BGH, Beschluss vom 28. März 2007 – XII ZR 119/04;
BGH, Beschluss vom 17. Januar 2018 – XII ZB 20/17 Rn. 21;
BGH, Beschluss vom 17. Mai 2006 – XII ZB 250/03 Rn. 14.

Fußnote 19.
BGH, Beschluss vom 28. März 2007 – XII ZR 119/04;

Gericht:

BGH 12. Zivilsenat

Entscheidungsdatum:

28.03.2007

Rechtskraft:

ja

Aktenzeichen:

XII ZR 119/04

Dokumenttyp:

Beschluss


Quelle:

 

Normen:

Art 103 Abs 1 GG, § 138 Abs 1 BGB, § 242 BGB, § 1585c BGB

Zitiervorschlag:

BGH, Beschluss vom 28. März 2007 – XII ZR 119/04 –, juris



            Anhörungsrüge gegen ein die Unwirksamkeit eines ehevertraglichen Unterhaltsverzichts feststellendes Urteil; Sittenwidrigkeit des Unterhaltsverzichts der ausländischen Ehefrau bei begrenzten Erwerbschancen und Abhängigkeit einer dauerhaften Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis von der Eheschließung

Orientierungssatz

            1. Zur Frage der Begründetheit der Anhörungsrüge gegen ein die Unwirksamkeit eines ehevertraglichen Unterhaltsverzichts der ausländischen Ehefrau feststellendes Revisionsurteil im Hinblick auf eine Abweichung von den Tatsachenfeststellungen des erstinstanzlichen und zweitinstanzlichen Gerichts sowie die rechtliche Bewertung der schwächeren Verhandlungsposition der Ehefrau im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle (Rn.3) (Rn.6) .

            2. Der Unterhaltsverzicht der ausländischen Ehefrau in einem Ehevertrag ist sittenwidrig, wenn diese sich gegenüber dem Ehemann in einer deutlich schwächeren Verhandlungsposition befand, weil bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses absehbar war, dass sie, da sie der deutschen Sprache nicht mächtig und chronisch krank war, mit ihrer Ausbildung als Klavierlehrerin und ihrer vorhersehbar begrenzten gesundheitlichen Belastbarkeit nur schwerlich Erwerbsmöglichkeiten finden würde, die ihr und ihrem Kind im Trennungsfall ein vom Ehemann wirtschaftlich unabhängiges Auskommen hätte vermitteln können (Rn.3) (Rn.4) .

            3. Die Ehefrau befand sich auch deswegen in einer deutlich schwächeren Verhandlungsposition, weil sie ohne die Eheschließung weder eine unbefristete Aufenthalts- noch eine Arbeiterlaubnis erhalten hätte und somit ihren Wunsch, im Inland zu bleiben, nicht hätte verwirklichen können. Auch derjenige Vertragspartner befindet sich in einer deutlich schwächeren Verhandlungsposition, der sich als Ausländer bereits im Inland aufhält, aber seinen Lebensplan, dort dauerhaft ansässig und erwerbstätig zu werden, nur unter der dem anderen Vertragspartner bekannten Voraussetzung der Eheschließung verwirklichen kann, die herbeizuführen in dessen Belieben steht. Je dringlicher dieser Wunsch ist, desto eher hat der andere Vertragspartner es in der Hand, sich die Verwirklichung dieses Wunsches durch ehevertragliche Zugeständnisse "abkaufen" zu lassen (Rn.8) .

Fundstellen
FamRZ 2007, 1157 (red. Leitsatz und Gründe)
NJW-​RR 2007, 1370-​1371 (red. Leitsatz und Gründe)
EzFamR BGB § 1585c Nr 15 (red. Leitsatz und Gründe)
Verfahrensgang
vorgehend OLG Koblenz 3. Senat für Familiensachen, 25. Mai 2004, 11 UF 329/03
vorgehend AG Mainz, 23. April 2003, 31 F 135/02
Diese Entscheidung wird zitiert
Kommentare
Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-​BGB
● Hausch, 10. Auflage 2023, § 1408 BGB
Staudinger, BGB
● Baumann, BGB § 1585c Vereinbarungen über den Unterhalt; VI. Prägung der Gestaltungsfreihei…; 3. Die Grundsatzentscheidungen des…; n) Fall 12: „Russische Klavierlehrerin 2“ (BGH v 28. 3. 2007 – XII ZR 2014
Literaturnachweise
Ludwig Bergschneider, FamRZ 2007, 1157-​1158 (Anmerkung)
Sonstiges
Borth, Praxis des Unterhaltsrechts
● Borth, Q. Vereinbarungen im Unterhaltsrecht; II. Vereinbarungen zum Unterhalt bei…; 9. Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen seit der grundlegenden Entscheidung des BGH vom 11.2.2004

Tenor

            Die Anhörungsrüge gegen das Senatsurteil vom 22. November 2006 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Gründe

1          Die Anhörungsrüge ist nicht begründet. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung ausführlich die Frage einer Sittenwidrigkeit des von den Parteien geschlossenen Ehevertrags erörtert. Der Senat hat dabei verdeutlicht, dass bereits gegen die Wirksamkeit dieses Vertrages - entgegen der im angefochtenen Urteil vertretenen und von der Revision unterstützten Rechtsauffassung - erhebliche Zweifel bestehen. Im Einzelnen:

2          1. Der Antragsteller rügt, das Senatsurteil vom 22. November 2006 beruhe auf der Annahme, die Antragsgegnerin sei zur Zeit der Eheschließung als Musiklehrerin nicht in der Lage gewesen, ihren Unterhaltsbedarf zu decken. Diese Annahme stehe im Widerspruch zu den vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen anders lautenden Feststellungen des Amtsgericht. Die Rüge ist nicht begründet.

3          Nach Auffassung des Senats befand sich die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller u.a. schon deshalb in einer deutlich schwächeren Verhandlungsposition, weil bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrags absehbar war, dass sie, da sie der deutschen Sprache nicht mächtig war, als Klavierlehrerin in Deutschland schwerlich Erwerbsmöglichkeiten finden würde, die ihr und ihrem Kind im Trennungsfall ein vom Antragsteller wirtschaftlich unabhängiges Auskommen hätten vermitteln können. Der Senat hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass auch das Krankheitsbild der Antragsgegnerin, das nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts den Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannt war, die Möglichkeit einer künftigen Einschränkung ihrer Erwerbstätigkeit zumindest nahe legte. Aus diesen Umständen hat der Senat auf nur eng begrenzte Chancen der Antragsgegnerin auf dem deutschen Arbeitsmarkt und auf eine vorhersehbar begrenzte gesundheitliche Belastbarkeit der Antragsgegnerin geschlossen.

4          Diese Würdigung steht zu den Tatsachenfeststellungen des Oberlandesgerichts nicht in Widerspruch. Das gilt auch insoweit, als im Tatbestand des Berufungsurteils auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen wird. Nach den Gründen des Urteils des Amtsgerichts war "bei Vertragsschluss … nicht erkennbar, dass infolge der notariellen Vereinbarung die Antragsgegnerin in Zukunft auf staatliche Hilfe … angewiesen sein würde. … Zur Zeit der Eheschließung war sie auch in der Lage, ihren Unterhaltsbedarf selbst zu decken; denn sie ist Musiklehrerin und hatte Unterrichtsstunden gegeben." Bei dem ersten Teil dieser Begründung des Amtsgerichts handelt es sich nicht um eine Tatsachenfeststellung, sondern um eine Schlussfolgerung, die sich das Oberlandesgericht als solche nicht zu eigen gemacht hat und die jedenfalls der revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt. Bei dem zweiten Teil dieser Begründung trägt - für das Revisionsgericht nachprüfbar - die Tatsachenfeststellung die Folgerung nicht. Aus der Tatsache, dass die Antragsgegnerin von Beruf Klavierlehrerin ist, lässt sich angesichts der vom Senat dargestellten Gesamtsituation nicht darauf schließen, dass die Antragsgegnerin ihren und ihres Sohnes Unterhaltsbedarf aus eigener Kraft decken konnte. Dies gilt um so mehr, als das Amtsgericht nicht einmal ansatzweise festgestellt hat, dass die Antragsgegnerin, die - wie dargelegt - über keine Arbeitserlaubnis verfügte, während ihres Besuchs in Deutschland in einem ihren und ihres Sohnes Unterhaltsbedarf deckenden Umfang Unterrichtsstunden gegeben hat.

5          2. Der Antragsteller rügt, entgegen den Ausführungen im Senatsurteil sei "der reine Wunsch, im Inland zu leben" kein Belang, der für die Wirksamkeitskontrolle eines Ehevertrages von Bedeutung sein könne. Auch diese Rüge greift nicht durch:

6          Der Senat hat dargelegt, dass die Antragsgegnerin ohne die Eheschließung weder eine unbefristete Aufenthalts- noch eine Arbeitserlaubnis erhalten hätte und "somit ihren Wunsch, im Inland zu bleiben, nicht hätte verwirklichen können". Damit wurde klargestellt, dass auch derjenige Vertragspartner sich in einer deutlich schlechteren Verhandlungsposition befindet, der sich als Ausländer bereits im Inland aufhält, aber seinen Lebensplan, dort dauerhaft ansässig und erwerbstätig zu werden, nur unter der dem anderen Vertragspartner bekannten Voraussetzung der Eheschließung verwirklichen kann, die herbeizuführen in dessen Belieben steht. Je dringlicher dieser Wunsch ist, desto eher hat der andere Vertragspartner es in der Hand, sich die Verwirklichung dieses Wunsches durch ehevertragliche Zugeständnisse "abkaufen" zu lassen. Diese rechtliche Würdigung durch eine abweichende eigene Beurteilung zu ersetzen ist dem Antragsteller verwehrt.

7          3. Schließlich macht der Antragsteller geltend, das Oberlandesgericht habe sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt, indem es ihn nicht zuvor auf die von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichende Rechtsauffassung des Berufungsgerichts hingewiesen und seinen Vortrag zu Einzelfragen der Unterhaltshöhe als verspätet zurückgewiesen habe. Hierauf, insbesondere auf das Fehlen eines vorangehenden richterlichen Hinweises, sei der Senat in seinen Urteilsgründen nicht eingegangen.

8          Auch diese Rüge ist nicht begründet. Die Zurückweisung des Vorbringens des Antragstellers durch das Oberlandesgericht wird im Senatsurteil ausführlich gewürdigt. Das von der Revision beanstandete Unterlassen eines richterlichen Hinweises gegenüber dem anwaltlich vertretenen Antragsteller hat der Senat dabei in seine Prüfung einbezogen und für nicht verfahrenswidrig erachtet; allerdings hat er keine Veranlassung gesehen, auch diesen Aspekt in den Gründen seines Urteils näher zu erörtern. Eine Gehörsverletzung durch den Senat liegt mithin nicht vor.

            Hahne                              Sprick                              Weber-​Monecke                 Wagenitz                             Dose
FN 19: BGH, Beschluss vom 17. Januar 2018 – XII ZB 20/17 Rn. 21

Gericht:

BGH 12. Zivilsenat

Entscheidungsdatum:

17.01.2018

Rechtskraft:

ja

Aktenzeichen:

XII ZB 20/17

ECLI:

ECLI:DE:BGH:2018:170118BXIIZB20.17.0

Dokumenttyp:

Beschluss


Quelle:

 

Normen:

§ 138 BGB, § 139 BGB, § 1408 BGB

Zitiervorschlag:

BGH, Beschluss vom 17. Januar 2018 – XII ZB 20/17 –, juris


Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags mit einem von der Ausweisung bedrohten Ausländer

Leitsatz
            Zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags mit einem von der Ausweisung bedrohten Ausländer aufgrund einer Gesamtschau der zu den Scheidungsfolgen getroffenen Regelungen (Fortführung von Senatsurteil vom 22. November 2006, XII ZR 119/04, FamRZ 2007, 450 und von Senatsbeschluss vom 17. Mai 2006, XII ZB 250/03, FamRZ 2006, 1097).(Rn.18)

Orientierungssatz
            1. Das Ansinnen eines Ehegatten, eine Ehe nur unter der Bedingung eines Ehevertrags eingehen zu wollen, begründet für sich genommen auch bei Vorliegen eines Einkommens- und Vermögensgefälles für den anderen Ehegatten noch keine (Zwangs-​)Lage, aus der ohne Weiteres auf eine gestörte Vertragsparität geschlossen werden kann. Etwas anderes gilt aber ausnahmsweise dann, wenn der mit dem Verlangen nach dem Abschluss eines Ehevertrags konfrontierte Ehegatte erkennbar in einem besonderen Maße auf die Eheschließung angewiesen ist. Ein solcher Fall kann gegeben sein, wenn dem ausländischen Vertragspartner die Ausweisung droht.(Rn.21)

            2. Ergibt sich das Verdikt der Sittenwidrigkeit aus der Gesamtwürdigung eines einseitig belastenden Ehevertrags, erfasst die Nichtigkeitsfolge notwendig den gesamten Vertrag, ohne dass eine salvatorische Klausel hieran etwas zu ändern vermag.(Rn.23)

Fundstellen
NSW BGB § 138 Cd (BGH-​intern)
NSW BGB § 1408 (BGH-​intern)
NZFam 2018, 267-​270 (red. Leitsatz und Gründe)
NJW 2018, 1015-​1018 (Leitsatz und Gründe)
FamRZ 2018, 577-​580 (Leitsatz und Gründe)
RNotZ 2018, 257-​262 (Leitsatz und Gründe)
ZNotP 2018, 70-​74 (Leitsatz und Gründe)
MDR 2018, 599-​601 (Leitsatz und Gründe)
InfAuslR 2018, 244-​246 (Leitsatz und Gründe)
DNotZ 2018, 620-​627 (Leitsatz und Gründe)
Verfahrensgang
vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 22. Dezember 2016, 2 UF 147/15
vorgehend AG Hamburg-​St. Georg, 22. Oktober 2015, 983 F 96/14
Diese Entscheidung wird zitiert

Rechtsprechung
Vergleiche FG Hamburg 3. Senat, 23. September 2020, 3 K 136/19
Vergleiche AG Hamburg, 19. Juli 2019, 277 F 131/19
Anschluss Brandenburgisches Oberlandesgericht 4. Senat für Familiensachen, 5. Juli 2018, 13 UF 117/17

Kommentare
Erman, BGB
● Budzikiewicz, § 1372 Zugewinnausgleich in anderen Fällen; 5. Regelung des Zugewinnausgleichs durch Vereinbarung der Ehegatten
● Heinemann, § 1408 Ehevertrag, Vertragsfreiheit
● Kroll-​Ludwigs, Einleitung vor § 1297; I. Allgemeines
● Norpoth;Sasse, § 8 Besondere materielle Wirksamkeitsvoraussetzungen; II. Inhalts- und Ausübungskontrolle
● Schmidt-​Räntsch, § 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher; V. Einzelfälle (alphabetisch)
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Zeitschriften
Alexander Schwonberg, FamRB 2018, 172-​174

Literaturnachweise
Wolfgang Reetz, DNotZ 2018, 627-​633 (Anmerkung)
Alexander Schwonberg, FamRB 2018, 172-​174 (Anmerkung)
Ludwig Bergschneider, FamRZ 2018, 1421 (Anmerkung)
Ludwig Bergschneider, FamRZ 2018, 580-​581 (Anmerkung)
Winfried Born, FF 2021, 148-​159 (Aufsatz)
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Sonstiges
Duderstadt, Scheidung und Scheidungsfolgen
● Jochen Duderstadt, 1 Scheidung; 1.4 Die einverständliche Scheidung
● Jochen Duderstadt, 2 Eheverträge und Scheidungsfolgenvergleiche; 2.2 Globalverzicht
Horndasch, AnwF Familienrecht
● Dr. Peter Horndasch, § 1 Das Scheidungsverfahren; E. Der Versorgungsausgleich; III. Checkliste: Versorgungsausgleich; 9. Vereinbarung über den Versorgungsausgleich, §§ 6 – 8 VersAusglG
Viefhues, Von der Trennung bis zur Scheidung
● Viefhues, Wolfram, § 21 Vereinbarungen zwischen Eheleuten; B. Inhaltskontrolle von Eheverträgen; I. Unwirksamkeit wegen Sittenwidrigkeit
Viefhues et al., Das familienrechtliche Mandat - Unterhaltsrecht
● Dr. K.-​Peter Horndasch, § 3 Ehegattenunterhalt; J. Vereinbarungen zum Ehegattenunterhalt; III. Die Grenzen der Vertragsgestaltung
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Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
Fortführung BGH 12. Zivilsenat, 22. November 2006, XII ZR 119/04
Fortführung BGH 12. Zivilsenat, 17. Mai 2006, XII ZB 250/03

Tenor
            Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Familiensenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 22. Dezember 2016 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
            Von Rechts wegen

Gründe

            I.

1          Die beteiligten Eheleute streiten im Scheidungsverbund um den Zugewinnausgleich und dabei insbesondere um die Wirksamkeit eines Ehevertrags.

2          Der 1963 geborene Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) und die 1971 geborene Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) heirateten am 7. Februar 1997. Im Vorfeld ihrer Eheschließung hatten die beteiligten Eheleute am 21. Januar 1997 - unter im Einzelnen streitigen Umständen - einen notariell beurkundeten Ehevertrag geschlossen, durch den sie Gütertrennung vereinbarten, den Versorgungsausgleich ausschlossen und für den Fall der Scheidung gegenseitig und vollständig auf nachehelichen Unterhalt verzichteten; ferner war geregelt, dass die etwaige Unwirksamkeit einer Bestimmung auf die Wirksamkeit des Vertrags im Übrigen keinen Einfluss haben sollte. Aus der Ehe ist eine im Jahr 2002 geborene Tochter hervorgegangen.

3          Der Ehemann ist deutscher Staatsangehöriger. Er ist ausgebildeter Fernmeldemonteur und hat in der ehemaligen DDR ein Studium Schiffselektronik/Nachrichtenwesen absolviert. Durchgehend seit dem Jahr 1991 ist er als Postbeamter - zuletzt in der Besoldungsgruppe A 11 - vollschichtig erwerbstätig. Die Ehefrau stammt aus Bosnien und hatte dort eine Ausbildung zur Verkäuferin absolviert. Sie kam im Jahre 1994 als Bürgerkriegsflüchtling in das Bundesgebiet. Nach ihrer Einreise nahm sie eine vollschichtige Beschäftigung als Gebäudereinigerin auf; einen gesicherten Aufenthaltsstatus erlangte sie bis zu ihrer Heirat nicht. Nach der Eheschließung war die Ehefrau bis zur Geburt des gemeinsamen Kindes im Jahr 2002 zunächst weiterhin als Gebäudereinigerin und als Verkäuferin vollschichtig erwerbstätig. Danach arbeitete sie im Anschluss an eine zweijährige Berufspause zwischen 2004 und 2010 auf Basis einer geringfügigen sozialversicherungsfreien Beschäftigung als Verkäuferin in einer Bäckerei. Sie hat mittlerweile die deutsche Staatsangehörigkeit erworben.

4          Das vorliegende Scheidungsverfahren ist seit dem 16. April 2014 rechtshängig. Die Ehefrau hat im Scheidungsverbund in der Folgesache Zugewinnausgleich einen Stufenantrag gestellt und - in der ersten Stufe - von dem Ehemann Auskunft über sein Endvermögen und sein Trennungsvermögen verlangt. Das Amtsgericht hat die Ehe geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Stufenantrag zum Güterrecht abgewiesen. Mit ihrer Beschwerde hat sich die Ehefrau gegen den Scheidungsausspruch und gegen die Abweisung ihres güterrechtlichen Stufenantrages gewendet. Das Oberlandesgericht hat die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben, den Ehemann in der Folgesache Zugewinnausgleich zur Erteilung von Auskünften zum Trennungsvermögen und zum Endvermögen verpflichtet und das Verbundverfahren im Übrigen an das Amtsgericht zurückverwiesen.

5          Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Ehemanns, der eine Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erstrebt.

            II.

6          Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

7          1. Das Beschwerdegericht hat die Auffassung vertreten, dass der Ehemann zur Auskunft im Rahmen des Güterrechts verpflichtet ist, weil der Ehevertrag wegen Verstoßes gegen die guten Sitten insgesamt unwirksam sei. Dies hat das Beschwerdegericht wie folgt begründet:

8          Die Ehegatten hätten eine evident einseitige und nicht gerechtfertigte Lastenverteilung zum Nachteil der Ehefrau vereinbart. Zwar sei der Ausschluss des gesetzlichen Güterstands für sich genommen regelmäßig nicht sittenwidrig, soweit er unter fairen Verhandlungsbedingungen zu Stande komme. Hier ergebe sich aber in der Gesamtschau, dass sich die Sittenwidrigkeit auch auf den vereinbarten Ausschluss des Zugewinnausgleichs erstrecke.

9          Der einseitige Vertragsinhalt beruhe auf ungleichen Verhandlungspositionen. Unstreitig sei die Ehefrau bei Vertragsschluss der deutschen Sprache nicht mächtig gewesen. Der Abschluss der notariellen Vereinbarung sei ohne Hinzuziehung eines geeigneten Dolmetschers erfolgt, so dass es der Ehefrau aufgrund ihrer Sprachprobleme unmöglich gewesen sei, den Sinngehalt der ehevertraglichen Vereinbarung richtig zu erfassen. Es sei nicht Aufgabe der Ehefrau gewesen, einen geeigneten Dolmetscher hinzuzuziehen. In diesem Zusammenhang sei es auch von Bedeutung, dass der Ehefrau vorab kein in ihre Heimatsprache übersetzter Entwurf des Ehevertrags überlassen worden sei. Die Ehefrau habe sich in einer besonderen Notsituation befunden. Sie habe sich mit einem Flüchtlingsstatus in Deutschland aufgehalten und bereits eine "Abschiebeverfügung" erhalten. Ihre einzige Möglichkeit zur Sicherung des weiteren Aufenthalts in Deutschland sei die Heirat mit dem Ehemann gewesen. Zu diesem Zwecke habe sie Deutschland zunächst verlassen müssen, um unmittelbar vor der Eheschließung wieder einzureisen. Mangels zur Verfügung stehender Zeit sei eine faire Vorbereitung des Vertragsschlusses unmöglich gewesen. Zwischen den Eheleuten habe auch eine wirtschaftliche Disparität bestanden. Der Ehemann habe über deutlich höhere und gesicherte Einkünfte verfügt und sei zudem Eigentümer einer Immobilie gewesen.

10        Der einseitig belastende Inhalt des Ehevertrags könne auch nicht - wie der Ehemann meine - mit dem legitimen Interesse an der Absicherung der vorhersehbar allein aus seinem Erwerbseinkommen finanzierten Investitionen in seine Immobilie gerechtfertigt werden, denn diese Sichtweise beruhe auf einem grundlegenden Missverständnis der Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft. Eine Kompensation der wirtschaftlichen Nachteile zu Gunsten der Ehefrau sei in dem Ehevertrag nicht vorgesehen. Auch ein besonderer Ehetypus oder andere gewichtige Belange des Ehemanns rechtfertigten die ehevertragliche Regelung nicht.

11        2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand. Mit Recht geht das Beschwerdegericht davon aus, dass die in dem Ehevertrag vom 21. Januar 1997 enthaltene Abrede zum Güterrecht jedenfalls im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller zu den Scheidungsfolgen getroffenen Einzelregelungen einer Wirksamkeitskontrolle am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB nicht standhält.

12        a) Wie der Senat wiederholt dargelegt hat, unterliegen die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Ehegatten. Die Disponibilität der Scheidungsfolgen darf allerdings nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Das wäre der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten - unter angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede - bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. Die Belastungen des einen Ehegatten werden dabei umso schwerer wiegen und die Belange des anderen Ehegatten umso genauerer Prüfung bedürfen, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13 - FamRZ 2014, 629 Rn. 16 und Senatsurteil vom 31. Oktober 2012 - XII ZR 129/10 - FamRZ 2013, 195 Rn. 16 mwN).

13        Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle hat der Tatrichter zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr - und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge einer Anwendbarkeit der gesetzlichen Regelungen zu versagen ist. Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse beim Vertragsschluss abstellt, insbesondere auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und auf die Kinder. Subjektiv sind die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13 - FamRZ 2014, 629 Rn. 17 und Senatsurteil vom 31. Oktober 2012 - XII ZR 129/10 - FamRZ 2013, 195 Rn. 17; grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81, 100 f. = FamRZ 2004, 601, 606).

14        b) Dabei erweist sich der hier verfahrensgegenständliche Zugewinnausgleich einer ehevertraglichen Disposition am weitesten zugänglich. Schon im Hinblick auf den im Gesetz vorgesehenen Wahlgüterstand der Gütertrennung und die daraus folgende nachrangige Bedeutung des Zugewinnausgleichs im System des Scheidungsfolgenrechts wird ein Ausschluss des gesetzlichen Güterstands für sich genommen regelmäßig nicht sittenwidrig sein (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. März 2017 - XII ZB 109/16 - FamRZ 2017, 884 Rn. 36 und vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13 - FamRZ 2014, 629 Rn. 32; Senatsurteil vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 17 ff.).

15        c) Ergibt die Wirksamkeitskontrolle des Ehevertrags allerdings, dass einzelne ehevertragliche Regelungen zu - kernbereichsnäheren - Scheidungsfolgen bei isolierter Betrachtungsweise sittenwidrig und daher nichtig sind, so ist nach § 139 BGB im Zweifel der gesamte Ehevertrag nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass er auch ohne die unwirksamen Bestimmungen geschlossen sein würde (vgl. Senatsurteile vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 31 und vom 25. Mai 2005 - XII ZR 296/01 - FamRZ 2005, 1444, 1447). Ob - was zwischen den Beteiligten streitig ist - schon im Zeitpunkt des Vertragsschlusses wegen eines konkreten Kinderwunsches die Tendenz zu einer Alleinverdienerehe eindeutig vorgezeichnet war und deshalb die Beurteilung berechtigt ist, dass insbesondere der vollständige Verzicht auf Betreuungsunterhalt (vgl. dazu Senatsurteil vom 31. Oktober 2012 - XII ZR 129/10 - FamRZ 2013, 195 Rn. 19) und der Ausschluss des Versorgungsausgleichs (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13 - FamRZ 2014, 629 Rn. 20) zu Lasten des sich plangemäß aus dem Erwerbsleben zurückziehenden Ehegatten für sich genommen sittenwidrig und daher unwirksam sein könnten, bedarf unter den hier obwaltenden Umständen allerdings keiner abschließenden Erörterung.

16        d) Selbst wenn die ehevertraglichen Einzelregelungen zu den Scheidungsfolgen bei isolierter Betrachtungsweise den Vorwurf der Sittenwidrigkeit jeweils für sich genommen nicht zu rechtfertigen vermögen, kann sich ein Ehevertrag nach ständiger Rechtsprechung des Senats im Rahmen einer Gesamtwürdigung als insgesamt sittenwidrig erweisen, wenn das objektive Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten abzielt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. März 2017 - XII ZB 109/16 - FamRZ 2017, 884 Rn. 38 und vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13 - FamRZ 2014, 629 Rn. 38; Senatsurteile vom 31. Oktober 2012 - XII ZR 129/10 - FamRZ 2013, 195 Rn. 22 und vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 26).

17        Mit Recht hat das Beschwerdegericht erkannt, dass sich der Ehevertrag vom 21. Januar 1997 jedenfalls in der Gesamtwürdigung der getroffenen Abreden als insgesamt sittenwidrig und damit als im Ganzen nichtig erweist.

18        aa) Der objektive Gehalt der Gesamtregelung ("Globalverzicht") zielte erkennbar auf eine einseitige Benachteiligung der Ehefrau. Der wechselseitige Unterhaltsverzicht, der Ausschluss des Versorgungsausgleichs und die Vereinbarung der Gütertrennung dienten nur den Interessen des Ehemanns als dem wirtschaftlich stärkeren Ehegatten mit dem höheren Einkommen und der (potentiell) höheren Vermögensbildung in der Ehezeit. Auch wenn beide Eheleute bei Vertragsschluss vollschichtig erwerbstätig waren und zu diesem Zeitpunkt noch kein konkreter Kinderwunsch bestanden haben mag, konnte schon angesichts des Alters der beiden Ehegatten bei der Eheschließung (34 Jahre bzw. 25 Jahre) eine spätere Familiengründung nicht von vornherein ausgeschlossen werden, was letztlich auch die fünf Jahre später erfolgte Geburt der gemeinsamen Tochter verdeutlicht. Jedenfalls wird deshalb in die Beurteilung der Frage, ob eine ehevertragliche Vereinbarung im Rahmen einer Gesamtwürdigung objektiv unausgewogen ist, auch die Situation der Ehegatten nach einer bei Vertragsschluss zumindest für möglich gehaltenen Geburt gemeinsamer Kinder einzubeziehen sein (vgl. auch Senatsbeschluss vom 17. Mai 2006 - XII ZB 250/03 - FamRZ 2006, 1097, 1098). Es war für diesen Fall vorhersehbar, dass der einkommensschwächeren Ehefrau - wie tatsächlich geschehen - die Aufgaben der Kinderbetreuung und Haushaltsführung übertragen werden würden. Eine Wirksamkeit des vereinbarten Unterhaltsverzichts hätte dann im Falle der Ehescheidung dazu geführt, dass die Ehefrau selbst im Fall der Betreuung gemeinsamer Kinder jeden nachehelichen Schutz vor ehebedingten Einkommenseinbußen verloren hätte. Auch der mit der Übernahme der Haushaltsführung und Kinderbetreuung einhergehende Verzicht auf eine eigene versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit in der Ehezeit wäre der Ehefrau nicht honoriert worden; der Verzicht auf den Versorgungsausgleich sichert allein dem Ehemann die in der Ehe erwirtschaftete Altersversorgung. Die Ehefrau hätte mithin alle ehebedingten vermögensrechtlichen Nachteile allein zu tragen gehabt - ein Ergebnis, das mit dem Gebot der ehelichen Solidarität schlechthin unvereinbar wäre. Diese Einseitigkeit findet im Ausschluss des Zugewinnausgleichs ihre Fortsetzung.

19        bb) Allerdings hat der Senat in ständiger Rechtsprechung betont, dass aus dem objektiven Zusammenspiel einseitig belastender - aber für sich genommen noch hinnehmbarer - Regelungen zu den Scheidungsfolgen nur dann auf die weiter erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten geschlossen werden kann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt. Eine lediglich auf die Einseitigkeit der Lastenverteilung gegründete tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit lässt sich bei familienrechtlichen Verträgen nicht aufstellen. Ein unausgewogener Vertragsinhalt mag in diesem Zusammenhang zwar ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten sein. Gleichwohl wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit in der Regel nicht gerechtfertigt sein, wenn sonst außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität, insbesondere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit, hindeuten könnten (Senatsbeschlüsse vom 15. März 2017 - XII ZB 109/16 - FamRZ 2017, 884 Rn. 39 und vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13 - FamRZ 2014, 629 Rn. 39; Senatsurteile vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 27 und vom 31. Oktober 2012 - XII ZR 129/10 - FamRZ 2013, 195 Rn. 24). Gemessen daran hat das Beschwerdegericht schon auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts hinreichende Umstände aufgezeigt, aus denen es in der gebotenen Gesamtschau rechtsbedenkenfrei darauf schließen konnte, dass sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt die unterlegene Verhandlungsposition der Ehefrau und damit eine gestörte subjektive Vertragsparität widerspiegelt.

20        (1) Der Ehemann war der Ehefrau in sozialer und ökonomischer Hinsicht überlegen. Er war in Deutschland beheimatet und durch seine Stellung im öffentlichen Dienst wirtschaftlich abgesichert. Die lebensjüngere Ehefrau hielt sich erst seit knapp drei Jahren in Deutschland auf und beherrschte die deutsche Sprache noch nicht. Sie war vor der Eheschließung zwar ebenfalls - als Gebäudereinigerin - erwerbstätig gewesen; dabei betrug ihr rentenversicherungspflichtiges Jahresbruttoeinkommen ausweislich der zum Versorgungsausgleich eingeholten Auskünfte der DRV Bund in den Jahren 1996 und 1997 allerdings (nur) rund 20.000 DM. Die dauerhafte Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit in Deutschland wäre ihr zudem nur bei einer unbefristeten Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis möglich gewesen, die sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht erlangt hatte.

21        (2) Wie der Senat mehrfach ausgesprochen hat, begründet das Ansinnen eines Ehegatten, eine Ehe nur unter der Bedingung eines Ehevertrags eingehen zu wollen, für sich genommen auch bei Vorliegen eines Einkommens- und Vermögensgefälles für den anderen Ehegatten in Regel noch keine (Zwangs-​) Lage, aus der ohne Weiteres auf eine gestörte Vertragsparität geschlossen werden kann. Etwas anderes gilt aber ausnahmsweise dann, wenn der mit dem Verlangen nach dem Abschluss eines Ehevertrags konfrontierte Ehegatte erkennbar in einem besonderen Maße auf die Eheschließung angewiesen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13 - FamRZ 2014, 629 Rn. 41 und Senatsurteil vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 28). In diesem Zusammenhang hebt das Beschwerdegericht zu Recht die ausländerrechtliche Komponente des Streitfalls hervor (vgl. dazu auch Senatsbeschluss vom 17. Mai 2006 - XII ZB 250/03 - FamRZ 2006, 1097, 1098 und Senatsurteil vom 22. November 2006 - XII ZR 119/04 - FamRZ 2007, 450, 451 f.). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts war die Ehefrau von der Ausweisung bedroht. Es liegt auf der Hand, dass sich ein ausländischer Vertragspartner bei der Aushandlung eines Ehevertrags in einer deutlich schlechteren Verhandlungsposition befindet, wenn er seinen Lebensplan, dauerhaft unter Verbesserung seiner Lebensverhältnisse in Deutschland ansässig und erwerbstätig zu werden, nur unter der dem anderen Vertragspartner bekannten Voraussetzung der Eheschließung verwirklichen kann. Je dringlicher dieser Wunsch - etwa mit Blick auf drohende ausländerrechtliche Maßnahmen - erscheint, desto eher hat es der andere Vertragspartner in der Hand, sich die Verwirklichung dieses Wunsches durch ehevertragliche Zugeständnisse "abkaufen" zu lassen (vgl. Senatsbeschluss vom 28. März 2007 - XII ZR 119/04 - FamRZ 2007, 1157 Rn. 6).

22        (3) Bei dieser Sachlage kann es im Ergebnis sogar auf sich beruhen, ob die Ehefrau auch durch die konkrete Gestaltung des Beurkundungsverfahrens zusätzlich benachteiligt worden ist. Es kann deshalb insbesondere dahinstehen, ob dem Ehemann - wie das Beschwerdegericht meint - in der Gesamtschau auch die Hinzuziehung eines ungeeigneten Dolmetschers im Beurkundungstermin anzulasten ist. Unstreitig ist allerdings, dass der sprachunkundigen Ehefrau im Vorfeld der Beurkundung kein eigener Vertragsentwurf überlassen worden war, so dass ihr von vornherein die Möglichkeit genommen wurde, sich den Vertragstext - wenigstens in groben Zügen - vorab schriftlich in ihre Heimatsprache übersetzen zu lassen. Bei dieser Verfahrensgestaltung blieb der Ehefrau, wenn ihr daran gelegen war, den Vertragstext vor der Unterzeichnung in einer ihr vertrauten Sprache zu lesen, nur die unangenehme und voraussichtlich mit einer Verzögerung des Vertragsschlusses verbundene Möglichkeit, sich im Notartermin einer Genehmigung der Niederschrift ohne vorherige Aushändigung einer schriftlichen Übersetzung zu widersetzen (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 2 BeurkG).

23        cc) Ergibt sich das Verdikt der Sittenwidrigkeit - wie hier - aus der Gesamtwürdigung eines einseitig belastenden Ehevertrags, erfasst die Nichtigkeitsfolge nach ständiger Rechtsprechung des Senats notwendig den gesamten Vertrag, ohne dass eine salvatorische Klausel hieran etwas zu ändern vermag (vgl. Senatsurteile vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 31 und vom 9. Juli 2008 - XII ZR 6/07 - FamRZ 2008, 2011 Rn. 24; Senatsbeschluss vom 17. Mai 2006 - XII ZB 250/03 - FamRZ 2006, 1097, 1098). Denn dann erfüllte die salvatorische Klausel im Interesse des begünstigten Ehegatten die Funktion, den Restbestand eines dem benachteiligten Ehegatten aufgedrängten Vertragswerks so weit wie möglich gegenüber der etwaigen Unwirksamkeit einzelner Vertragsbestimmungen rechtlich abzusichern; in diesem Falle spiegelt sich auch in der Vereinbarung der Erhaltungsklausel selbst die auf ungleichen Verhandlungspositionen beruhende Störung der Vertragsparität zwischen den Ehegatten wider (Senatsurteil vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 31).

24        3. Die angefochtene Entscheidung des Beschwerdegerichts hat daher Bestand.

25        a) Zwar ist die vom Beschwerdegericht angeordnete Zurückverweisung des gesamten Verfahrens an das Amtsgericht verfahrensordnungswidrig erfolgt. Hat das Amtsgericht einen Stufenantrag in einer vermögensrechtlichen Folgesache insgesamt abgewiesen und gibt das Beschwerdegericht demgegenüber dem Auskunftsanspruch in der ersten Stufe statt, kommt eine Zurückverweisung des Verfahrens an das Amtsgericht in analoger Anwendung von § 117 Abs. 2 Satz 1 iVm § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO grundsätzlich in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 19. November 2014 - XII ZB 522/14 - FamRZ 2015, 247 Rn. 19; BGH Beschluss vom 22. September 2008 - II ZR 257/07 - NJW 2009, 431 Rn. 12 und Urteil vom 3. Mai 2006 - VIII ZR 168/05 - NJW 2006, 2626 Rn. 14 f.). Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend ist auch, dass dann, wenn bei gemeinsamer Anfechtung von Ehescheidung und Folgesache lediglich das Rechtsmittel in der Folgesache begründet ist, eine Aufhebung und Zurückverweisung durch das Rechtsmittelgericht zur Aufrechterhaltung des Verbundes in erster Instanz grundsätzlich auch auf die Scheidungssache zu erstrecken ist (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2013, 301, 302; Helms in Prütting/Helms FamFG 4. Aufl. § 142 Rn. 3; BeckOK FamFG/Nickel [Stand: Oktober 2017] § 142 Rn. 7; vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 13. November 2013 - XII ZB 453/13 - juris Rn. 3 und vom 4. September 2013 - XII ZB 87/12 - FamRZ 2013, 1879 Rn. 12). Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung der Sache analog § 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG iVm § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO lagen hier allerdings nicht vor, weil es an dem dafür erforderlichen Antrag mindestens eines Beteiligten fehlte (vgl. BGH Beschluss vom 22. September 2008 - II ZR 257/07 - NJW 2009, 431 Rn. 12; vgl. auch BGH Urteil vom 22. Juni 2004 - XI ZR 90/03 - NJW-​RR 2004, 1637, 1639).

26        b) Das Fehlen des für eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 ZPO notwendigen Antrags kann durch das Rechtsbeschwerdegericht aber nicht von Amts wegen, sondern nur auf eine rechtzeitig und ordnungsgemäß in der Form des § 71 Abs. 3 Nr. 2 lit. b FamFG angebrachte Verfahrensrüge berücksichtigt werden. Eine solche Rüge hat die Rechtsbeschwerde nicht erhoben. Die abschließende und allgemein gehaltene Rüge einer Verletzung des "gesamten Verfahrensrechts, insbesondere Verletzung von § 113 FamFG iVm § 286 ZPO", ist in diesem Zusammenhang nicht ausreichend (vgl. BGH Beschluss vom 18. Februar 1997 - XI ZR 317/95 - NJW 1997, 1710).

27        4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Dose     

      

Schilling     

      

Günter

      

Botur     

      

Krüger     

      

FN 19: BGH, Beschluss vom 17. Mai 2006 – XII ZB 250/03 Rn. 14.

Gericht:

BGH

Entscheidungsdatum:

17.05.2006

Aktenzeichen:

XII ZB 250/03

Dokumenttyp:

Beschluss


Quelle:

 

 

Deutscher Anwaltverlag, Bonn

Fundstelle:

FF 2006, 200-203

Norm:

§ 138 BGB

Zitiervorschlag:

FF 2006, 200-203


Titelzeile

Nichtigkeit des gesamten Ehevertrages

Vorinstanz
(OLG Düsseldorf, AG Düsseldorf)
 § 138 Abs. 1 BGB
Leitsatz

Ergibt bereits die Gesamtwürdigung eines Ehevertrags, dessen Inhalt für eine Partei ausnahmslos nachteilig ist und dessen Einzelregelungen durch keine berechtigten Belange der anderen Partei gerechtfertigt werden, dessen Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB), so erfasst die Nichtigkeitsfolge notwendig den gesamten Vertrag; für eine Teilnichtigkeit bleibt in einem solchen Fall kein Raum. Insbesondere lässt sich die Nichtigkeit des vereinbarten Ausschlusses des Versorgungsausgleichs nicht deshalb verneinen, weil bereits der Ausschluss des nachehelichen Unterhalts seinerseits nichtig sei und die benachteiligte Partei deshalb mithilfe des Altersvorsorgeunterhalts eine eigene Altersvorsorge aufbauen könne.

Gründe: I. Die am 6.3.1990 geschlossene Ehe der Parteien, aus der zwei 1993 und 1997 geborene Kinder hervorgegangen

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sind, wurde auf den der Ehefrau (Antragsgegnerin, brasilianische Staatsangehörige, geb. 1966) am 8.2.2003 zugestellten Antrag des Ehemannes (Antragssteller, deutscher Staatsangehöriger, geb. 1955) durch Verbundurteil des AG – Familiengericht – vom 27.5.2003 geschieden (insoweit rechtskräftig seit dem 1.10.2003). Die Parteien streiten über die Durchführung des Versorgungsausgleichs.
Mit notariellem Ehevertrag vom 20.2.1990 vereinbarten die Parteien für ihre Ehe die Geltung deutschen Rechts sowie Gütertrennung. Außerdem schlossen sie u.a. jegliche Ausgleichsansprüche sowie den Versorgungsausgleich aus und verzichteten wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt mit Ausnahme des Unterhalts aus Anlass der Versorgung eines oder mehrerer gemeinsamer Kinder. Die etwaige Ungültigkeit einzelner Bestimmungen des Vertrages sollte auf dessen Fortbestand und auf die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen keinen Einfluss haben. Mit notariellem Ehevertrag vom 7.3.1990 erstreckten die Parteien den Unterhaltsverzicht auf jeglichen nachehelichen Unterhalt und damit – ausdrücklich – auch auf den wegen der Betreuung eines gemeinsamen Kindes geschuldeten Unterhalt. Für die Antragsgegnerin, die der deutschen Sprache damals nicht mächtig war, wurde beim Abschluss beider Verträge eine Dolmetscherin zugezogen. Seit der – 2001 erfolgten – Trennung der Parteien leben die Kinder bei der Antragsgegnerin.
Das AG hat festgestellt, dass ein Versorgungsaugleich nicht stattfindet. Das OLG hat die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihr Begehren, den Versorgungsausgleich durchzuführen, weiter.

II. Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

1. Nach Auffassung des OLG sind die von den Parteien getroffenen ehevertraglichen Regelungen insoweit unwirksam, als sie nacheheliche Unterhaltsansprüche der Antragsgegnerin generell ausschließen. Die Nichtigkeit dieser zum nachehelichen Unterhalt getroffenen Regelungen erfasse jedoch nicht den gesamten Vertrag; vielmehr habe die Vereinbarung über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs weiterhin Bestand.
Beim Vertragsschluss habe sich die damals 23 Jahre alte Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller in einer ungleichen Verhandlungsposition befunden. Sie sei diesem in ein für sie fremdes Land gefolgt, dessen Sprache sie nicht beherrscht habe und in dem sie ohne eine Eheschließung weder eine Aufenthalts- noch eine Arbeitserlaubnis erhalten hätte. Da sie auch über keine Ausbildung verfügt habe, die ihr einen baldigen Eintritt in das Arbeitsleben ermöglicht hätte, sei sie vom elf Jahre älteren Antragsteller, den sie als Tropenarzt in Brasilien kennen gelernt habe und der als Arzt im öffentlichen Dienst schon bei Vertragsschluss gut verdient habe, wirtschaftlich völlig abhängig gewesen. Auch sei die Antragsgegnerin durch die ehevertraglichen Abreden, mit denen der Antragsteller – nach seinem eigenen Vortrag – wirtschaftliche Motive der Antragsgegnerin für die Heirat habe ausschließen wollen und durch welche die einem Ehegatten nach einer Scheidung zustehenden Ansprüche in vollem Umfang abbedungen worden seien, einseitig unangemessen belastet worden. Die ungleichen Verhandlungspositionen und die unausgewogene Lastenverteilung hätten dazu geführt, dass die ehevertraglichen Vereinbarungen über den Unterhaltsverzicht einer Inhaltskontrolle nicht standhalten könnten. Jede andere Bewertung würde dazu führen, dass die Antragsgegnerin, nachdem sie über dreizehn Jahre mit dem Antragsteller verheiratet gewesen sei und in dieser Zeit durch die Betreuung der gemeinsamen Kinder maßgeblich zum Familienunterhalt beigetragen habe, nahezu völlig rechtlos dastünde.
Gleichwohl führe die Sittenwidrigkeit der Regelung zum Unterhaltsausschluss nicht zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages, da die Parteien vereinbart hätten, dass die etwaige Ungültigkeit einzelner Vertragsbestimmungen auf die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen keinen Einfluss haben solle. Ein Ehevertrag, durch den lediglich der Versorgungsausgleich ausgeschlossen und Gütertrennung vereinbart werde, der es aber hinsichtlich des Ehegattenunterhalts bei der gesetzlichen Regelung belasse, sei rechtlich bedenkenfrei. Dies ergebe sich bereits aus der Wertung des Gesetzgebers in den §§ 1408 Abs. 1 und 2, 1410, 1414 BGB. Nach § 1408 BGB seien vom Leitbild des Versorgungsausgleichs abweichende Regelungen zuzulassen, die bis zu einem entschädigungslosen Ausschluss des Versorgungsausgleichs führen könnten. Eine Grenze sei nur dort zu ziehen, wo die Gefahr bestehe, dass der Verzichtende als Folge seines Verzichts auf öffentliche Unterstützung angewiesen sein werde. Das sei hier indessen nicht der Fall, da die Antragsgegnerin durch die gesetzlichen Unterhaltsansprüche, welche die Parteien nicht wirksam hätten abbedingen können, abgesichert sei. Insbesondere stünden der Antragsgegnerin Ansprüche auf Altersvorsorgeunterhalt zu, die sie in die Lage versetzten, sich eine eigene Alterssicherung aufzubauen.
Eine andere Entscheidung sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Änderung der Geschäftsgrundlage gerechtfertigt; denn die Regelung im ersten Ehevertrag, nach dem ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt habe bestehen bleiben sollen, und der später vereinbarte Ausschluss gerade auch dieses Anspruchs zeigten, dass die Parteien bereits beim Ehevertrag die Möglichkeit bedacht hätten, dass ihre Ehe nicht kinderlos bleiben werde.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
a) Wie der Senat in seinem – nach Erlass der hier angefochtenen Entscheidung ergangenen – Urt. v. 11.2.2004 (BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601; vgl. ferner Senatsbeschl. v. 6.10.2004 – XII ZB 110/99 – FamRZ 2005, 26 und – XII ZB 57/03 – FamRZ 2005, 185; Senatsurt. v. 12.1.2005 – XII ZR 238/03 – FamRZ 2005, 691 und v. 25.5.2005 – XII ZR 296/01 – FamRZ 2005, 1444 sowie – XII ZR 221/02 – FamRZ 2005, 1449) dargelegt hat, darf die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der

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gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Das wäre aber der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten – bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede – bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. Die Belastungen des einen Ehegatten werden dabei umso schwerer wiegen und die Belange des anderen Ehegatten umso genauerer Prüfung bedürfen, je unmittelbarer die Vereinbarung der Ehegatten über die Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift.
Dabei hat der Tatrichter hier zunächst – im Rahmen einer Wirksamkeitskontrolle – zu prüfen, ob die Vereinbarung über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs, allein oder im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen des Ehevertrags, schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr – und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse – wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB). Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse beim Vertragsschluss abstellt, insbesondere also auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und auf die Kinder. Subjektiv sind die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen.
Soweit ein Vertrag der Wirksamkeitskontrolle standhält, hat sodann eine Ausübungskontrolle nach § 242 BGB zu erfolgen. Dafür sind nicht nur die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend. Entscheidend ist vielmehr, ob sich nunmehr – im Zeitpunkt des Scheiterns der Lebensgemeinschaft – aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige Lastenverteilung ergibt, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten unzumutbar ist. b) Die ehevertraglichen Abreden der Parteien halten bereits der Wirksamkeitskontrolle (§ 138 Abs. 1 BGB) nicht stand. Die Sittenwidrigkeit dieser Abreden ist dabei nicht auf den Ausschluss des nachehelichen Unterhalts beschränkt; sie erfasst auch den vereinbarten Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Das OLG weist zu Recht darauf hin, dass sich die Antragsgegnerin, die beim Vertragsschluss erst 23 Jahre alt, in Deutschland fremd und der deutschen Sprache nicht mächtig war, die über keine Ausbildung verfügt hat und ohne die Eheschließung weder eine Aufenthalts- noch eine Arbeitserlaubnis erhalten hätte, sich gegenüber dem Antragsteller, der elf Jahre älter, in Deutschland beheimatet und im öffentlichen Dienst wirtschaftlich abgesichert war, in einer sehr viel schwächeren Verhandlungsposition befunden hat. Diese Disparität stellt, wie das OLG ebenfalls nicht verkennt, eine evident einseitige Lastenverteilung zum Nachteil der Antragsgegnerin dar. Denn die getroffenen Abreden würden, wären sie wirksam, dazu führen, dass die Antragsgegnerin ohne jeden nachehelichen Schutz dastünde, und zwar auch dann, wenn sie – wie geschehen – gemeinsame Kinder betreut. Die Antragsgegnerin hätte mithin die ehebedingten Nachteile, die sich – nach der Geburt ihrer Kinder – aus ihrem mit der Tätigkeit als Hausfrau und Mutter einhergehenden Verzicht auf eine eigene Erwerbstätigkeit ergeben, allein zu tragen – ein Ergebnis, das mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar wäre. Diese Schutzlosigkeit der Antragsgegnerin war – als mögliche Folge einer Scheidung – auch schon bei Abschluss des Ehevertrags vorhersehbar; denn die Parteien sind, wie das OLG aus den getroffenen Abreden zutreffend gefolgert hat, bereits damals von der Möglichkeit ausgegangen, dass aus ihrer Ehe Kinder hervorgehen würden. Schließen Parteien unter solchen Voraussetzungen gleichwohl alle vermögensrechtlichen Scheidungsfolgen aus, so muss die Rechtsordnung einer solchen Abrede schon nach § 138 BGB die Anerkennung versagen.
Diese Missbilligung gilt nicht nur für den Ausschluss jeglichen nachehelichen Unterhalts, sondern in gleicher Weise auch für den Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Die von den Parteien vereinbarte salvatorische Klausel ändert daran – entgegen der Auffassung des OLG – nichts. Ergibt sich, wie hier, die Sittenwidrigkeit der getroffenen Abreden bereits aus der Gesamtwürdigung eines Vertrags, dessen Inhalt für eine Partei – wie hier für die Antragsgegnerin – ausnahmslos nachteilig ist und dessen Einzelregelungen durch keine berechtigten Belange der anderen Partei gerechtfertigt werden, so erfasst die Nichtigkeitsfolge notwendig den gesamten Vertrag, hier also auch den für die Antragsgegnerin nachteiligen Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Für eine Teilnichtigkeit bleibt in solchem Fall kein Raum (vgl. etwa Brambring, FPR 2005, 130, 133). Insbesondere lässt sich die Nichtigkeit des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs nicht, wie das OLG meint, deshalb verneinen, weil bereits der Ausschluss des nachehelichen Unterhalts seinerseits nichtig sei und die Antragsgegnerin deshalb mithilfe des Altersvorsorgeunterhalts eine eigene Altersvorsorge aufbauen könne. Eine solche Argumentation würde nicht nur zu einer beliebigen Austauschbarkeit der Nichtigkeit einzelner Vertragsteile führen; sie verkennt auch, dass der Versorgungsausgleich sich zwar seiner Zielrichtung nach als ein vorweggenommener Altersvorsorgeunterhalt verstehen lässt (Senatsurt. v. 11.2.2004 a.a.O., 604), dass der Altersvorsorgeunterhalt den Versorgungsausgleich aber nicht ersetzen kann, weil der eine für den zukünftigen Versorgungsaufbau bestimmt ist, während der andere den Versorgungsaufbau für die Vergangenheit ausgleichen soll.

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3. Der Senat vermag in der Sache nicht abschließend zu entscheiden, da die Vorinstanzen - von ihrem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen über die von den Parteien in der Ehe erworbenen Versorgungsanrechte getroffen haben. Die Sache war daher an das OLG zurückzuverweisen, damit es diese Feststellungen nachholt und den Versorgungsausgleich durchführt.

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Münch, Christof, § 4 Der Ehevertrag – das Individualgesetz der Ehe; C. Inhaltskontrolle des Ehevertrages; I. Die Rechtsprechung des BGH
Münch, Christof, § 4 Der Ehevertrag – das Individualgesetz der Ehe; C. Inhaltskontrolle des Ehevertrages; VII. Verfahren der Inhaltskontrolle

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