OLG Koblenz, Beschluss vom 16. November 2020 – 7 UF 228/20 Rn. 25, Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 20. Juli 2022 – 13 UF 149/20 Rn. 43.

Fußnote 257.
OLG Koblenz, Beschluss vom 16. November 2020 – 7 UF 228/20 Rn. 25


Gericht:

OLG Koblenz 4. Senat für Familiensachen

Entscheidungsdatum:

16.11.2020

Rechtskraft:

ja

Aktenzeichen:

7 UF 228/20

Dokumenttyp:

Beschluss


Quelle:

 

Normen:

§ 1615l Abs 2 S 2 BGB, § 1615l Abs 3 S 1 BGB

Zitiervorschlag:

OLG Koblenz, Beschluss vom 16. November 2020 – 7 UF 228/20 –, juris



            Berechnung des Unterhaltsbedarfs der nicht mit dem Vater des Kindes verheirateten Mutter

Orientierungssatz
            1. Wenn das Beschwerdegericht als 2. Tatsacheninstanz die bisherige Unterhaltsberechnung aufgrund des Beschwerdevorbringens vollständig überprüfen muss und dem Antragsgegner die Gelegenheit zur Erwiderung auf die Beschwerde zu geben ist, ist eine Verzögerung des Rechtstreits mit dem neuen zweitinstanzlichen Tatsachenvortrag nicht verbunden.(Rn.17)
            2. Der Unterhaltsbedarf der nicht mit dem Vater des Kindes verheirateten Mutter nach § 1615l BGB bestimmt sich allein nach deren früherem Erwerbseinkommen. Zu ersetzen sind nur die durch die Geburt und Erziehung des Kindes bedingten Einkommenseinbußen. Dementsprechend mindern Kapitaleinkünfte, über die die Mutter bereits vor der Geburt des Kindes verfügte, deren Unterhaltsbedarf nicht.(Rn.20)
Fundstellen
FamRZ 2021, 1371-​1373 (red. Leitsatz und Gründe)
Verfahrensgang
vorgehend AG Montabaur, 5. März 2020, 16 F 52/18
Diese Entscheidung wird zitiert
Rechtsprechung
Anschluss Brandenburgisches Oberlandesgericht 4. Senat für Familiensachen, 20. Juli 2022, 13 UF 149/20
Kommentare
Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-​BGB
● Viefhues, 10. Auflage 2023, § 1615l BGB
Zeitschriften
OLG Koblenz, FamRB 2021, 277-​279
Literaturnachweise
Martin Menne, FamRB 2021, 277-​279 (Anmerkung)
Sonstiges
Rahm/Künkel, Handbuch Familien- und Familienverfahrensrecht
● Laumen, C. Nichteheliche Lebensgemeinschaft mit Kindern; II. Unterhaltsanspruch gem. § 1615l BGB; 3. Erweiterter Anspruch wegen Schwangerschaft und Krankheit (Abs. 2 Satz 1)
Viefhues et al., Das familienrechtliche Mandat - Unterhaltsrecht
● Dr. K.-​Peter Horndasch, § 3 Ehegattenunterhalt; C. Trennungsunterhalt, § 1361 BGB; III. Bedürftigkeit des Berechtigten; 5. Einkünfte des Unterhaltsberechtigten

Tenor
            1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Montabaur vom 05.03.2020, Aktenzeichen 16 F 52/18 teilweise abgeändert und der Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin rückständigen Unterhalt für die Zeit von Februar 2017 bis Januar 2019 in Höhe von insgesamt 12.258,24 € zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01. Februar 2019 zu zahlen.
            2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Antragstellerin zu 42% und der Antragsgegner zu 58%.
            3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 12.258,24 € festgesetzt.

Gründe
            I.
1          Die Antragstellerin, die Mutter der Kinder ...[A] (*...2014) und ...[B] (*...2016) ist, nimmt deren Vater im Rahmen eines Stufenantrages auf Zahlung von Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB für die Zeit ab Februar 2017 in Anspruch.
2          Die Beteiligten führten einige Jahre eine Beziehung miteinander, aus der die beiden Kinder hervorgegangen sind. Diese leben seit der Trennung im August 2016 im Haushalt der Antragstellerin.
3          Die Antragstellerin ist derzeit nicht berufstätig. Neben den beiden gemeinsamen Kindern versorgt sie noch ein weiteres Kind aus einer geschiedenen Ehe. Vor der Geburt der beiden gemeinsamen Kinder ging sie sowohl einer 75%igen nichtselbständigen Tätigkeit bei der Firma ...[C] in ...[Z] als auch - seit 2011 - einer geringfügigen Beschäftigung im Betrieb des Antragsgegners nach.
4          Mit dem Fortfall des Elterngeldes im Januar 2017 entstanden zwischen den Beteiligten Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des geschuldeten Betreuungsunterhalts. Von Februar 2017 bis einschließlich Juli 2018 zahlte der Antragsgegner monatlich jeweils 914,00 € als Betreuungsunterhalt. Zwischen August 2018 und Januar 2019 zahlte er insgesamt weitere 1.830,00 €.
5          In der Leistungsstufe ihres Antrags machte die Antragstellerin erstinstanzlich zuletzt einen monatlichen Unterhaltsbedarf in Höhe von 1.641,00 € geltend und forderte unter Berücksichtigung der Teilzahlungen des Antragsgegners einen Gesamtrückstand von 21.098,00 € für den Zeitraum Februar 2017 bis einschließlich Januar 2019. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Schriftsätze der Antragstellerin vom 26.06.2018, 02.08.2018 und vom 29.07.2019 Bezug genommen.
6          Die Beteiligten streiten darüber, um welche berufsbedingten Aufwendungen das vor der Geburt der Kinder erzielte Haupteinkommen der Antragstellerin zu bereinigen ist, ob ihr das Nebeneinkommen weiterhin zuzurechnen ist und inwieweit sie Kapital- und Grundvermögen zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfs heranzuziehen hat.
7          Das Familiengericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Unterhaltsantrag der Antragstellerin abgewiesen und dies mit deren mangelnder Bedürftigkeit begründet. Es ist dabei entsprechend dem Antrag der Antragstellerin auf Erziehungsgeld von einem durchschnittlichen monatlichen Nettoerwerbseinkommen von 1.891,00 € ausgegangen, das um berufsbedingte Aufwendungen in Höhe von 455,00 € zu bereinigen sei. Dies entspreche den Angaben der Antragstellerin in ihrer Steuererklärung. Unter Berücksichtigung der Steuerrückerstattung für das Vorjahr und der Kapitalerträge ergebe sich damit für 2017 gar kein ungedeckter Bedarf, für 2018 lediglich einer von 1.140,01 € monatlich. Diese Unterhaltsansprüche habe der Antragsgegner durch die von ihm im Unterhaltszeitraum erbrachten Teilzahlungen mehr als erfüllt.
8          Die Antragstellerin hat gegen den ihr am 15.03.2020 zugestellten Beschluss am 16.04.2020, einem Montag, Beschwerde eingelegt und diese nach entsprechend gewährter Fristverlängerung mit Schriftsatz vom 15.06.2020 begründet. Sie macht geltend, dass das Familiengericht in dem angefochtenen Beschluss bei ihr ein zu geringes Nettoeinkommen zugrundegelegt habe. Sie habe aufgrund einer Absprache mit ihrem Arbeitgeber jeden zweiten Freitag frei gehabt, was bei der Bemessung des Berufsaufwandes zu berücksichtigen sei. Ferner habe sie jährliche Sonderzahlungen ihres Arbeitgebers erhalten, die sie jedoch bei der Beantragung des Elterngeldes nicht angegeben habe. Sie sei nach wie vor Eigentümerin des Baugrundstücks in ...[Y]. Die angegebenen Einkünfte aus Kapitalvermögen rührten daher, dass sie ab Sommer 2016 an der Börse spekuliert und hierbei auch kurzfristige Erfolge verbucht habe. Dauerhafte Einkünfte könne sie daraus aber nicht generieren. Selbst wenn man ihr die Kapitaleinkünfte und die damit zusammenhängenden Steuerrückerstattungen jedoch als Einkommen zurechnen würde, müsse man einen 3-​Jahres-​Durchschnitt bilden, was dazu führe, dass ihr immer noch wenigstens der mit der Beschwerde geforderte Unterhaltsbetrag zustehe.
9          Mit der Beschwerde beantragt die Antragstellerin,
10        den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, an sie einen Unterhaltsrückstand für die Zeit von Februar 2017 bis Januar 2019 in Höhe von insgesamt 12.258,24 € zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem Februar 2019 zu zahlen.
11        Der Antragsgegner beantragt,
12        die Beschwerde zurückzuweisen.
13        Er rügt das Beschwerdevorbringen als verspätet, da nicht nachvollziehbar sei, dass die Antragstellerin die entsprechenden Einkommensnachweise nicht bereits im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens vorgelegt habe. Auch der Vortrag zu den Sonderzahlungen sowie zur Veränderung der wöchentlichen Arbeitszeit sei verspätet, die Ausführungen der Antragstellerin zur damit einhergehenden Kürzung der Entfernungspauschale seien nicht nachvollziehbar. Verwertbare bzw. tatsächliche Arbeitsleistungen im Rahmen der Nebentätigkeit habe die Antragstellerin nicht erbracht, eine Kündigung sei nur infolge der Schwangerschaft unterblieben. Die Ausführungen zu der Entwicklung der Einkünfte aus Kapitalvermögen seien nicht nachvollziehbar. Die Antragstellerin sei gehalten gewesen, die behaupteten Verluste steuerlich geltend zu machen. Sie verfüge auch über hinreichendes Kapital, um nachhaltig derartige Einkünfte zu erzielen. Er habe ihr seinerzeit schenkweise 70.000,00 € für den Erwerb des Baugrundstücks in ...[Y] zur Verfügung gestellt. Dieses sei mittlerweile mindestens 125.000,00 € wert, wobei die Antragstellerin diesen Gewinn im Falle einer Veräußerung ab 2023 steuerfrei realisieren könne und schon deshalb nicht unterhaltsbedürftig sei.
14        Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
            II.
15        Die nach §§ 117, 58 ff FamFG statthafte und zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache einen Teilerfolg. Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner aus § 1615l BGB einen Anspruch auf Zahlung rückständigen Betreuungsunterhalts jedenfalls in Höhe der geforderten 12.258,24 €.
            1.
16        Der Senat entscheidet über die Beschwerde nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG ohne mündliche Verhandlung, da von einer solchen keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Die Beteiligten haben ihre jeweiligen Standpunkte umfassend schriftsätzlich dargestellt und hierzu Belege vorgelegt. Der nach § 117 Abs. 3 FamFG erforderliche Hinweis wurde erteilt.
            2.
17        Die Antragstellerin ist mit ihrem Beschwerdevorbringen nicht nach § 115 Fam S. 1 FG präkludiert. Der erstmals in der Beschwerdebegründung enthaltene Vortrag zu Sonderzahlungen des früheren Arbeitgebers, der Höhe der Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie zu der getroffenen Arbeitszeitregelung mit dem Hauptarbeitgeber führen nicht zu einer Verzögerung des Rechtstreits, da das Beschwerdegericht als 2. Tatsacheninstanz ohnehin die bisherige Unterhaltsberechnung aufgrund des Beschwerdevorbringens vollständig überprüfen muss und die benötigten Unterlagen von der Antragstellerin sogleich mit der Beschwerdebegründung zur Verfügung gestellt wurden. Da dem Antragsgegner hierauf Gelegenheit zur Erwiderung zu geben war, ist eine weitere Verzögerung des Rechtstreits mit dem neuen zweitinstanzlichen Tatsachenvortrag nicht verbunden (vgl. Zöller-​Lorenz, ZPO 33. Aufl. 2020, § 115 FamFG Rn. 6; Prütting/Helms-​Helms, FamFG 5. Aufl. 2020, § 115 FamFG Rn. 10).
18        Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Beschränkung der Antragstellerin auf den Elterngeldantrag als vermeintlich eindeutige Grundlage ihrer erstinstanzlichen Berechnungen auf grober Nachlässigkeit beruhte. Gerade in Unterhaltsverfahren kann es angezeigt sein, besonders streitbehaftete Punkte auszuklammern, um schneller einen Unterhaltstitel über den mindestens geschuldeten Betrag zu erwirken.
19        Schließlich ist, was dem Antragsgegner, der seinerseits erstmals in der Beschwerdeinstanz die angebliche Untätigkeit der Antragstellerin im Rahmen der für seine Firma ausgeübten Nebentätigkeit geltend macht, entgegenzuhalten, dass § 115 FamFG zwar die Möglichkeit der Zurückweisung verspäteten Vorbringens eröffnet, diese Rechtsfolge aber in das Ermessen des Tatrichters stellt (Zöller-​Lorenz, ZPO 33. Aufl. 2020, § 115 FamFG Rn. 7; Prütting/Helms-​Helms, FamFG 5. Aufl. 2020, § 115 FamFG Rn. 12).
            3.
20        Der Unterhaltsbedarf der nicht mit dem Vater des Kindes verheirateten Mutter nach § 1615l BGB bestimmt sich allein nach deren früherem Erwerbseinkommen. Zu ersetzen sind nur die durch die Geburt und Erziehung des Kindes bedingten Einkommenseinbußen. Dementsprechend mindern Kapitaleinkünfte, über die die Mutter bereits vor der Geburt des Kindes verfügte, deren Unterhaltsbedarf nicht (Wendl/Dose-​Bömelburg, Unterhaltsrecht 10. Aufl. 2019, § 7 Rn. 128). Ebensowenig besteht eine Pflicht zum Vermögenseinsatz (Johannsen/Henrich/Althammer-​Meier, Familienrecht 7. Aufl. 2020, § 1615l BGB Rn. 15).
21        Folglich ist für die Ermittlung des Unterhaltsbedarfs der Antragstellerin hier allein auf das zuletzt vor der Geburt der Kinder erzielte Erwerbseinkommen abzustellen.
22        Als Durchschnittsnettoeinkommen der Monate Januar-​Dezember 2013 aus der Haupttätigkeit bei der Firma ...[C] in ...[Z] errechnet sich aus der Jahresverdienstbescheinigung 2013 (Anlage 1 zur Berufungsbegründung) ein Betrag von 1.887,02 €. Dieser errechnet sich wie folgt:
            ...
23        Das Einkommen der Folgemonate Januar bis März 2014 liegt mit 1.603,15 € netto ebenso unter diesem Betrag wie das - aufgrund der Zahlung von Mutterschaftsgeld reduzierte - Einkommen im April 2014 mit 1.585,33 €. Das Tarifgehalt ist dabei mit 2.363,25 € unverändert geblieben. Sonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld wurden in diesen Monaten nicht gewährt. Daher ist für die Tätigkeit der Antragstellerin bei der Firma ...[C] weiterhin von dem für das Kalenderjahr 2013 belegten Durchschnittseinkommen auszugehen.
24        Ferner ist bei der Antragstellerin das Einkommen aus der von ihr immerhin seit Juni 2011 ausgeübten Nebentätigkeit in der Firma des Antragstellers zu berücksichtigen. Dieses betrug ursprünglich 400,00 € monatlich, spätestens seit 01.01.2013 jedoch 450,00 € monatlich. Mit der erstmals in der Beschwerdeinstanz aufgestellten und von der Antragstellerin bestrittenen Behauptung, der Gehaltszahlung habe keine tatsächliche Arbeitsleistung gegenüber gestanden, kann der Antragsgegner nicht gehört werden. Das Beschäftigungsverhältnis bestand annähernd drei Jahre, wobei das Einkommen im Laufe des Beschäftigungsverhältnisses sogar erhöht wurde. Dies wäre sicher nicht erfolgt, wenn die Arbeitsleistung der Antragstellerin für den Antragsgegner unbrauchbar gewesen wäre. Im Übrigen müsste der Senat, wenn er den jetzigen Angaben des Antragsgegners Glauben schenken wollte, von einer Steuerstraftat ausgehen. Denn dann hätte der Antragsgegner seine Unternehmensgewinne verringert, indem er ein Beschäftigungsverhältnis mit seiner damaligen Lebensgefährtin fingiert hätte. Der Senat geht jedoch, ebenso wie bei den Entfernungsangaben der Antragstellerin in deren Steuererklärung, an denen sie sich bezüglich der hier zu berücksichtigenden Werbungskosten festhalten lassen muss, von einem steuerlich korrekten Verhalten der Beteiligten aus.
25        Abzusetzen ist von diesem Einkommen der berufsbedingte Aufwand der Antragstellerin, der hier in den durch die Haupttätigkeit entstehenden Fahrtkosten liegt. Dabei muss sie sich aufgrund der Angaben in ihren Steuererklärungen daran festhalten lassen, dass sie die weitere, aber zeitlich schnellere Fahrtstrecke von 61 km über die A 61 und nicht die B 9 nutzt. Damit sind nach Ziffer 10.2.2 KoL grundsätzlich berufsbedingte Fahrtkosten in Höhe von 10,00 € für die ersten 30 Entfernungskilometer und von 5,00 € für jeden weiteren Entfernungskilometer anzuerkennen. Dies ergibt einen monatlichen Betrag von 455,00 €. Allerdings geht die Pauschalierung in Ziffer 10.2.2 KoL von 5 Arbeitstagen pro Woche aus. Ist die wöchentliche Arbeitszeit höher oder geringer, ist die Berechnung entsprechend anzupassen. Hier ist ausweislich der als Anlage 5 vorgelegten Bescheinigung der Firma ...[C] vom 06.08.2013 der Arbeitsvertrag der Antragstellerin angepasst worden, so dass diese seitdem innerhalb von zwei Wochen nur noch 9 statt 10 Arbeitstage leisten muss. Daher ist die Werbungskostenpauschale auf 90% des o. g. Betrages von 455,00 €, mithin auf 409,50 € zu reduzieren. Dass mit der Ausübung der Nebentätigkeit für die Antragstellerin ein zusätzlicher Berufsaufwand verbunden war, hat weder sie noch der Antragsgegner vorgetragen.
26        Hinzuzurechnen sind dem Einkommen der Antragstellerin die Vorteile aus der steuerlichen Geltendmachung ihrer Werbungskosten. Insoweit geht der Senat mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon aus, dass der Antragstellerin mindestens der aus dem Einkommenssteuerbescheid 2011 (Anlage 11) ersichtliche Betrag von 327,45 € (= 27,29 € monatlich) auch in den Folgejahren zugeflossen ist.
27        Mithin ist von folgendem bedarfsprägenden Einkommen der Antragstellerin auszugehen:

28       

 

 

Haupttätigkeit Firma ...[C]

1.887,02 €

Nebentätigkeit

+ 450,00 €

Berufsaufwand konkret

- 409,50 €

anteilige Steuerrückerstattung

+ 27,29 €

bedarfsprägendes Einkommen        

1.954,81 €


29        Damit ist der von der Antragstellerin in der Beschwerde angesetzte Unterhaltsbedarf in Höhe von 1.926,54 € durch die von ihr vorgelegten Einkommensnachweise schlüssig dargetan.
            4.
30        Auf diesen Unterhaltsbedarf muss sich die Antragstellerin das von ihr im Unterhaltszeitraum tatsächlich erzielte Einkommen bedarfsdeckend anrechnen lassen. Dies ist das aus den Börsenspekulationen generierte Einkommen aus Kapitalvermögen. Entsprechende Aktivitäten hat die Antragstellerin nach ihrer eigenen Darstellung erstmals ab Sommer 2016 entfaltet, nachdem sie infolge der Geburt der gemeinsamen Kinder zu Hause war. Damit handelt es sich bei den Spekulationsgewinnen offensichtlich nicht um Kapitaleinkünfte, welche nicht zu berücksichtigen sind, wenn sie der Antragstellerin bereits vor der Geburt der Kinder zugeflossen wären (vgl. Wendl/Dose, Bömelburg, Unterhaltsrecht 10. Aufl. 2019, § 7 Rn. 128 m.w.Nachw.). Vielmehr ist das Börsenengagement der Antragstellerin mit der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit gleichzusetzen, so dass es nach Ziffer 1.5 KoL - nicht zuletzt auch wegen der starken Schwankungen - angezeigt ist, hier den Durchschnitt der Kalenderjahre 2016 - 2018 zu bilden.
31        Erzielte Kapitaleinkünfte sind nach Ziffer 1.6 Abs. 2 KoL unterhaltsrechtliches Einkommen, wobei die hierauf gezahlten Steuern einkommenmindernd abzusetzen sind. Entsprechend Ziffer 1.7 Halbsatz 2 KoL ist dabei zur Ermittlung eines repräsentativen Einkommens auf den Zeitraum der Veranlagung abzustellen (Für-​Prinzip).
32        Hier ist aufgrund der vorgelegten Nachweise (Erträgnisaufstellungen der IngDiBa, Anlagen 8-​10 zur Berufungsbegründung; bereits erstinstanzlich vorgelegte Steuerbescheide) von folgenden Einkünften auszugehen:
33        Kalenderjahr 2016:
            ...
34        Kalenderjahr 2017:
            ...
35        Kalenderjahr 2018:
            ...
36        Damit hat die Antragstellerin in der Gesamtbetrachtung einen Verlust erlitten, so dass sich im Ergebnis für sie kein anzurechnendes Einkommen aus Kapitalvermögen ergibt.
37        Dass die Antragstellerin das anfänglich erfolgreiche Börsenengagement nach den nachfolgend erlittenen Verlusten im Jahre 2018 wieder aufgegeben hat, ist ihr unterhaltsrechtlich nicht vorzuwerfen, zumal sie bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres des jüngsten gemeinsamen Kindes keine Erwerbsobliegenheit trifft.
38        Ebensowenig kann der Antragstellerin entgegengehalten werden, dass sie die hohen Verluste im Rahmen der Steuererklärung 2018 nicht geltend gemacht hat. Da sie in dem Veranlagungszeitraum keiner weiteren Tätigkeit nachgegangen ist und mithin keine Steuern gezahlt hat, hätte sie auch bei deren Geltendmachung keine Steuerrückerstattung erzielen können.
39        Damit sind die angegebenen Kapitaleinkünfte der Antragstellerin nicht geeignet, den oben (II. 2.) ermittelten Unterhaltsbedarf der Antragstellerin zu decken.
            4.
40        Die unstreitigen Teilzahlungen des Antragsgegners sind ebenfalls nicht geeignet, den Unterhaltsanspruch insgesamt in Fortfall kommen zu lassen.
41        Der berechtigten Unterhaltsforderung der Antragstellerin für den Zeitraum Februar 2017 bis einschließlich Januar 2019 (24 Monate) in Höhe von insgesamt 46.902,24 € stehen Zahlungen des Antragsgegners in Höhe von insgesamt 18.283,00 € gegenüber, so dass der mit der Beschwerde noch geforderte Unterhaltsrückstand in Höhe von 12.258,24 € in vollem Umfang begründet ist.
            5.
42        Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1, 1612 Abs. 3 S. 1 BGB. Der Unterhalt ist monatlich im Voraus fällig.
            III.
43        Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG, der als lex specialis die normalerweise über § 113 Abs. 1 FamFG in Familienstreitsachen anwendbaren §§ 91ff ZPO verdrängt (Prütting/Helms-​Bömelburg, FamFG 5. Aufl. 2020, § 243 FamFG Rn. 7; Zöller-​Lorenz, ZPO 33. Aufl. 2020, § 243 FamFG Rn. 1). Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren dem insoweit hier insgesamt unterlegenen Antragsgegner aufzuerlegen. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens waren, da die Reduktion der Unterhaltsforderung im Beschwerdeverfahren eine Teilrücknahme in Höhe von 8.839,76 € darstellt, insoweit der Antragstellerin aufzuerlegen, da der Rechtsgedanke des § 269 Abs. 3 ZPO im Rahmen des § 243 Abs. 1 S. 1 FamFG entsprechend anwendbar ist (vgl. Prütting/Helms-​Bömelburg, FamFG 5. Aufl. 2020, § 243 FamFG Rn. 10 m. w. Nachw.; Zöller-​Lorenz, ZPO 33. Aufl. 2020, § 243 FamFG Rn. 7).
44        Die Festsetzung des Verfahrenswerts beruht auf §§ 40 Abs. 1, 51 Abs. 1 S. 1 FamGKG.
Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 20. Juli 2022 – 13 UF 149/20 Rn. 43.

Gericht:

Brandenburgisches Oberlandesgericht 4. Senat für Familiensachen

Entscheidungsdatum:

20.07.2022

Aktenzeichen:

13 UF 149/20

ECLI:

ECLI:DE:OLGBB:2022:0720.13UF149.20.00

Dokumenttyp:

Beschluss


Quelle:

 

Normen:

§ 33 Abs 1 S 1 SGB 2, § 33 Abs 3 SGB 2, § 1606 Abs 3 S 1 BGB, § 1615l BGB

Zitiervorschlag:

Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 20. Juli 2022 – 13 UF 149/20 –, juris



            Bestimmung des Bedarfs an Kindesunterhalt im Fall des paritätischen Wechselmodells; Verrechnung des Kindergeldanteils; Betreuungsunterhalt

Orientierungssatz

            1. Im Fall des paritätischen Wechselmodells leitet sich der Unterhaltsbedarf des Kindes grundsätzlich von beiden Elternteilen ab. Unterschiedliche Anteile der Eltern ergeben sich nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB aus deren individueller Leistungsfähigkeit und der daran orientierten Beteiligungsquote sowie daraus, dass die Unterhaltspflicht auf den Betrag begrenzt ist, den der Unterhaltspflichtige bei alleiniger Unterhaltshaftung auf der Grundlage seines Einkommens zu zahlen hätte (Anschluss BGH, Versäumnisurteil vom 30. Juli 2008 - XII ZR 126/06).(Rn.31)

            2. Für den Barunterhalt für das Kind ist auf der Grundlage des Verhältnisses der nach Abzug der Selbstbehalte verbleibenden Einkünfte der Eltern zu quotieren.(Rn.33)

            3. Dem das Elterngeld beziehenden Elternteil steht wegen der paritätischen Betreuung der auf die Betreuung entfallende Kindergeldanteil nur zur Hälfte zu, sodass er die weitere Hälfte an den anderen, das Kind ebenfalls betreuenden Elternteil auszukehren hat. Dies kann zur Vereinfachung auch in Form der Verrechnung der beiderseitigen Leistungen verwirklicht werden, die zu dem Zweck erfolgt, dass ein Elternteil nur noch die nach Abzug der Hälfte des auf die Betreuung entfallenden Kindergeldanteils verbleibende Unterhaltsspitze zu zahlen hat (Anschluss BGH, Urteil vom 11. Januar 2017 - XII ZB 565/15).(Rn.37)

            4. Der Unterhaltsbedarf der nicht mit dem Vater des Kindes verheirateten Mutter nach § 1615l BGB bestimmt sich allein nach deren früherem Erwerbseinkommen. Zu ersetzen sind nur die durch die Geburt und Erziehung des Kindes bedingten Einkommenseinbußen. Abzusetzen ist von diesem Einkommen der berufsbedingte Aufwand der Mutter (Anschluss OLG Koblenz, Beschluss vom 16. November 2020 - 7 UF 228/20).(Rn.43)
Fundstellen
FamRZ 2023, 1114-​1116 (red. Leitsatz und Gründe)
Verfahrensgang
vorgehend AG Strausberg, 23. September 2020, 28 F 317/19
Diese Entscheidung wird zitiert
Kommentare
Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-​BGB
● Viefhues, 10. Auflage 2023, § 1610 BGB
● Viefhues, 10. Auflage 2023, § 1612 BGB
● Viefhues, 10. Auflage 2023, § 1615l BGB
Staudinger, BGB
● Dürbeck, § 1684 Umgang des Kindes mit den Eltern; VIII. Das Wechselmodell; 8. Das Wechselmodell in anderen Rechtsmaterien 2023
Sonstiges
Viefhues et al., Das familienrechtliche Mandat - Unterhaltsrecht
● Dr. Franz-​Thomas Roßmann, § 5 Unterhalt nicht miteinander verheirateter Eltern nach § 1615l BGB; D. Allgemeine Anspruchsvoraussetzungen, § 1615l Abs. 3 BGB

Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
Anschluss OLG Koblenz 4. Senat für Familiensachen, 16. November 2020, 7 UF 228/20
Anschluss BGH 12. Zivilsenat, 11. Januar 2017, XII ZB 565/15
Anschluss BGH 12. Zivilsenat, 30. Juli 2008, XII ZR 126/06

Tenor

            Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 23. September 2020 abgeändert.

            Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller Unterhalt zu zahlen für den Zeitraum vom 1. Juni 2019 bis zum 31. Dezember 2019

            - für M… F…, geboren am … Dezember 2018, in Höhe von insgesamt 449,26 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 249,31 € seit dem 1. September 2019 sowie aus jeweils monatlich weiteren 66,65 € seit dem 1. Oktober, 1. November und 1. Dezember 2019,

            - für Mo… F…, geboren am … August 1983, in Höhe von insgesamt 710 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 353 € seit dem 1. September 2019 sowie aus jeweils monatlich weiteren 119 € seit dem 1. Oktober, 1. November und 1. Dezember 2019.

            Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

            Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner gegeneinander aufgehoben. Hinsichtlich der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens bleibt es bei der Kostenentscheidung im Beschluss vom 23. September 2020.

            Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.368,73 € festgesetzt.
Gründe

            I.

1          Der Antragsteller macht Ansprüche aus gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB II übergegangenem Recht geltend. Ausweislich der Bescheide vom 20. April 2020 (Bl. 94 ff.) und vom 25. März 2020 (Bl. 104 ff.) hat der Antragsteller an



2      

 

 

 

M… F… und Mo… F…

 

 

im verfahrensgegenständlichen Zeitraum (2019)

folgende Beträge geleistet:

im

 

 

Juni (Bl. 95)

67,09 €

373,60 € (Bl. 95)

Juli (Bl. 101)

40,57 €

245,55 € (Bl. 101)

August (Bl. 103)

93,12 €

563,57 € (Bl. 103)

September (Bl. 104)

66,65 €

403,35 € (Bl. 108)

Oktober (Bl. 104)

66,65 €

403,35 € (Bl. 108)

November (Bl. 104)

66,65 €

403,35 € (Bl. 108)

Dezember (Bl. 104)

66,65 €

403,35 € (Bl. 108)


3          Der Antragsgegner ist der Vater der am … Dezember 2018 geborenen, einkommens- und vermögenslosen M… F…, die von ihrer Mutter, Mo… F…, und dem Antragsgegner im paritätischen Wechselmodell betreut und versorgt wird. Die Mutter hat das Kindergeld bezogen. Neben dem Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hat sie im hier in Rede stehenden Zeitraum Einkünfte in folgender Höhe gehabt:



4      

 

 

 

        

Elterngeld

Erwerbseinkünfte

Juni 2019

841,38 €

0,00 €

Juli 2019

841, 38 €

325,90 €

August 2019

442,50 €

162,95 €

September bis

Dezember 2019 (4 x)

708,42 €

162,95 €

Summe:

4.958,94 €

1.140,65 €

monatsdurchschnittlich (/7)

708,42 €

162,95 €


5          Der Antragsgegner hat weder an sein Kind noch an dessen Mutter Unterhalt gezahlt.

6          Der Antragsteller hat dem Antragsgegner mit am 25. Juni 2019 zugestelltem Schreiben den Anspruchsübergang angezeigt und ihn zur Auskunft aufgefordert.

7          Der Antragsgegner hat über ein Einkommen in Höhe von monatlich 1.653,06 € verfügt.

8          Der Antragsteller hat nach teilweiser Antragsrücknahme beantragt (Bl. 84), den Antragsgegner zu verpflichten,

9          1. dem Antragsteller rückständigen Unterhalt für den Zeitraum vom 1. Juni 2019 bis 31. Dezember 2019 für die Berechtigte M… F…, geboren am … Dezember 2018 in Höhe von 1.658,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 650,73 € seit dem 1. September 2019 sowie aus jeweils 252 € seit dem 1. September, 1. Oktober, 1. November und 1. Dezember 2019 zu zahlen,

10        2. dem Antragsteller rückständigen Unterhalt für den Zeitraum vom 1. Juni 2019 bis 31. Dezember 2019 für die Berechtigte Mo… F…, geboren am ... August 1983, in Höhe von 710 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 234 € seit dem 1. September 2019 sowie aus jeweils 119 € seit dem 1. September, 1. Oktober, 1. November und 1. Dezember 2019 zu zahlen.

11        Der Antragsgegner hat beantragt,

12        die Anträge abzuweisen.

13        Er hat vorgetragen, weil das Kind von beiden Eltern im paritätischen Wechselmodell betreut werde, sei es der Mutter zumutbar, durch eine Erwerbstätigkeit für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, tatsächlich erziele sie auch Erwerbseinkünfte. Folglich sei sie im gegenständlichen Zeitraum nicht außerstande gewesen, so wie es die Vorschrift § 1615l BGB voraussetze, infolge von Schwangerschaft und Geburt einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Hinsichtlich des Kindes müsse das Einkommen der Mutter auch berücksichtigt werden. Anderenfalls müsste jedenfalls das Einkommen des Antragsgegners im Hinblick darauf, dass er das Kind in der Hälfte der Zeit unterhalte, erheblich gekürzt werden.

14        Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug nimmt, hat das Amtsgericht die Anträge des Antragstellers abgewiesen, weil die geltend gemachten Ansprüche nicht schlüssig begründet seien.

15        Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde trägt der Antragsteller zu den Einkünften der Kindesmutter, Mo… F…, vor (Bl. 179 f.), dass sich unter Einschluss des Elterngeldes durchschnittliche Monatseinkünfte von 871,37 € ergäben, die folglich noch unterhalb des notwendigen Selbstbehaltes selbst für Unterhaltspflichtige ohne Erwerbseinkünfte rangierten. Die Mutter sei folglich nicht leistungsfähig. Der sich nach dem Einkommen des Antragsgegners ergebende Bedarf nach der ersten Einkommensgruppe sei wegen der Betreuung des Kindes im paritätischen Wechselmodell hälftig zu zahlen. Hiervon sei der auf die Betreuung entfallende Kindergeldanteil hälftig abzuziehen, also ¼ des Gesamtbetrages. So ergäben sich Unterhaltsbeträge für Juni 2019 in Höhe von 80 € und von Juli bis Dezember 2019 in Höhe von jeweils 75 €.

16        Der Kindesmutter sei eine angemessene Übergangszeit bis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zum Ende des Jahres 2019 zuzubilligen, zumal sie dem Arbeitsmarkt überhaupt erst ab April 2019 und auch nur jede zweite Woche zur Verfügung gestanden habe, so dass sie allenfalls eine halbschichtige Beschäftigung hätte ausüben können. Vor der Geburt habe die Mutter ein Einkommen in Höhe von 1.473,75 € erzielt.

17        Der Antragsteller beantragt,

18        den Antragsgegner unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Strausberg vom 23. September 2020 zu verpflichten, an den Antragsteller aus übergegangenem Recht rückständigen Unterhalt für den Zeitraum vom 1. Juni 2019 bis zum 31. Dezember 2019

19        - für M… F…, geboren am … Dezember 2018, 1.658,73 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 650,73 € seit dem 1. September 2019 sowie aus jeweils monatlich weiteren 252 € seit dem 1. September, 1. Oktober, 1. November und 1. Dezember 2019,

20        - für Mo… F…, geboren am … August 1983, 710 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 234 € seit dem 1. September 2019 sowie aus jeweils monatlich weiteren 119 € seit dem 1. September, 1. Oktober, 1. November und 1. Dezember 2019

21        zu zahlen.

22        Der Antragsgegner beantragt,

23        die Beschwerde zurückzuweisen.

24        Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.

25        Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Beschwerderechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

26        Der Senat entscheidet, seiner Ankündigung (Bl. 192) entsprechend, ohne erneute mündliche Verhandlung. Die Beteiligten haben zur Sache und zu ihren Rechtsansichten umfassend vorgetragen. Es ist nicht ersichtlich, dass eine erneute mündliche Erörterung zu weiteren oder besseren Erkenntnissen führen könnte.

            II.

27        Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.

28        1. Kindesunterhalt, § 1601 ff. BGB

29        a) Das Kind M… F… hat gegen den Antragsgegner Anspruch auf Zahlung von Kindesunterhalt. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Kindesunterhalt nach §§ 1601 ff. BGB sind unstreitig.

30        b) Der Unterhaltsbedarf bemisst sich im Fall des paritätischen Wechselmodells nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern und umfasst neben dem sich daraus ergebenden - erhöhten - Bedarf insbesondere die Mehrkosten des Wechselmodells (vor allem Wohn- und Fahrtkosten), so dass der von den Eltern zu tragende Bedarf regelmäßig deutlich höher liegt als beim herkömmlichen Residenzmodell (wie hier BGH Beschluss vom 05.01.2014, Az.: XII ZB 599/13 in DNotZ 2015, 141; OLG Dresden Beschl. v. 29.10.2015 – 20 UF 851/15, BeckRS 2015, 18960 Rn. 27).

31        Dass zur Ermittlung des Bedarfs nach der Düsseldorfer Tabelle die Einkommen beider Elternteile einbezogen werden müssen, folgt beim Wechselmodell bereits zwingend daraus, dass kein Elternteil von der Barunterhaltspflicht befreit ist. Der Unterhaltsbedarf des Kindes leitet sich grundsätzlich von beiden Elternteilen ab. Unterschiedliche Anteile der Eltern ergeben sich nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB aus deren individueller Leistungsfähigkeit und der daran orientierten Beteiligungsquote sowie daraus, dass die Unterhaltspflicht auf den Betrag begrenzt ist, den der Unterhaltspflichtige bei alleiniger Unterhaltshaftung auf der Grundlage seines Einkommens zu zahlen hätte (vgl Urt. BGH BGHZ 164, 375 = FamRZ 2006, 99 [100]; 30.7.2008 – XII ZR 126/06, FamRZ 2008, 2104 Rn. 31).

32        Im vorliegenden Fall ist die Mutter, Mo… F…, nicht am Kindesunterhalt zu beteiligen. Die Beteiligten haben erst im April 2019 ein Wechselmodell für das in diesem Zeitpunkt vier Monate alte Kind vereinbart. Es muss der Kindesmutter deshalb jedenfalls eine Übergangszeit eingeräumt werden, in der sie Gelegenheit hatte, ihre Arbeitszeit auf die neue Situation einzustellen, insbesondere entsprechende Schritte mit ihrem Arbeitgeber abzustimmen. Diese kann die Zeitspanne bis einschließlich Dezember 2019 umfassen. Damit verblieben der Kindesmutter 8 Monate, um sich auch in ihrem Erwerbsleben an die veränderten Verhältnisse anzupassen. Im Übrigen ist zu bedenken, dass sie im Hinblick auf das Alter des Babys in den Wochen, in denen sie das Kind betreut hat, an einer Erwerbstätigkeit gehindert war, folglich jedenfalls keine Vollerwerbs-​, sondern allenfalls eine halbschichtige Tätigkeit hätte ausüben können.

33        Fiktives Einkommen könnte ihr damit allenfalls in Höhe der Hälfte ihres vor der Geburt des Kindes bezogenen Höhe zugerechnet werden, folglich in Höhe von etwa 736,88 €. Das Erwerbseinkommen würde in dieser Höhe auf das Elterngeld angerechnet, § 2 Abs. 3 S. 1 BEEG. Die Einkünfte würden damit auch im Falle halbschichtiger Beschäftigung den notwendigen Selbstbehalt nicht erreichen, so dass die Mutter selbst bei Zugrundelegung einer halbschichtigen Erwerbspflicht noch mit ihren Einkünften unterhalb der Grenze des Selbstbehaltes und damit leistungsunfähig bliebe. Für den Barunterhalt für das Kind kann sie folglich nicht herangezogen werden. Denn zu quotieren ist auf der Grundlage des Verhältnisses der nach Abzug der Selbstbehalte verbleibenden Einkünfte der Eltern (BeckOGK BGB/Wendtland, 1.5.2022, § 1610 BGB Rn. 14.2). Die Quotierung allein aufgrund des Verhältnisses der Nettoeinkünfte würde die Leistungsfähigkeit der Eltern, die sich aus dem für den Unterhalt verfügbaren Einkommen oberhalb des Selbstbehalts ergibt, nicht widerspiegeln, denn sie würde Einkommensteile in die Anteilsberechnung einbeziehen, die tatsächlich nicht für den Unterhalt zur Verfügung stehen (vgl. BGH JAmt 2017, 197; FamRZ 2011, 454 Rn. 34 ff mwN; FamRZ 2009, 962 Rn. 32).

34        Damit ist die Unterhaltshöhe nach dem Einkommen des Antragsgegners zu bestimmen. Mit seinem um pauschale berufsbedingte Aufwendungen von 5 % (82,65 €, Nr. 10.2.1 Brb. UL) bereinigten Nettoeinkommen von (1.653,06 € - 82,65 € =) 1.570,41 € ist der Antragsgegner in die erste Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle einzuordnen. Der nicht um Kindergeldanteile bereinigte Unterhaltsbedarf des im Dezember 2018 geborenen Kindes betrug 354 €.

35        Im Juni 2019 betrug das Kindergeld 194 €, nach Anrechnung des hälftigen Kindergeldes verblieb ein Bedarf in Höhe von 257 €.

36        Ab Juli wurde Kindergeld in Höhe von 204 € gezahlt, so dass nach Anrechnung der auf den Barbedarf entfallenden Hälfte des Kindergeldes ein Bedarf von 252 € verblieb.

37        Wegen der Betreuung des Kindes im paritätischen Wechselmodell ist der Barunterhalt nur in Höhe der Hälfte geschuldet, folglich im Juni 2019 in Höhe von 128,50 € und von Juli bis Dezember 2019 in Höhe von 126 €. Hierauf ist der auf die Betreuung entfallende Kindergeldanteil zur Hälfte, also mit 48,50 € für Juni und mit 51 € für die Monate Juli bis Dezember 2019 anzurechnen. Dem das Elterngeld beziehenden Elternteil steht wegen der paritätischen Betreuung der auf die Betreuung entfallende Kindergeldanteil nur zur Hälfte zu (BGH FamRZ 2016, 1053 Rn. 31), sodass er die weitere Hälfte an den anderen, das Kind ebenfalls betreuenden Elternteil auszukehren hat. Dies kann zur Vereinfachung auch in Form der Verrechnung der beiderseitigen Leistungen verwirklicht werden, die zu dem Zweck erfolgt, dass ein Elternteil nur noch die nach Abzug der Hälfte des auf die Betreuung entfallenden Kindergeldanteils verbleibende Unterhaltsspitze zu zahlen hat (vgl. BHG, JAmt 2017, 197, Rn. 50; BeckOGK BGB/Wendtland, a. a. O., Rn. 14.3).

38        Danach verbleibt für Juni 2019 ein Barunterhaltsanspruch von 80 € und ab Juli 2019 von 75 €.

39        Der Anspruch reduziert sich wegen des Wechselmodells nicht, wie der Antragsgegner offenbar meint, im Hinblick auf Kosten der Unterkunft noch weiter. Die Mutter hat die Unterkunftsmöglichkeit für das Kind auch in denjenigen Wochen vorhalten müssen, in denen das Kind vom Vater betreut worden ist.

40        c) Nachdem der Antragsteller dem Antragsgegner den Anspruchsübergang mit Schreiben vom 24. Juni 2019 (Bl. 26 ff.) angezeigt und ihn zur Auskunft aufgefordert hatte, kann er ab Juni 2019 Unterhalt beanspruchen, § 1613 Abs. 1 BGB. Der Antragsteller kann diesen Anspruch allerdings mit Erfolg nur in der Höhe geltend machen, in der er auch durch Leistung übergegangen ist, § 33 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 SGB II, also in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe. Ausweislich der Bescheide vom 20. April 2020 zur Aufhebung, Erstattung und Zahlungsaufforderung (Bl. 90 ff., 96 ff.) und des Bescheides vom 25. März 2020 (Bl. 104 ff.) hat der Antragsteller an das Kind M… von Juni bis Dezember 2019 Leistungen in Höhe von insgesamt 467,38 € ausgekehrt (Bl. 95 / 97 / 103 / 108), namentlich im Juni 67,09 €, im Juli 40,57 €, im August 93,12 € und von September bis Dezember 2019 je 66,65 €.

41        Die Ansprüche des Kindes gegen den Antragsgegner auf Zahlung von Kindesunterhalt sind gemäß § 33 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 SGB II - mit Ausnahme des Monats August 2019, in dem der Auszahlungsbetrag für M… ihren Unterhaltsanspruch von 75 € um 18,12 € (93,12 € - 75 €) überstiegen hat - in dieser Höhe auf den Antragsteller übergegangen. Im August ist der Anspruch nur in tatsächlich bestehender Höhe von 75 € auf den Antragsteller übergegangen.

42        2. Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB

43        Der Unterhaltsbedarf der nicht mit dem Vater des Kindes verheirateten Mutter nach § 1615l BGB bestimmt sich allein nach deren früherem Erwerbseinkommen. Zu ersetzen sind nur die durch die Geburt und Erziehung des Kindes bedingten Einkommenseinbußen. Abzusetzen ist von diesem Einkommen der berufsbedingte Aufwand der Mutter, (vgl. OLG Koblenz Beschl. v. 16.11.2020 – 7 UF 228/20, BeckRS 2020, 49526 Rn. 17).

44        Mithin ist von folgendem bedarfsprägenden Einkommen der Antragstellerin auszugehen:



45    

 

 

Erwerbseinkommen aus der Tätigkeit:

1.473,75 €

abzüglich pauschalen Berufsaufwands

von 5 % (Nr. 10.2.1 Brb. UL)

73,69 €

bedarfsprägendes Einkommen:

1.400,06 €




46        Auf diesen Unterhaltsbedarf muss sich die Antragstellerin das von ihr im Unterhaltszeitraum tatsächlich erzielte Einkommen bedarfsdeckend anrechnen lassen, wobei das monatlich bezogene Elterngeld gemäß § 11 BEEG lediglich angerechnet werden kann, soweit es den Betrag von 300 € überstieg.

47        Ein höheres – fiktives – Einkommen kann ihr nicht zugerechnet werden. Insoweit wird auf die Ausführungen unter II. 1. Bezug genommen.

48        Die Kindesmutter hatte folgende Einkünfte:



49    

 

 

 

 

 

     

Elterngeld

Erwerbs-

einkünfte

Summe

anrechenbar

(Bl. 179) gem. § 11 BEEG

 

 

 

 

Juni 2019

841,38 €

0,00 €

841,38 €

541,38 €

Juli 2019

841, 38 €

325,90 €

1.167,28 €

867,28 €

August 2019

442,50 € 1

62,95 €

605,45 €

305,45 €

September bis

Dezember 2019

 

708,42 €

 

162,95 €

 

871,37 €

 

571,37 €

Summe:

4.958,94 €

1.140,65 €

6.099,59 €

3.999,59 €

monatsdurchschnittlich:

708,42 €

162,95 €

871,37 €

571,37 €




50        Damit ist ein monatsdurchschnittlicher Betrag von 571,41 € anrechenbar und es verbleibt ein ungedeckter Bedarf von 828,65 € (1.400,06 € - 571,41 €).

51        Der Antragsteller macht hiervon 115 € für Juni 2019 und je 119 € für die Monate von August bis Dezember 2019 geltend (Bl. 88). In dieser Höhe ist der Anspruch auch auf ihn übergegangen, weil er entsprechende Leistungen erbracht hat.

52        Der Antragsgegner ist insoweit auch leistungsfähig. Sein Selbstbehalt von 1.200 € gegenüber der Kindesmutter (Nr. 21.4 Brb. UL 2019) wird durch die Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von rund 67 € und Betreuungsunterhalt in Höhe von 115 € bzw. 119 €, insgesamt also 182 € im Juni und 186 € in den Monaten Juli bis Dezember 2019 nicht berührt (1.570,41 € - 186 € = 1.384,41 €).

53        Die Kostenentscheidung für beide Instanzen folgt aus § 243 FamFG. Bei der Kostenentscheidung für die erste Instanz ist berücksichtigt, dass es dem Antragsteller erstinstanzlich nicht gelungen ist, seinen Antrag wenigstens teilweise schlüssig zu begründen.

54        Die Entscheidung zum Wert des Beschwerdeverfahrens folgt aus §§ 55 Abs. 2, 40 Abs. 1 S. 1 FamGKG.

55        Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 70 Abs. 2 FamFG.