Gericht: | OLG Düsseldorf 6. Senat für Familiensachen |
Entscheidungsdatum: | 18.03.1980 |
Aktenzeichen: | 6 UF 170/79 |
Dokumenttyp: | Urteil |
Quelle: | |
Normen: | § 1573 BGB, § 1575 BGB, § 1576 BGB |
Zitiervorschlag: | OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. März 1980 – 6 UF 170/79 –, juris |
Zum Ausbildungsunterhalt
Sonstiger Orientierungssatz 1. Nimmt der geschiedene Ehegatte nach der Scheidung nicht diejenige Schulausbildung oder Berufsausbildung, die er in Erwartung der Ehe oder während der Ehe nicht aufgenommen oder abgebrochen hat, und auch keine "entsprechende", sondern eine andere Ausbildung auf, so kann er vom anderen Ehegatten gemäß BGB § 1575 Abs 1 weder vollen Unterhalt nocht teilweisen Unterhalt bis zur Höhe derjenigen Aufwendungen, die für eine Ausbildung im Sinne des BGB § 1575 Abs 1 notwendig gewesen wären, verlangen.
2. Die gesetzlichen Unterhaltstatbestände des BGB § 1573 iVm BGB §§ 1574 Abs 3, 1578 Abs 2 sowie des BGB § 1575 regeln die Fälle abschließend, in denen der geschiedene Ehegatte vom anderen Unterhalt für die Dauer einer nachehelichen Berufsausbildung beanspruchen kann. Sind die Voraussetzungen dieser Vorschriften nicht erfüllt, so kann der geschiedene Ehegatte sein Verlangen nach "Ausbildungsunterhalt" nicht auf BGB § 1576 stützen.
Fundstellen
FamRZ 1980, 585-587 (red. Leitsatz 1-2 und Gründe)
Diese Entscheidung wird zitiert
KommentareErman, BGB● Maier/Schachtschneider, § 1576 Unterhalt aus Billigkeitsgründen
Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB● Silke Kaplan, 10. Auflage 2023, § 1575 BGB
Staudinger, BGB● Verschraegen, BGB § 1575 Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung; V. Ausbildungsunterhalt (§ 1575 Abs 1); 1. Voraussetzungen 2014
● Verschraegen, BGB § 1576 Unterhalt aus Billigkeitsgründen; I. Allgemeines 2014
● Verschraegen, BGB § 1576 Unterhalt aus Billigkeitsgründen; II. Billigkeitsunterhalt (§ 1576 Satz 1) 2014
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SonstigesRahm/Künkel, Handbuch Familien- und Familienverfahrensrecht● Schneider, D. Ehegattenunterhalt; IV. Nachehelicher Unterhalt; 4. Unterhaltstatbestände; f) Unterhalt wegen Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung, § 1575 BGB
Tenor Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Amtsgerichts – Familiengerichts – Ratingen vom 15. November 1979 teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vollstreckbar.
Gründe1 Das Amtsgericht hat der Antragsgegnerin durch das angefochtene Urteil im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, ihrem geschiedenen Ehemann, dem Antragsteller, ab November 1979 für die Dauer von 6 Monaten einen monatlichen Unterhaltsbetrag von DM 800,– zu zahlen. Die dagegen eingelegte Berufung der Antragsgegnerin ist begründet.
2 Zu den Voraussetzungen der vom Antragsteller begehrten Leistungsverfügung auf Unterhalt gehört es, daß er einen Unterhaltsanspruch darlegt. Bereits hieran fehlt es. Beide Parteien gehen von der Anwendbarkeit deutschen Rechts, also der §§ 1569 ff. BGB, aus, obwohl nur der Antragsteller die deutsche Staatsangehörigkeit hat, während die Antragsgegnerin tschechischer Staatsangehörigkeit ist. Im Hinblick auf Art. 17 Abs. 1 EGBGB (Scheidungs- und Scheidungsfolgenstatut) unterliegt diese übereinstimmende Rechtsansicht der Parteien keinen Bedenken (vgl. BGH NJW 1980, 47). Daß der Antragsteller nach der am 11. Oktober 1979 ausgesprochenen und am selben Tage rechtskräftig gewordenen Scheidung keinen Unterhaltsanspruch aus den §§ 1570 bis 1572 BGB hat, ist nicht im Streit. Als Verfügungsanspruch für die beantragte Leistungsverfügung kommen nur die §§ 1573 Abs. 1 in Verbindung mit 1574 Abs. 3, 1578 Abs. 2 sowie § 1575 Abs. 1 und § 1576 BGB in Betracht. Nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers steht ihm aber auch gemäß diesen Vorschriften kein Unterhaltsanspruch gegen die Antragsgegnerin zu.
3 1. Daß § 1573 Abs. 1 (ggf. in Verbindung mit §§ 1574 Abs. 3, 1578 Abs. 2) BGB nicht zugunsten des Antragstellers eingreift, entspricht auch seiner Rechtsansicht (er stützt sein Unterhaltsbegehren lediglich auf die §§ 1575 Abs. 1 und 1576 BGB). Er macht nicht geltend, daß er derzeit keine auskömmliche Erwerbstätigkeit finden könnte, wenn er sein im Sommersemester 1979 begonnenes Medizinstudium abbrechen würde. Er hält es nur für unzumutbar, das Studium, da er es nun einmal angefangen hat, wieder aufzugeben. Dieser Gesichtspunkt reicht für die Anwendung des § 1573 Abs. 1 BGB nicht aus. Die Antragsgegnerin kann den Antragsteller durchaus darauf verweisen, seine früher während der Ehe ausgeübte Berufstätigkeit als Antiquitätenhändler oder eine andere Erwerbstätigkeit, die nach sozialem Niveau und erzielbaren Einkünften gleichwertig ist, zwecks Deckung seines Lebensbedarfs aufzunehmen, selbst wenn damit der Abbruch des Studiums verbunden sein sollte. Der Fall müßte nur dann anders beurteilt werden, wenn die Durchführung des Medizinstudiums den – bis zur Scheidung der Parteien bestehenden – ehelichen Lebensverhältnissen entspräche, wenn also der soziale Zuschnitt der ehelichen Lebensgemeinschaft nach der gemeinsam abgesprochenen Aufgabenverteilung darauf ausgerichtet gewesen wäre, den Antragsteller aus dem Beruf eines Kunst- oder Antiquitätenhändlers herauszuführen, ihm das höhere Bildungsniveau eines Akademikers zu verschaffen und die zukünftige Berufstätigkeit als Arzt zu ermöglichen (vgl. BGH FamRZ 1980, 126). Davon kann aber nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers keine Rede sein.
4 a) Der Antragsteller behauptet, er habe vor der Heirat (am 10. November 1972 in P) an der Kunstakademie Düsseldorf – und zwar mit der Fachrichtung "Freie Kunst" – studiert; hierfür habe seine Schulbildung ("mittlere Reife") ausgereicht. Nach der Heirat habe er das Kunststudium im Wintersemester 1972/73 abgebrochen. Dazu habe er sich deshalb entschlossen, weil er ein adäquater Partner für seine Ehefrau habe werden wollen; denn die Antragsgegnerin habe damals – wie unstreitig ist – kurz vor dem Abschluß ihres Medizinstudiums (in Prag) gestanden. Er habe daher seine Schulausbildung – und zwar in einem Abendgymnasium – wieder aufgenommen, um sein Abitur nachzuholen und später Medizin zu studieren. Die Reifeprüfung habe er im Juli 1976 abgelegt. Nur weil er im März 1977 auf Bitten der Antragsgegnerin und ihr zuliebe versucht habe, einem Familienfreund der Antragsgegnerin bei der Flucht aus der Tschechoslowakei zu helfen und dieses Fluchthilfeunternehmen gescheitert sei, was zu seiner Inhaftierung in der Deutschen Demokratischen Republik bis September 1978 und anschließend zu sechsmonatigen, der Rehabilitation dienenden Klinikaufenthalten zwecks Behandlung seiner haftbedingten Gesundheitsschäden geführt habe, habe er erst im Sommersemester 1979 sein Medizinstudium anfangen können.
5 Diese Sachdarstellung bedarf noch folgender Ergänzung: Unstreitig ist die Antragsgegnerin erst im April 1974 – als fertig ausgebildete, approbierte Ärztin – in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt. Die Parteien streiten darüber, ob sie damals überhaupt eine eheliche Lebensgemeinschaft (und einen gemeinsamen Haushalt) gegründet haben (so der Antragsteller) oder nicht (so die Antragsgegnerin). Nach den Feststellungen im Scheidungsurteil (des Amtsgerichts Ratingen vom 11. Oktober 1979 – 12 F 56/79), die auf der damaligen Vernehmung beider Parteien beruhen und die der Antragsteller in diesem Rechtsstreit nicht als falsch beanstandet hat, haben die Parteien schon im März 1976 die – auf Dauer berechnete – Trennung vollzogen und bis zur Scheidung auch ununterbrochen getrennt voneinander gelebt. Im Scheidungsantrag vom 16. August 1979 hatte der Antragsteller erklärt, es habe sich bald nach der Übersiedlung der Antragsgegnerin in die Bundesrepublik Deutschland herausgestellt, daß sie nicht zueinander paßten. Wie die Antragsgegnerin im vorliegenden Rechtsstreit unwidersprochen vorgetragen hat, haben beide Parteien während der Ehezeit im wesentlichen wirtschaftlich selbständig und unabhängig voneinander gelebt; weder hat der Antragsteller die Antragsgegnerin noch hat sie ihn unterhalten. Sie hat dem Antragsteller nur folgende – jedoch nicht für den unmittelbaren Lebensunterhalt bestimmte – Geldzuwendungen gemacht:
6 Eine freiwillige Gabe von DM 3.000,–, nachdem sie in der Bundesrepublik Deutschland ihr erstes Geld verdient hatte; sodann das mit ihm vereinbarte Fluchthilfegeld von DM 10.000,– sowie nach dem Scheitern des Fluchthilfeunternehmens während der Haftzeit DM 500,– monatlich, die sie einer Angestellten des vom Antragsteller betriebenen Antiquitätengeschäfts als Überbrückungshilfe zur Verfügung stellte; schließlich anteilige Beträge aus ihren jeweiligen Einkommensteuererstattungen, die sie im Hinblick darauf erhielt, daß sie mit dem Antragsteller verheiratet war und dieser ein verhältnismäßig niedriges Einkommen hatte.
7 b) Würdigt man die Sachdarstellung des Antragstellers zusammen mit den vorstehend aufgeführten (vom Antragsteller nicht bestrittenen) Ergänzungen im Hinblick auf § 1573 Abs. 1 BGB, so ergibt sich, daß die Ausbildung des Antragstellers zum Arzt nie Bestandteil eines gemeinsamen Lebensplans der Parteien gewesen ist. Der Antragsteller hat sogar seine Reifeprüfung erst nach der endgültigen Trennung der Parteien abgelegt. Er behauptet selbst nicht, daß sie vor der Trennung seine Studienpläne auch nur gemeinsam besprochen hätten; erst recht ergibt sich aus seinem Vorbringen kein Anhaltspunkt dafür, daß die Parteien seine Absicht, Medizin zu studieren, zum Gegenstand gemeinsamer Planungen und Dispositionen im Rahmen ihrer (von ihm behaupteten) Lebensgemeinschaft gemacht hätten. In der Berufungserwiderung macht der Antragsteller hierzu lediglich geltend, es entspreche der Natur der Dinge, daß jemand, der sein Abitur in der Abendschule nachhole, auch studieren wolle oder sich damit wenigstens die Möglichkeit eines Studiums verschaffen wolle; die Antragsgegnerin habe also damit rechnen müssen, daß er nach dem Abitur studieren würde. Diese für die Antragsgegnerin gegebene Vorhersehbarkeit führt aber unter den Umständen des vorliegenden Falles, insbesondere bei der damaligen Selbständigkeit der beiderseitigen Lebensführung, nicht dazu, daß der einseitig vom Antragsteller verfolgte Plan des Medizinstudiums als eine vom Willen beider Eheleute getragene Aufgabenverteilung innerhalb ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft angesehen werden könnte, die das Ziel gehabt hätte, den Antragsteller im Interesse der künftigen Gestaltung ihrer Lebensgemeinschaft zum Arzt ausbilden zu lassen. Folglich kann auch keine Rede davon sein, daß eine Erwerbstätigkeit, die der Antragsteller nach seinen bisherigen Kenntnissen und Fähigkeiten – ohne Beendigung seines derzeitigen Studiums – ausüben könnte, nach dem sozialen Zuschnitt der von den Parteien gelebten Gemeinschaft (wenn je eine bestanden hat) für ihn nicht angemessen wäre.
8 Da die Antragsgegnerin den Antragsteller unter dem Blickpunkt des ehelichen Unterhalts bis zur Trennung im wesentlichen auch nicht an ihrem verhältnismäßig hohen Berufseinkommen hat teilhaben lassen, beide Parteien vielmehr ihre wirtschaftliche Selbständigkeit voneinander aufrecht erhielten, kann schließlich auch die Höhe des dem Antragsteller angemessenen Erwerbseinkommens nicht an den Einkünften eines Arztes gemessen werden.
9 2. Der Antragsteller hat die Voraussetzungen für den Anspruch auf "Ausbildungsunterhalt" (§ 1575 Abs. 1 BGB) nicht dargelegt.
10 a) Nach dieser Vorschrift kann ein geschiedener Ehegatte vom anderen unter anderem dann Unterhalt verlangen, wenn er in Erwartung der Ehe oder während der Ehe eine Schul- oder Berufsausbildung abgebrochen hat, sofern er diese oder eine entsprechende Ausbildung sobald wie möglich aufnimmt, um eine angemessene Erwerbstätigkeit, die den Unterhalt nachhaltig sichert, zu erlangen und der erfolgreiche Abschluß der Ausbildung zu erwarten ist. Diese Anspruchsvoraussetzungen sind mit Blick auf das nach der Heirat abgebrochene Kunststudium des Antragstellers deshalb nicht erfüllt, weil er mit seinem jetzigen Medizinstudium weder jene abgebrochene Ausbildung fortgesetzt noch eine "entsprechende" Ausbildung begonnen hat. Zwar kommt es bei einem Vergleich zwischen der abgebrochenen und der später aufgenommenen Ausbildung nicht auf eine Identität der fachlichen Ausrichtung an, wie das Gesetz mit den Worten "oder eine entsprechende Ausbildung" deutlich gemacht hat. Die beiden Ausbildungsgänge müssen aber zumindest hinsichtlich der sozialen Einordnung des jeweiligen Berufsziels und des durch den Ausbildungsrahmen und den Schwierigkeitsgrad bestimmten Niveaus einander gleichwertig sein (vgl. Bastian/Roth-Stielow/Schmeiduch, 1. EheRG, BGB § 1575 Rdnr. 5; Palandt/Diederichsen, BGB 39. Aufl., § 1575 Anm. 2 a cc; Rolland, 1. EheRG, BGB § 1575 Rdnr. 9, 10). Daß das vom Antragsteller seinerzeit betriebene Kunststudium in einer Fachrichtung, für die der Schulabschluß der sogenannten mittleren Reife ausreicht, mit einem Medizinstudium in diesem Sinne nicht vergleichbar ist, bedarf keiner weiteren Erläuterung; das entspricht auch dem Standpunkt des Antragstellers, da er geltend macht, er habe das Kunststudium aufgeben wollen, um der Antragsgegnerin mit Blick auf deren Arztausbildung ein adäquater Partner zu sein.
11 Im Schrifttum ist vereinzelt die Ansicht vertreten worden, der Ehegatte, der eine andere als die in § 1575 Abs. 1 BGB vorgesehene Ausbildung aufnehme, könne Unterhalt bis zur Höhe der Aufwendungen verlangen, die für eine Ausbildung im Sinne des § 1575 Abs. 1 BGB notwendig gewesen wären; es wäre unbillig und dem Normzweck widersprechend, wenn man in diesem Fall einen Anspruch versagen würde; dem Schutzbedürfnis des auf Unterhalt in Anspruch genommenen geschiedenen Ehegatten werde Rechnung getragen, wenn er nicht mehr zu leisten brauche, als in § 1575 Abs. 1 BGB vorausgesetzt werde (Rolland aaO. § 1575 Rdnr. 10). Würde man dieser Meinung folgen, so könnte der im vorliegenden Verfahren nur für 6 Monate geltend gemachte Unterhaltsanspruch dem Grunde nach gerechtfertigt sein. Der Senat vermag jener Ansicht jedoch nicht zuzustimmen. Sie hat schon den Wortlaut des Gesetzes gegen sich. Vor allem steht jene Ansicht aber im Widerspruch zum Ziel des "Ausbildungsunterhalts". Dieses Ziel besteht nach dem Gesetz (§ 1575 Abs. 1 Satz 1 BGB) darin, daß der geschiedene Ehegatte durch die vom anderen Ehegatten durch Unterhaltsgewährung finanzierte Ausbildung eine dementsprechende Erwerbstätigkeit erlangen soll, die den Unterhalt nachhaltig sichern und daher den bisher unterhaltspflichtigen Ehegatten ganz entlasten soll. Mit dieser Zielvorstellung verträgt es sich nicht, daß der an sich unterhaltsberechtigte Ehegatte eine erheblich längere oder teurere Ausbildung als die früher abgebrochene wählt und hierfür einen Teilunterhalt innerhalb desjenigen finanziellen Rahmens beansprucht, wie er durch die Art der früheren Ausbildung abgesteckt ist. Durch diese Teilalimentierung würde die Gefahr wesentlich erhöht werden, daß der geschiedene Ehegatte sich wirtschaftlich nicht in der Lage sieht, die aufwendigere Ausbildung zu einem erfolgreichen Abschluß zu bringen, und sodann unterhaltsbedürftig im Sinne des § 1573 Abs. 3 BGB würde; der nach § 1575 Abs. 1 BGB gewährte Unterhalt hätte dann seinen Zweck verfehlt. Es entspricht daher dem Normzweck und ist bei Abwägung der beiderseitigen Interessen durchaus nicht unbillig, im Rahmen des § 1575 Abs. 1 Satz 1 BGB nur die (Wieder-) Aufnahme der früher abgebrochenen oder einer entsprechenden Ausbildung zuzulassen (im Ergebnis ebenso; Münchener Kommentar/Richter BGB § 1575, Rdnr. 12).
12 b) Auch die weitere Alternative des § 1575 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach ein geschiedener Ehegatte, der während der Ehe eine Berufsausbildung nicht aufgenommen hat, vom anderen Ehegatten unter den weiteren in der Vorschrift genannten Voraussetzungen Unterhalt verlangen kann, vermag den Unterhaltsanspruch des Antragstellers nicht zu stützen. Zwar beruft sich der Antragsteller darauf, er habe sein Medizinstudium nur deshalb nicht alsbald nach dem im Juli 1976 bestandenen Abitur begonnen, weil er sich auf Bitten der Antragsgegnerin und ihr zuliebe auf das Fluchthilfeunternehmen eingelassen habe (daß er danach das Studium doch noch während der formalen Ehezeit angefangen hat, hält der Senat nicht für entscheidend). Selbst wenn man dem Antragsteller darin beipflichten würde, daß die Verzögerung in der Aufnahme des Medizinstudiums noch in einem inneren Zusammenhang mit der Ehe steht, obgleich sowohl das Abitur als auch das Fluchthilfeunternehmen zeitlich nach der endgültigen Trennung der Parteien liegen, kann der Antragsteller unter diesem Gesichtspunkt keinen Ausbildungsunterhalt für das Medizinstudium von der Antragsgegnerin beanspruchen. Dieses Verlangen läßt sich nämlich unter den Umständen des vorliegenden Falls mit dem Normzweck des § 1575 Abs. 1 BGB nicht vereinbaren. Mit Hilfe des im § 1575 Abs. 1 BGB geregelten Unterhaltsanspruchs sollen ehebedingte Nachteile im Bereich versäumter Ausbildungsmöglichkeiten ausgeglichen werden (vgl. Bastian u.a., aaO., BGB § 1575 Rdnr. 1; Rolland aaO. BGB § 1575 Rdnr. 6, 7; Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, Rdnr. 271 f, 277). Anders als beim Unterhaltsanspruch gemäß den §§ 1573 Abs. 1, 1574 Abs. 3, 1578 Abs. 2 BGB ist der rechtfertigende Grundgedanke beim Ausbildungsunterhalt (§ 1575 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht darin zu erblicken, daß überhaupt erst die Voraussetzungen für eine angemessene Erwerbstätigkeit des unterhaltsberechtigten Ehegatten hergestellt werden sollen, sondern es geht darum, dem geschiedenen Ehegatten einen Status im Berufsleben nach demjenigen Ausbildungsstand zu verschaffen, den er ohne die Ehe schon früher hätte erreichen können und der unter Berücksichtigung seiner damaligen Vorbildung, seiner damaligen Neigungen und Interessen sowie – gegebenenfalls – des Beginns ihrer Verwirklichung auch seinen vorehelichen Berufsplänen entspricht (vgl. Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts 3. Aufl., § 30 VI 1 und 2; vgl. ferner Rolland aaO., BGB § 1575 Rdnr. 4, 9). Daraus folgt, daß eine Ausbildung, deren Aufnahme der geschiedene Ehegatte erstmals – wie hier – wegen der Ehe plant, um mit dem anderen Ehegatten hinsichtlich des sozialen Ansehens gleichzuziehen, nicht unter § 1575 Abs. 1 BGB fällt (wenn sie keine den vorehelichen Berufsplänen "entsprechende" Ausbildung ist).
13 3. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts kann der Antragsteller auch keinen Unterhalt aus Billigkeitsgründen (§ 1576 BGB) beanspruchen. Dieses Ergebnis folgt schon daraus, daß die unter 1. und unter 2. erörterten Vorschriften der §§ 1573 Abs. 1 (in Verbindung mit §§ 1574 Abs. 3, 1578 Abs. 2) und § 1575 Abs. 1 BGB die Fälle abschließend regeln, in denen der geschiedene Ehegatte vom anderen Unterhalt für die Dauer einer nachehelichen Berufsausbildung verlangen kann. Sind die Voraussetzungen dieser Vorschriften nicht erfüllt, so kann der geschiedene Ehegatte wegen seines Verlangens nach "Ausbildungsunterhalt" nicht auf § 1576 BGB zurückgreifen.
14 Es ist im Schrifttum umstritten, ob und ggf. inwieweit die für die Unterhaltsbedürftigkeit des geschiedenen Ehegatten maßgeblichen Gründe, die im Anspruchskatalog der § 1570 bis 1575 BGB zwar angesprochen, aber als unerheblich erachtet worden sind, gemäß § 1576 BGB zugunsten des unterhaltsbedürftigen Ehegatten berücksichtigt werden dürfen oder nicht (vgl. einerseits Bastian u.a., aaO., BGB § 1576 Rdnr. 6; Gernhuber aaO. § 30 VII 3; Schumacher MDR 1976, 881, 883; andererseits Ambrock, Ehe und Ehescheidung, BGB § 1576, Anm. II 2; Dieckmann FamRZ 1977, 81, 97; Diederichsen NJW 1977, 353, 357 und Fußnote 43; Palandt/Diederichsen aaO. § 1576 Anm. 1). Die Entscheidung des vorliegenden Falls erfordert keine allgemeingültige Aussage zu dieser Rechtsfrage. Der Senat ist aus folgenden Gründen der Ansicht, daß § 1576 BGB jedenfalls für den "Ausbildungsunterhalt" durch die vorgenannten Vorschriften verdrängt ist.
15 Der Gesetzgeber wollte mit der einem Auffangtatbestand ähnlichen Vorschrift des § 1576 BGB sicherstellen, daß jede ehebedingte Unterhaltsbedürftigkeit erfaßt wird und nicht einem Bedürftigen durch die enumerative Regelung der §§ 1570 bis 1575 BGB Unterhaltsansprüche versagt bleiben, obwohl dies bei Abwägung der Belange beider Ehegatten den Grundsätzen der Billigkeit zuwiderlaufen würde (vgl. Bundestagsdrucksache 7/4361, S. 17; Münchener Kommentar/Richter aaO., Rdnr. 16 vor § 1569 sowie § 1576 Rdnr. 1; Palandt/Diederichsen aaO. § 1576 Anm. 1). Hinsichtlich des Ausbildungsunterhalts enthält aber der Anspruchskatalog der §§ 1570 bis 1575 BGB keine Lücke, die – infolge der Versagung eines Unterhaltsanspruchs – zu einer Unterhaltsbedürftigkeit des geschiedenen Ehegatten führen könnte und die daher durch § 1576 BGB geschlossen werden müßte. Für den Anspruch aus § 1575 Abs. 1 BGB kommt es ohnehin nicht entscheidend darauf an, ob sich der geschiedene Ehegatte nicht schon ohne weitere Ausbildung mit einer ihm angemessenen Erwerbstätigkeit selbst unterhalten könnte; § 1575 Abs. 1 BGB soll unabhängig davon ehebedingte Versäumnisse bei der Realisierung vorehelicher Ausbildungschancen ausgleichen. Im übrigen tragen die §§ 1573 Abs. 1, 1574 Abs. 3, 1578 Abs. 2 BGB voll dem Interesse des bedürftigen geschiedenen Ehegatten Rechnung, mit Hilfe einer Ausbildung eine angemessene Erwerbstätigkeit zu erlangen und auf diesem Wege die Unterhaltsbedürftigkeit zu beseitigen. Der Anspruch auf Unterhalt für die Dauer einer Ausbildungszeit kann daher, wenn keine "unangemessene" (im Sinne des § 1575 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder den ehelichen Lebensverhältnissen nicht entsprechende (vgl. § 1573 Abs. 1 BGB sowie den obigen Abschnitt unter 1.) Ausbildung gewählt worden sein sollte, nach den genannten Vorschriften allenfalls dann unbegründet sein, wenn der geschiedene Ehegatte auch ohne Ausbildung eine ihm angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag (oder – ein Fall, der hier nicht interessiert – selbst mit der gewählten Ausbildung voraussichtlich keine angemessene Erwerbstätigkeit finden würde, so daß der allgemeine Unterhaltsanspruch nach § 1573 Abs. 1 BGB in Betracht kommt). Da er dann seinen Unterhaltsbedarf durch eine – ihm nach den §§ 1573 Abs. 1, 1574 Abs. 1 BGB zumutbare – Erwerbstätigkeit selbst decken kann (abgesehen von der Möglichkeit der Aufstockung gemäß § 1573 Abs. 2 BGB), kann von einer ehebedingten Unterhaltsbedürftigkeit nicht gesprochen werden. So liegt der Fall hier (vgl. den obigen Abschnitt unter 1.). Wollte man in einem solchen Fall gleichwohl § 1576 BGB anwenden, so würde man die in den §§ 1573 bis 1575 BGB zum Ausdruck gekommene Wertung des Gesetzgebers zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise die Berufsausbildung eines geschiedenen Ehegatten vom anderen – ganz oder teilweise – durch Unterhaltsgewährung finanziert werden muß, entgegen dem Normzweck des § 1576 BGB mißachten.
16 4. In der Berufungserwiderung hat der Antragsteller – im Zusammenhang mit der Erörterung des Einwands der Antragsgegnerin, er habe in seiner Scheidungsantragsschrift auf Unterhaltsansprüche für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung verzichtet – noch vorgetragen, zwischen den Parteien habe seinerzeit eine Vereinbarung bestanden, daß die Antragsgegnerin während seines Studiums ihn mit DM 850,– unterstützen sollte. Nach dem Gesamtzusammenhang des Vorbringens des Antragstellers im vorliegenden Rechtsstreit kann nicht davon ausgegangen werden, daß er auch eine Unterhaltsvereinbarung der Parteien als Verfügungsanspruch geltend machen will. Vorsorglich sei jedoch bemerkt, daß dieses – im Hinblick auf die näheren Umstände der von der Antragsgegnerin bestrittenen Vereinbarung – unsubstantiierte Vorbringen des Antragstellers von ihm auch nicht glaubhaft gemacht worden ist (§§ 936, 920 Abs. 2 ZPO).
17 5. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 269 ZPO, die Entscheidung über die