehefrau führte daneben den Haushalt und betreute die gemeinsamen Kinder.

 [5] Der Betrieb des Konstruktionsbüros wurde zum 15. März 1991 eingestellt. Der Ehemann nahm am 16. März 1991 eine abhängige Beschäftigung als Angestellter der Volkswagen AG auf und erwarb Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung sowie betriebliche Versorgungsanrechte. Im Jahre 1992 endeten die aus der geschiedenen Ehe des Ehemannes herrührenden Unterhaltspflichten. Die Ehefrau war nach der Aufgabe des Konstruktionsbüros nur noch sporadisch und weitgehend im Rahmen sozialversicherungsfreier Beschäftigungsverhältnisse erwerbstätig. In der gesetzlichen Ehezeit (1. Dezember 1981 bis 30. Juni 2008) hat der Ehemann Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 816,39 € sowie volldynamische Anwartschaften der betrieblichen Altersversorgung in Höhe von monatlich 244,70 € erworben. Dem stehen aufseiten der Ehefrau ehezeitanteilige Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 144,44 € gegenüber.

 [6] Das Amtsgericht hat die Ehe der Parteien durch Urteil vom 3. März 2009 geschieden und den Versorgungsausgleich nach altem Recht uneingeschränkt durchgeführt, indem es zulasten des Versicherungskontos des Ehemannes bei der DRV Bund auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der DRV Braunschweig-​Hannover im Wege des Rentensplittings Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 335,98 € sowie im Wege des erweiterten Splittings weitere Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 49,70 € übertragen hat; im Übrigen hat es der Ehefrau den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten. Die gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich gerichtete Beschwerde des Ehemannes, mit der er im Wesentlichen geltend gemacht hat, dass die vom Amtsgericht vorgenommene Korrektur des Ehevertrages unbillig sei, weil die Ehefrau in den 1990er Jahren in erheblichem Umfang Schwarzarbeit betrieben und sie deshalb den unzureichenden Aufbau einer eigenen Altersversorgung selbst zu vertreten habe, hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Ehemann mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der er weiterhin einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs erstrebt.

II.

[7] Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

 [8] Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG -RG noch das bis zum 31. August 2009 geltende Prozessrecht anzuwenden, weil das Verbundverfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet (vgl. Senatsbeschluss v. 3.11.2010 – XII ZB 197/10 –, FamRZ 2011, 100 Rz. 10) und eine Endentscheidung im ersten Rechtszug bis zum 31. August 2010 erlassen worden ist (vgl. Art. 111 Abs. 5 FGG -RG).

[9] 1. Das Beschwerdegericht hat die von dem Amtsgericht angeordnete Durchführung des öffentlich-​rechtlichen Versorgungsausgleichs nach dem Maßstab der schematischen Halbteilung aller in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften gebilligt und zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:

 [10] Der Versorgungsausgleich sei nicht durch den Ehevertrag vom 2. September 1982 ausgeschlossen. Allerdings halte der Ehevertrag im Rahmen der Prüfung des § 138 Abs. 1 BGB einer Wirksamkeitskontrolle stand. Unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Jahre 1982 habe der vertraglich vereinbarte Ausschluss des Versorgungsausgleiches keine einseitige Lastenverteilung zum Nachteil der Ehefrau begründet. Zwar seien die Kinder der Parteien noch sehr jung gewesen und die Ehefrau habe sich nach ihrem Vorbringen überwiegend um die Kindererziehung und den Haushalt gekümmert. Der Ehemann sei aber seit dem Jahre 1977 selbstständig gewesen und habe während seiner Selbstständigkeit keine gesetzlichen oder betrieblichen Versorgungsanwartschaften erworben, während die Ehefrau seit 1980 im Büro des Ehemannes mit einer versicherungspflichtigen Tätigkeit als Bürohilfe beschäftigt gewesen sei. Damit habe die Ehefrau gerade nicht benachteiligt werden, sondern der Ausschluss des Versorgungsausgleichs habe dazu führen sollen, ihr im Falle der Scheidung ihre Rentenanwartschaften zu erhalten.

 [11] Allerdings verhalte sich der Ehemann mit der Berufung auf den Ehevertrag rechtsmissbräuchlich, weil die einvernehmliche Ausgestaltung des Ehelebens von den gemeinsamen Vorstellungen bei Vertragsschluss erheblich abgewichen sei und der Ehefrau daher ein Festhalten   
 
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- 771 -  am Ehevertrag nicht mehr zugemutet werden könne. Der bereits einmal geschiedene Ehemann sei bei Vertragsschluss selbstständig gewesen und habe – was auch die formelle Übertragung seiner Firma auf die Ehefrau durch notarielle Urkunde vom gleichen Tage verdeutliche – seiner „Altfamilie“ möglichst wenige Zugriffsmöglichkeiten auf seine „Neufamilie“ geben wollen. Diese Situation habe sich im Jahre 1991 grundlegend geändert, weil der Ehemann seine Selbstständigkeit aufgegeben und eine abhängige Beschäftigung bei der Volkswagen AG aufgenommen habe. Anders als bei Abschluss des Ehevertrages vorhergesehen, habe der Ehemann noch in erheblichem Umfange gesetzliche Rentenanwartschaften und Anrechte auf betriebliche Altersversorgung erworben, während die Ehefrau mit Aufgabe der Selbstständigkeit auch ihre Bürotätigkeit im Familienbetrieb verloren und seit dem Jahre 1991 kaum mehr Rentenanwartschaften erworben habe.

 [12] Ein Festhalten am Ehevertrag sei der Ehefrau auch nicht deshalb zumutbar, weil sie angeblich in den Folgejahren in erheblichem Umfange als Küchenhilfe unbemerkt der Schwarzarbeit nachgegangen sei. Dieses Vorbringen des Ehemannes sei substanzlos, weil er weder dargelegt habe, zu welchen konkreten Zeitpunkten und mit welchem Lohn die Ehefrau eine solche Tätigkeit ausgeübt haben solle, noch dazu vorgetragen habe, warum er in all den Jahren von der vermeintlich umfangreichen Schwarzarbeit der Ehefrau nichts bemerkt haben wolle. Selbst wenn man den Vorwurf der Schwarzarbeit aber als wahr unterstelle, hätte auch der Ehemann selbst während der Ehe durch die Entlastung der Familienkasse von diesen Mehreinkünften der Ehefrau profitiert.

 [13] Schließlich seien auch die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Versorgungsausgleiches nach § 1587c BGB nicht gegeben. Die Ehefrau habe ihre Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, nicht gröblich verletzt. Der Umstand, dass sie nach dem Ende ihrer Beschäftigung im Familienbetrieb keine versicherungspflichtige Tätigkeit in größerem Umfange mehr ausgeübt habe, könne ihr nicht als illoyales Verhalten vorgeworfen werden, weil dies während bestehender Ehe so praktiziert worden und daher als gemeinsame Entscheidung von beiden Ehegatten zu tragen sei. Schließlich sei der Versorgungsausgleich auch nicht mit Blick auf die Versorgungslage der Parteien unbillig. Die Ehefrau habe Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in einer Gesamthöhe von 458,46 € erworben. Dem stünden aufseiten des Ehemannes Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in einer Gesamthöhe von 1.083,43 € sowie eine Betriebsrente in Höhe von 245,78 € gegenüber. Die Durchführung des öffentlich-​rechtlichen Versorgungsausgleichs durch Übertragung von Rentenanwartschaften in Höhe von 335,98 € sowie weiteren 49,70 € auf das Versicherungskonto der Ehefrau könne daher nicht zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht der Parteien führen.

[14] Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

[15] 2. Zutreffend – und insoweit für die Rechtsbeschwerde günstig – ist das Beschwerdegericht zunächst davon ausgegangen, dass der Ehevertrag vom 2. September 1982 der Wirksamkeitskontrolle am Maßstab des § 138 BGB standhält.

[16] a) Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle hat der Tatrichter zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr – und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse – wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB ). Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse beim Vertragsschluss abstellt, insbesondere also auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und auf die Kinder. Subjektiv sind die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen

 (Senatsurteil, BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 606; vgl. zuletzt Senatsurteile v. 31.10.2012 – XII ZR 129/10 –, FamRZ 2013, 195 Rz. 19, und v. 21.11.2012 – XII ZR 48/11 –, FamRZ 2013, 269 Rz. 22).

[17] b) Nach diesen Maßstäben lässt sich schon in objektiver Hinsicht nicht feststellen, dass der Ehevertrag nach den Umständen bei Vertragsschluss in einem künftigen Scheidungsfall offenkundig zu einer einseitigen Belastung der Ehefrau geführt hätte. Der Verzicht auf den Versorgungsausgleich hätte sich angesichts der (später zunächst auch verwirklichten) Planungen der Eheleute bezüglich der rechtlichen Ausgestaltung ihrer Mitarbeit im Konstruktionsbüro nur zugunsten der Ehefrau auswirken können, weil ausschließlich die gesetzlich rentenversicherte Ehefrau solche, dem Versorgungsausgleich unterfallenden Versorgungsanrechte erwerben sollte.

 [18] Es ist auch nicht zu erkennen, dass die Ehefrau aus der Sicht des Jahres 1982 durch die Vereinbarung der Gütertrennung vorhersehbar benachteiligt werden würde. Da die Ehefrau durch den parallel abgeschlossenen Betriebsübertragungsvertrag Alleininhaberin des Familienunternehmens geworden war, wäre ein möglicherweise in der Ehe erwirtschafteter Zuwachs des Unternehmenswertes ihrem eigenen Vermögen zugutegekommen und dieses Vermögen durch die vereinbarte Gütertrennung gegenüber güterrechtlichen Ansprüchen des Ehemannes abgesichert worden. Es mag zwar zutreffen, dass der Ehemann im Falle einer wirtschaftlich erfolgreichen Entwicklung des Familienbetriebs beim Scheitern der Ehe Teilhabeansprüche außerhalb des Güterrechts gegen die Ehefrau hätte geltend machen können; dies ändert aber nichts an der grundlegenden Beurteilung, dass sich die Vereinbarung der Gütertrennung bei Vertragsschluss jedenfalls nicht offenkundig für die Ehefrau nachteilig auswirken musste. Es ist auch nichts für die Annahme ersichtlich, dass die Parteien bei Vertragsschluss davon ausgegangen sind, dass der mit erheblichen Unterhaltspflichten belastete Ehemann bereit und in der Lage sein würde, aus seinen Einkünften als freier Mitarbeiter des Konstruktionsbüros eine private Vermögensbildung in nennenswertem Umfang zu betreiben. Vielmehr dürfte eher das Gegenteil der Fall gewesen sein, zumal die Gestaltung der beiden am 2. September 1982 geschlossenen notariellen Verträge offensichtlich darauf ausgerichtet war, die familiäre Vermögenssphäre zulasten des Ehemannes in einer Weise zu ordnen, dass sie gegenüber vermögens- oder erbrechtlichen Ansprüchen aus der geschiedenen Ehe des Ehemannes möglichst geringe Zugriffsmöglichkeiten bot. Aus diesem Grund wird man auch in subjektiver Hinsicht nicht davon ausgehen können, dass der Vertragsgestaltung aufseiten des Ehemannes eine verwerfliche Gesinnung gegenüber der Ehefrau zugrunde lag.

[19] 3. Soweit ein Ehevertrag – wie hier – der Wirksamkeitskontrolle standhält, muss der Richter im Rahmen einer Ausübungskontrolle prüfen, ob und inwieweit es einem Ehegatten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB ) verwehrt ist, sich auf eine ihn begünstigende Regelung zu berufen. Entscheidend ist insofern, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige, unzumutbare Lastenverteilung ergibt. Auch die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB ) können dabei auf Eheverträge Anwendung finden, wenn und soweit die tatsächliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von derjenigen ursprünglichen Lebensplanung abweicht, welche die Ehegatten dem Ehevertrag zugrunde gelegt haben.

[20] a) Richtig ist auch hier der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts. Ein zunächst wirksam vereinbarter – völliger oder teilweiser – Ausschluss des Versorgungsausgleichs hält einer Ausübungskontrolle nicht stand, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte aufgrund einvernehmlicher Änderung der gemeinsamen Lebensumstände über keine hinreichende Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint (vgl. Senatsbeschluss v. 6.10.


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2004 – XII ZB 57/03 –, FamRZ 2005, 185, 187). Unter den hier obwaltenden Umständen knüpft die Ausübungskontrolle an die Überlegung an, dass dem bei Vertragsschluss für die haushaltführende und kinderbetreuende Ehefrau beabsichtigten Versorgungskonzept, einerseits Erwerb von gesetzlichen Rentenanwartschaften durch Erzielung von sozialversicherungspflichtigen Einkünften, andererseits Inhaberin des Familienbetriebes und des durch den Unternehmenswert repräsentierten Vermögens, mit der Aufgabe des Konstruktionsbüros am 15. März 1991 die Grundlage entzogen war. Es käme im Scheidungsfall zu einer evident einseitigen und nach Treu und Glauben nicht hinnehmbaren Lastenverteilung, wenn die Ehefrau die Folgen der Entscheidung, sich nach der Aufgabe des Konstruktionsbüros unter Verzicht auf eine eigene versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit ausschließlich der Familienarbeit zu widmen, ohne Kompensation allein tragen müsste, während der Ehemann einer abhängigen Beschäftigung nachgeht und dort Versorgungsanwartschaften erwirbt.

[21] b) Allerdings hat der Senat mehrfach betont, dass die richterliche Ausübungskontrolle weder ohne Weiteres zur Unwirksamkeit des Ausschlusses der gesetzlichen Scheidungsfolge noch dazu führt, dass die gesetzliche Regelung in Vollzug gesetzt wird. Vielmehr hat der Richter diejenige Rechtsfolge anzuordnen, welche die berechtigten Belange beider Parteien in der eingetretenen Situation in ausgewogener Weise berücksichtigt

 (grundlegend Senatsurteil, BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 606; vgl. zuletzt Senatsurteile v. 31.10.2012 – XII ZR 129/10 –, FamRZ 2013, 195 Rz. 19, und v. 21.11.2012 – XII ZR 48/11 –, FamRZ 2013, 269 Rz. 22).

Diesen Maßstäben trägt die Entscheidung des Beschwerdegerichts, das ohne Weiteres eine Halbteilung sämtlicher in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte für angemessen gehalten hat, nicht hinreichend Rechnung.

[22] aa) Durch die richterliche Anpassung von Eheverträgen im Wege der Ausübungskontrolle sollen ehebedingte Nachteile ausgeglichen werden. Beruhen diese Nachteile – wie letztlich auch hier – darauf, dass ein Ehegatte aufgrund der ehelichen Rollenverteilung vollständig oder zeitweise auf eine versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit verzichtet hat, kann er durch die Anpassung des Ehevertrages nicht besser gestellt werden als er ohne die Ehe und den damit einhergehenden Erwerbsverzicht stünde (vgl. Senatsurteil v. 28.2.2007 – XII ZR 165/04 –, FamRZ 2007, 974 Rz. 28). Die richterliche Ausübungskontrolle hat sich daher im Ausgangspunkt daran zu orientieren, welche Versorgungsanrechte die Ehefrau ohne die Ehe und die ehebedingte Rollenverteilung durch eigene Berufstätigkeit hätte erwerben können. Obere Grenze des Versorgungsausgleichs ist dabei allerdings immer dasjenige, was die Ehefrau bei Durchführung des Ausgleichs nach den gesetzlichen Vorschriften unter Beachtung des Halbteilungsgrundsatzes erhalten hätte, wenn der Ausgleich nicht ehevertraglich ausgeschlossen worden wäre (Senatsbeschluss v. 6.10.2004 – XII ZB 57/03 –, FamRZ 2005, 185, 187).

[23] bb) Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles erscheint es indessen nach Treu und Glauben nicht geboten, die Ehefrau auch für den Zeitraum bis März 1991 durch die Übertragung von Versorgungsanrechten zulasten des Ehemannes hinsichtlich ihrer Versorgungssituation so zu stellen, als hätte es die Ehe nicht gegeben.

 [24] Es wird zwar durchaus davon auszugehen sein, dass der Ehefrau in dieser Zeit ehebedingte Versorgungsnachteile entstanden sind, weil sie in den 1980er Jahren bei Ausübung einer Vollzeitbeschäftigung im erlernten oder vorehelich ausgeübten Beruf voraussichtlich höhere Rentenanwartschaften hätte aufbauen können als durch die sozialversicherungspflichtige Mitarbeit im Familienunternehmen; dort hat sie ausweislich der Versorgungsauskunft der DRV Braunschweig-​Hannover vom 14. Januar 2009 im Kalenderjahr ohne die Berücksichtigung von Beitragszeiten für Kindererziehung (lediglich) Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in einem Umfang von 0,3 bis 0,4 Entgeltpunkten erworben.

 [25] Mit der Aufgabe des auf die Ehefrau übertragenen Familienunternehmens im März 1991 hat sich indessen lediglich ein von der Ehefrau mitzutragendes wirtschaftliches Risiko verwirklicht, welches dem ursprünglichen Versorgungskonzept der Parteien, das für die Ehefrau nicht nur Risiken, sondern auch Chancen geboten hatte, immanent war. Der Ehemann hat seinerseits zwischen der Eheschließung und der Aufgabe der Selbstständigkeit überhaupt keine Versorgungsanrechte erworben, und das Beschwerdegericht hat auch nicht festgestellt, dass er in diesem Zeitraum ein privates Vermögen aufgebaut hat. Es ist deshalb nicht treuwidrig, wenn sich der Ehemann im Rahmen der Ausübungskontrolle darauf beruft, dass der Ehevertrag bis zum 15. März 1991 eine (sogar einseitige) wirtschaftliche Absicherung der Ehefrau gewährleistet und eine Anpassung des Vertrages insoweit zu unterbleiben habe.

[26] cc) Etwas anderes gilt für den Zeitraum seit dem 16. März 1991, weil sich die ehelichen Lebensumstände im Hinblick auf die beiderseitige Versorgungssituation – rentenversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit des Ehemannes, Familienarbeit der Ehefrau – von diesem Zeitpunkt an einseitig und ausschließlich zulasten der Ehefrau geändert hatten.

 [27] Aus der Versorgungsauskunft der DRV Braunschweig-​Hannover vom 14. Januar 2009 ergibt sich, dass die Ehefrau zwischen dem 16. März 1991 und dem Ende der Ehezeit am 30. Juni 2008 tatsächlich insgesamt 1,6526 Entgeltpunkte erwerben konnte. Der vom Amtsgericht angeordnete öffentlich-​rechtliche Versorgungsausgleich durch Rentensplitting in Höhe von 335,98 € und erweitertes Splitting in Höhe von 49,70 € würde auf dem Versicherungskonto der Ehefrau zu einem Zuschlag von 14,6814 Entgeltpunkten ([335,98 € + 49,70 €] / 26,27 € ARW am Ende der Ehezeit) führen. Rechnerisch wäre unter dem Gesichtspunkt des Nachteilsausgleichs eine Übertragung von Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in diesem Umfang gerechtfertigt, wenn die Ehefrau ohne Ehe und Kindererziehung im vorgenannten Zeitraum durch eine eigene versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit (ebenfalls) mindestens 16,3340 Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung oder andere wertgleiche Versorgungsanrechte hätte erwerben können. Die Entwicklung einer hypothetischen Erwerbsbiographie und eines darauf beruhenden Versicherungsverlaufes ist Aufgabe des Tatrichters. Hierzu hat das Beschwerdegericht – aus seiner Sicht folgerichtig – bislang keine Feststellungen getroffen.

[28] 4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf das Folgende hin:

[29] a) Die Entwicklung einer hypothetischen Erwerbsbiographie kann im vorliegenden Fall nicht ohne Weiteres an die Überlegung anknüpfen, dass die Ehefrau ohne die Geburt des gemeinsamen Sohnes im Jahre 1979 voraussichtlich bei ihrem damaligen Arbeitgeber weiter beschäftigt geblieben wäre. Berufliche Dispositionen, die – wie hier die Aufgabe eines bestimmten Arbeitsplatzes – bereits geraume Zeit vor der Eheschließung getroffen worden sind, haben keine ehebedingten Ursachen, auch wenn sie durch die voreheliche Betreuung gemeinsamer Kinder oder das voreheliche Zusammenleben veranlasst worden sind (vgl. Senatsurteile v. 7.3.2012 – XII ZR 25/10 –, FamRZ 2012, 776 Rz. 19, und v. 20.2.2013 – XII ZR 148/10 –, zur Veröffentlichung bestimmt).

[30] b) Fiktive Versorgungsanrechte der gesetzlichen Rentenversicherung werden in der Regel auf die Weise zu ermitteln sein, dass die gegebenenfalls gemäß § 287 ZPO zu schätzenden Entgelte, die der berechtigte Ehegatte bei gedachter (vollschichtiger) Erwerbstätigkeit in den Jahren der ehebedingten Aufgabe oder Einschränkung seiner Erwerbstätigkeit hätte erzielen können, in das Verhältnis zum jeweils gegebenen Durchschnittsent-


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gelt aller Versicherten gesetzt und die sich hieraus ergebende Summe an Entgeltpunkten ermittelt wird (Senatsurteil v. 31.10.2012 – XII ZR 129/10 –, FamRZ 2013, 195 Rz. 50, und Senatsbeschluss v. 6.10.2004 – XII ZB 57/03 –, FamRZ 2005, 185, 188). Bei einer längeren Aufgabe oder Einschränkung der Erwerbstätigkeit kann zur Vereinfachung der Berechnung auch erwogen werden, der Berechnung einen durchschnittlichen Erwerb von Entgeltpunkten im Kalenderjahr zugrunde zu legen und diesen Durchschnittswert auf den gesamten Betrachtungszeitraum zu übertragen (Senatsurteil v. 31.10.2012 – XII ZR 129/10 –, FamRZ 2013, 195 Rz. 50); dabei kann gegebenenfalls auch das allgemeine Arbeitsmarktrisiko angemessen berücksichtigt werden. In jedem Falle hat der Tatrichter die tatsächlichen Grundlagen seiner Schätzung und ihre Auswertung in objektiv nachprüfbarer Weise anzugeben, zumindest aber seine Hypothesen zur fiktiven Erwerbsbiographie anhand der aus Erfahrungen im jeweiligen Berufsfeld oder aus tariflichen Regelwerken gewonnenen Erkenntnisse einer nachvollziehbaren Plausibilitätskontrolle zu unterziehen (Senatsurteil v. 31.10.2012 – XII ZR 129/10 –, FamRZ 2013, 195 Rz. 53).
[31] c) Keinen rechtlichen Bedenken begegnen die Erwägungen, die das Beschwerdegericht im Zusammenhang mit dem Vorbringen zur (vermeintlichen) Schwarzarbeit der Ehefrau angestellt hat.

[32] Zwar kann es auch im Rahmen der Ausübungskontrolle bei Eheverträgen eine Rolle spielen, wenn es der ausgleichsberechtigte Ehegatte, der sich auf eine unzumutbare Lastenverteilung als Folge des ehevertraglichen Verzichts auf den Versorgungsausgleich beruft, in der Ehezeit vorwerfbar unterlassen hat, sich um den Aufbau einer eigenen Altersvorsorge zu bemühen, um damit seine ehebedingten Versorgungsnachteile – zumindest teilweise – selbst zu kompensieren. Wie nach den für die Anwendung der Härteklauseln (§ 1587c BGB bzw. § 27 VersAusglG ) geltenden Maßstäben kann dem ausgleichsberechtigten Ehegatten der unterlassene Erwerb eigener Versorgungsanwartschaften in der Ehezeit allerdings nur dann vorgehalten werden, wenn sich dies als illoyales Verhalten gegenüber dem anderen Ehegatten darstellt, weil es nicht auf einer gemeinsamen Lebensplanung beruht (vgl. Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 5. Aufl., § 27 VersAusglG Rz. 49; FAKomm-​FamR/Wick, 5. Aufl., § 27 VersAusglG Rz. 21, m. w. N.) oder von dem ausgleichspflichtigen Ehegatten während bestehender Lebensgemeinschaft nicht zumindest mit Nachsicht behandelt worden ist (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 1997, 567, 568). Insoweit hat sich das Beschwerdegericht erkennbar schon keine Überzeugung davon verschaffen können, dass der Ehemann von der angeblich jahrelangen Ausübung einer vollschichtigen Schwarzarbeit durch die Ehefrau – die er selbst in das Wissen der seinerzeit minderjährigen Tochter gestellt hat – während bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft nichts bemerkt und dieses dann nicht zumindest stillschweigend geduldet oder gebilligt haben will. Gegen eine solche tatrichterliche Würdigung gibt es aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.

 Der Zeitschriftenbeitrag wird von folgenden Dokumenten zitiert
Rechtsprechung
KG Berlin Senat für Familiensachen, 4. September 2023, 16 UF 21/23
BGH 12. Zivilsenat, 17. März 2021, XII ZB 221/19
AG Lemgo, 14. August 2020, 9 F 201/19
OLG Köln Senat für Familiensachen, 2. April 2019, II-​10 UF 26/19, ...
BGH 12. Zivilsenat, 20. Juni 2018, XII ZB 84/17
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Kommentare
Erman, BGB
● Norpoth;Sasse, § 8 Besondere materielle Wirksamkeitsvoraussetzungen; II. Inhalts- und Ausübungskontrolle
Staudinger, BGB
● Löhnig, Vorbemerkungen zu §§ 1408–1413; II. Vertragsfreiheit im ehelichen Güterrecht; 4. Grenzen der Ehevertragsfreiheit; a) Zwingende gesetzliche Vorschriften; aa) Wirksamkeitskontrolle 2023
● Löhnig, Vorbemerkungen zu §§ 1408–1413; II. Vertragsfreiheit im ehelichen Güterrecht; 4. Grenzen der Ehevertragsfreiheit; a) Zwingende gesetzliche Vorschriften; bb) Ausübungskontrolle 2023
● Thiele, Vorbemerkungen zu §§ 1408 ff; II. Vertragsfreiheit im ehelichen Güterrecht; 4. Grenzen der Ehevertragsfreiheit; a) Zwingende gesetzliche Vorschriften 2018
● Voppel, § 1353 Eheliche Lebensgemeinschaft; VIII. Die ehelichen Pflichten im Einzelnen; 10. Vermögensrechtliche Rücksichtnahme; d) Sittenwidrigkeit von Verträgen zwischen (angehenden) Ehegatten 2018
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Sonstiges
Dr. Wolfram Viefhues, § 7 Verwirkung, Befristung, Herabsetzung, Verjährung, Verzug; A. Begrenzung und Befristung des Ehegattenunterhaltes; VI. Kompensation des Nachteils
Münch, Christof, § 4 Der Ehevertrag – das Individualgesetz der Ehe; C. Inhaltskontrolle des Ehevertrages; I. Die Rechtsprechung des BGH
Schwonberg, B. Elemente der Inhaltskontrolle; M Formulierungsvorschlag für den Ausschluss von nach der Trennung erworbenen Versorgungsanrechten
Schwonberg, B. Elemente der Inhaltskontrolle; M Formulierungsvorschlag für die Herausnahme einzelner Vermögensgegenstände aus dem Zugewinnausgleich
Schwonberg, B. Elemente der Inhaltskontrolle; VI. Ausübungskontrolle (§ 242 BGB)
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FN 27: BGH FamRZ 2014,1978 Rn. 26

Gericht:

BGH

Entscheidungsdatum:

08.10.2014

Aktenzeichen:

XII ZB 318/11

Dokumenttyp:

Beschl.


Quelle:

 

 

Verlag Ernst und Werner Gieseking, Bielefeld

Fundstelle:

FamRZ 2014, 1978-1983

Norm:

§ 242 BGB

Zitiervorschlag:

FamRZ 2014, 1978-1983




Titelzeile

§ 242 BGB : Ausübungskontrolle bei vertraglichem Verzicht auf VersAusgl [m. Anm. Bergschneider, S. 1982]

Vorinstanz

AmtsG Tempelhof-​Kreuzberg v. 20.5.2010 - 134 F 4506/09

KG v. 19.5.2011 - 13 UF 136/10

 BGB § 242

Leitsatz

Zur Ausübungskontrolle bei einem ehevertraglichen Verzicht auf den Versorgungsausgleich in einer Doppelverdienerehe von Freiberuflern.

(m. Anm. Bergschneider, nachstehend S. 1982)

Aus den Gründen:

I.

 [1] Die Parteien streiten im Scheidungsverbund über die Folgesache Versorgungsausgleich und in diesem Zusammenhang insbesondere darü  
 
- 1978 -
FamRZ 2014, 1978-​1983
- 1979 -  ber, ob ein ehevertraglich vereinbarter Ausschluss des Versorgungsausgleichs der Ausübungskontrolle standhält.

 [2] Der 1947 geborene Antragsteller und die 1959 geborene Antragsgegnerin schlossen am 26. Mai 1994 ihre Ehe, aus der keine gemeinsamen Kinder hervorgegangen sind. Kurz vor der Eheschließung hatten die Parteien am 18. Mai 1994 einen notariell beurkundeten Ehevertrag geschlossen, in dem sie den Güterstand der Gütertrennung vereinbarten und den Versorgungsausgleich für den Fall der Scheidung ausschlossen. Ferner verzichteten die Parteien wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt mit Ausnahme des Betreuungsunterhalts. Beide Eheleute brachten jeweils ein minderjähriges Kind aus einer früheren Ehe in die Verbindung mit, und zwar der (verwitwete) Antragsteller einen 1983 geborenen Sohn und die (geschiedene) Antragsgegnerin eine 1984 geborene Tochter. Der Scheidungsantrag wurde am 23. April 2009 zugestellt.

 [3] Der Antragsteller ist Zahnarzt in eigener Praxis. Er hat während der gesetzlichen Ehezeit zwischen dem 1. Mai 1994 und dem 31. März 2009 volldynamische Anwartschaften auf eine berufsständische Versorgung bei dem Beteiligten zu 2 (Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin) in monatlicher Höhe von 772,13 € erworben.

 [4] Die Antragsgegnerin ist Physiotherapeutin. Im Zeitpunkt der Eheschließung betrieb sie eine eigene Großpraxis mit acht Angestellten, die sie 1988 für einen Kaufpreis von umgerechnet rund 92.000 € erworben hatte. Zur Finanzierung des Praxiserwerbs hatte sie einerseits einen Kontokorrentkredit über umgerechnet rund 25.000 € und andererseits ein tilgungsfreies Darlehen bei der B.-​Bank über umgerechnet rund 71.000 € in Anspruch genommen, welches im Jahr 2002 über die Auszahlung einer kapitalbildenden Lebensversicherung bei der K.-​Versicherung zurückgeführt werden sollte. Daneben hatte die Antragsgegnerin im Jahr 1991 zur Vermögensbildung eine fondsgebundene Lebensversicherung mit Rentenwahlrecht bei der N.-​Versicherung eingerichtet, die mit monatlichen Beiträgen in Höhe von umgerechnet rund 500 € zu bedienen war und im Jahr 2009 zur Auszahlung kommen sollte. Die Antragsgegnerin hat in der Ehezeit keine dem Versorgungsausgleich unterliegenden Versorgungsanrechte erworben. Aus vorehelichen Zeiten verfügt die Antragsgegnerin über Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in monatlicher und auf das Ende der Ehezeit bezogener Höhe von 419,27 € (15,7856 Entgeltpunkte), die etwa zur Hälfte aus einem zu ihren Gunsten durchgeführten Versorgungsausgleich nach Scheidung ihrer ersten Ehe herrühren.

 [5] Im Jahr 1996 veräußerte die Antragsgegnerin ihre Praxis nebst Patientenstamm für einen Kaufpreis von umgerechnet rund 141.000 € und richtete eine neue physiotherapeutische Einzelpraxis im damaligen Familienheim der Eheleute ein, welches eine Gesamtwohnfläche von etwa 400 qm hatte und im Alleineigentum des Antragstellers stand; diese Immobilie war zuvor umfangreich umgebaut worden. Den Verkaufserlös für die Praxis verwendete die Antragsgegnerin unter anderem zur Rückführung ihres Kontokorrentkredits und zur weiteren Bedienung der Prämien für die Tilgungslebensversicherung bei der K.-​Versicherung. Ferner brachte sie einen Teil des Erlöses auch in die Umbaumaßnahmen ein. Die Tilgungslebensversicherung bei der K.-​Versicherung wurde im Jahr 2002 mit einer Ablaufleistung von rund 103.000 € fällig und insbesondere zur Ablösung des noch mit 71.000 € valutierenden Kredits der Antragsgegnerin bei der B.-​Bank eingesetzt.

 [6] Nachdem der Antragsteller im Jahr 2003 einen Unfall infolge eines epileptischen Anfalls erlitten hatte, verkaufte er das vormalige Familienheim. Die Parteien bezogen vorübergehend eine Mietwohnung. Im Jahr 2006 kauften sie gemeinsam ein Einfamilienhaus, dessen Erwerb durch einen Kredit finanziert wurde. Im Zusammenhang mit dem Immobilienerwerb löste die Antragsgegnerin ihre fondsgebundene Lebensversicherung bei der N.-​Versicherung mit einem Rückkaufswert von rund 61.000 € auf und brachte diesen Betrag in Investitionen für das gemeinsame Haus und die Kosten des Umzugs ein. Nach dem Umzug richtete die Antragsgegnerin ihre physiotherapeutische Praxis, die sie zuvor schon in die Mietwohnung verlegt hatte, nunmehr in der gemeinsamen Immobilie ein. Der jährliche Bruttogewinn aus der selbstständigen Tätigkeit der Antragsgegnerin als Physiotherapeutin, der beim Betrieb der Großpraxis in den Jahren 1993 bis 1996 zwischen 50.000 € und 60.000 € gelegen hatte, sank in den Jahren 1998 bis 2007 in der – in den verschiedenen Wohnimmobilien geführten – Einzelpraxis auf etwa 5.000 € bis 25.000 € ab. Das gemeinsame Einfamilienhaus der Eheleute hatte am Ende der Ehezeit einen Wert von 320.000 €; die darauf ruhenden Finanzierungsverbindlichkeiten valutierten noch mit rund 200.000 €.

 [7] Das Amtsgericht hat die Ehe durch Urteil vom 20. Mai 2010 geschieden und die Durchführung des Versorgungsausgleichs zugunsten der Antragsgegnerin abgelehnt. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Beschwerdegericht den Versorgungsausgleich nach früherem Recht uneingeschränkt durchgeführt, indem es zulasten der Versorgung des Antragstellers im Wege der Realteilung bei dem Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin zugunsten der Antragsgegnerin monatliche und auf den 31. März 2009 bezogene Rentenanwartschaften in Höhe von 386,07 € begründet hat.

 [8] Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der er eine Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstrebt.

II.

 [9] Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG -RG und § 48 Abs. 1 VersAusglG noch das bis zum 31. August 2009 geltende Prozessrecht und materielle Recht anzuwenden, weil das Verbundverfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet und eine Endentscheidung zum Versorgungsausgleich im ersten Rechtszug vor dem 31. August 2010 erlassen worden ist (vgl. Art. 111 Abs. 5 FGG -RG, § 48 Abs. 3 VersAusglG ).

III.

 [10] Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

 [11] 1. [Wiedergabe der Ausführungen des Beschwerdegerichts, FamRZ 2011, 1587]

[19] Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

[20] 2. Noch zutreffend – und insoweit für die Rechtsbeschwerde günstig – ist das Beschwerdegericht allerdings davon ausgegangen, dass der Ehevertrag vom 18. Mai 1994 der Wirksamkeitskontrolle am Maßstab des § 138 BGB standhält. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats unterliegen die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Ehegatten. Die Disponibilität der Scheidungsfolgen darf allerdings nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle hat der Tatrichter zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr – und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse – wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten

 (Senatsurteil, BGHZ 158, 81, 100 f. = FamRZ 2004, 601, 606; vgl. zuletzt Senatsbeschluss v. 29.1.2014 – XII ZB 303/13 –, FamRZ 2014, 629 Rz. 17, und v. 27.2.2013 – XII ZB 90/11 –, FamRZ 2013, 770 Rz. 16).

[21] So liegt der Fall hier nicht. Weder der Ausschluss des Versorgungsausgleichs noch die Vereinbarung der Gütertrennung noch der (teilweise) Unterhaltsverzicht begegnen – für sich genommen – am Maßstab des § 138 BGB durchgreifenden Bedenken. Bei Abschluss des Ehevertrags erzielten beide Parteien als Selbstständige in eigener freiberuflicher Praxis auskömmliche Einkünfte, die es ihnen auch ermöglichten, in dem für notwendig gehaltenen Umfang und in der für richtig befundenen Weise Vorsorge für Alter, Krankheit und Invalidität zu treffen. Auch in der Gesamtwürdigung hält der Ehevertrag der Wirksamkeitskontrolle stand. Selbst wenn man davon ausgehen


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wollte, dass das Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen auf eine einseitige Benachteiligung der (potenziell) einkommensschwächeren Antragsgegnerin hinausliefe, könnte dies – da es ein unverzichtbares Mindestmaß an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten nicht gibt – nach ständiger Rechtsprechung des Senats das Verdikt der Sittenwidrigkeit erst dann begründen, wenn sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt (zuletzt Senatsbeschluss v. 29.1.2014 – XII ZB 303/13 –, FamRZ 2014, 629 Rz. 39, m. w. N.). Das Beschwerdegericht hat weder in der Ankündigung des Antragstellers, ohne Abschluss eines Ehevertrags keine Ehe eingehen und gegebenenfalls die Hochzeit absagen zu wollen, noch in den sonstigen Umständen des Vertragsschlusses genügende Anhaltspunkte für eine unterlegene Verhandlungsposition der Antragsgegnerin erblickt. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen; auch die Antragsgegnerin erinnert mit ihrer Rechtsbeschwerdeerwiderung hiergegen nichts mehr.

[22] 3. Soweit ein Ehevertrag – wie hier – der Wirksamkeitskontrolle standhält, muss der Richter im Rahmen einer Ausübungskontrolle prüfen, ob und inwieweit ein Ehegatte die ihm durch den Vertrag eingeräumte Rechtsmacht missbraucht (§ 242 BGB ), wenn er sich im Scheidungsfall gegenüber einer vom anderen Ehegatten begehrten gesetzlichen Scheidungsfolge darauf beruft, dass diese Rechtsfolge durch den Vertrag wirksam abbedungen sei. Entscheidend ist insofern, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige und nach Treu und Glauben unzumutbare Lastenverteilung ergibt.

[23] a) Ein zunächst wirksam vereinbarter – völliger oder teilweiser – Ausschluss des Versorgungsausgleichs hält nach diesen Maßstäben einer Ausübungskontrolle nicht stand, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte aufgrund einvernehmlicher Änderung der gemeinsamen Lebensumstände über keine hinreichende Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint (Senatsbeschlüsse v. 27.2.2013 – XII ZB 90/11 –, FamRZ 2013, 770 Rz. 20, und v. 6.10.2004 – XII ZB 57/03 –, FamRZ 2005, 185, 187).

[24] Dabei steht die Ansicht des Beschwerdegerichts, dass die Abweichung der tatsächlichen Lebensverhältnisse von der ursprünglichen, dem Ehevertrag zugrunde liegenden Lebensplanung nicht notwendigerweise auf einem Einvernehmen der Ehegatten beruhen müsse, nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (grundlegend Senatsurteil, BGHZ 158, 81, 101 = FamRZ 2004, 601, 606). Die vom Beschwerdegericht für seine gegenteilige Auffassung herangezogene Rechtsprechung des Senats zu § 1578b BGB (vgl. Senatsurteile v. 16.2.2011 – XII ZR 108/09 –, FamRZ 2011, 628 Rz. 20 f., und v. 20.10.2010 – XII ZR 53/09 –, FamRZ 2010, 2059 Rz. 27) kann für die hier zu beurteilende Frage nach der Korrektur einer vertraglichen Vereinbarung der Eheleute im Wege der richterlichen Ausübungskontrolle nicht nutzbar gemacht werden. Denn eine solche Korrektur des Ehevertrags wird durch die – zumindest konkludente – Willensübereinstimmung der Ehegatten über eine von der faktischen Grundlage ihres Ehevertrags abweichende Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse gerade erst legitimiert. Durch die gemeinsame Willensbetätigung distanziert sich auch der durch den Ehevertrag begünstigte Ehepartner vom ursprünglich geschlossenen Vertrag und seinen Grundlagen, was insbesondere sein Vertrauen in den Bestand des Ehevertrags als weniger schutzwürdig erscheinen lässt (vgl. auch Schmolke, Grenzen der Selbstbindung im Privatrecht, S. 507). Es bedarf hierzu aber keiner näheren Erörterung, weil nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts die Entscheidung zur Veräußerung der Großpraxis der Antragsgegnerin im Jahre 1996 – die für das Beschwerdegericht den Anknüpfungspunkt für die von der Vertragsgrundlage abweichende Gestaltung der Lebensverhältnisse darstellt – einvernehmlich getroffen worden ist, wenn die Parteien auch unterschiedliche Gründe für die Herstellung dieses Einvernehmens behauptet haben.

[25] b) Die richterliche Ausübungskontrolle führt auf der Rechtsfolgenseite weder ohne Weiteres zur Unwirksamkeit des Ausschlusses der gesetzlichen Scheidungsfolge noch dazu, dass die gesetzliche Regelung in Vollzug gesetzt wird. Vielmehr hat der Richter diejenige Rechtsfolge anzuordnen, welche die berechtigten Belange beider Parteien in der eingetretenen Situation in ausgewogener Weise berücksichtigt

 (grundlegend Senatsurteil, BGHZ 158, 81, 101 = FamRZ 2004, 601, 606; vgl. zuletzt Senatsbeschluss v. 27.2.2013 – XII ZB 90/11 –, FamRZ 2013, 770 Rz. 21, und Senatsurteil v. 21.11.2012 – XII ZR 48/11 –, FamRZ 2013, 269 Rz. 21).

[26] Durch die richterliche Anpassung von Eheverträgen im Wege der Ausübungskontrolle sollen ehebedingte Nachteile ausgeglichen werden. Der Ehegatte kann daher durch die Anpassung des Ehevertrags nicht besser gestellt werden, als er ohne die Ehe und die mit der ehelichen Rollenverteilung einhergehenden Dispositionen über Art und Umfang seiner Erwerbstätigkeit stünde (vgl. Senatsbeschluss v. 27.2.2013 – XII ZB 90/11 –, FamRZ 2013, 770 Rz. 22, und Senatsurteil v. 28.2.2007 – XII ZR 165/04 –, FamRZ 2007, 974 Rz. 28). Die richterliche Ausübungskontrolle hat sich daher im Ausgangspunkt daran zu orientieren, welche Versorgungsanrechte der sich durch den Ausschluss des Versorgungsausgleichs benachteiligt sehende Ehegatte ohne die Ehe und die ehebedingte Rollenverteilung durch eigene Berufstätigkeit hätte erwerben können (vgl. Senatsbeschluss v. 27.2.2013 – XII ZB 90/11 –, FamRZ 2013, 770 Rz. 22).

[27] Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe scheidet eine Anpassung des Ehevertrags vom 18. Mai 1994 im Hinblick auf den Ausschluss des Versorgungsausgleichs an sich schon deshalb aus, weil das Beschwerdegericht im Hinblick auf den Aufbau von Versorgungsanrechten gerade keine ehebedingten Nachteile der Antragsgegnerin festgestellt hat. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts wäre die hypothetische Versorgungsbiographie der Antragsgegnerin einerseits durch die – mit der Entschuldung ihrer physiotherapeutischen Praxis verbundenen – Schaffung eines veräußerlichen Unternehmenswertes und andererseits durch die Ansammlung von Kapital in der (später aufgelösten) fondsgebundenen Lebensversicherung bei der N.-​Versicherung geprägt gewesen. Im Übrigen geht das Beschwerdegericht selbst davon aus, dass die stets freiberuflich tätige Antragsgegnerin zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt hatte, ihre Versorgung – gegebenenfalls zusätzlich – auf den Erwerb von Versorgungsanrechten im Sinne von § 1587a Abs. 2 BGB a. F. (etwa durch Entrichtung von freiwilligen Beiträgen in die gesetzliche Rentenversicherung oder durch Zahlungen auf eine Leibrentenversicherung) zu stützen und daran durch die ehebedingten Dispositionen über ihre Berufstätigkeit gehindert worden wäre.

[28] c) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der vom Beschwerdegericht maßgeblich herangezogenen Erwägung, dass die Altersvorsorgestrategie eines Selbstständigen typi-


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scherweise auf die Bildung von Privatvermögen gegründet sei.

[29] aa) Das Scheidungsfolgenrecht unterscheidet grundsätzlich streng zwischen dem Versorgungsausgleich und dem Zugewinnausgleich (vgl. bereits Senatsurteil v. 17.10.2007 – XII ZR 96/05 –, FamRZ 2008, 386 Rz. 23). Dem ersten unterliegt das in den Anrechten auf Versorgung wegen Alters oder Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bestehende Versorgungsvermögen, dem zweiten unterfällt das sonstige Vermögen. Allein die Vorstellung der Parteien, der dem Zugewinnausgleich unterfallende Vermögensaufbau diene – was nicht unüblich ist – der Altersversorgung, rechtfertigt es selbst angesichts des weiten Gestaltungsspielraumes, der dem Gericht bei der Anordnung der Rechtsfolgen im Rahmen der Ausübungskontrolle eröffnet ist, noch nicht ohne weiteres, die strikte gesetzliche Abgrenzung der beiden vermögensbezogenen Ausgleichssysteme unberücksichtigt zu lassen. So wird der Entstehung von Nachteilen, die ein Haushalt führender Ehegatte beim Aufbau von Versorgungsanrechten erlitten hat, im Rahmen der Ausübungskontrolle systemgerecht durch eine Anpassung der Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich Rechnung getragen. Führt der danach anzuordnende Versorgungsausgleich zu einer Halbteilung der von den Ehegatten in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte, besteht für eine Ausübungskontrolle bezüglich der Vereinbarungen zur Gütertrennung kein Anlass mehr, und zwar auch dann nicht, wenn die ehebedingten Versorgungsnachteile durch den Versorgungsausgleich nicht vollständig kompensiert werden konnten und der (nichtselbstständig) erwerbstätige Ehegatte in der Ehezeit zusätzlich zu seinen Versorgungsanrechten ein zur Altersversorgung geeignetes Privatvermögen aufgebaut hat (Senatsurteil v. 21.11.2012 – XII ZR 48/11 –, FamRZ 2013, 269 Rz. 36).

[30] bb) Allerdings hat der Senat in der Vergangenheit mehrfach angedeutet, dass es in Fällen der Funktionsäquivalenz von Versorgungs- und Zugewinnausgleich besondere Sachverhaltskonstellationen geben könnte, in denen ein „Hinübergreifen“ auf das andere vermögensbezogene Ausgleichssystem im Rahmen der Ausübungskontrolle in Betracht gezogen werden kann (vgl. Senatsurteile v. 21.11.2012 – XII ZR 48/11 –, FamRZ 2013, 269 Rz. 35 f., und v. 26.6.2013 – XII ZR 133/11 –, FamRZ 2013, 1366 Rz. 110).

[31] (1) Diese Überlegungen haben allerdings solche Fälle im Blick, in denen ein Haushalt führender Ehegatte, der zugunsten der Familienarbeit auf die Ausübung einer versorgungsbegründenden Erwerbstätigkeit verzichtet hat, im Falle der Scheidung im Versorgungsausgleich keine Kompensation für seine Nachteile beim Aufbau von Versorgungsvermögen erlangt, weil sein (selbstständig) erwerbstätiger Ehegatte aufgrund seiner individuellen Vorsorgestrategie keine nennenswerten Versorgungsanrechte erworben, sondern seine Altersvorsorge bei vereinbarter Gütertrennung allein auf die Bildung von Privatvermögen gerichtet hat. In solchen Fällen kann es im Einzelfall geboten erscheinen, dem Haushalt führenden Ehegatten zum Ausgleich für die entgangenen Versorgungsanrechte einen (modifizierten) Zugewinnausgleich zu gewähren, der einerseits durch den zum Aufbau der entgangenen Versorgungsanrechte erforderlichen Betrag und andererseits durch die gesetzliche Höhe des Ausgleichsanspruchs beschränkt ist

 (vgl. auch Münch, FamRB 2008, 350, 354; Kogel, Strategien beim Zugewinnausgleich, 4. Aufl., Rz. 50 ff.; Bergschneider, FamRZ 2008, 2116, 2117; ähnlich OLG Celle, FamRZ 2008, 2115, 2116, allerdings ohne die gebotene Beschränkung auf den Nachteilsausgleich).

[32] (2) Damit lässt sich der vorliegende Sachverhalt einer Doppelverdienerehe zweier selbstständiger Ehegatten aber schon im Ausgangspunkt nicht vergleichen. Kann ein Ehegatte in einer solchen Ehe keinen Zugewinnausgleich erlangen, weil sein Partner tatsächlich keinen – oder keinen höheren – ehezeitlichen Zuwachs an Privatvermögen erzielt hat, wird dies (anders als im spiegelbildlichen Fall des unterlassenen Erwerbs von Versorgungsanrechten) üblicherweise nicht mit dessen Dispositionen über seine Altersvorsorgestrategie erklärt werden können. Vielmehr können eine Vielzahl anderer Faktoren, etwa Kapitalanlagerisiken, Markteinflüsse, auf die Bewertung von Vermögensgegenständen an den jeweiligen Stichtagen oder Vermögensverbrauch während der Ehe dafür verantwortlich sein, dass sich zugunsten eines Ehegatten im Falle einer Scheidung schon rechnerisch kein Zugewinnausgleichsanspruch ergibt. Den Besonderheiten und Unwägbarkeiten des güterrechtlichen Ausgleichssystems ist es von vornherein immanent, dass etwaige in der Gestaltung der Ehe begründete Nachteile beim Vermögensaufbau im Zugewinnausgleich möglicherweise nicht oder nicht ausreichend ausgeglichen werden können. Hat dies dann ein Versorgungsdefizit zur Folge, welches (wie im Falle der Antragsgegnerin) auf einer – für sich genommen nicht ehebedingten – Entscheidung beruht, Altersvorsorge nur durch Bildung von Privatvermögen zu betreiben, kann der betroffene Ehegatte generell nicht erwarten, dass dies durch eine die vertraglichen Abreden unterlaufende Teilhabe an den Versorgungsanrechten des anderen Ehegatten kompensiert wird.

[33] (3) Unabhängig davon fehlt es an ausreichenden Feststellungen zu den güterrechtlichen Verhältnissen der Parteien, sodass die Entscheidung des Beschwerdegerichts selbst von dessen eigenem Rechtsstandpunkt aus Bedenken begegnen muss.

 [34] Die getroffenen Feststellungen ermöglichen insbesondere keine Beurteilung der realen Vermögensentwicklung aufseiten des Antragstellers in der Ehezeit. Sein aktives Endvermögen dürfte zum Stichtag im Jahre 2009 jedenfalls aus dem Wert seiner Zahnarztpraxis, seinem hälftigen Anteil an dem gemeinsamen Einfamilienhaus im Wert von 60.000 € (nach Abzug der Finanzierungsverbindlichkeiten) sowie aus einer oder mehreren kapitalbildenden Lebensversicherungen bestehen, deren Wert zwischen den Parteien streitig und von dem Antragsteller mit 100.000 € angegeben worden ist. Demgegenüber dürfte das aktive Anfangsvermögen im Jahre 1994 zumindest aus dem damaligen Wert seiner Zahnarztpraxis und dem Wert seines damaligen Hauses (vor dem Umbau) bestanden haben. Weitergehende Erkenntnisse zu Vermögen oder Verbindlichkeiten an den Stichtagen lassen sich aus der Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht gewinnen. Nach den weiteren Feststellungen des Beschwerdegerichts sind für den umfangreichen Umbau des ehemaligen Familienheims in den Jahren 1995 und 1996 – zum großen Teil durch den Antragsteller kreditfinanzierte – Investitionen in Höhe von mindestens 1.600.000 DM (rund 820.000 €) getätigt worden, wobei nicht aufgeklärt ist, ob und in welchem Umfang diese Investitionen bei der Veräußerung des Hauses im Jahre 2003 wieder eingebracht werden konnten. Ferner hat der Antragsteller geltend gemacht, seinerseits einen Betrag von 90.000 € in den Umbau des gemeinsamen Einfamilienhauses investiert zu haben.

Allein auf der Grundlage der Feststellungen des Beschwerdegerichts lässt sich daher nicht einmal sicher ausschließen, dass das indexierte Anfangsvermögen des Antragstellers sein Endvermögen selbst dann noch übersteigt, wenn man diesem Endvermögen (fiktiv) den Kapitalwert der von dem Antragsteller in der Ehezeit zwischen 1994 und 2009 erworbenen Zahnarztversorgung hinzurechnen würde. Wäre dies aber der Fall, hätte der Antragsteller in der Ehezeit bei einer Gesamtbetrachtung aller Mittel, die aus Sicht des Beschwerdegerichts für die Altersversorgung von Selbstständigen bestimmt sind, keinen realen Vermögenszuwachs in der Ehe erwirtschaften können. Würde er


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gleichwohl zum Ausgleich ehebedingter Nachteile der Antragsgegnerin herangezogen, obwohl – vom Standpunkt des Beschwerdegerichts aus – die Ansammlung von Privatvermögen für den Antragsteller als Selbstständigen keine geringere Bedeutung für die Altersvorsorge hat, liefe dies auf einen unzulässigen, sich aus den ehelichen Wirkungen ergebenden Schadensersatzanspruch hinaus.

[35] cc) Eine Korrektur der vertraglichen Abreden zum Versorgungsausgleich käme aber auch dann nicht in Betracht, wenn der Antragsteller in der Ehezeit einen auszugleichenden (fiktiven) Zugewinn erwirtschaftet hätte. Denn dies könnte allenfalls Anlass zu der Prüfung geben, ob es dem Antragsteller nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich (ganz oder teilweise) auf die vereinbarte Gütertrennung zu berufen. Zwar entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass der Zugewinnausgleich vom Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts nicht umfasst und sich eine Berufung auf eine wirksam vereinbarte Gütertrennung deshalb nur unter engsten Voraussetzungen als rechtsmissbräuchlich erweisen wird

 (grundlegend Senatsurteil, BGHZ 158, 81, 107 f. = FamRZ 2004, 601, 608; zuletzt Senatsurteile v. 21.11.2012 – XII ZR 48/11 –, FamRZ 2013, 269 Rz. 35, und v. 17.10.2007 – XII ZR 96/05 –, FamRZ 2008, 386 Rz. 33);

völlig ausgeschlossen ist dies aber nicht (a. A. Braeuer, FamRZ 2014, 77, 79 ff.). Die Berufung auf eine vereinbarte Gütertrennung kann dem Verdikt des Rechtsmissbrauchs ausgesetzt sein, wenn die Ehegatten bei ihrer Abrede von beiderseitiger, ökonomisch vergleichbar gewinnbringender Berufstätigkeit ausgegangen sind, diese Planung sich aber später aufgrund von Umständen, die dem gemeinsamen Risikobereich der Ehegatten zugehören, nicht verwirklichen lässt (Senatsurteile, BGHZ 158, 81, 107 f. = FamRZ 2004, 601, 608, und v. 17.10.2007 – XII ZR 96/05 –, FamRZ 2008, 386 Rz. 33). Einer näheren Erörterung der Frage, ob sich der (fiktiv) zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs verpflichtete Antragsteller unter den obwaltenden Umständen mit der Berufung auf die vereinbarte Gütertrennung rechtsmissbräuchlich verhalten würde, bedarf es allerdings nicht, weil es hier damit sein Bewenden hat, dass die vom Beschwerdegericht festgestellten ehebedingten Defizite der Antragsgegnerin beim Vermögensaufbau jedenfalls nicht durch Anpassung der ehevertraglichen Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich, sondern vielmehr – systemgerecht – im Güterrecht oder mit den Instrumenten des Unterhaltsrechts auszugleichen wären.

Anmerkung:

Mit diesem Beschluss (Kurzbezeichnung „Zahnarzt/Physiotherapeutin“) behält der BGH seine Rechtsprechung zur richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen grundsätzlich bei, präzisiert und modifiziert sie jedoch.

1. In einem ersten Schritt stellt der BGH wie bereits das KG fest, der Ehevertrag halte der Wirksamkeitskontrolle am Maßstab des § 138 I BGB stand, obwohl es sich immerhin (nahezu) um einen Globalverzicht handelte und zwei Kinder aus beiderseits vorausgegangenen Ehen zu betreuen waren. Zu dem für die Wirksamkeitskontrolle maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses erzielten nämlich beide Beteiligte als Selbstständige mit eigener Praxis (Zahnarzt bzw. Physiotherapeutin) auskömmliche Einkünfte, die es ihnen ermöglichten, Vorsorge für Alter, Krankheit und Invalidität zu treffen, sodass der Ausschluss des Versorgungsausgleichs, die Vereinbarung der Gütertrennung und der teilweise Unterhaltsverzicht keinen durchgreifenden Bedenken begegnete. Zu beanstanden war auch nicht eine etwa ungleiche Verhandlungsposition oder eine einseitige Dominanz eines der Ehegatten oder eine sonstige Störung der subjektiven Vertragsparität. Die anschließende Gesamtwürdigung bestätigte schließlich die Wirksamkeit des gesamten Ehevertrages und damit auch des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs (Rz. 21).

Damit verweist der BGH auf die in seiner Grundentscheidung (vgl. BGH, FamRZ 2004, 601: „Archäologin“1) gelegte Struktur für seine Rechtsprechung zur richterlichen Inhaltskontrolle: objektive Seite – subjektive Seite – Gesamtwürdigung. Anzumerken ist noch, dass die Tendenz seiner neuesten Rechtsprechung dahin geht, der subjektiven Seite besonders großes Gewicht einzuräumen und die Sittenwidrigkeit weiter zurückzudrängen (s. BGH, FamRZ 2013, 195: „Ministerialrat/Krankenschwester“).

2. In einem zweiten Schritt kommt der BGH jedoch im Wege der Ausübungskontrolle gemäß § 242 BGB zu einem anderen Ergebnis als das KG, wobei auf den Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe abzustellen ist und es wieder um den Ausschluss des Versorgungsausgleichs ging. Dabei wendet sich der BGH zunächst gegen die Auffassung des KG, die bei der Ausübungskontrolle zu prüfende Abweichung der tatsächlichen Lebensverhältnisse von der ursprünglichen, dem Ehevertrag zugrunde liegenden Lebensplanung müsse nicht notwendigerweise auf einem Einvernehmen der Ehegatten beruhen. Der angegriffene Beschluss (abgedruckt in FamRZ 2011, 1587, 1588) hatte es nämlich als maßgeblich für das Entstehen eines ehebedingten Nachteils angesehen, wie sich die Verhältnisse entwickelt haben und die Ehe tatsächlich gestaltet war, wobei er auf die Rechtsprechung des BGH zu § 1578b BGB verwies. Demgegenüber stellt der BGH fest, dass diese zur Unterhaltsbeschränkung entwickelte Rechtsprechung (Maßgeblichkeit des „gelebten Lebens“) für eine Korrektur im Wege der Ausübungskontrolle nicht nutzbar gemacht werden könne. Vielmehr distanziere sich auch der durch den Ehevertrag begünstigte Ehepartner durch die während der Ehe vorgenommene Korrektur der vertraglichen Vereinbarung vom ursprünglich geschlossenen Vertrag und seinen Grundlagen, was insbesondere sein Vertrauen in den Bestand des Ehevertrages als weniger schutzwürdig erscheinen lasse. Im entschiedenen Fall bedurfte es für den BGH dazu allerdings keiner näheren Erörterung, weil die Vermögensumschichtung, auf die das KG die von der Vertragsgrundlage abweichende Gestaltung der Lebensverhältnisse stützte, einvernehmlich getroffen worden war (Rz. 24).

3. Da es insbesondere Aufgabe der richterlichen Anpassung von Eheverträgen ist, ehebedingte Nachteile auszugleichen und es im vorliegenden Fall um den Versorgungsausgleich ging, hatte sich die Ausübungskontrolle im Ausgangspunkt daran zu orientieren, welche Versorgungsanrechte durch eigene Berufstätigkeit derjenige Ehegatte, der sich durch den Ausschluss des Versorgungsausgleichs benachteiligt sieht, ohne die Ehe und die ehebedingte Rollenverteilung hätte erwerben können. Dabei stellt der BGH fest, dass die stets freiberuflich tätige Ehefrau zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt hatte, ihre Versorgung – ggf. zusätzlich – auf den Erwerb von Versorgungsanrechten, die in den Versorgungsausgleich fallen, zu stützen, daran aber durch die ehebedingten beruflichen Dispositionen gehindert worden wäre (Rz. 26 f.).




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4. Im Folgenden geht es um das Verhältnis von Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich. Der BGH erkennt zwar an, dass die Altersvorsorgestrategie vieler Selbstständiger auf der Bildung von Privatvermögen gegründet ist. Er trägt dem aber nicht dadurch Rechnung, dass er einen ehebedingten Nachteil der Ehefrau beim Vermögensaufbau durch einen Ausgleich im Wege des Versorgungsausgleichs kompensiert. Vielmehr weist er darauf hin, dass das Scheidungsfolgenrecht grundsätzlich streng zwischen dem Versorgungsausgleich und dem Zugewinnausgleich unterscheidet (Rz. 28 f.).

5. Dieser Grundsatz gelte jedoch nicht ohne Ausnahmen. Danach könne es in Fällen der „Funktionsäquivalenz“ von Versorgungs- und Zugewinnausgleich besondere Sachverhaltskonstellationen geben, in denen ein „Hinübergreifen“ auf das andere vermögensbezogene Ausgleichssystem im Rahmen der Ausübungskontrolle in Betracht gezogen werden könne. Gemeint sind hier beispielsweise Eheverträge, in denen (nur) Gütertrennung vereinbart ist, beiderseits ehezeitlich keine Versorgungsanrechte entstanden sind, der Ehemann jedoch erhebliches Vermögen, die Ehefrau hingegen wegen der Kinderbetreuung kein Vermögen erwirbt und damit erhebliche ehebedingte Nachteile erleidet. Der BGH (FamRZ 2008, 386: „Mehrheitsgesellschafter/Gütertrennung“) lehnte in einem solchen Fall das Ansinnen der Ehefrau ab, anstatt der nicht vorhandenen Versorgungsanrechte am Vermögenszuwachs des Ehemannes beteiligt zu werden. In der jetzt getroffenen Entscheidung nimmt der BGH Abstand von einem solchen Ergebnis und stellt fest, dass es im Einzelfall geboten erscheinen könne, dem Haushalt führenden Ehegatten zum Ausgleich für die entgangenen Versorgungsanrechte einen (modifizierten) Zugewinnausgleich zu gewähren, der einerseits durch den zum Aufbau der entgangenen Versorgungsanrechte erforderlichen Betrag und andererseits durch die gesetzliche Höhe des Ausgleichsanspruchs beschränkt ist. Solche Voraussetzungen würden in einer Doppelverdienerehe zweier selbstständiger Ehegatten aber regelmäßig wohl nicht vorliegen (Rz. 30 ff.).

6. Abschließend befasst sich der BGH mit der Frage, ob trotz der Gütertrennung ein Ausgleich über den Zugewinnausgleich in Betracht kommen könnte, wenn sich das Vermögen der Ehegatten unterschiedlich entwickelt. Im vorliegenden Fall war ein vom Ehemann auszugleichender Zugewinn nicht nachgewiesen. Dennoch verweist der BGH auf seine ständige Rechtsprechung, wonach der Zugewinnausgleich vom Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts nicht umfasst ist und sich eine Berufung auf eine wirksame Gütertrennung deshalb nur unter engsten Voraussetzungen als rechtsmissbräuchlich erweisen wird. Und dann kommt wieder eine Ausnahme: „Völlig ausgeschlossen ist dies aber nicht.“ Ein Rechtsmissbrauch könne danach in Betracht kommen, wenn die Ehegatten bei ihrer Abrede von beiderseitiger, ökonomisch vergleichbar gewinnbringender Berufstätigkeit ausgegangen sind, diese Planung sich aber später aufgrund von Umständen, die dem gemeinsamen Risikobereich der Ehegatten zugehören, nicht verwirklichen lässt (Rz. 35).

Resümee: eine weitere Differenzierung der richterlichen Inhaltskontrolle bei der Gütertrennung.

Fachanwalt für Familienrecht Dr. Ludwig Bergschneider, München

Fußnoten
1)     
 Die schlagwortartigen Bezeichnungen der einzelnen BGH-​Entscheidungen stammen vom Verfasser und wurden in der Literatur teilweise übernommen, so z. B. Staudinger/Baumann, BGB, 2014, § 1585c Rz.100 ff.; s. im Einzelnen Bergschneider, Richterliche Inhaltskontrolle von Eheverträgen und Scheidungsvereinbarungen.
 Der Zeitschriftenbeitrag wird von folgenden Dokumenten zitiert
Rechtsprechung
AG Lemgo, 14. August 2020, 9 F 201/19
BGH 12. Zivilsenat, 27. Mai 2020, XII ZB 447/19
BGH 4. Zivilsenat, 22. Januar 2020, IV ZR 54/19
KG Berlin Senat für Familiensachen, 12. April 2019, 13 UF 124/17
BGH 12. Zivilsenat, 11. Juli 2018, XII ZB 336/16
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Kommentare



Erman, BGB
● Norpoth;Sasse, § 8 Besondere materielle Wirksamkeitsvoraussetzungen; II. Inhalts- und Ausübungskontrolle
Staudinger, BGB
● Löhnig, Vorbemerkungen zu §§ 1408–1413; II. Vertragsfreiheit im ehelichen Güterrecht; 4. Grenzen der Ehevertragsfreiheit; a) Zwingende gesetzliche Vorschriften; aa) Wirksamkeitskontrolle 2023
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Sonstiges
Braeuer, 8. Kapitel Zugewinnausgleich und Vertrag; E. Inhaltskontrolle bei Verträgen über den Zugewinnausgleich
Dr. Wolfram Viefhues, § 7 Verwirkung, Befristung, Herabsetzung, Verjährung, Verzug; A. Begrenzung und B…; V. Anwendungsfälle …; 4. Nachteil durch verringerte Altersversorgung (Versorgungsausgleich)
Wever, 13. Kapitel: Ansprüche aus Ehegattenmitarbeit; F. Perspektiven: Neue Lösungswege?; I. Weiterentwicklung der Rechtsprechung
Schwonberg, B. Elemente der Inhaltskontrolle; V. Wirksamkeitskontrolle (im engeren Sinne); 1. Voraussetzungen; b) Einseitige Lastenverteilung
Schwonberg, B. Elemente der Inhaltskontrolle; V. Wirksamkeitskontrolle (im engeren Sinne); 1. Voraussetzungen; c) Disparität
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FN 27: BGH FamRZ 2007, 974, Rn. 28

Gericht:

BGH

Entscheidungsdatum:

28.02.2007

Aktenzeichen:

XII ZR 165/04

Dokumenttyp:

Urteil


Quelle:

 

 

Verlag Ernst und Werner Gieseking, Bielefeld

Fundstelle:

FamRZ 2007, 974-978

Normen:

§ 138 BGB, § 242 BGB, § 1573 BGB

Zitiervorschlag:

FamRZ 2007, 974-978




 BGB § 138 ; BGB § 242 ; BGB § 1573 ; BGB § 1573 I

BGH - BGB § 138, § 242, § 1573 I

(XII. ZS, Urteil v. 28.2.2007 - XII ZR 165/04 [OLG Karlsruhe])

1. Ein Ehevertrag, durch den der vereinbarte nacheheliche Unterhalt nach den Einkommensverhältnissen bei Vertragsschluss bemessen worden ist, ist nicht deshalb unwirksam, weil darin eine Anpassung an künftige Einkommenssteigerungen des Unterhaltspflichtigen ausgeschlossen wurde. Auch eine richterliche Vertragsanpassung nach § 242 BGB ist im Fall späterer Einkommenssteigerungen nicht gerechtfertigt.

2. Sind die Ehegatten bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts davon ausgegangen, dass der voraussichtlich unterhaltsberechtigte Ehegatte in der Ehe die Haushaltsführung und Kindesbetreuung mit einer teilweisen Erwerbstätigkeit verbinden werde, so kommt, wenn dieser Ehegatte in der Ehe nicht erwerbstätig ist, eine richterliche Vertragsanpassung nur in Betracht, wenn die vorgestellte, aber nicht verwirklichte Teilerwerbstätigkeit dieses Ehegatten erheblich sein sollte und ihm ein unverändertes Festhalten am Ehevertrag deshalb nicht zumutbar ist.




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3. Die richterliche Vertragsanpassung führt in einem solchen Fall nur in dem Umfang zu einer Anhebung des vereinbarten Unterhalts, in dem der unterhaltsberechtigte Ehegatte nach den Vorstellungen der Ehegatten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses einer Teilerwerbstätigkeit hätte nachgehen sollen; hinsichtlich des Teils seiner Arbeitskraft, den dieser Ehegatte nach den dem Vertrag zugrunde liegenden Vorstellungen der Ehegatten auf die Haushaltsführung und Kindesbetreuung hätte verwenden sollen, bewendet es dagegen bei der ehevertraglichen Unterhaltsregelung.

4. Durch die richterliche Vertragsanpassung darf der Ehegatte nicht besser gestellt werden, als er sich ohne die Ehe und seinem mit dieser einhergehenden Erwerbsverzicht stünde.

(m. Anm. Bergschneider, nachstehend S. 977)

[1] Die Parteien streiten um die Höhe des nachehelichen Unterhalts.

[2] Sie schlossen am 7.12.1987 einen Ehevertrag, in dem sie Gütertrennung vereinbarten und zum Unterhalt folgende Regelung trafen:

„Für den Fall der Scheidung ist der etwaige Unterhaltsberechtigte berechtigt, von dem Unterhaltsverpflichteten einen monatlichen Unterhalt in Höhe des Gehalts eines Beamten der Besoldungsgruppe A 3, 10. Dienstaltersstufe - ohne Ortszuschlag - zu verlangen. Ein etwaiger Zuverdienst des Unterhaltsberechtigten bleibt bis zur Höhe dieses Unterhaltsbetrags bei der Unterhaltsberechnung außer Betracht."

[3] Die AGg. (Ehefrau, geb. 1948) war bei Abschluss des Ehevertrags schwanger. Am 30.12.1987 schlossen die Parteien die - für beide Parteien zweite - Ehe, aus der eine am 7.7.1988 geborene Tochter hervorging. Seit August 2002 leben die Parteien getrennt. Das AmtsG hat mit Verbundurteil v. 24.10.2003 die Ehe geschieden, den VersAusgl geregelt und den ASt. (Ehemann, geb. 1944) zur Zahlung nachehelichen Unterhalts in Höhe eines von diesem anerkannten Betrags von 1.782,72 € verurteilt; die weiter gehende Unterhaltsklage der Ehefrau, die einen konkreten Unterhaltsbedarf von 4.915 € geltend macht und zusätzlich Altersvorsorgeunterhalt (994,50 €) sowie Krankheitsvorsorgeunterhalt (271 €) verlangt, hat es abgewiesen.

[4] Auf die Berufung der Ehefrau hat das OLG [FamRZ 2004, 1789, m. Anm. Bergschneider] das Urteil abgeändert und den Ehemann verurteilt, an sie ab dem 1.4.2004 Unterhalt in Höhe von monatlich 3.492 € zu zahlen.

[5] Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Revision eingelegt. Der Ehemann erstrebt die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils zum Unterhalt; die Ehefrau verfolgt ihr über das erstinstanzliche Urteil hinausgehendes Unterhaltsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

[6] Die Rechtsmittel führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

I.

[7] Das OLG hält die Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch der Ehefrau wegen Erwerbslosigkeit dem Grunde nach für gegeben. Sie habe nach zwanzigjähriger Pause in ihrem Berufsleben trotz nachhaltiger, umfänglicher, letztlich aber vergeblicher Bemühungen um einen Arbeitsplatz keine reale Anstellungschance auf dem Arbeitsmarkt. Das wird auch vom Ehemann, der ihren Unterhaltsanspruch in Höhe des ehevertraglich vereinbarten Betrages anerkannt hat, nicht in Zweifel gezogen.

[8] 1. Nach Auffassung des OLG regelt der Ehevertrag nicht, wie die Ehefrau geltend macht, lediglich einen Mindestunterhalt. Denn der Satz, nach dem „ein etwaiger Zuverdienst des Unterhaltsberechtigten . . . bis zur Höhe" des vereinbarten „Unterhaltsbetrages bei der Unterhaltsberechnung außer Betracht" bleibe, eröffne gerade die Möglichkeit, den Unterhalt herabzusetzen, wenn der Zuverdienst die festgelegte Höhe überschreiten sollte. Auch könne die Regelung nicht dahin verstanden werden, dass der Unterhalt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen bestimmen sollte - und zwar auch dann, wenn der sich daraus ergebende Unterhalt höher läge als der vereinbarte Unterhalt; denn dann hätten die Parteien auf eine vertragliche Regelung verzichten können. Vielmehr hätten die Parteien, wie sich auch aus ihrer Anhörung ergebe, die Unterhaltslast auf einen bestimmten Betrag beschränken, aber mit der Ankoppelung an die Beamtenversorgung eine Wertsicherung erreichen wollen. Motiv sei gewesen, dass der Ehemann nach einer gescheiterten Ehe, aus der zwei Kinder hervorgegangen seien, das Risiko einer weiteren Unterhaltslast in überschaubarem Rahmen habe halten wollen.

[9] 2. Diese Regelung sei nicht sittenwidrig. Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt sei nicht ausgeschlossen, sondern - gleichgültig aus welchem Unterhaltstatbestand herrührend - der Höhe nach begrenzt worden. Diese Höhe sei nach Auffassung beider Parteien unter Berücksichtigung der damaligen Lebensverhältnisse angemessen gewesen. Das bereinigte Nettoeinkommen des Ehemannes, der gegenüber zwei Kindern aus erster Ehe Unterhalt in Höhe von mindestens 1.570 DM monatlich geschuldet habe, habe sich damals auf 4.530 DM belaufen; bei einer Quote von 3/7 habe sich deshalb ein Unterhalt von knapp 2.000 DM ergeben. Eine Zwangslage, in der sich die Ehefrau aufgrund ihrer Schwangerschaft bei Vertragsschluss befunden haben möge, begründe keine Nichtigkeit, weil der Ehevertrag damals keine einseitige Lastenverteilung im Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts herbeigeführt habe. Durch die Abrede über einen möglichen Zuverdienst habe sich eher eine Besserstellung der Ehefrau gegenüber der gesetzlichen Regelung ergeben.

[10] 3. Die vereinbarte Unterhaltsbegrenzung sei jedoch im Wege der richterlichen Ausübungskontrolle zu korrigieren.

[11] Betrachte man die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Scheiterns der ehelichen Lebensgemeinschaft, so ergebe sich eine Belastung der Ehefrau daraus, dass sich die Einkommensverhältnisse des Ehemannes im Verlauf der Ehe außergewöhnlich gut entwickelt hätten, ein an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierter Bedarf der Ehefrau somit weit über dem in der Vereinbarung festgelegten Unterhalt liege. Erschwerend komme hinzu, dass die Parteien bei Abschluss des Ehevertrages die - auch in der Vertragsbestimmung über die Anrechnung eigenen Einkommens zum Ausdruck kommende - Vorstellung gehabt hätten, die Ehefrau werde während der Ehe neben der Versorgung des Kindes wieder arbeiten und sich zusätzlich als Autorin von Kochbüchern einen geringen Zuverdienst verschaffen. Diese Vorstellung habe sich nicht verwirklicht, da die Ehefrau in der Ehe nicht erwerbstätig gewesen sei.

[12] Da die Ehefrau heute im Hinblick auf ihr Alter keine reale Chance zum Wiedereinstieg in das Berufsleben habe, habe sich für sie aus der gemeinsamen Entscheidung zur Führung einer Hausfrauenehe mit dem Scheitern der Ehe ein Nachteil ergeben, den allein zu tragen ihr nicht zugemutet werden könne. Da mit dem Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit und dem Aufstockungsunterhalt nur Unterhaltsansprüche am Rande des Kernbereichs betroffen seien, erscheine es zwar nicht gerechtfertigt, der Ehefrau den vollen, sich an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierenden Unterhalt zuzugestehen; jedoch seien die ehebedingten Erwerbsnachteile auszugleichen. Für deren Bemessung könne auf die Vorstellungen der Parteien bei Abschluss des Ehevertrages zurückgegriffen werden. Danach sei den Parteien ein in der Ehe zu erzielender Zuverdienst der Ehefrau - als der im Scheidungsfall voraussichtlich Unterhaltsberechtigten - in Höhe des festgesetzten Unterhaltsbetrags durchaus wahrscheinlich und angemessen erschienen. Deshalb habe der Ehefrau ein solches zusätzliches Einkommen auch im Scheidungsfall weiterhin anrechnungsfrei zustehen sollen. Deshalb könne die Ehefrau nunmehr - nachdem sich die Vorstellung eines in der Ehe zu erzielenden und auch über den Scheidungszeitpunkt hinaus erreichbaren Zuverdienstes zerschlagen habe - Unterhalt in Höhe des zweifachen Grundgehalts der Besoldungsgruppe A 3 beanspruchen. Damit seien auch Alters- und Krankenvorsorgeunterhalt abgegolten.

II.

[13] Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.

[14] 1. Der Ehemann schuldet der Ehefrau, die trotz hinreichender Bemühungen keinen Arbeitsplatz mehr findet, Unterhalt




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wegen Erwerbslosigkeit (§ 1573 I BGB ). Die Höhe des Unterhalts bestimmt sich nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 I BGB ), da die Parteien in ihrem Ehevertrag insoweit eine eigenständige Regelung getroffen haben. Zwar hat die Ehefrau behauptet, die Parteien hätten mit ihrem Ehevertrag lediglich einen Mindestunterhalt festschreiben wollen. Dem ist das OLG indes nicht gefolgt. Seine Auffassung, die Parteien hätten mit ihrem Ehevertrag die Unterhaltsverpflichtung des Ehemannes als des mutmaßlichen Unterhaltsschuldners der Höhe nach begrenzen wollen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

[15] Sie beruht auf einer tatrichterlichen Würdigung des Ehevertrags, die vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder ob sie auf Verfahrensfehlern beruht. Derartige Auslegungsfehler hat die Revision der Ehefrau nicht aufgezeigt. Soweit sie rügt, die Unterhaltsvereinbarung sei „so schwammig und schlecht formuliert", dass sie keine geeignete Grundlage zur Ermittlung des Unterhaltsanspruchs darstelle, kann sie damit nicht durchdringen. Auch wenn man den Wortlaut der getroffenen Abrede - mit der Revision der Ehefrau - als unzulänglich ansehen wollte, so wäre doch von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass Vertragsparteien mit der von ihnen getroffenen Abrede einen bestimmten wirtschaftlichen Zweck ins Auge gefasst und verfolgt haben, den sie mit der gewählten Formulierung zum Ausdruck bringen wollten. Nur in Ausnahmefällen kann deshalb die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass sich ein Vertrag - etwa wegen seines absolut widerspruchsvollen oder widersinnigen Inhalts - als einer Auslegung nicht zugänglich erweist (BGHZ 20, 109, 110). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

[16] 2. Das OLG hat den Ehevertrag auch zu Recht für wirksam erachtet.

[17] Wie der Senat wiederholt dargelegt hat (vgl. etwa BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, und Senatsurteil v. 25.5.2005 - XII ZR 296/01 -, FamRZ 2005, 1444), darf die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen zwar nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Das wäre der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten - bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede - unter verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. Im Rahmen einer Wirksamkeitskontrolle hat das OLG deshalb zunächst zu prüfen, ob die vereinbarte Begrenzung des Unterhalts, allein oder im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen des Ehevertrags, schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr - und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 I BGB ).

[18] Diese Voraussetzungen hat das OLG verneint, weil die vertragliche Regelung - gemessen an den Verhältnissen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses - keine einseitige Lastenverteilung zum Nachteil der Ehefrau begründet habe. Es hat dies aus dem Umstand gefolgert, dass die vereinbarte Unterhaltshöhe in etwa der am damaligen bereinigten Nettoeinkommen des Ehemannes ausgerichteten Unterhaltsquote entsprach. Die Ehefrau sei durch die Möglichkeit eines anrechnungsfreien Zuverdienstes in gleicher Höhe sogar über die gesetzliche Regelung hinaus begünstigt worden. Dies ist frei von Rechtsirrtum; auch die Revision der Ehefrau erinnert hiergegen nichts. Nicht zu beanstanden ist auch, dass das OLG die Abrede nicht schon deshalb für unwirksam erachtet hat, weil die Ehefrau bei deren Abschluss schwanger war. Wie das OLG zu Recht ausgeführt hat, vermag - jenseits der Anfechtungsgründe des § 123 BGB - die durch eine Schwangerschaft begründete Zwangslage der Ehefrau Zweifel an der Wirksamkeit nur zu begründen, wenn durch den Vertrag für den Scheidungsfall eine einseitige Lastenverteilung zum Nachteil der Schwangeren herbeigeführt wird. Dies war, wie dargelegt, hier im maßgebenden Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht der Fall.

[19] 3. Nicht frei von Rechtsirrtum ist allerdings, dass das OLG die Höhe des geschuldeten Unterhalts nach dem Doppelten des im Ehevertrag vereinbarten Unterhaltssatzes bemessen hat.

[20] a) Hält ein Ehevertrag, wie hier, der Wirksamkeitskontrolle stand, so muss der Tatrichter nach der Rechtsprechung des Senats im Rahmen der Ausübungskontrolle prüfen, ob und inwieweit ein Ehegatte die ihm durch den Vertrag eingeräumte Rechtsmacht missbraucht, wenn er sich im Scheidungsfall gegenüber einer vom anderen Ehegatten begehrten gesetzlichen Scheidungsfolge darauf beruft, dass diese durch den Ehevertrag wirksam abbedungen sei. Dafür ist entscheidend, ob sich nunmehr - im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe - aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige Lastenverteilung ergibt, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten auch bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede sowie bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar ist. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die tatsächliche einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von der ursprünglichen, dem Vertrag zugrunde liegenden Lebensplanung grundlegend abweicht (vgl. etwa Senatsurteile, BGHZ 158, 81, 100 f. = FamRZ 2004, 601, 606, und v. 25.5.2005 - XII ZR 296/01 -, FamRZ 2005, 1444, 1446).

[21] b) Diese Voraussetzungen sind hier nicht festgestellt.

[22] aa) Eine die Vertragsanpassung rechtfertigende erhebliche Abweichung der tatsächlichen Verhältnisse in der Ehe von der ursprünglichen Lebensplanung der Ehegatten kann - entgegen der Auffassung des OLG - nicht in dem Umstand gefunden werden, dass der Ehemann nach Abschluss des Ehevertrags eine außergewöhnliche Steigerung seines Einkommens erzielt hat. Denn mit der im Ehevertrag vorgesehenen Limitierung des nachehelichen Unterhalts haben die Parteien festgelegt, dass sich die Unterhaltshöhe gerade nicht nach den jeweiligen ehelichen Lebensverhältnissen bemessen, sondern sich nach der dort genannten Gruppe der Beamtenbesoldung als einer dynamischen Bezugsgröße bestimmen soll. Da der Ehevertrag wirksam ist, ist die von den Parteien gewollte Abkoppelung des nachehelichen Unterhalts von der späteren Einkommensentwicklung der Parteien bindend.

[23] bb) Eine grundlegende Abweichung der tatsächlichen ehelichen Lebensverhältnisse von der ursprünglichen, dem Ehevertrag zugrunde liegenden Lebensplanung könnte aber darin begründet sein, dass die Parteien bei Vertragsschluss über die Aufteilung von Erwerbstätigkeit einerseits und Haushaltsführung




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sowie Kinderbetreuung andererseits Vorstellungen hatten, die sie später nicht in der vorgestellten Weise umgesetzt haben. Das wäre möglicherweise dann der Fall, wenn die Parteien bei Abschluss ihres Ehevertrages davon ausgegangen sind, die Ehefrau werde neben der Haushaltsführung und Kinderbetreuung in nicht unerheblichem Umfang - sei es in ihrem erlernten Beruf, sei es als Autorin von Kochbüchern oder in sonstiger Weise - erwerbstätig sein, und wenn diese Erwartung nicht verwirklicht worden ist.

[24] Das OLG hat zwar festgestellt, dass die Ehefrau in der Ehe nicht erwerbstätig war; es hat jedoch keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob und in welchem Umfang die Ehefrau nach den Vorstellungen, welche die Parteien beim Vertragsschluss hatten, in der Ehe hätte erwerbstätig sein sollen. Auch hat es nicht festgestellt, warum die Parteien ihre etwaige Vorstellung, die Ehefrau solle auch in der Ehe - neben der Haushaltsführung und der Betreuung des gemeinsamen Kindes - in nicht unerheblichem Umfang erwerbstätig sein, nicht weiterverfolgt haben. Nur eine solche Feststellung würde indes eine Beantwortung der Frage erlauben, inwieweit der Ehefrau ein Festhalten am Ehevertrag im Hinblick darauf unzumutbar ist, dass sie - entgegen den ursprünglichen und für die vertragliche Abrede maßgebenden Planungen der Parteien - in der Ehe dann doch keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. Für die danach notwendigen Feststellungen trägt die Ehefrau die Darlegungslast, der sie allerdings bislang nicht nachgekommen ist.

[25] c) Die genannten Voraussetzungen müssen nicht nur erfüllt sein, damit überhaupt eine richterliche Vertragsanpassung Platz greifen kann; sie beschränken auch die Reichweite einer solchen Anpassung. Eine richterliche Vertragsanpassung kommt nur in Betracht, soweit die Vorstellungen, welche die Parteien bei Abschluss des Ehevertrags von der künftigen Erwerbstätigkeit der Ehefrau hatten, von der später tatsächlich geführten „Hausfrauenehe" erheblich abgewichen sind und der Ehefrau wegen dieser Abweichung ein Festhalten am Ehevertrag nicht zugemutet werden kann. Soweit hingegen die dem Ehevertrag zugrunde liegenden Vorstellungen der Parteien mit der späteren Gestaltung des ehelichen Lebens in Einklang stehen oder sich nur unwesentlich anders entwickelt haben, ist für eine Vertragsanpassung von vornherein kein Raum; insoweit bleiben vielmehr die im - wirksamen - Ehevertrag getroffenen Regelungen unverändert in Geltung.

[26] Im vorliegenden Fall sind die Parteien davon ausgegangen, dass sich die Ehefrau zumindest mit einem Teil ihrer Arbeitskraft der Haushaltsführung und der Kindesbetreuung widmen würde. Ein auf diesen Teil ihrer Tätigkeit entfallender Erwerbsverzicht sollte - für den Scheidungsfall - durch den ihr im Ehevertrag zugebilligten Unterhaltsbetrag ausgeglichen werden. Da der Ehevertrag wirksam ist, hat es insoweit mit der ehevertraglichen Regelung sein Bewenden. Etwas anderes gilt nur insoweit, als die Parteien beim Vertragsabschluss davon ausgegangen sind, die Ehefrau werde in der Ehe in nicht unerheblichem Umfang auch einer Erwerbstätigkeit nachgehen, die sie nach einer etwaigen Scheidung fortsetzen könnte. Nur hinsichtlich dieses - in seinem Umfang, wie dargelegt, bislang nicht festgestellten - Teilbereichs fallen die dem Ehevertrag zugrunde liegenden Vorstellungen der Parteien und deren spätere tatsächliche Lebensführung auseinander. Nur dieser Teilbereich ist folglich auch einer richterlichen Vertragsanpassung zugänglich; nur im Rahmen der von den Ehegatten vorgestellten, aber nicht verwirklichten Erwerbsarbeit der Ehefrau in der Ehe käme deshalb ein über die ehevertragliche Regelung hinausgehender unterhaltsrechtlicher Ausgleich für den weiter gehenden Erwerbsverzicht der Ehefrau in Betracht.

[27] Dieser einer etwaigen richterlichen Vertragsanpassung verbleibende Teilbereich kann nicht dadurch der veränderten Entwicklung angepasst werden, dass der Ehefrau - wie im angefochtenen Urteil geschehen - ein zusätzlicher Unterhaltsbetrag zuerkannt wird, der sich nach dem ihr nach dem Ehevertrag anrechnungsfrei verbleibenden Zuverdienst bestimmt. Das wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die Parteien - nach ihren Vorstellungen im Zeitpunkt des Ehevertrags - davon ausgegangen wären, die Ehefrau werde in der Ehe einen Zuverdienst in dieser Höhe erzielen und deshalb auch nach der Beendigung der Ehe durch Scheidung erzielen können. Dafür ist indes bislang nichts dargetan.

[28] d) Durch richterliche Anpassung von Eheverträgen sollen ehebedingte Nachteile ausgeglichen werden. Solche Nachteile liegen vor, wenn ein Ehegatte um der gemeinsamen Lebensplanung willen für sein berufliches Fortkommen Risiken auf sich genommen hat, und wenn diese Risiken sich aufgrund von Abweichungen der bei Vertragsschluss vorgestellten Lebenssituation von der späteren tatsächlichen Lebenslage im Scheidungsfall als Nachteil konkretisieren. Denn es geht nicht an, dass das Risiko des Fehlschlagens eines gemeinsamen Lebensplanes einseitig nur einen Partner belastet. Daraus folgt allerdings zugleich, dass ein durch einen wirksamen Ehevertrag benachteiligter Ehegatte im Rahmen der Ausübungskontrolle auch nicht besser gestellt werden darf, als er sich ohne die Übernahme dieser Risiken - also insbesondere bei kontinuierlicher Fortsetzung seines vorehelichen Berufswegs - stünde.

[29] Auch wenn im vorliegenden Fall - unter Berücksichtigung der unter b) und c) dargestellten Gesichtspunkte - eine Vertragsanpassung zugunsten der Ehefrau in Betracht käme, so könnte ein ihr zuzubilligender Unterhaltsbetrag deshalb jedenfalls den Verdienst nicht überschreiten, den sie erzielt hätte, wenn sie nach ihrer ersten Ehe nicht den ASt. geheiratet und in der mit ihm geführten Ehe auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet hätte. Darüber hinaus ist im vorliegenden Fall auch zu bedenken, dass Nachteile, die sich für die „Berufsbiographie" der Ehefrau ergeben, weil diese bereits während und nach ihrer ersten Ehe, aus der ebenfalls ein Kind hervorgegangen ist, nur teilweise erwerbstätig war, nicht - als Ausgleichung ehebedingter Nachteile - auf den Ehemann der zweiten Ehe verlagert werden können. Ob die Ehefrau - sofern die übrigen Voraussetzungen einer richterlichen Vertragsanpassung vorliegen - bei Anwendung dieser Grundsätze das Zweifache der im Ehevertrag in Bezug genommenen Beamtenbesoldung als Unterhalt beanspruchen könnte, erscheint nach den vorliegenden Daten ihrer Erwerbsbiographie zweifelhaft und bedarf tatrichterlicher Klärung.

III.

[30] Das angefochtene Urteil kann danach nicht bestehen bleiben. Der Senat vermag in der Sache nicht abschließend zu entscheiden, da es - wie dargelegt - an den erforderlichen Feststellungen zu den im Rahmen der richterlichen Ausübungskontrolle maßgebenden Umständen fehlt. Diese Feststellungen wird das Berufungsgericht nachzuholen haben.

Anmerkung:

Der BGH hatte sich mit einem Fall zu beschäftigen,

- in dem eine Vereinbarung mit einem den beiderseitigen Einkünften angemessenen Unterhalt samt einer Wertsicherungsklausel, ansonsten jedoch fixen Regelung getroffen wurde,




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- sich jedoch während der Ehe die Verhältnisse doppelt asymmetrisch in dem Sinne entwickelten, dass sich einerseits das Einkommen des Ehemannes stark erhöhte, während andererseits die Ehefrau wider Erwarten kein Einkommen erzielte.

Mit dem dazu erlassenen Urteil beantwortet der BGH eine Serie von Fragen, die für die richterliche, anwaltliche und notarielle Praxis von besonderer Wichtigkeit sind.

1. Entspricht der für die Zeit nach der Scheidung vereinbarte Unterhalt in etwa den Einkommensverhältnissen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und ist dort eine Anpassung an künftige Einkommenssteigerungen des Unterhaltspflichtigen ausgeschlossen, dann hält der Ehevertrag selbst dann der Bestandskontrolle/Wirksamkeitskontrolle stand, ist also nicht sittenwidrig (§ 138 I BGB ), wenn sich das Einkommen auf der Seite des Unterhaltspflichtigen wesentlich steigert. Da nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. FamRZ 2004, 601 ff.) für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit ausschließlich die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgebend sind, ist diese Aussage eigentlich selbstverständlich.

2. In der anschließend vorgenommenen Ausübungskontrolle, die auf den Zeitpunkt der Scheidung abzustellen ist (vgl. BGH, a. a. O.), trifft der BGH die äußerst wichtige Feststellung: Es liegt keine unzulässige Rechtsausübung nach § 242 BGB vor, wenn der Ehemann nach Abschluss des Ehevertrages eine außergewöhnliche Steigerung seines Einkommens erzielt hat. Dies bedeutet, dass der Vertrag auch nicht den zum Zeitpunkt der Scheidung maßgebenden ehel. Lebensverhältnissen anzupassen ist. Grundsätzlich lässt sich dazu mutmaßen, dass der BGH dem Teilhabegedanken im Unterhaltsrecht kein besonders hohes Gewicht beimisst, sonst hätte die Entscheidung wohl anders gelautet. Soweit zur Entwicklung auf der Seite des Ehemannes.

3. Nun zur Seite der Ehefrau. Sind die Eheleute bei Vertragsabschluss davon ausgegangen, die Ehefrau werde neben der Haushaltsführung und der Kindesbetreuung teilweise in nicht unerheblichem Umfang erwerbstätig sein, kann eine Unterhaltsanpassung im Wege der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB u. U. dann in Betracht kommen, wenn die Ehefrau in der Ehe nicht in der damals vorgestellten Weise erwerbstätig war. Sie trägt aber die Darlegungslast dafür, dass die Gründe, diese Vorstellung nicht weiterzuverfolgen, ein Festhalten am Ehevertrag unzumutbar machen.

4. Sind danach die Voraussetzungen für eine Unterhaltsanpassung dem Grunde nach gegeben, dann beschränkt sich die Anpassung der Höhe nach auf den Teilbereich der vorgestellten, aber nicht verwirklichten Erwerbstätigkeit. Nur in diesem Teilbereich fallen die dem Ehevertrag zugrunde liegenden Vorstellungen der Parteien und deren spätere tatsächliche Lebensführung auseinander. Im Rahmen der Ausübungskontrolle sind jedoch nur die ehebedingten Nachteile auszugleichen; es darf der benachteiligte Ehegatte nicht bessergestellt werden, als er bei kontinuierlicher Fortsetzung seines vorehel. Berufswegs stünde. In nahezu heftigen Worten, die das generelle Bestreben des Senats erkennen lassen, der Ausuferung des nachehel. Unterhalts entgegenzuwirken, belehrt der BGH, der der Ehefrau zuzubilligende Betrag dürfe jedenfalls den Verdienst nicht überschreiten, den sie erzielt hätte, wenn sie den (späteren) Ehemann nicht geheiratet und in der mit ihm geführten Ehe auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet hätte. Mit dieser filigranen Begründung wendet sich der BGH gegen die vom OLG zugesprochene pauschale Verdoppelung des Unterhalts.

5. Dieses Urteil zeigt wieder einmal die verhältnismäßig liberale Grundhaltung des BGH und sein Bestreben, die Vertragsfreiheit in ihrer Gesamtheit und ihren Einzelausprägungen nach wie vor ernst zu nehmen. Diese Grundhaltung kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass er sich - wie auch schon in früheren Entscheidungen (vgl. FamRZ 2004, 601 ff.; 2005, 185; 2005, 1449) - im Rahmen der Ausübungskontrolle oft auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile beschränkt.

RA und Fachanwalt für Familienrecht Dr. Ludwig Bergschneider, München


Fundstelle:

 FamRZ 2007, 974

Schlagworte:

Ausübungskontrolle, Ehegattenunterhalt, Ehevertrag, Inhaltskontrolle, Kernbereich, Kindesunterhalt, nachehelicher Unterhalt, Nachscheidungsunterhalt, Nichtigkeit, Scheidungsfolgenvereinbarung, Scheidungsunterhalt, Schutzbedürftigkeit, Sittenwidrigkeit, Unterhalt, Unwirksamkeit, Vereinbarung, Vertrag, Vertragsanpassung, Wirksamkeit, Wirksamkeitskontrolle, Schwangerschaft

DokNr:

20070974002

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