BGH, Urteil vom 24. April 1985
– IVb ZR 9/84 Rn. 23; (für § 1570 BGB),
BGH, Urteil vom 17. September 2003
– XII ZR 184/01 Rn. 18 (für 1572 BGB).

Fußnote 203.

Gericht:

BGH 4b. Zivilsenat

Entscheidungsdatum:

24.04.1985

Rechtskraft:

ja

Aktenzeichen:

IVb ZR 9/84

Dokumenttyp:

Urteil


Quelle:

 

Normen:

§ 1361 Abs 1 S 1 BGB vom 14.06.1976, § 1361 Abs 2 BGB vom 14.06.1976, § 1573 Abs 1 BGB vom 14.06.1976, § 1574 Abs 2 BGB vom 14.06.1976, § 1574 Abs 3 BGB vom 14.06.1976 ... mehr

Zitiervorschlag:

BGH, Urteil vom 24. April 1985 – IVb ZR 9/84 –, juris



            Ausbildungsunterhalt bei Getrenntleben der Ehegatten

Leitsatz

            1. Zum Unterhaltsanspruch eines getrennt lebenden Ehegatten, der eine Ausbildung aufnimmt und deshalb nicht erwerbstätig ist.

Orientierungssatz

            (Zitierungen; Ausbildungsunterhalt bei Getrenntleben; Bedeutung des BGB § 1575 Abs 1 - Zweitausbildung; angemessene Erwerbstätigkeit)

            1. Abgrenzung BGH, 1981-​02-​25, IVb ZR 544/80, FamRZ 1981, 439, 440; Abgrenzung BGH, 1982-​01-​20, IVb ZR 651/80, FamRZ 1982, 365, 366f; Vergleiche BGH, 1982-​12-​22, IVb ZR 320/81, FamRZ 1983, 140, 141.

            2.1. Als Grundsatz gilt, daß während der Trennung der Eheleute ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nur insoweit in Betracht kommt, als er sich nach den Kriterien des BGB § 1573 Abs 1 in Verbindung mit BGB § 1574 Abs 3 begründen läßt. Ein darüber hinausgehender, allein nach den Maßstäben des BGB § 1575 zu rechtfertigender Anspruch muß dagegen ausscheiden.

            2.2. Deuten allerdings die Umstände darauf hin, daß die Trennung auf eine Scheidung abzielt und diese nur noch eine Frage der Zeit ist, so kann der Ehegatte, dem ein nachehelicher Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nach BGB § 1575 zustehen wird, ein berechtigtes Interesse daran haben, seinen Ausbildungsentschluß ehestmöglich zu verwirklichen.

            3. BGB § 1575 Abs 1 umfaßt nicht nur Fälle, in denen der Unterhaltsbedürftige ohne die Ausbildung zur Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit außerstande wäre, sondern kommt auch dann in Betracht, wenn der Ehegatte an sich eine angemessene Erwerbstätigkeit finden könnte. Hieraus folgt indessen nicht, daß der Ehegatte den früheren Ehepartner auch dann noch auf Ausbildungsunterhalt in Anspruch nehmen kann, wenn er bereits über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, die ihm die Ausübung einer einträglichen, angemessenen Erwerbstätigkeit ermöglicht.

            4. Die für einen Ehegatten erreichbare Erwerbstätigkeit ist nicht erst dann angemessen, wenn das damit erzielte Einkommen den vollen Unterhalt deckt.

Fundstellen
NJW 1985, 1695-​1699 (red. Leitsatz und Gründe)
FamRZ 1985, 782-​787 (red. Leitsatz und Gründe)
MDR 1985, 742-​743 (red. Leitsatz und Gründe)
ZfJ 1985, 515-​519 (red. Leitsatz und Gründe)
LM Nr 43 zu § 1361 BGB (red. Leitsatz und Gründe)
BGHWarn 1985, Nr 125 (Leitsatz 1 und Gründe)
IPRspr 1985, Nr 62, 163-​163 (S1) (1987)
EzB BGB § 1361 Nr 1 (Leitsatz und Gründe)
Verfahrensgang
vorgehend OLG Hamm, 9. Dezember 1983, 2 UF 401/83
vorgehend AG Essen, 18. Mai 1983, 109 F 281/82
Diese Entscheidung wird zitiert
Rechtsprechung
Vergleiche Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 3. Senat für Familiensachen, 26. April 1991, 12 UF 152/89
Vergleiche BGH 4b. Zivilsenat, 18. Oktober 1989, IVb ZR 89/88
Kommentare
Erman, BGB
● Edenfeld;Bieder, § 611a Arbeitsvertrag; IX. Vergütungspflicht (Abs II); 1. Begriff und Inhalt
● Kroll-​Ludwigs, § 1361 Unterhalt bei Getrenntleben; V. Pflicht zum Selbstunterhalt durch Erwerbstätigkeit, Abs II
● Maier/Schachtschneider, § 1575 Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung
Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-​BGB
● Silke Kaplan, 10. Auflage 2023, § 1575 BGB
Staudinger, BGB
● Verschraegen, BGB § 1574 Angemessene Erwerbstätigkeit; III. Gesetzliches Leitbild der Angemessenheit (§ 1574 Abs 2); 2. Entscheidungserhebliche Merkmale; b) Fähigkeiten 2014
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Sonstiges
Borth, Praxis des Unterhaltsrechts
● Borth, E. Die weiteren nachehelichen Unterhaltstatbestände gemäß §§ 1571–1576 BGB; V. Unterhaltsanspruch nach § 1575 BGB
● Borth, F. Eigenverantwortung und angemessene Erwerbstätigkeit nach § 1574 Abs. 1, 2 BGB; II. Grundlagen des § 1574 Abs. 1, 2 BGB; 9. Obliegenheit zur Aufnahme einer Ausbildung
● Borth, K. Überblick über den Anspruch auf Familienunterhalt sowie Trennungsunterhalt; III. Grundlagen des Anspruchs nach § 1361 BGB
Ehinger/Rasch/Schwonberg/Siede, Handbuch Unterhaltsrecht
● Ehinger, 5. Erwerbsobliegenheit zur Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse und Bedürftigkeit
● Ehinger, 7. Leistungsfähigkeit des Anspruchsgegners
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Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
Vergleiche BGH 4b. Zivilsenat, 22. Dezember 1982, IVb ZR 320/81
Abgrenzung BGH 4b. Zivilsenat, 20. Januar 1982, IVb ZR 651/80
Abgrenzung BGH 4b. Zivilsenat, 25. Februar 1981, IVb ZR 544/80

Tatbestand

1           Die im Jahre 1950 geborenen Parteien, die seit Juni 1978 in kinderloser Ehe verheiratet sind und seit dem Auszug des Beklagten aus der ehelichen Wohnung Ende 1981/Anfang 1982 getrennt leben, streiten um Unterhalt. Im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung war das Scheidungsverfahren anhängig. Die Klägerin besitzt die koreanische, der Beklagte die deutsche Staatsangehörigkeit.

2           Die Parteien haben sich im Jahre 1972 kennengelernt. Die Klägerin war damals als Krankenschwester tätig; der Beklagte studierte Medizin. Im Jahre 1974 ging die Klägerin wieder nach Korea, kehrte aber 1975 in die Bundesrepublik zurück. Hier arbeitete sie zunächst in einem Krankenhaus in B. und wechselte, als die Parteien im April 1976 in E. zusammenzogen, an das dortige Klinikum über.

3           Der Beklagte schloß im Jahre 1977 sein Medizinstudium erfolgreich ab und war anschließend als Medizinalassistent tätig, zunächst in einem Krankenhaus und, nach der Trennung, ab November 1982 bei einem praktischen Arzt. Im Juli 1983 ließ sich der Beklagte als praktischer Arzt nieder.

4           Die Klägerin absolvierte im Zuge ihrer Tätigkeit als Krankenschwester während der Ehe eine Ausbildung zur Operationsschwester und nahm - neben ihrer Berufstätigkeit - von September 1980 bis Juni 1981 erfolgreich an einem Vorbereitungskurs für die Aufnahme in das Ruhr-​Kolleg teil. Nach der Trennung der Parteien gab sie im Juli 1982 ihre Tätigkeit als Operationsschwester im Klinikum E., wo sie ein monatliches Nettoeinkommen von 2.100 DM erzielte, auf und besucht seit September 1982 das Ruhr-​Kolleg, um in dreijähriger Schulzeit die allgemeine Hochschulreife zu erlangen und anschließend Medizin zu studieren.

5           Die Klägerin hat den Beklagten, der bis Oktober 1982 monatlich 3.310 DM und von November 1982 bis einschließlich Juni 1983 monatlich 2.330 DM netto verdient hat, seit der Eröffnung einer eigenen Praxis hingegen noch keine Gewinne erzielt, für die Zeit des Getrenntlebens ab August 1982 auf Unterhalt in Anspruch genommen. Sie hat behauptet, zwischen den Parteien sei immer klar gewesen, daß sie - ebenso wie der Beklagte - ein Hochschulstudium absolvieren solle. Deshalb sei sie 1974 nach Korea zurückgegangen, um die Aufnahmeprüfung für die Universität abzulegen und dort zu studieren. Davon habe sie jedoch alsbald abgelassen, weil der Beklagte sie gedrängt habe, in die Bundesrepublik zurückzukehren und hier zu studieren. Nach ihrer Rückkehr sei sie mit dem Beklagten übereingekommen, daß er zunächst sein Medizinstudium erfolgreich abschließen und eine eigene Arztpraxis einrichten solle. Sodann habe sie Medizin studieren sollen. Darüber habe sowohl vor als auch während der Ehe Einverständnis bestanden. Anfang 1980 habe sie sich für den Vorbereitungskurs zum Ruhr-​Kolleg angemeldet. Sie habe beabsichtigt, im Anschluß an den Kurs ab September 1981 das Ruhr-​Kolleg zu besuchen, und habe dazu im Mai 1981 auch bereits ihre Anstellung in der Klinik gekündigt. Im August 1981 habe der Beklagte plötzlich erklärt, daß er sich von ihr trennen wolle. Darauf habe sie die Kündigung ihrer Stellung und die Anmeldung beim Ruhr-​Kolleg zunächst rückgängig gemacht.

6           Der Beklagte ist dem Unterhaltsbegehren entgegengetreten. Er hat die behauptete Übereinkunft, daß die Klägerin das Abitur machen und studieren solle, bestritten und vorgetragen, über eine Hochschulausbildung der Klägerin sei nie gesprochen worden; vielmehr habe er von den angeblichen Studienabsichten erstmals durch ein Schreiben der Rechtsanwälte der Klägerin vom Juni 1982 erfahren. Die Klägerin habe als Operationsschwester bereits eine qualifizierte Ausbildung, die ihr in einem sozial anerkannten Beruf die Aufrechterhaltung des ehelichen Lebensstandards nachhaltig sichere.

7           Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin eine monatliche Unterhaltsrente zu zahlen, die vom 1. August bis 31. Oktober 1982 monatlich 1 420 DM, abzüglich für August 1982 freiwillig gezahlter 500 DM, sowie ab 1* . November 1982 monatlich 1.000 DM, abzüglich für Dezember 1982 geleisteter 557,50 DM und für Januar bis April 1983 jeweils geleisteter 1.115 DM, beträgt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil dahin abgeändert, daß der Beklagte an die Klägerin für August 1982 noch 20 DM, für September und Oktober 1982 je 520 DM, für November und Dezember 1982 je 100 DM und für die Monate Januar bis einschließlich Juni 1983 je 77 DM Unterhalt zu zahlen hat. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin (zugelassene) Revision eingelegt, mit der sie die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erstrebt.

Entscheidungsgründe

8           Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

9           A Die Vorinstanzen haben auf den Unterhaltsanspruch der Klägerin zutreffend deutsches Recht angewendet. In einer gemischt-​nationalen Ehe, in der einer der Ehegatten Deutscher ist, kommt auf den ehelichen Unterhaltsanspruch deutsches Recht zur Anwendung, wenn die Ehe im Inland geführt worden ist und beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (BGHZ 78, 288). Das ist hier der Fall.

10         B I. Das Berufungsgericht hat den Standpunkt eingenommen, die Klägerin könne als getrenntlebende Ehefrau von dem Beklagten nach § 1361 BGB Unterhalt verlangen, jedoch nicht in der geforderten Höhe als eine Art Ausbildungsunterhalt. Zwar sei ein Anspruch auf Finanzierung einer Ausbildung auch bei Getrenntleben der Parteien dem Grunde nach zu bejahen und den Grundsätzen des § 1575 BGB entsprechend zu beurteilen. Die danach maßgeblichen Voraussetzungen seien hier jedoch nicht erfüllt. Die Klägerin habe keine Ausbildung abgebrochen; vielmehr habe sie während der Ehe erfolgreich die Ausbildung zur Fachschwester absolviert. Ein Ausbildungsanspruch, der auf die Nichtaufnahme einer Ausbildung während der Ehe gestützt werde, sei nur bei Nachweis eines genügend konkreten, wegen der Eheschließung nicht verwirklichten Weiterbildungsentschlusses anzunehmen. Daran fehle es, wenn das Ausbildungsziel vom bisherigen Bildungsstand noch so weit entfernt liege, daß wesentliche Ausbildungsabschnitte erst noch absolviert werden müßten, bevor mit der eigentlich angestrebten Ausbildung begonnen werden könne. Unter solchen Umständen ständen dem Ausbildungserfolg noch so viele Hindernisse und Unsicherheiten entgegen, daß das von Selbstverantwortung und Solidarität geprägte Unterhaltsrecht überstrapaziert werde, wenn dem Ehepartner die Finanzierung der mit diesen Risiken behafteten Ausbildung zugemutet werde.

11         Hiernach könne auch der Ausbildungswunsch der Klägerin unterhaltsrechtlich keine Berücksichtigung finden. Sie habe erst über einen einjährigen Vorbereitungskurs die Voraussetzungen für die Aufnahme einer Schulausbildung schaffen müssen, deren noch ungewisse Absolvierung nach dreijährigem Schulbesuch sie erst in den Stand versetze, mit dem akademischen Studium zu beginnen. Diese Umstände sowie das gerade beim Medizinstudium hinzukommende Risiko, die Zulassung zu verfehlen, stellten die während der Ehe geäußerte Absicht, noch Ärztin zu werden, als einen nicht ausreichenden vagen Berufswunsch dar.

12         Außerdem scheitere der Unterhaltsanspruch entsprechend § 1575 BGB auch daran, daß die Klägerin bereits eine Ausbildung abgeschlossen habe, aufgrund deren sie eine angemessene Erwerbstätigkeit ausüben könne, die ihren Unterhalt nachhaltig sichere. Sie habe während der Ehe ihre Ausbildung in der Krankenpflege vervollständigt, als Operationsschwester einen angemessenen Ausbildungsstand erreicht und könne einen qualifizierten, einen gehobenen Lebensstandard ermöglichenden Beruf ausüben. Bei einem solchen Ausbildungsstand werde die eheliche Solidarität gleichfalls überfordert, wenn der Unterhaltspflichtige gleichwohl noch zu weiteren Ausbildungskosten beitragen müßte. Das Berufungsgericht ist danach zu dem Ergebnis gelangt, daß die Klägerin darauf verwiesen sei, ihren Unterhalt größtenteils aus einer Erwerbstätigkeit als Operationsschwester selbst zu verdienen, und vom Beklagten nur insoweit Unterhalt verlangen könne, als ihr nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bestimmender Bedarf dadurch nicht gedeckt sei.

13         Die Revision hat die entsprechende Anwendung des § 1575 BGB im Rahmen des § 1361 BGB als der Klägerin günstig nicht gerügt. Sie stellt jedoch die Anforderungen in Frage, die das Berufungsgericht an den Ausbildungsanspruch im Falle der Nichtaufnahme der Ausbildung während der Ehe stellt. Das vom Oberlandesgericht verwendete Kriterium der Zumutbarkeit für den anderen Ehegatten könne der Bestimmung des § 1575 BGB nicht entnommen werden. Zudem habe das Berufungsgericht die Unzumutbarkeit bejaht, ohne sich mit dem Verhalten des Beklagten im Zusammenhang mit der Rückkehr der Klägerin nach Deutschland auseinanderzusetzen. Die Klägerin habe auch nach dem Willen des Beklagten, wie dieser selbst, eine Hochschulausbildung absolvieren sollen. Das Berufungsgericht habe den Vortrag der Klägerin über die entsprechende Vereinbarung der Parteien nicht berücksichtigt. Der soziale Zuschnitt der ehelichen Lebensgemeinschaft der Parteien sei darauf ausgerichtet gewesen, auch der Klägerin eine akademische Ausbildung und künftige Betätigung als Ärztin zu ermöglichen. Die Betätigung der Klägerin in ihrem früheren Beruf als Operationsschwester sei zur Zeit keine angemessene Tätigkeit.

14         II. Zutreffend ist das Berufungsgericht bei der Beurteilung des geltend gemachten Unterhaltsanspruchs von § 1361 BGB ausgegangen, der die Anspruchsgrundlage für den Unterhalt getrenntlebender Ehegatten darstellt. Es hat die von dieser Vorschrift nach allgemeinen unterhaltsrechtlichen Grundsätzen vorausgesetzte Bedürftigkeit (§ 1602 Abs. 1 BGB) nur insoweit bejaht, als der Unterhaltsbedarf der Klägerin nicht durch das Einkommen aus einer Tätigkeit als Operationsschwester gedeckt sei. Das Oberlandesgericht hat eine Erwerbsobliegenheit der Klägerin bejaht und ihr nach dem Grundsatz, daß ein Anspruchsteller sich so behandeln lassen muß, wie wenn er das aus der ihm obliegenden Erwerbstätigkeit erzielbare Einkommen tatsächlich erhielte, ein entsprechendes fiktives Einkommen angerechnet.

15         Der rechtliche Bestand dieser Beurteilung hängt davon ab, ob die Klägerin sich nach § 1361 Abs. 2 BGB darauf verweisen lassen muß, ihren Unterhalt durch die ihr angesonnene Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen. Nach der genannten Vorschrift darf der getrenntlebende nicht erwerbstätige Ehegatte nur dann darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit zu verdienen, wenn dies von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen, insbesondere wegen einer früheren Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe, und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten erwartet werden kann. Für die Beurteilung der Ausgangsfrage ist daher wesentlich, ob der Klägerin nach ihren persönlichen Verhältnissen die Aufnahme der Erwerbstätigkeit zugemutet werden kann.

16         1. Bereits vor dem Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts - 1. EheRG - ist die Auffassung vertreten worden, daß § 1361 BGB a.F. einen Anspruch auf Unterhalt zur Beendigung einer vor der Trennung im Einvernehmen mit dem anderen Ehegatten begonnenen Ausbildung sowie zur Erlangung einer den ehelichen Lebensverhältnissen entsprechenden Ausbildung gewähre (vgl. Göppinger/Wenz, Unterhaltsrecht 4. Aufl. Rdn. 937; Jung FamRZ 1974, 513, 516 f.; Rolland, 1. EheRG 2. Aufl. § 1575 Rdn. 1, jeweils m.w.N.). Zu § 1361 BGB in der Fassung des 1. EheRG hat der Senat in einem Fall, in dem die Ausbildung bereits geraume Zeit vor der Trennung begonnen hatte, entschieden, daß die Finanzierung der Ausbildung auch nach der Trennung von der ehelichen Unterhaltspflicht umfaßt wird, wenn sie den ehelichen Lebensverhältnissen und dem von den Ehegatten im Laufe der Ehe einvernehmlich entwickelten Lebensplan entspricht, wobei es dann unerheblich ist, ob es sich um eine Erst- oder Zweitausbildung handelt (Urteil vom 25. Februar 1981 - IVb ZR 544/80 - FamRZ 1981, 439, 440).

17         Aus diesen Grundsätzen läßt sich jedoch eine Verpflichtung des Beklagten zur Finanzierung der von der Klägerin begonnenen Ausbildung nicht ableiten, auch wenn man, der Rüge der Revision entsprechend, den Vortrag der Klägerin in Betracht zieht, zwischen den Ehegatten habe über das Medizinstudium der Klägerin Einverständnis bestanden. Nach diesem von der Klägerin behaupteten Einvernehmen sollte sie nämlich ihre Ausbildung erst aufnehmen, wenn der Beklagte sein Studium abgeschlossen und eine eigene Arztpraxis eingerichtet hatte. Während er sein Studium schon vor der Eheschließung der Parteien erfolgreich beendet hatte, stand seine Niederlassung als Arzt indessen noch bevor. Dabei war abzusehen, daß gerade diese Phase des beruflichen Werdeganges des Beklagten wegen der mit der Praxiseinrichtung verbundenen Kosten und der zu erwartenden vorübergehenden Einkommenseinbußen besondere wirtschaftliche Belastungen für die Ehegatten mit sich bringen würde. Wenn die Klägerin dennoch, ohne die erfolgreiche Niederlassung des Beklagten abzuwarten, ihre bisherige Erwerbstätigkeit aufgab und ihre Ausbildung begann, so kann das nicht als von dem einvernehmlich entwickelten Lebensplan umfaßt angesehen werden; vielmehr geschah das gerade in Abweichung davon - im Hinblick auf den Verfall der Ehe und die befürchtete Hinfälligkeit des gemeinsamen Lebensplanes - zur Sicherung und Verbesserung der eigenen zukünftigen Lebensverhältnisse und damit in Verfolg ihres eigenen Lebensplanes. Unter diesen Umständen kann sich die Klägerin zur Begründung ihres Unterhaltsbegehrens auf die obengenannte Senatsrechtsprechung nicht berufen.

18         Ebensowenig kann sie sich auf die Grundsätze stützen, die für die Verpflichtung zur Finanzierung einer Ausbildung während des ehelichen Zusammenlebens der Ehegatten gelten, da auch dort die Übereinstimmung der Ausbildung mit dem gemeinsamen Lebensplan der Ehegatten wesentlich ist (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1984 - IVb ZR 57/83 - zur Veröffentlichung bestimmt). Vielmehr kommt es für die Rechtfertigung ihres Anspruchs auf Trennungsunterhalt darauf an, ob der Klägerin ein anzuerkennendes Interesse daran zuzugestehen war, ihre Erwerbstätigkeit als Operationsschwester aufzugeben und in Verfolg ihres eigenen Lebensplanes die Ausbildung zu beginnen.

19         2. Es ist anerkannt, daß getrennt lebende Ehegatten im Zweifel unterhaltsrechtlich nicht schlechter gestellt werden dürfen, als sie im Falle der Scheidung ständen. Deshalb können die Tatbestände über den nachehelichen Unterhalt Maßstäbe für die Anwendung des § 1361 liefern (vgl. Senatsurteil vom 9. Juli 1980 - IVb ZR 528/80 - FamRZ 1980, 981, 982; Palandt/ Diederichsen, BGB 44. Aufl. § 1361 Anm. 2 b bb). Das gilt auch für die Auslegung von § 1361 Abs. 2 BGB, wo die Unterhaltstatbestände der Konkretisierung des Begriffs "persönliche Verhältnisse" dienen können (vgl. Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts Rdn. 450). Davon ist offensichtlich auch das Berufungsgericht ausgegangen, das im Rahmen des Trennungsunterhalts einen Anspruch auf Finanzierung einer Ausbildung grundsätzlich bejahen und ihn den Grundsätzen des § 1575 BGB entsprechend beurteilen möchte. Dieser Standpunkt des Oberlandesgerichts kann indessen nicht in vollem Umfang geteilt werden.

20         a) Ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt während des Getrenntlebens kommt in Betracht, wenn der Ehegatte sich darauf einzustellen hat, daß die eheliche Lebensgemeinschaft zerrüttet und die Trennung endgültig ist. Das wird einmal bei lange andauerndem Getrenntleben der Fall sein, kann aber auch sonst eintreten, etwa wenn ein Ehegatte sich auf die Scheidungsabsicht seines Ehepartners und die Endgültigkeit der von diesem vollzogenen Trennung einrichten muß. Es ist anerkannt, daß eine lange Dauer des Getrenntlebens oder die auf sonstige Weise erkennbare Zerrüttung der Ehe für den unterhaltsbedürftigen Ehegatten die Obliegenheit begründen kann, sich auf die neue Lage einzustellen und nach seinen Möglichkeiten um eine (Wieder-​)Eingliederung in das Erwerbsleben zu bemühen (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 1984, 1018, 1019; Göppinger/Wenz aaO Rdn. 244; Palandt/Diederichsen aaO § 1361 Anm. 2 b bb; Rolland aaO § 1361 Rdn. 12; Schwab aaO Rdn. 451; Soergel/Lange, BGB 11. Aufl. § 1361 Rdn. 10). Die Verschärfung des Zumutbarkeitsmaßstabes, welcher der unterhaltsbedürftige Ehegatte unter diesen Umständen im Rahmen von § 1361 Abs. 2 BGB unterliegt und die eine weitgehende Annäherung an die Anforderungen des nachehelichen Unterhaltsrechts bewirkt, kann im Einzelfall dazu führen, daß, wie es § 1574 Abs. 3 BGB für die Zeit nach der Scheidung vorsieht, der bedürftige Ehegatte sich einer zur Erlangung einer angemessenen Erwerbstätigkeit erforderlichen Ausbildung unterziehen muß (ebenso BGB-​RGRK/ Cuny 12. Aufl. § 1361 Rdn. 19; Erman/Heckelmann, BGB 7. Aufl. § 1361 Rdn. 13; Göppinger/Häberle/Wenz aaO Rdn. 937, 1036; Rolland aaO). Daß der Ehegatte, der einer derartigen Obliegenheit nachkommt, für die Zeit der Ausbildung zur Deckung seines Lebensbedarfs sowie der eigentlichen Ausbildungskosten (vgl. § 1578 Abs. 2 BGB) nach § 1361 BGB Unterhalt beanspruchen kann, steht außer Frage.

21         Darüber hinaus muß dem unterhaltsbedürftigen Ehegatten aber auch sonst bei entsprechender Dauer des Getrenntlebens oder einer auf Scheidung abzielenden Trennung die Möglichkeit offenstehen, im Interesse seiner wirtschaftlichen Selbständigkeit eine Ausbildung aufzunehmen, die zur Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit erforderlich ist. Eine derartige frühzeitige Bemühung um eine (Wieder-​) Eingliederung in das Erwerbsleben kommt den Intentionen entgegen, die das von dem Grundsatz der Eigenverantwortung ausgehende Gesetz beim nachehelichen Unterhalt verfolgt, und liegt in aller Regel auch im Interesse des Ehepartners. Das rechtfertigt es, daß der Unterhaltsanspruch nach § 1361 BGB auch die solchermaßen entstehende Bedürfnislage des getrenntlebenden Ehegatten umfaßt (vgl. auch BGB-​RGRK/Cuny aaO; Göppinger/Wenz aaO Rdn. 937; Palandt/Diederichsen aaO Anm. 1 d; Paulus, Der Anspruch auf Finanzierung einer Ausbildung im Unterhaltsrecht und im Sozialrecht, S. 227; Rolland aaO).

22         b) Indessen geht der Anwendungsbereich des § 1575 Abs. 1 BGB über den Fall, daß der Unterhaltsbedürftige ohne die Ausbildung zur Aufnahme und Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit nicht in der Lage ist, hinaus. Im Gegensatz zu § 1573 Abs. 1 i.V. mit § 1574 Abs. 3 BGB kommt ein Unterhaltsanspruch nach § 1575 Abs. 1 BGB auch in Frage, wenn der Ehegatte eine nach § 1574 Abs. 2 BGB angemessene Erwerbstätigkeit an sich finden könnte. Insoweit hat die Bestimmung neben der Erlangung oder Festigung der wirtschaftlichen Selbständigkeit vor allem den Ausgleich von Nachteilen zum Ziel, die ein Ehegatte in seinem beruflichen Fortkommen mit Rücksicht auf die Ehe auf sich genommen hat (vgl. Begründung des Entwurfs zum 1. EheRG BT-​Drucks. 7/650 S. 130 zu § 1576 unter I).

23         Zwar hat die im Gesetzgebungsverfahren ursprünglich vorgesehene Fassung der Vorschrift (§ 1576 Abs. 1 des Regierungsentwurfs) auf Vorschlag des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages eine Einschränkung erfahren. Die Fassung wurde dahin geändert, daß die Ausbildung aufgenommen werden muß, "um eine angemessene Erwerbstätigkeit, die den Unterhalt nachhaltig sichert, zu erlangen" (vgl. BT-​Drucks. 7/4361 S. 89). Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, daß die Ausbildung zur Erlangung einer angemessenen Erwerbstätigkeit erforderlich sein muß und ein Anspruch entfällt, wenn der Ehegatte auch ohne die Ausbildung eine derartige Erwerbstätigkeit ausüben kann. Nicht jede berufliche Qualifikation, die die Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit ermöglicht, ist auch erforderlich; das ist eine Ausbildung vielmehr nur, wenn ohne sie die Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit nicht möglich ist (vgl. Senatsurteil vom 8. Februar 1984 - IVb ZR 54/82 - FamRZ 1984, 561, 563). Die gesetzliche Einschränkung, daß die Ausbildung zu einer angemessenen Erwerbstätigkeit führen muß, stellt lediglich sicher, daß nicht etwa ein Studium, das zum bloßen Vergnügen betrieben wird, von dem Unterhaltspflichtigen finanziert werden muß. Dagegen schließt sie den Ehegatten, der zwar eine angemessene Erwerbstätigkeit aufnehmen könnte, jedoch durch eine Ausbildung eine ohne die Ehe schon früher erreichte Verbesserung seines Status im Erwerbsleben anstrebt, nicht von dem Anspruch nach § 1575 Abs. 1 BGB aus (ebenso AK/Derleder § 1575 Rdn. 1, 3; Dieckmann FamRZ 1977, 81, 92; Erman/Ronke aaO § 1575 Rdn. 15; Gernhuber, Familienrecht 3. Aufl. § 30 VI 1 S. 395 f.; Göppinger/ Häberle/Wenz aaO Rdn. 934, 1069; Schwab aaO Rdn. 271, 280; Soergel/Häberle aaO Rdn. 1, 8 - a.A. Rolland aaO § 1575 Rdn. 13).

24         c) Ob § 1575 BGB insoweit, als er derartige Bedürfnislagen anerkennt, zur Begründung eines Ausbildungsanspruchs im Rahmen des Trennungsunterhalts herangezogen werden kann, erscheint zweifelhaft. Dagegen spricht zunächst die Fassung des § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach der bedürftige Ehegatte von dem andern den nach den ehelichen Lebensverhältnissen sowie den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen kann. Die Verknüpfung mit den ehelichen Lebensverhältnissen, die in dieser die Höhe des Unterhaltsanspruchs regelnden Bestimmung vorgesehen ist, ist schwerlich vereinbar mit einer Ausdehnung des Anspruchs auf Bedürfnislagen, deren Berücksichtigung letztlich nicht der Erhaltung des ehelichen Lebensstandards dient, sondern auch Niveausteigerungen gegenüber den ehelichen Lebensverhältnissen ermöglicht. Außerdem fällt auf, daß § 1361 Abs. 1 Satz 2 BGB generell vom Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens an Anspruch auf einen angemessenen Vorsorgeunterhalt gewährt, während § 1578 Abs. 3 BGB den Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nach § 1575 BGB ausdrücklich vom Kreis der Unterhaltstatbestände ausnimmt, aufgrund deren auch Vorsorgeunterhalt verlangt werden kann. Auch hierin kann ein Indiz dafür gesehen werden, daß das Gesetz einen allein von § 1575 BGB, nicht aber (auch) von § 1573 Abs. 1 i.V. mit § 1574 Abs. 3 BGB umfaßten Ausbildungsunterhalt im Rahmen des Trennungsunterhalts nicht berücksichtigt sehen will. Eine innere Rechtfertigung dafür kann darin erblickt werden, daß sich die Ehegatten während des Getrenntlebens in einem Stadium befinden, in dem die Ehe noch nicht endgültig aufgelöst, eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht gänzlich auszuschließen und damit noch nicht klar ist, ob es letztlich zu einem Scheitern des gemeinsamen Lebensplanes kommt, an dessen Stelle der eigene voreheliche Lebensplan des seine berufliche Weiterentwicklung betreibenden Ehegatten treten könnte. Angesichts dieses provisorischen Charakters des Getrenntlebens sowie der für diesen Zeitraum konzipierten Unterhaltslösung (Schwab aaO Rdn. 448) kann es für den unterhaltspflichtigen Ehegatten als unzumutbar angesehen werden, für den Ehepartner in größerem Maße aufzukommen als durch die Aufrechterhaltung des ehelichen Lebensstandards geboten.

25         Hiernach muß als Grundsatz gelten, daß während der Trennung ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nur insoweit in Betracht kommt, als er sich nach den Kriterien des § 1573 Abs. 1 i.V. mit § 1574 Abs. 3 BGB begründen läßt. Ein darüber hinausgehender, allein nach den Maßstäben des § 1575 BGB zu rechtfertigender Anspruch muß dagegen ausscheiden (gegen eine Anwendung von § 1575 BGB im Rahmen des Trennungsunterhalts auch Schwab aaO, Paulus aaO S. 227).

26         d) Dieser Grundsatz kann indessen nicht uneingeschränkt gelten (vgl. hierzu auch BGB-​RGRK/Cuny aaO; Palandt/Diederichsen aaO § 1361 Anm. 1 d). Deuten die Umstände darauf hin, daß die Trennung auf eine Scheidung abzielt und diese nur noch eine Frage der Zeit ist, so kann der Ehegatte, dem ein nachehelicher Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nach § 1575 BGB zustehen wird, ein berechtigtes Interesse daran haben, seinen Ausbildungsentschluß ehestmöglich zu verwirklichen. Das gilt jedenfalls, wenn dieser Ehegatte sich auf die Endgültigkeit einer von seinem Ehepartner vollzogenen Trennung und auf dessen konkret zum Ausdruck gebrachte Scheidungsabsicht einstellen muß. Hier ist es dem Ehepartner billigerweise verwehrt, von dem anderen die Zurückstellung des Ausbildungswunsches und die (Wieder-​)Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Scheidung zu verlangen. Der alsbaldige Ausbildungsbeginn kommt unter solchen Umständen letztlich auch der Intention des Gesetzes entgegen, das in § 1575 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangt, daß die Ausbildung "sobald wie möglich" aufgenommen wird. Bei dieser Sachlage ist das Interesse des ausbildungswilligen Ehegatten an einer alsbaldigen Verwirklichung der Ausbildung seinen persönlichen Verhältnissen im Sinne von § 1361 Abs. 2 BGB zuzurechnen und gegebenenfalls geeignet, die Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit nach dieser Vorschrift zu begründen. Allerdings kommt es auf diese Weise dazu, daß die Ausbildung noch während der Ehe aufgenommen und nach der Scheidung lediglich fortgesetzt wird, eine Konstellation, die an sich vom Wortlaut des § 1575 BGB nicht erfaßt wird. Gleichwohl muß sie aber jedenfalls hier in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen, weil die Ausbildung während des Getrenntlebens in derartigen Fällen nur in Vorwegnahme des nachehelichen Ausbildungsbeginns aufgenommen wird (allgemein zur Frage des nachehelichen Unterhaltsanspruchs für eine während der Ehe begonnene, bei der Scheidung noch nicht beendete Ausbildung vgl. etwa Rolland aaO § 1575 Rdn. 6a sowie auch Göppinger, Vereinbarungen anläßlich der Ehescheidung Rdn. 211, der in diesem Fall § 1576 BGB anwenden möchte).

27         3. Ein Ausnahmefall der vorstehenden Art, in dem die Ausbildung während des Getrenntlebens im Vorgriff auf einen nachehelichen Unterhaltsanspruch nach § 1575 Abs. 1 BGB aufgenommen wird und deswegen eine Erwerbsobliegenheit nach § 1361 Abs. 2 BGB zu verneinen ist, kommt an sich auch im vorliegenden Fall in Betracht, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen ist, daß der Beklagte sich auf Dauer von der Klägerin getrennt hat und endgültig die Scheidung betreibt. Indessen scheidet ein so begründeter Anspruch auf Trennungsunterhalt hier aus, weil der Klägerin nach der Scheidung ein Unterhaltsanspruch nach § 1575 BGB nicht zusteht.

28         a) Zweifel an einem derartigen Unterhaltsanspruch ergeben sich bereits aus § 1581 BGB. Gemessen an den ehelichen Verhältnissen, in denen die Parteien gelebt haben, bevor die Klägerin ihre Erwerbstätigkeit aufgab und die Ausbildung am Ruhr-​Kolleg aufnahm, würde der angemessene Lebensbedarf des Beklagten gefährdet, wenn dieser aus seinen Einkünften den vollen Unterhalt der Klägerin aufbringen müßte. Damit wäre er nach § 1581 BGB nur zur Leistung des sogenannten Billigkeitsunterhalts verpflichtet. Ob und inwieweit ein Ehegatte unter den Voraussetzungen des § 1581 BGB Unterhalt für eine Ausbildung verlangen kann, die nicht zur Erlangung einer angemessenen Erwerbstätigkeit erforderlich ist, sondern aufgenommen wird, um eine höhere berufliche Qualifikation zu erwerben, ist fraglich, weil die nach Billigkeitsgrundsätzen zu bemessende Leistungspflicht nach § 1581 BGB grundsätzlich voraussetzt, daß der Bedarf des Unterhalt begehrenden Ehegatten anders nicht aufzubringen ist, und die mit den Unterhaltsleistungen verbundenen Belastungen und Einschränkungen für den Schuldner nur zumutbar erscheinen, wenn auch dem anderen Ehegatten Einschränkungen und Opfer zugemutet werden (vgl. dazu auch Dieckmann aaO S. 92 sowie AK/Derleder aaO Rdn. 1; Erman/Ronke aaO Rdn. 13 und MünchKomm/Richter § 1575 Rdn. 12 a.E., die bei dem Unterhaltsanspruch nach § 1575 BGB sogar für einen generellen Zumutbarkeitsvorbehalt eintreten; hiergegen jedoch Gernhuber aaO S. 395 FN 4; Soergel/ Häberle aaO Rdn. 12). Dieser Frage braucht hier indessen nicht weiter nachgegangen zu werden, weil ein Unterhaltsanspruch der Klägerin nach § 1575 BGB jedenfalls aus einem anderen Grunde ausscheidet.

29         b) Wie bereits dargelegt, umfaßt § 1575 Abs. 1 BGB nicht nur Fälle, in denen der Unterhaltsbedürftige ohne die Ausbildung zur Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit außerstande wäre, sondern kommt auch dann in Betracht, wenn der Ehegatte an sich eine angemessene Erwerbstätigkeit finden könnte. Hieraus folgt indessen nicht, daß der Ehegatte den früheren Ehepartner auch dann noch auf Ausbildungsunterhalt in Anspruch nehmen kann, wenn er bereits über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, die ihm die Ausübung einer einträglichen, angemessenen Erwerbstätigkeit ermöglicht. Vielmehr ist in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht davon auszugehen, daß in diesem Fall die Verpflichtung zur Finanzierung der Zweitausbildung über den Bereich ehelicher Solidarität hinausginge. Das leuchtet ohne weiteres ein, wenn der Ehegatte bereits die Erstausbildung nach der Scheidung absolviert und nach § 1575 Abs. 1 BGB von seinem früheren Ehepartner finanziert erhalten hat. Das gleiche gilt, wenn der Ehegatte die Ausbildung während der Ehe erlangt hat, wobei es nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein kann, inwieweit sein Ehepartner die mit der Ausbildung verbundenen finanziellen Lasten (allein) getragen hat. Nichts anderes hat aber auch dann zu gelten, wenn die Berufsausbildung teilweise oder in vollem Umfang vor der Ehe stattgefunden hat.

30         Für dieses Verständnis des § 1575 Abs. 1 BGB spricht zunächst Abs. 2 der Vorschrift. Diese Bestimmung, die die nacheheliche Finanzierung von Fortbildung oder Umschulung des unterhaltsbedürftigen Ehegatten zum Gegenstand hat, beschränkt den Unterhaltsanspruch ausdrücklich auf Maßnahmen zum Ausgleich ehebedingter Nachteile und sieht damit insoweit strengere generelle Voraussetzungen vor als Abs. 1, wo außer dem ehebedingten Ausbildungsmangel auch ein solcher genügt, der lediglich in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Ehe steht (vgl. auch Begründung des Entwurfs zum 1. EheRG aaO S. 132). Wenn aber die Finanzierung von Maßnahmen der Fortbildung, der in der Regel ebenfalls eine abgeschlossene Berufsausbildung vorausgegangen ist, die aber ihrem Umfang nach hinter einer weiteren vollständigen Berufsausbildung eher zurückbleibt, von Voraussetzungen abhängig gemacht wird, die über das in § 1575 Abs. 1 BGB bestimmte Maß hinausgehen, so wäre es ungereimt, wenn nach § 1575 Abs. 1 BGB und damit unter geringeren Voraussetzungen die Finanzierung von Zweit- (oder gar Dritt-​)Ausbildungen verlangt werden könnte. Das gilt jedenfalls, wenn diese, wie im vorliegenden Fall, ein Studium erfordern. Eine derartige Ausbildungsmaßnahme bleibt im Rahmen von § 1575 Abs. 2 BGB von vornherein unberücksichtigt, weil das Arbeitsförderungsgesetz, dessen Verständnis der Begriffe Fortbildung (§ 41 Abs. 1 AFG) und Umschulung (§ 47 Abs. 1 AFG) auch für § 1575 Abs. 2 BGB maßgeblich sein soll (vgl. Begründung des Entwurfs zum 1. EheRG aaO), die Hochschul- und Fachhochschulbildung aus seinem Förderungsbereich ausschließt (§ 34 Abs. 4 AFG; vgl. insoweit auch Dieckmann aaO).

31         Weitere Anhaltspunkte gegen eine Verpflichtung zur Finanzierung einer - nicht notwendigerweise aufgenommenen - Zweitausbildung nach § 1575 BGB ergeben sich auch aus dem Recht des Kindesunterhalts. Nach den Rechtsgrundsätzen, die der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in BGHZ 69, 190 entwickelt und die der erkennende Senat seither in ständiger Rechtsprechung fortgeführt hat, sind auch Eltern grundsätzlich nicht verpflichtet, ihren Kindern eine zweite Ausbildung zu finanzieren (vgl. etwa Senatsurteile vom 24. September 1980 - IVb ZR 506/80 - FamRZ 1980, 1115 und vom 25. Februar 1981 - IVb ZR 547/80 - FamRZ 1981, 437). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Eltern bereits für die Erstausbildung finanzielle Leistungen erbracht haben. Auch wenn diese Erstausbildung den Unterhaltspflichtigen keine Kosten verursacht hat oder wenn solche Kosten nicht von ihnen getragen worden sind, führt das nicht dazu, daß das Kind von seinen Eltern die Finanzierung einer Zweitausbildung verlangen kann (Senatsurteil vom 25. Februar 1981 aaO S. 438). Entsprechend ist auch im Rahmen von § 1575 BGB davon auszugehen, daß die Verpflichtung zur Finanzierung einer Zweitausbildung, die zur Erlangung einer angemessenen Erwerbstätigkeit nicht erforderlich ist, über den Bereich gebotener Solidarität hinausgeht (im Ergebnis ebenso Bastian/Roth-​Stielow/Schmeiduch, 1. EheRG § 1575 Rdn. 11; Erman/Ronke aaO Rdn. 21; Gernhuber aaO S. 398 FN 15; Palandt/Diederichsen aaO § 1575 Anm. 3 b; Rolland aaO Rdn. 13; Soergel/Häberle aaO Rdn. 10; vgl. auch OLG Bamberg FamRZ 1981, 150, 152 sowie Dieckmann aaO, der für eine entsprechende Begrenzung aus Gründen der Zumutbarkeit eintritt - a.A. Paulus aaO S. 257).

32         c) Hiernach kommt es im vorliegenden Fall darauf an, ob die Klägerin aufgrund ihrer bisherigen abgeschlossen Berufsausbildung bereits die Möglichkeit zu einer angemessenen Erwerbstätigkeit hat.

33         Das hat das Oberlandesgericht zutreffend bejaht. Seine Beurteilung, die Klägerin habe durch die während der Ehe vervollständigte Ausbildung in der Krankenpflege mit ihrer Qualifikation als Operationsschwester einen Beruf erreicht, der ihr eine angemessene Erwerbstätigkeit ermögliche, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Ob eine Erwerbstätigkeit als angemessen anzusehen ist und dem Ehegatten insbesondere eine ausreichende berufliche Entfaltung ermöglicht, ist unter Zumutbarkeitskriterien zu beantworten. Eine optimale berufliche Erfüllung kann nicht verlangt werden (vgl. Senatsurteil vom 14. Dezember 1983 - IVb ZR 29/82 - FamRZ 1984, 988, 989).

34         Danach läßt die Beurteilung, daß der Klägerin, die vor und während der Ehe bis nach der Trennung der Parteien als Krankenschwester tätig gewesen ist, die Fortsetzung ihrer Tätigkeit zuzumuten sei, keinen Rechtsfehler erkennen. Hieran vermag auch die von ihr behauptete Übereinkunft mit dem Beklagten, daß sie im Anschluß an seine Berufsausbildung und Niederlassung als Arzt studieren solle, nichts zu ändern. Das gleiche gilt für den von der Revision geltend gemachten Umstand, daß die Klägerin mit dem aus einer Tätigkeit als Operationsschwester erzielten Einkommen ihren nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bemessenden Unterhaltsbedarf nicht decken könne. Die für einen Ehegatten erreichbare Erwerbstätigkeit ist nicht erst dann angemessen, wenn das damit erzielte Einkommen den vollen Unterhalt deckt.

35         4. Damit ergibt sich, daß der Klägerin ein nachehelicher Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nach § 1575 BGB nicht zustehen wird, so daß auch für die Zeit des Getrenntlebens ein auf die Aufnahme der Ausbildung gestützter Unterhaltsanspruch ausscheidet. Die Klägerin kann daher nach § 1361 BGB keinen Unterhalt verlangen, soweit sie sich durch Einkünfte aus der Ausübung ihres Berufs als Operationsschwester selbst zu unterhalten vermag.

36         III. Die Aufstockungsbeträge, die das Oberlandesgericht der Klägerin zugesprochen hat, hat es in Höhe von 3/7 des Unterschiedsbetrages zwischen dem von ihm festgestellten erzielbaren Einkommen der Klägerin aus der ihr angesonnenen Erwerbstätigkeit als Operationsschwester und dem bis einschließlich Juni 1983 erzielten Einkommen des Beklagten bemessen. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen.

37         IV. Das Berufungsgericht hat den Unterhaltsanspruch der Klägerin auf die Zeit bis Ende Juni 1983 begrenzt, weil die seit Juli 1983 vom Beklagten betriebene Arztpraxis noch keine Gewinne abwarf. Auch insoweit hat die Entscheidung Bestand.

38         Allerdings weist die Revision zutreffend auf den im Senatsurteil vom 20. Januar 1982 (IVb ZR 651/80 - FamRZ 1982, 365, 366 f.) dargelegten Grundsatz hin, daß einem Unterhaltsschuldner, der im Zuge wirtschaftlicher Dispositionen nach seinem freien Willensentschluß eine voraussehbare rückläufige Entwicklung in seinen Einkünften herbeiführt, zuzumuten ist, seinen Plan erst dann ins Werk zu setzen, wenn er in geeigneter Weise - sei es durch Aufnahme eines Kredits oder auf andere Art, etwa durch Bildung von Rücklagen - sichergestellt hat, daß ihm die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht jedenfalls vorerst auch bei geringeren Einkünften möglich ist.

39         Diesen rechtlichen Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht jedoch nicht verkannt; es ist vielmehr zu dem Ergebnis gekommen, daß es nach den besonderen Umständen des Falles für den Beklagten nicht zumutbar gewesen sei, seine Niederlassung als praktischer Arzt erst nach Sicherstellung weiterer Unterhaltsleistungen an die Klägerin vorzunehmen. Es hat dazu ausgeführt: Der Beklagte habe vor seiner Niederlassung nicht bereits eine feste und gut dotierte Stelle als angestellter Arzt gehabt, sondern sich noch in der Ausbildung befunden und ein Einkommen erzielt, das unter dem eines bereits praktizierenden Arztes gelegen habe. Es liege im Rahmen einer normalen beruflichen Entwicklung, daß ein fertig ausgebildeter Mediziner sich als selbständiger Arzt niederlasse. Weiter seien die eigenen guten Erwerbsmöglichkeiten der Klägerin zu berücksichtigen. Im übrigen könne auch davon ausgegangen werden, daß die Klägerin im Falle weiteren Zusammenlebens der Parteien durch ihr Einkommen während der Anlaufphase der Praxis den Familienunterhalt mit sichergestellt hätte. Aus diesem Grunde erscheine es auch nicht gerechtfertigt, daß der Beklagte einen Teil des Darlehens, das er zur Bestreitung von Praxisunkosten sowie des eigenen Lebensunterhalts aufgenommen habe, für die Klägerin verwende.

40         Diese Ausführungen, die in ihrem Kern eine tatrichterliche Würdigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalles enthalten, werden vergebens angegriffen. Zu der Feststellung, daß die Klägerin im Falle des Zusammenlebens der Parteien während der Anlaufphase der Praxis mit ihrem Einkommen den Familienunterhalt mit sichergestellt hätte, ist das Berufungsgericht ersichtlich nicht aufgrund des Parteivortrags, sondern in nicht zu beanstandender Weise aufgrund der Lebenserfahrung gelangt. Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht einer Beteiligung der Klägerin an der zu erwartenden Verbesserung der Wirtschaftslage des Beklagten nicht entgegen. Gerade auch die Tatsache, daß der Wegfall der Unterhaltsleistungen nur zeitweiliger Art ist und die zu erwartende Verbesserung der beruflichen Situation des Beklagten auch der Klägerin zugute kommt, macht es für sie zumutbar, den grundsätzlichen Vorrang, der der Erfüllung von Unterhaltspflichten vor dem beruflichen Interesse des Unterhaltsschuldners zukommt, unter den vorliegenden Umständen vorübergehend auszusetzen (vgl. auch Senatsurteil vom 22. Dezember 1982 - IVb ZR 320/81 - FamRZ 1983, 140, 141).
 § 1570 Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.
(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.
BGH, Urteil vom 17. September 2003 – XII ZR 184/01 Rn. 18 (für 1572 BGB).


Gericht:

BGH 12. Zivilsenat

Entscheidungsdatum:

17.09.2003

Rechtskraft:

ja

Aktenzeichen:

XII ZR 184/01

Dokumenttyp:

Urteil


Quelle:

 

Normen:

§ 1572 Nr 4 BGB, § 1573 Abs 4 BGB, § 1576 BGB

Zitiervorschlag:

BGH, Urteil vom 17. September 2003 – XII ZR 184/01 –, juris



            Nachehelicher Unterhalt: Krankheitsbedingter Billigkeitsunterhalt statt Krankheitsunterhalt als Anschlußunterhalt

Leitsatz

            1. Der Unterhaltsanspruch aus § 1576 BGB ist gegenüber demjenigen aus § 1572 BGB subsidiär.

            2. Zur Beurteilung der nachhaltigen Sicherung des nachehelichen Unterhalts (§ 1573 Abs. 4 BGB).

            3. Zur Anwendung des § 1576 BGB in Fällen krankheitsbedingter Erwerbsunfähigkeit des Unterhaltsbedürftigen, in denen ein Unterhaltsanspruch nach § 1572 BGB lediglich am Einsatzzeitpunkt scheitert.

Orientierungssatz

            Zitierungen zu Leitsatz 3: Vergleiche BGH, 23. März 1983, IVb ZR 370/81 und BGH, 31. Januar 1990, XII ZR 36/89, FamRZ 1990, 469.

Fundstellen
NJW 2003, 3481-​3484 (Leitsatz und Gründe)
FamRZ 2003, 1734-​1737 (Leitsatz und Gründe)
BGHReport 2003, 1411-​1412 (Leitsatz und Gründe)
FPR 2003, 659-​662 (Leitsatz und Gründe)
MDR 2003, 1419-​1420 (Leitsatz und Gründe)
FuR 2003, 568-​573 (Leitsatz und Gründe)
FF 2003, 243-​247 (Leitsatz und Gründe)
BGHR BGB § 1573 Abs 4 Sicherung, nachhaltige 2 (Leitsatz und Gründe)
BGHR BGB § 1576 Erwerbsunfähigkeit, krankheitsbedingte 1 (Leitsatz und Gründe)
BGHR BGB § 1576 Subsidiarität 1 (Leitsatz und Gründe)
EzFamR BGB § 1572 Nr 9 (Leitsatz und Gründe)
Verfahrensgang
vorgehend OLG Zweibrücken Senat für Familiensachen, 15. Juni 2001, 2 UF 176/00, Urteil
vorgehend AG Ludwigshafen, 4. August 2000, 5c F 263/98
Diese Entscheidung wird zitiert
Rechtsprechung
Anschluss Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken 1. Senat für Familiensachen, 4. Juli 2016, 6 WF 64/16
Kommentare
Erman, BGB
● Maier;Schachtschneider, § 1573 Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit und Aufstockungsunterhalt; 6. Nachträglicher Verlust einer angemessenen Erwerbstätigkeit
● Maier;Schachtschneider, § 1573 Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit und Aufstockungsunterhalt; 7. Beweislast
● Maier/Schachtschneider, § 1569 Grundsatz der Eigenverantwortung
● Maier/Schachtschneider, § 1572 Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen
● Maier/Schachtschneider, § 1576 Unterhalt aus Billigkeitsgründen
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Zeitschriften
Horst Luthin, FamRB 2004, 110-​111
Praxisreporte
Herbert Geisler, jurisPR-​BGHZivilR 10/2003 Anm. 1 (Anmerkung)
Literaturnachweise
Herbert Geisler, jurisPR-​BGHZivilR 10/2003 Anm. 1 (Anmerkung)
Horst Luthin, FamRB 2004, 111 (Anmerkung)
Helmut Büttner, FamRZ 2003, 1830 (Anmerkung)
Hans-​Ulrich Maurer, LMK 2004, 26-​27 (Aufsatz)
Sonstiges
Borth, Praxis des Unterhaltsrechts
● Borth, E. Die weiteren nachehelichen Unterhaltstatbestände gemäß §§ 1571–1576 BGB; VI. Sonstige schwerwiegende Gründe, falls die Versagung des Unterhalts grob unbillig wäre, § 1576 BGB
Duderstadt, Unterhaltsrecht
● Jochen Duderstadt, 7 Nachscheidungsunterhalt; 7.6 Billigkeitsunterhalt (§ 1576)
Ehinger/Rasch/Schwonberg/Siede, Handbuch Unterhaltsrecht
● Ehinger, 7. Unterhalt aus Billigkeitsgründen (§ 1576 BGB)
● Ehinger, d) Nachhaltige Sicherung der Erwerbstätigkeit
● Ehinger, f) Darlegungs- und Beweislast
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Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
Vergleiche BGH 12. Zivilsenat, 31. Januar 1990, XII ZR 36/89
Vergleiche BGH 4b. Zivilsenat, 23. März 1983, IVb ZR 370/81

Tenor

            Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat vom 15. Juni 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte für die Zeit ab 1. Juli 2000 zur Zahlung monatlichen Unterhalts von mehr als 1.325 DM (1.175 DM Elementarunterhalt und 150 DM Altersvorsorgeunterhalt) verurteilt worden ist.

            Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

            Von Rechts wegen

Tatbestand

1           Beide Parteien begehren Abänderung des Scheidungsverbundurteils, soweit der Beklagte zur Zahlung nachehelichen Unterhalts an die Klägerin verurteilt worden ist.

2           Die am 17. August 1968 geschlossene Ehe der Parteien, aus der ein 1974 geborener Sohn hervorgegangen ist, wurde durch Verbundurteil des Amtsgerichts vom 19. Januar 1998, rechtskräftig seit 18. März 1998, geschieden. Im Frühjahr 1998 brach der Sohn ein vor der Trennung der Parteien aufgenommenes Studium ab. In der Zeit von Oktober 1998 bis August 1999 war er erwerbstätig; seit September 1999 absolvierte er eine Lehre als Hotelfachmann. Er lebt im Haushalt des Beklagten.

3           Die am 28. Februar 1948 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Während der Ehe war sie überwiegend nicht erwerbstätig. Aus einer etwa 1989 aufgenommenen Teilzeitbeschäftigung im Umfang von zehn bis zwölf Wochenstunden erzielte sie Einkünfte im versicherungsfreien Bereich. Die betreffende Beschäftigung übte die Klägerin - mit einer Unterbrechung von September 1997 bis Juli 1998 - bis einschließlich September 1999 aus. Von Oktober 1999 bis Juni 2000 war sie aufgrund eines zunächst bis März 2000 befristeten und später um drei Monate verlängerten Arbeitsverhältnisses halbschichtig bei der Firma R. tätig. Ihr Bruttoeinkommen belief sich zunächst auf monatlich 1.400 DM und betrug ab Mai 2000 monatlich 1.500 DM jeweils zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld. Wegen einer Tumorerkrankung war die Klägerin seit Juli 2000 erwerbsunfähig.

4           Der 1947 geborene Beklagte ist als Meister für Netz- und Regelungstechnik bei der Firma B. beschäftigt. Er bewohnt seit Ende Mai 1998 die frühere Ehewohnung, eine etwa 100 qm große Wohnung im Anwesen seiner Mutter, an der für ihn ein Nießbrauch bestellt ist. Diese Wohnung hatte zuvor die Klägerin genutzt.

5           Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin Abänderung des Verbundurteils begehrt, durch das ihr nachehelicher Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit in Höhe von monatlich insgesamt 1.413,31 DM (852,76 DM Elementarunterhalt - nach Kürzung um monatlich 500 DM wegen des Wohnvorteils -, 186,71 DM Krankenvorsorgeunterhalt und 373,84 DM - nicht: 383,84 DM - Altersvorsorgeunterhalt) zuerkannt worden war. Zur Begründung hat sie ausgeführt, infolge des Auszugs aus der vormaligen Ehewohnung sei der mit monatlich 500 DM auf den Elementarunterhalt angerechnete Wohnvorteil entfallen. Darüber hinaus sei die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten gegenüber dem gemeinsamen Sohn weggefallen. Mit Rücksicht auf diese Umstände stehe ihr ab Juni 1998 ein um monatlich 500 DM höherer Elementarunterhaltsanspruch zu. Ab November 1998 könne sie Elementarunterhalt von 1.141 DM, Krankenvorsorgeunterhalt von 305,50 DM und Altersvorsorgeunterhalt von 459,38 DM - jeweils monatlich - verlangen; insoweit sei das Ausgangsurteil abzuändern.

6           Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat widerklagend Abänderung des Verbundurteils dahin begehrt, daß er von August 1999 an nicht mehr zur Zahlung nachehelichen Unterhalts verpflichtet sei. Er hat die Auffassung vertreten, die Klägerin müsse ihren Unterhaltsbedarf durch Aufnahme einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit selbst decken. Da sie sich nicht ausreichend um eine solche Tätigkeit bemüht habe, seien ihr die hieraus erzielbaren Einkünfte fiktiv anzurechnen. Damit könne sie ihren eheangemessenen Bedarf bestreiten.

7           Das Amtsgericht - Familiengericht - hat der Klage für die Zeit ab Juli 1998 teilweise stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten, mit der er sein erstinstanzliches Begehren - bezüglich der Widerklage für die Zeit ab 10. September 1999 - weiterverfolgt hat, hat das Oberlandesgericht die Klage in weitergehendem Umfang abgewiesen und der Widerklage teilweise stattgegeben. Für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2000 hat es das Verbundurteil dahin abgeändert, daß der Beklagte nur monatlichen Unterhalt von insgesamt 1.325 DM (1.175 DM Elementarunterhalt und 150 DM Altersvorsorgeunterhalt) zu zahlen hat, während es für die Zeit ab 1. Juli 2000 das angefochtene Urteil, nach dem der Beklagte monatlichen Unterhalt von insgesamt 1.755,61 DM (1.312,66 DM Elementarunterhalt, 217,89 DM Krankenvorsorgeunterhalt und 225,06 DM Altersvorsorgeunterhalt) entrichten muß, aufrecht erhalten hat. In Nr. V des Entscheidungssatzes hat das Oberlandesgericht die Revision für den Beklagten zugelassen, "soweit er seine Verurteilung zur Zahlung von (ergänzendem) Unterhalt gemäß § 1576 BGB ab Juli 2001 zur Überprüfung durch den Bundesgerichtshof stellen will". Hierzu hat es in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die Revision werde zugelassen, soweit ab Juli 2000 neben dem Anspruch auf Krankheitsunterhalt aus § 1572 Nr. 4 BGB in Höhe des bis dahin bestehenden Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB (monatlich insgesamt 1.325 DM) ein (ergänzender) Krankheitsunterhalt gemäß § 1576 BGB zuerkannt worden sei. Die Frage, ob und inwieweit ein Unterhaltsanspruch nach § 1576 BGB gegeben sei, soweit ein Unterhaltsanspruch nach § 1572 BGB an dem erforderlichen Einsatzzeitpunkt scheitere, sei von grundsätzlicher Bedeutung.

8           Der Beklagte hat Revision eingelegt; er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit er für die Zeit vom 1. Juli 2000 an zur Zahlung höheren Unterhalts als monatlich 1.325 DM verurteilt worden ist, und insoweit nach seinen zweitinstanzlichen Anträgen zu erkennen.

Entscheidungsgründe

            I.

9           Die Revision ist mit dem gestellten Antrag zulässig.

10         Die unter Nr. V des Urteilstenors enthaltene Beschränkung der Revisionszulassung auf die Zeit ab Juli 2001 beruht - wie sich aus den Ausführungen in den Entscheidungsgründen ergibt - offensichtlich auf einem Schreibfehler; gemeint war die Zulassung der Revision in dem angegebenen Umfang für die Zeit ab Juli 2000.

11         Die insoweit vorgenommene Beschränkung ist entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung wirksam.

12         Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision rechtswirksam auf einen rechtlich und tatsächlich selbständigen Teil des Streitgegenstandes beschränkt werden, über den abgetrennt vom übrigen Verfahren im Wege eines Teilurteils nach § 301 ZPO oder eines Grundurteils nach § 304 ZPO gesondert hätte entschieden werden können oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (BGHZ 76, 397, 399; 101, 276, 278; 111, 158, 166; Senatsurteil vom 25. Januar 1995 - XII ZR 195/93 - BGHR ZPO § 546 Abs. 1 Satz 1 Revisionszulassung, beschränkte 15, jeweils m.N.). Es kann dahingestellt bleiben, ob im vorliegenden Fall die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlaß eines entsprechenden Teilurteils gegeben waren. Jedenfalls hätte der Beklagte die Abänderung des Verbundurteils für die Zeit bis Juni 2000 insgesamt und für die Zeit danach in Höhe eines monatlichen Unterhalts von 1.325 DM hinnehmen und nur die darüber hinausgehende Unterhaltsabänderung angreifen können. Schon daraus ergibt sich die Wirksamkeit der vom Berufungsgericht ausgesprochenen Beschränkung der Zulassung.

13         Dieser Beurteilung steht die Formulierung der Revisionszulassung im Urteilstenor nicht entgegen. Soweit dort von der Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von (ergänzendem) Unterhalt gemäß § 1576 BGB die Rede ist, war damit keine - unzulässige - Beschränkung auf eine von mehreren Anspruchsgrundlagen gemeint. Aus der Begründung der Zulassung in den Entscheidungsgründen wird vielmehr ersichtlich, daß eine Beschränkung der Revisionszulassung auf den monatlich 1.325 DM übersteigenden Unterhalt beabsichtigt war und damit auf einen ziffernmäßig konkretisierten Teil des Urteils (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10. Januar 1979 - IV ZR 76/78 - FamRZ 1979, 233 f.; Senatsurteil vom 21. April 1982 - IVb ZR 741/80 - FamRZ 1982, 684 f.), soweit dieses die Zeit ab 1. Juli 2000 betrifft. Mit Rücksicht darauf ist es der Revisionserwiderung auch nicht verwehrt, Gegenrügen anzubringen, die nicht die vom Berufungsgericht als rechtsgrundsätzlich angesehene Frage betreffen, sondern für die rechtliche Beurteilung von Bedeutung sind, ob der Klägerin ein über monatlich 1.325 DM hinausgehender Gesamtunterhalt eventuell aus anderen Erwägungen zusteht.

            II.

14         In der Sache führt die Revision im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

15         1. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in FamRZ 2002, 821 ff. veröffentlicht ist, hat angenommen, daß der Klägerin für die Zeit ab 1. Juli 2000 ein Unterhaltsanspruch nach § 1572 Nr. 4 BGB in Höhe von monatlich insgesamt 1.325 DM (Elementarunterhalt: 1.175 DM, Altersvorsorgeunterhalt: 150 DM) und in Höhe von weiteren 430,61 DM nach § 1576 BGB zustehe. Dazu hat es ausgeführt: Der Klägerin habe es in der Zeit von November 1998 bis Juni 2000 oblegen, eine vollschichtige Erwerbstätigkeit auszuüben. Nach den insoweit bindenden Feststellungen des Verbundurteils seien ihr zwar "mindere ausbildungsunabhängige Tätigkeiten" unzumutbar. Eine Auslegung dieser Formulierung ergebe jedoch, daß der Klägerin Tätigkeiten hätten zugemutet werden sollen, die einerseits nicht zwingend eine Berufsausbildung voraussetzten, anderseits aber nicht minderer Art seien, wie die einer Hilfsarbeiterin oder Reinigungskraft. Deshalb könne sie sich nicht darauf zurückziehen, sie habe mangels Berufungsausbildung keine ihr zumutbare Beschäftigung erreichen können. Da sie sich nicht hinreichend um eine solche Tätigkeit bemüht habe und nicht ausgeschlossen werden könne, daß sie bei ausreichenden Bemühungen eine geeignete Arbeitsstelle habe finden können, müsse sie sich fiktive Einkünfte aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit zurechnen lassen. Wegen der bereits im Ausgangsurteil aufgezeigten besonderen Umstände, zu denen noch der auf Drängen des Beklagten im Mai 1998 erfolgte Auszug aus der früheren Ehewohnung und der Umzug in eine Mietwohnung hinzugekommen seien, liege eine Verletzung der Erwerbsobliegenheit erst ab November 1998 vor. Erst von da an entfalle deshalb der Unterhaltsanspruch aus § 1573 Abs. 1 BGB. Der Klägerin verbleibe aber ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB), da die ihr zuzurechnenden fiktiven Einkünfte nicht ausreichten, um ihren nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessenen Unterhaltsbedarf zu decken. Mit Eintritt ihrer Erwerbsunfähigkeit im Juli 2000 sei der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt entfallen und an seine Stelle ein Anschlußunterhaltsanspruch nach § 1572 Nr. 4 BGB getreten. Dieser bestehe jedoch nur in dem Umfang weiter, wie er zum Zeitpunkt des Wegfalls der Voraussetzungen des Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt bestanden habe, also in Höhe der Differenz zwischen den fortgeschriebenen - fiktiven - Einkünften aus der vollschichtigen Erwerbstätigkeit und dem eheangemessenen Bedarf. Die Voraussetzungen für einen weitergehenden Anspruch nach § 1572 Nr. 4 BGB seien dagegen nicht gegeben, weil es insoweit an dem erforderlichen Einsatzzeitpunkt fehle. Ein Unterhaltsanspruch nach § 1573 Abs. 1 BGB habe bei Eintritt der krankheitsbedingten Erwerbsunfähigkeit nicht mehr bestanden. § 1573 Abs. 4 BGB komme für den Einsatzzeitpunkt ebenfalls nicht in Betracht, weil die Erwerbsunfähigkeit erst zu einem Zeitpunkt eingetreten sei, in dem eine im November 1998 aufgenommene Tätigkeit, die wegen Verletzung der Erwerbsobliegenheit zu unterstellen sei, der Klägerin bereits eine nachhaltige Sicherung des Unterhalts durch eigene Einkünfte ermöglicht hätte. Eine im November 1998 aufgenommene Erwerbstätigkeit hätte im Juli 2000 bereits ein Jahr und acht Monate bestanden. Umstände, die einen Verlust der Arbeitsstelle hätten befürchten lassen, seien nicht ersichtlich; zumindest habe die Klägerin solche nicht hinreichend dargetan. Neben dem Unterhaltsanspruch aus § 1572 Nr. 4 BGB habe die Klägerin allerdings ab Juli 2000 einen ergänzenden Unterhaltsanspruch nach § 1576 BGB.

16         2. Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.

17         a) Ein Unterhaltsanspruch nach §1576 BGB kommt nur insoweit in Betracht, als das Unterhaltsbegehren nicht auf die Bestimmung des § 1572 BGB gestützt werden kann. Denn § 1576 BGB ist gegenüber § 1572 BGB subsidiär.

18         Die Frage, in welchem Verhältnis § 1576 BGB zu den Unterhaltstatbeständen der §§ 1570 bis 1573 und § 1575 BGB steht, hat der Senat bisher nur für § 1570 BGB entschieden. Er hat die Auffassung vertreten, daß insoweit eine Anspruchskonkurrenz ausgeschlossen sei, mithin Subsidiarität des Billigkeitsanspruchs gegenüber dem Anspruch wegen Kindesbetreuung besteht (Senatsurteil vom 25. Januar 1984 - IVb ZR 28/82 - FamRZ 1984, 361, 362 f.). Die hierzu angestellten Erwägungen, die sich insbesondere auf den Wortlaut des § 1576 BGB, dessen Stellung im Gesetz sowie die unterschiedlichen Tatbestandsstrukturen der §§ 1570 bis 1573 und § 1575 BGB einerseits und des § 1576 BGB andererseits stützen, gelten für das Verhältnis von § 1576 BGB zu § 1572 BGB gleichermaßen. Zudem entspricht dem Verständnis des § 1576 BGB als eines subsidiären Unterhaltstatbestandes auch der Gesetzeszweck: Die Vorschrift soll nach Art eines Auffangtatbestandes Regelungslücken schließen und Härten vermeiden, die sich aus dem enumerativen Tatbestandskatalog der §§ 1570 bis 1573 und § 1575 BGB ergeben könnten. Deshalb ist § 1576 BGB auch gegenüber § 1572 BGB als subsidiär anzusehen (ebenso: Soergel/Häberle BGB 12. Aufl. § 1576 Rdn. 11; Staudinger/Verschraegen BGB 12. Aufl. § 1576 Rdn. 38; MünchKomm/Maurer BGB 4. Aufl. § 1576 Rdn. 21; RGRK-​Cuny BGB 12. Aufl. § 1576 Rdn. 8; Wendl/Gerhardt Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 5. Aufl. § 4 Rdn. 165; Schwab/Borth Handbuch des Scheidungsrechts Kap. IV Rdn. 380; Göppinger/Bäumel Unterhaltsrecht 8. Aufl. Rdn. 1007). Daher muß ein Unterhaltsanspruch nach § 1572 BGB zu verneinen sein, bevor ein solcher aus § 1576 BGB zum Tragen kommen kann.

19         b) Das hat auch das Berufungsgericht so gesehen. Seine Ausführungen, mit denen es einen über den Betrag von monatlich 1.325 DM hinausgehenden Unterhaltsanspruch nach § 1572 Nr. 4 BGB abgelehnt hat, begegnen indessen, wie die Revisionserwiderung zu Recht geltend macht, rechtlichen Bedenken.

20         Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung insofern darauf gestützt, daß der Unterhalt der Klägerin durch die ihr angesonnene Tätigkeit nachhaltig gesichert gewesen sei, als sie krankheitsbedingt erwerbsunfähig wurde. Deshalb fehle es auch unter Heranziehung des § 1573 Abs. 4 BGB an dem für die Anwendbarkeit des § 1572 Nr. 4 BGB notwendigen Einsatzzeitpunkt des Wegfalls der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach § 1573 BGB.

21         aa) Nach § 1573 Abs. 4 BGB kann der geschiedene Ehegatte Unterhalt verlangen, wenn die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit wegfallen, weil es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen war, den Unterhalt durch die Erwerbstätigkeit nach der Scheidung nachhaltig zu sichern. Dieser Regelung liegt der Gedanke zugrunde, daß derjenige Ehegatte, dessen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit nachhaltig gesichert ist, auf eine nachwirkende eheliche Solidarität später nicht mehr zurückgreifen können, sondern alle Folgen der noch ungewissen künftigen Entwicklung allein tragen soll. Für die Beurteilung, ob der Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit nachhaltig gesichert erscheint, ist maßgebend, ob diese im Zeitpunkt ihrer Aufnahme nach objektiven Maßstäben und allgemeiner Lebenserfahrung mit einer gewissen Sicherheit als dauerhaft angesehen werden kann oder ob befürchtet werden muß, daß der Bedürftige sie durch außerhalb seiner Entschließungsfreiheit liegende Umstände in absehbarer Zeit wieder verliert. Dabei sind auch solche Umstände in die Beurteilung einzubeziehen, die zwar schon zu diesem Zeitpunkt bestehen, aber erst später zutage treten (Senatsurteile vom 16. März 1988 - IVb ZR 40/87- FamRZ 1988, 701, 702 und vom 6. Mai 1987 - IVb ZR 61/86 - FamRZ 1987, 689). Es obliegt dem Unterhalt begehrenden Ehegatten darzulegen und notfalls zu beweisen, daß eine nachhaltige Sicherung seines Unterhalts nicht zu erreichen war (Senatsurteil vom 9. Oktober 1985 - IVb ZR 56/84 - FamRZ 1985, 1234). Entsprechendes gilt grundsätzlich auch dann, wenn dem Anspruchsteller lediglich fiktive Einkünfte zugerechnet werden. Auch solche können - fiktiv - zu einer nachhaltigen Sicherung im Sinne des § 1573 Abs. 4 BGB führen; andernfalls würde derjenige Unterhaltsberechtigte, der eine Erwerbsobliegenheit verletzt, in ungerechtfertigter Weise bessergestellt (Kalthoener/Büttner/Niepmann Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 8. Aufl. Rdn. 436).

22         bb) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe Umstände, die einen Verlust der Arbeitsstelle hätten befürchten lassen, nicht dargetan, solche seien auch nicht ersichtlich, berücksichtigt indessen nicht die Besonderheiten der hier gegebenen Fallgestaltung. Da die Klägerin tatsächlich keiner vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachging, konnte sie zur Nachhaltigkeit der Unterhaltssicherung durch bestimmte Erwerbstätigkeiten keine Angaben machen. Sie war vielmehr darauf beschränkt, auf diejenigen Umstände hinzuweisen, die unter Berücksichtigung ihrer konkreten Situation gegen die betreffende Annahme sprechen konnten. Das hat sie insoweit auch getan, als sie verschiedene Gesichtspunkte angeführt hat, die die Aufnahme einer ihr zumutbaren Beschäftigung zumindest erschwert und bisher nicht zu einer dauerhaften Einstellung geführt hätten. Diese Umstände sind aber gleichermaßen für die Beantwortung der Frage heranzuziehen, ob der Klägerin durch die Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit eine nachhaltige Unterhaltssicherung hätte gelingen können. Insofern kommt einerseits sowohl dem Alter der Klägerin, ihrer fehlenden Berufsausbildung und dem Umstand, daß ihr nach Auffassung des Berufungsgerichts angesichts der Lebensstellung der Parteien nicht jedwede Tätigkeit zumutbar ist, und andererseits der Tatsache Bedeutung zu, daß sie in der Vergangenheit nur eine Aushilfsbeschäftigung im sozialversicherungsfreien Bereich ausgeübt bzw. einer - wenn auch um drei Monate verlängerten - zeitlich befristeten Tätigkeit nachgegangen ist. Ob angesichts dieser Situation unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktverhältnisse für die Klägerin eine nachhaltige Sicherung des Unterhalts durch Erwerbstätigkeit zu erreichen war, ist in tatrichterlicher Verantwortung zu prüfen. Dabei wird auch zu beachten sein, daß das Berufungsgericht aufgrund der der Klägerin zugestandenen Vermittlungsschwierigkeiten erst für die Zeit ab November 1998 von der Aufnahme einer zumutbaren vollschichtigen Tätigkeit ausgegangen ist. Solche Schwierigkeiten können sich aber im Fall der Notwendigkeit eines Arbeitsplatzwechsels infolge unverschuldeten Verlusts einer Arbeitsstelle wiederholen, was ebenfalls der Annahme einer nachhaltigen Unterhaltssicherung entgegenstehen könnte.

23         cc) Danach kann jedenfalls derzeit nicht ausgeschlossen werden, daß der Tatbestand des § 1573 Abs. 4 BGB für die Zeit ab 1. Juli 2000 erfüllt war und zu einem Anschlußunterhaltsanspruch nach § 1572 Nr. 4 BGB führen kann. Das angefochtene Urteil kann deshalb mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben.

24         3. Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO a.F.). Denn erst wenn feststeht, daß ein Unterhaltsanspruch aus § 1572 Nr. 4 BGB als Anschlußunterhalt nach einem Anspruch aus § 1573 Abs. 4 BGB nicht gegeben ist, wird über einen Unterhaltsanspruch aus Billigkeitsgründen nach § 1576 BGB zu befinden sein.

25         4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

26         a) Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Anschlußunterhaltsanspruch der Klägerin nach § 1572 Nr. 4 BGB bestehe nur in dem Umfang weiter, wie er zum Zeitpunkt des Wegfalls der Voraussetzungen für den Anspruch auf Aufstockungsunterhalt bestanden habe, steht mit der Rechtsprechung des Senats in Einklang (vgl. Senatsurteil vom 27. Juni 2001 - XII ZR 135/99 - FamRZ 2001, 1291, 1294).

27         b) Danach kommt, wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, ein Anschlußunterhaltsanspruch bezüglich des Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt in Betracht, der sich ausgehend von den fortgeschriebenen Einkünften der Klägerin aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit und dem eheangemessenen Bedarf bemißt. Insofern wird allerdings die sich auf die Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse auswirkende geänderte Rechtsprechung des Senats zur Anwendung der sogenannten Anrechnungsmethode zu beachten sein (Senatsurteil vom 13. Juni 2001 - BGHZ 148, 105 ff.). Diese Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung hat zu einer neuen Rechtslage geführt, die auch bei der Abänderung eines Unterhaltsurteils für den Unterhaltszeitraum zu berücksichtigen ist, der der Verkündung des die bisherige Rechtsprechung aufgebenden Urteils des Senats folgt. Für die Zeit davor verbleibt es dagegen hinsichtlich der Unterhaltsbemessung bei der früheren Rechtslage (Senatsurteil vom 5. Februar 2003 - XII ZR 29/00 - FamRZ 2003, 848, 851 f.). Die Berücksichtigung dieses Abänderungsgrundes dürfte zur Folge haben, daß der Klägerin bereits als Anschlußunterhalt in bezug auf den Aufstockungsunterhalt ein über dem Gesamtbetrag von 1.325 DM liegender Unterhalt zusteht.

28         c) Was die Erwägungen des Berufungsgerichts zu dem Unterhaltsanspruch aus § 1576 BGB anbelangt, so dürften diese keinen grundsätzlichen rechtlichen Bedenken begegnen. Das Berufungsgericht hat insofern ausgeführt: In einer Erkrankung könne ein schwerwiegender Grund im Sinne der vorgenannten Bestimmung gesehen werden, der die Annahme zu rechtfertigen vermöge, die Versagung von Unterhalt sei unter Berücksichtigung der Belange beider Ehegatten grob unbillig. Vorliegend erscheine die Nichtgewährung eines über insgesamt monatlich 1.325 DM hinausgehenden Unterhalts unbillig, da der zuzuerkennende Elementarunterhalt den notwendigen Eigenbedarf der Klägerin nicht abdecke, der Altersvorsorgeunterhalt so gering sei, daß damit eine nennenswerte Altersversorgung nicht aufgebaut werden könne, und Krankenvorsorgeunterhalt überhaupt nicht berücksichtigt sei. Bei der Abwägung der Belange der Ehegatten sei insbesondere die Ehedauer von knapp 28 Jahren bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags bzw. knapp 30 Jahren bis zur Rechtskraft der Scheidung zu berücksichtigen sowie der Umstand, daß die bei Eheschließung erst 20 Jahre alte Klägerin aufgrund der gemeinsamen Lebensplanung der Parteien die Betreuung und Erziehung des gemeinsamen Sohnes und die Haushaltsführung übernommen habe und daher eine eigene berufliche Entwicklung nicht habe erfahren können. Dies begründe eine erhöhte nacheheliche Mitverantwortung des Beklagten gegenüber der Klägerin. Es widerspräche jeglichem Gerechtigkeitsempfinden, der Klägerin einen weitergehenden Unterhalt zu versagen, zumal der Beklagte unschwer in der Lage sei, den zur Deckung des Bedarfs der Klägerin notwendigen Unterhalt zu zahlen. Deshalb sei es gerechtfertigt, es bei dem vom Amtsgericht zuerkannten Betrag von insgesamt 1.755,61 DM monatlich zu belassen, der hinter dem eheangemessenen Unterhalt zurückbleibe.

29         Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 1576 BGB entsprechend ihrer Ausgestaltung als allgemeine Härteklausel weder im Verhältnis zum Regelungsbereich der §§ 1570 ff. BGB auf gegenständlich andere als die dort genannten Gründe begrenzt noch sonst Beschränkungen auf bestimmte Unterhaltstatbestände unterworfen. Außerdem müssen die in § 1576 BGB vorausgesetzten schwerwiegenden Gründe für die Unzumutbarkeit der Erwerbstätigkeit und die daraus resultierende Bedürftigkeit nicht ehebedingt sein (Senatsurteil vom 11. Mai 1983 - IVb ZR 382/81 - FamRZ 1983, 800, 801). Mit Rücksicht auf diese Erwägungen hat der Senat bereits in vergleichbaren Fallgestaltungen den Hinweis für geboten gehalten, die Voraussetzungen des § 1576 BGB seien zu prüfen, sofern die Zubilligung eines Unterhaltsanspruchs wegen Krankheit lediglich am Einsatzzeitpunkt scheitere (vgl. Senatsurteile vom 31. Januar 1990 - XII ZR 36/89 - FamRZ 1990, 496, 499 und vom 23. März 1983 - IVb ZR 370/81 - veröffentlicht bei Juris) und die zusätzliche Voraussetzung der groben Unbilligkeit erfüllt sei. Insofern dürfte es der Heranziehung der genannten Bestimmung nicht entgegenstehen, wenn eine krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit nicht bereits zu einem der in § 1572 BGB genannten Einsatzzeitpunkte vorlag. Anders als andere Unterhaltstatbestände sieht § 1576 BGB Einsatzzeitpunkte nicht vor. Der Senat neigt allerdings mit einer verbreiteten Auffassung im Schrifttum dazu, daß es sachgerecht erscheint, den Umstand, daß ein nach der Scheidung mit einem Unterhaltsanspruch nicht belasteter Ehegatte mit fortschreitender Dauer immer weniger mit einer Inanspruchnahme auf Unterhalt zu rechnen braucht, bei der zu treffenden Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen (vgl. hierzu etwa Schwab/Borth aaO Kap. IV Rdn. 368; Johannsen/Henrich/Büttner Eherecht 3. Aufl. § 1576 Rdn. 5; Soergel/Häberle aaO § 1576 Rdn. 7; MünchKomm/Maurer aaO § 1576 Rdn. 17; Göppinger/Bäumel aaO Rdn. 1008; anderer Ansicht: Kalthoener/Büttner/Niepmann aaO Rdn. 455).
§ 1572 Unterhalt wegen Krankheit oder GebrechenEin geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm vom Zeitpunkt
1.
der Scheidung,
2.
der Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes,
3.
der Beendigung der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung oder
4.
des Wegfalls der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach § 1573
an wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.