Gericht: | BGH 4b. Zivilsenat |
Entscheidungsdatum: | 13.01.1988 |
Rechtskraft: | ja |
Aktenzeichen: | IVb ZR 15/87 |
Dokumenttyp: | Urteil |
Quelle: | |
Norm: | § 90 Abs 2 BSHG |
Zitiervorschlag: | BGH, Urteil vom 13. Januar 1988 – IVb ZR 15/87 –, juris |
Überleitungsanzeige des Sozialhilfeträgers - Erstreckung auf künftige Ansprüche: Trennungsunterhalt, nachehelicher Unterhalt
Leitsatz 1. Leitet ein Sozialhilfeträger, der einem getrennt lebenden Ehegatten Hilfe zum Lebensunterhalt leistet, dessen Unterhaltsanspruch gegen den anderen Ehegatten auf sich über, so erfaßt die Überleitung - unter der aufschiebenden Bedingung, daß der Sozialhilfeträger den Hilfsbedürftigen nach der Scheidung weiter unterstützt - auch dessen künftigen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, sofern nicht der Inhalt der Überleitungsanzeige ergibt, daß allein der Anspruch auf Trennungsunterhalt übergeleitet werden soll (im Anschluß an BGH, 1956-02-29, IV ZR 202/55, BGHZ 20, 127).
Fundstellen
NJW 1988, 1147-1149 (Leitsatz und Gründe)
MDR 1988, 483 (Leitsatz und Gründe)
EzFamR BSHG § 90 Nr 3 (red. Leitsatz 1 und Gründe)
FamRZ 1988, 375-378
LM Nr 14 zu BSozialhilfeG
NJW-RR 1988, 583-583
BGHWarn 1988, Nr 1 15-17 (Leitsatz und Gründe)
ZfSH/SGB 1988, 151-152 (Leitsatz 1 und Gründe)
BGHR BGB § 1579 Nr 3 Mutwilligkeit 1 (Gründe)
BGHR BSHG § 90 Überleitungsumfang 1 (Leitsatz und Gründe)
BGHR BSHG § 91 Abs 2 Wirksamkeit 1 (Gründe)
BGH-DAT Zivil
Verfahrensgang
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 28. November 1986, 10 UF 186/82
vorgehend AG Lübeck, 13. September 1982, 54 F 138/82
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RechtsprechungVergleiche BGH 4b. Zivilsenat, 21. Juni 1989, IVb ZR 73/88
KommentareErman, BGB● Böttcher, § 313 Störung der Geschäftsgrundlage; VI. Fallgruppen und ABC der Einzelfälle; 15. Einzelfälle (alphabetisch)
● Maier;Schachtschneider, § 1579 Beschränkung oder Versagung des Unterhalts wegen grober Unbilligkeit; 2. Die einzelnen Ausschlussgründe; d) Mutwillige Herbeiführung der Bedürftigkeit (Nr 4)
● Maier/Schachtschneider, § 1572 Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen
Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB● Silke Kaplan, 10. Auflage 2023, § 1572 BGB
● Silke Kaplan, 10. Auflage 2023, § 1579 BGB
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SonstigesBorth, Praxis des Unterhaltsrechts● Borth, E. Die weiteren nachehelichen Unterhaltstatbestände gemäß §§ 1571–1576 BGB; …; II. Unterhalt wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwäche der körperlichen oder geistigen Kräfte ...
● Borth, I. Unterhaltsrechtliche Härteklausel des § 1579 BGB; VII. Mutwillige Herbeiführung der Bedürftigkeit (Nr. 4)
Ehinger/Rasch/Schwonberg/Siede, Handbuch Unterhaltsrecht● Ehinger, 4. Mutwilliges Herbeiführen der Bedürftigkeit (Nr. 4)
Horndasch, AnwF Familienrecht● Dr. Peter Horndasch, § 4 Ehegattenunterhalt; C. Unterhalt für einen getrennt lebenden Ehegatten; III. Bedürftigkeit des Berechtigten; 2. Zumutbarkeitsabwägung zur Erwerbsobliegenheit
● Dr. Peter Horndasch, § 4 Ehegattenunterhalt; D. Der nacheheliche Unterhaltsanspruch; IV. Unterhalt wegen Krankheit, § 1572 BGB
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RechtsprechungVergleiche BGH 4. Zivilsenat, 29. Februar 1956, IV ZR 202/55
Tatbestand1 Die klagende Stadt gewährte der wegen einer chronischen Alkohol- und Tablettensucht erwerbsunfähigen früheren Ehefrau des Beklagten (fortan: Ehefrau) vom 1. März 1980 bis 31. Dezember 1981 fortlaufend Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG). Sie nimmt den Beklagten, der ab August 1979 von der Ehefrau getrennt lebte und seit dem 16. Oktober 1980 von ihr geschieden ist, aus übergeleitetem Recht auf Trennungs- und nachehelichen Unterhalt in Anspruch. Dabei stützt sie sich auf eine ihm am 19. März 1980 zugestellte "Anzeige und Mitteilung nach §§ 90, 91 BSHG" vom 17. März 1980, in der es auszugsweise heißt:
2 "Ihre getrenntlebende Ehefrau Marita H. ... erhält - mit folgenden Angehörigen (es folgen die Namen der drei Kinder der Eheleute) seit dem 1.1.80 Sozialhilfe.
3 Die Sozialhilfe beträgt z.Zt. monatlich DM 127,60. Ab 1.3.80 ohne Kinder DM 793,58.
4 Sie sind nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts (Bürgerliches Gesetzbuch bzw. Ehegesetz) vorbehaltlich Ihrer Leistungsfähigkeit zur Unterhaltsgewährung verpflichtet. Der gegen Sie bestehende Unterhaltsanspruch wird bis zur Höhe unserer jeweiligen Aufwendungen auf uns übergeleitet." (Es folgt u.a. die Ankündigung, daß der zu zahlende Unterhaltsbetrag nach Auskunft über die Leistungsfähigkeit des Beklagten noch mitgeteilt werde.)
5 Weil der Beklagte dem später mit monatlich 490 DM bezifferten Zahlungsverlangen nicht nachkam, erhob die Klägerin im Juni 1982 Klage auf Zahlung von (490 DM * 22 =) 10.780 DM. Sie hat den Standpunkt vertreten, die Überleitung erfasse den Anspruch der Ehefrau sowohl auf Trennungsunterhalt als auch auf nachehelichen Unterhalt. Der Beklagte hat geltend gemacht, er sei leistungsunfähig und schulde der Ehefrau zudem deshalb keinen Unterhalt, weil deren Alkohol- und Tablettenabhängigkeit selbstverschuldet sei.
6 Das Amtsgericht - Familiengericht - hat für die Zeit vom 1. März bis 15. Oktober 1980 den begehrten Trennungsunterhalt von (490 DM * 7,5 =) 3.675 DM zugesprochen, da die während der Ehe lange nicht erwerbstätige Ehefrau für eine Übergangszeit, die hier bis zum Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils zu bemessen sei, nach § 1361 Abs. 2 BGB nicht darauf verwiesen werden könne, ihren Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen. Es hat die Klage abgewiesen, soweit sie auf nachehelichen Unterhalt gerichtet ist, weil die allein in Betracht kommenden Unterhaltstatbestände der §§ 1570 und 1572 BGB nicht erfüllt seien: Aufgrund einer im Februar 1980 getroffenen Sorgerechtsregelung obliege der Ehefrau nicht mehr die Betreuung der minderjährigen Kinder der Parteien. Die von ihr selbst zu verantwortende Alkohol- und Tablettensucht sei nicht als Krankheit oder Gebrechen im Sinne des § 1572 BGB anzusehen; jedenfalls stehe einem darauf gestützten Unterhaltsanspruch § 1579 Abs. 1 Nr. 3 und 4 BGB (a.F.) entgegen.
7 Gegen seine Verurteilung hat der Beklagte Berufung eingelegt. Mit einer Anschlußberufung hat die Klägerin den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt weiterverfolgt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Verurteilung zur Zahlung von Trennungsunterhalt auf die Zeit ab 1. April 1980 und auf monatliche Beträge von 452 DM herabgesetzt. Der Anschlußberufung der Klägerin hat es großenteils stattgegeben, indem es nachehelichen Unterhalt in Höhe von zunächst - ebenfalls - monatlich 452 DM für die Zeit vom 16. Oktober bis 31. Dezember 1980 und von monatlich 490 DM für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1981 sowie antragsgemäß Prozeßzinsen zugesprochen hat. Insgesamt hat das Berufungsgericht den Beklagten verurteilt, 9.948 DM nebst 4% Zinsen seit dem 1. Juli 1982 an die Klägerin zu zahlen. Die weitergehenden Rechtsmittel sind ohne Erfolg geblieben.
8 Mit der - zugelassenen - Revision wendet sich der Beklagte nur dagegen, daß er auf die Anschlußberufung der Klägerin zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt verurteilt worden ist.
Entscheidungsgründe9 Die Revision bleibt ohne Erfolg.
10 I. 1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe mit der Anzeige vom 17. März 1980 nicht nur den Anspruch der Ehefrau auf Trennungsunterhalt wirksam auf sich übergeleitet, sondern auch denjenigen auf nachehelichen Unterhalt. Die Ermächtigung zur Überleitung von Ansprüchen in § 90 Abs. 1 BSHG beziehe sich auch auf künftige Ansprüche, sofern sie schon genügend bestimmt oder jedenfalls bestimmbar seien. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt. Mit dem Entstehen auch des nachehelichen, auf § 1572 BGB gestützten Unterhaltsanspruchs, der ebenso wie der Anspruch auf Trennungsunterhalt seine Wurzel in der Ehe habe, sei angesichts der bevorstehenden Scheidung und des Gesundheitszustandes der Ehefrau zu rechnen gewesen. Der Umfang der größtmöglichen Inanspruchnahme des Beklagten habe sich aus der Höhe der gesetzlichen Sozialhilfe ergeben. Allerdings sei in der Überleitungsanzeige von einer Überleitung künftiger Ansprüche nicht ausdrücklich die Rede. Das sei jedoch unschädlich. Leite ein Sozialhilfeträger Unterhaltsansprüche eines unterstützten Ehegatten auf sich über, so spreche die Vermutung dafür, daß er nicht nur den gerade entstandenen, sondern auch den zukünftigen Unterhaltsanspruch überleiten wolle. Die Überleitungsanzeige vom 17. März 1980 enthalte keinen Anhaltspunkt für eine Einschränkung der Überleitung allein auf den Trennungsunterhalt. Wenn es darin heiße "Ihre getrenntlebende Ehefrau ... erhält ... Sozialhilfe", so bezeichne das bei verständiger Würdigung lediglich den derzeitigen Familienstand des Sozialhilfeempfängers und habe keine weitergehende rechtliche Bedeutung. Eine erneute Überleitungsanzeige nach der Rechtskraft des Scheidungsurteils sei auch zur Erfüllung der Warnfunktion der Anzeige nicht erforderlich gewesen.
11 2. Die Revision bezweifelt nicht, daß auch zukünftige Unterhaltsansprüche übergeleitet werden können. Sie bekämpft indes die Annahme, daß dies im vorliegenden Falle geschehen sei, und macht geltend, die Überleitungsanzeige erfasse nach ihrem Wortlaut nur den "bestehenden", nicht aber einen künftigen Unterhaltsanspruch. Die Revision meint, die als Verwaltungsakt nur befristet anfechtbare Überleitungsanzeige müsse dem Betroffenen den Umfang des Hoheitsaktes deutlich machen, um ihn in die Lage zu versetzen, sachgerecht zu prüfen, welche Folgen beim Nichtgebrauch von Rechtsbehelfen gegen die Überleitung einträten. Sie rügt, die Ansicht des Berufungsgerichts, es spreche eine Vermutung dafür, daß ein Sozialhilfeträger mit einer Überleitung auch zukünftige Ansprüche erfassen wolle, sei in dieser Allgemeinheit rechtsfehlerhaft und widerspreche der Rechtsprechung des Senats zur Nichtidentität von Trennungs- und nachehelichem Unterhalt. Nehme ein Ehegatte Sozialhilfe als "Surrogat" für den Trennungsunterhalt in Anspruch, so treffe er damit noch keine Entscheidung darüber, daß er nach der Ehescheidung Sozialhilfe als "Surrogat" für nachehelichen Unterhalt in Anspruch nehmen werde. Die Freiheit des Unterhaltsberechtigten, über die Erhebung nachehelicher Unterhaltsansprüche gesondert zu entscheiden, und die Warnfunktion der Überleitungsanzeige blieben nur gewahrt, wenn der Entgegennahme von Sozialhilfe nicht die Vermutung zukomme, sie werde sowohl für die Zeit des Getrenntlebens als auch für die Zeit nach der Ehescheidung in Anspruch genommen. Erst wenn es hierfür greifbare Anhaltspunkte gebe, könne der Mitteilung von der Gewährung der Sozialhilfe und von der Überleitung der Inhalt zukommen, daß der Sozialhilfeträger den Unterhaltspflichtigen für die Dauer der Leistung in Anspruch nehmen wolle. Würden "automatisch" auch künftige nacheheliche Unterhaltsansprüche von der Überleitung erfaßt, so hätte ein Verzicht auf nachehelichen Unterhalt dem Sozialhilfeträger gegenüber keine Wirkung, da das bedingte Recht aus dem künftigen Anspruch gemäß § 161 BGB vereitelt wäre, obwohl § 1585c BGB den Ehegatten die Befugnis einräume, über die Unterhaltspflicht nach der Scheidung Vereinbarungen zu treffen.
12 3. Diese Angriffe verhelfen der Revision nicht zum Erfolg.
13 a) Nach § 90 Abs. 2 BSHG bewirkt die schriftliche Anzeige den Übergang des Anspruchs für die Zeit, für die dem Hilfeempfänger die Hilfe ohne Unterbrechung gewährt wird; sie umfaßt also grundsätzlich auch künftige Unterhaltsansprüche. Insoweit steht die Überleitung, wie der Bundesgerichtshof bereits zu § 21a FürsPflVO, der Vorgängerregelung des § 90 BSHG, entschieden hat, unter der aufschiebenden Bedingung, daß die Sozialbehörde tatsächlich Unterstützungsleistungen erbringt (BGHZ 20, 127, 131; zu § 90 BSHG: Senatsurteil vom 7. Oktober 1981 - IVb ZR 598/80 - FamRZ 1982, 23, 25). Erfaßt also die Überleitung auch Unterhaltsansprüche, soweit sie für eine zukünftige Zeit erst noch entstehen werden, so verliert bereits dadurch der Hinweis der Revision an Gewicht, die Überleitungsanzeige vom 17. März 1980 betreffe nach ihrem Wortlaut nur den "bestehenden" Unterhaltsanspruch. Gemeint waren nach dem Willen der Sozialbehörde (§§ 133, 157 BGB; s. zur Anwendbarkeit dieser Vorschriften bei der Auslegung von Verwaltungsakten: BVerwGE 12, 87, 91) vielmehr offensichtlich auch künftig erst entstehende Ansprüche auf Unterhalt; die Bezeichnung "der gegen Sie bestehende Unterhaltsanspruch" meint - bis zur Höhe der Aufwendungen; § 90 Abs. 1 BSHG - den gesamten Anspruch im Sinne des § 90 Abs. 2 BSHG, also auch den Anspruch auf die für künftige Zeitabschnitte zustehenden Unterhaltsleistungen. Diese der Beurteilung durch das Oberlandesgericht zugrundeliegende Auslegung stellt auch die Revision nicht in Frage, soweit es sich um den Anspruch auf Trennungsunterhalt für die - aus damaliger Sicht - in der Zukunft liegende weitere Zeit des Getrenntlebens handelt, der in der Revisionsinstanz nicht im Streit ist.
14 b) Indes begegnet auch keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, daß das Berufungsgericht auch Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt, also solche, die erst für die Zeit ab Rechtskraft des zur Zeit der Überleitung noch nicht ergangenen Ehescheidungsurteils in Betracht kamen, als von der Überleitung erfaßt angesehen hat. Insoweit hat der Bundesgerichtshof bereits in dem Urteil BGHZ 20, 127 ausgeführt, daß mit der Überleitung der Unterhaltsansprüche eines getrenntlebenden Ehegatten auch schon künftige nacheheliche Unterhaltsansprüche unter der aufschiebenden Bedingung auf den Fürsorgeverband übergeleitet werden, daß dieser den Ehegatten nach der Scheidung weiter unterstützt. Er hat dies im wesentlichen damit begründet, daß alle aus der Ehe erwachsenden Unterhaltsansprüche, auch solche nachehelicher Art, wegen der Gemeinsamkeit der ihnen zugrundeliegenden Rechtsbeziehung und ihres gemeinsamen Charakters als Geldanspruch sowie wegen der Nämlichkeit des Unterhaltsschuldners derartig bestimmt sind, daß sie durch diese Überleitung erfaßt werden können. Eine Beschränkung auf den Trennungsunterhalt ist angesichts des zutage liegenden Interesses des Fürsorgeverbandes an einer Überleitung der vollständigen Unterhaltsansprüche des Hilfsbedürftigen nur dann anzunehmen, wenn der Inhalt der Anzeige dafür einen Anhalt bietet (aaO S. 135f.). Dem ist das Berufungsgericht gefolgt, indem es davon ausgegangen ist, bei der Überleitung des Unterhaltsanspruchs eines unterstützten Ehegatten spreche eine Vermutung dafür, daß der Sozialhilfeträger auch den zukünftigen Unterhaltsanspruch nach der Ehescheidung auf sich überleiten wolle. Einen Anhaltspunkt für einen entgegenstehenden Willen der Klägerin hat es dem Wortlaut der Überleitungsanzeige rechtsfehlerfrei nicht zu entnehmen vermocht.
15 c) Die Rechtsprechung des Senats, nach der ein Urteil über den Unterhaltsanspruch während des Getrenntlebens nicht auch den Unterhaltsanspruch nach Scheidung der Ehe umfaßt (BGHZ 78, 130 und - für das neue Recht - Urteil vom 14. Januar 1981 - IVb ZR 575/80 - FamRZ 1981, 242), veranlaßt keine abweichende Beurteilung. Diese Rechtsprechung beruht insbesondere darauf, daß mit der Ehescheidung der Anspruch auf Trennungsunterhalt (§ 1361 BGB) sein Ende findet und der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt unter anderen Tatbestandsvoraussetzungen (§§ 1570ff. BGB) entsteht. Die oben dargestellten Erwägungen des Urteils BGHZ 20, 127, daß die Überleitungsanzeige in der Zeit des Getrenntlebens im Zweifel auch den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt erfaßt, setzen jedoch nicht voraus, daß es sich um denselben Anspruch handelt. Sie fußen vielmehr auf der nach wie vor zutreffenden Annahme der Bestimmbarkeit des erst künftig entstehenden Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt, der ebenfalls in der Ehe der Parteien wurzelt, und auf dem nach ihrem Interesse im allgemeinen zutage liegenden Willen der die Fürsorge (Sozialhilfe) gewährenden Stelle an einer Überleitung auch dieses Unterhaltsanspruchs (Im Ergebnis ebenso OLG Düsseldorf FamRZ 1981, 895; OLG Stuttgart DAVorm 1983, 54, 56f.; BGB-RGRK/Cuny 12. Aufl. vor § 1569 Rdn. 11; Soergel/Häberle BGB 11. Aufl. § 1569 Rdn. 13; Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 3. Aufl. § 30 XII 8 Fn. 22, S. 425; vgl. auch Göppinger Unterhaltsrecht 5. Aufl. Rdn. 1447; Knopp/Fichtner BSHG 5. Aufl. § 90 Rdn. 45; Schellhorn/Jirasek/Seipp BSHG 11. Aufl. § 90 Rdn. 27; a.A. ohne nähere Begründung Köhler Handbuch des Unterhaltsrechts 7. Aufl. Rdn. 817; zweifelnd Brühl FamRZ 1984, 248, 249).
16 d) Auch die von der Revision befürchtete Einschränkung der Befugnis des Hilfeempfängers, gemäß § 1585c BGB auf nachehelichen Unterhalt zu verzichten, nötigt nicht zu einer anderen Beurteilung. Ein solcher Verzicht mit der Folge, daß der Hilfeempfänger zwangsläufig - ausschließlich - der Sozialhilfe anheimfallen müßte, wäre auch dann, wenn er nicht auf einer Schädigungsabsicht der Ehegatten zu Lasten des Trägers der Sozialhilfe beruhte, nach den Grundsätzen der Senatsentscheidung BGHZ 86, 82 im Regelfall sittenwidrig und daher nichtig. Anderenfalls ist seine Unwirksamkeit gemäß § 161 Abs. 1 BGB hinzunehmen.
17 e) Das Berufungsgericht hat auch die Voraussetzungen des § 91 Abs. 2 BSHG für die Inanspruchnahme des Beklagten auf Unterhalt für eine bei Klageerhebung bereits abgelaufene Zeit rechtsfehlerfrei bejaht. Der Wirksamkeit der sogenannten Rechtswahrungsanzeige, die hier in zulässiger Weise mit der Überleitungsanzeige verbunden worden ist, steht nicht entgegen, daß darin die Höhe der an das Sozialamt zu leistenden Unterhaltszahlungen noch nicht angegeben, sondern dies einer späteren Mitteilung überlassen worden ist (vgl. Senatsurteil vom 15. Juni 1983 - IVb ZR 390/81 - FamRZ 1983, 895, 896).
18 II. 1. Zum Bestand des somit wirksam auf die Klägerin übergeleiteten Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt hat das Berufungsgericht ausgeführt: Die Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs gemäß § 1572 Nr. 1 BGB seien erfüllt, weil von der Ehefrau - wie bereits während des Getrenntlebens - auch im Zeitpunkt der Scheidung eine Erwerbstätigkeit wegen Krankheit oder Schwäche ihrer geistigen Kräfte nicht habe erwartet werden können. Sachverständig beraten, hat es dazu festgestellt, die Ehefrau habe aufgrund ihrer spätestens seit 1978 gegebenen, bis zur Krankheit gesteigerten Alkohol- und Tablettenabhängigkeit ihren Lebensunterhalt nicht durch eigene Erwerbstätigkeit zu sichern vermocht. Sie sei nicht in der Lage gewesen, eine Arbeitsstelle einfachster Art über einen nennenswerten Zeitraum beizubehalten, weil sie infolge krankhafter Willensschwäche keine geregelte Erwerbstätigkeit habe durchhalten können. Damit sind die Voraussetzungen des § 1572 Nr. 1 BGB rechtsfehlerfrei bejaht. Insoweit sowie zu der vom Berufungsgericht ebenfalls rechtlich bedenkenfrei angenommenen Leistungsfähigkeit des Beklagten in Höhe der zuerkannten Unterhaltsbeträge führt auch die Revision keine Angriffe.
19 2. Sie wendet sich jedoch gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, der Unterhaltsanspruch sei nicht nach § 1579 Nr. 3 BGB auszuschließen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen.
20 a) Insoweit hat das Berufungsgericht seine Beurteilung auf folgende Feststellungen gestützt: Die Ehefrau habe mannigfache Anstrengungen und Bemühungen unternommen, um von der Sucht loszukommen, die bereits im Jahre 1978 das Stadium des chronischen Alkohol- und Tablettenmißbrauchs erreicht habe. Sie habe sich von Mai 1978 bis Juni 1979 in die Behandlung der Nervenärztin Dr. K.-S. und nach einer dreiwöchigen zwangsweisen Unterbringung im Landeskrankenhaus N. ab 6. Juli 1979 in die Behandlung der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. begeben. Allerdings habe sie die Behandlung bei Frau Dr. K.-S. von sich aus abgebrochen und eine von dieser Ärztin im Februar 1979 empfohlene Entziehungskur nicht durchführen lassen. Ferner habe sie nach der Zwangseinweisung vom 5. bis zum 25. Juni 1979 den Rat des Arztes im Landeskrankenhaus N. ausgeschlagen, eine freiwillige Entziehungskur anzuschließen; eine am 21. März 1980 begonnene stationäre Entwöhnungsbehandlung im "G.-hof" habe sie am 10. April 1980 abgebrochen. Gleichwohl hat das Berufungsgericht gemeint, ihr könne nicht der Vorwurf gemacht werden, sie habe in leichtfertiger Weise ihre Erwerbsunfähigkeit aufrecht erhalten und ihre dauernde Bedürftigkeit begründet. Nach den Ausführungen des vom Berufungsgericht zugezogenen Sachverständigen sei sie aufgrund ihrer Alkohol- und Tablettensucht im intoxizierten Zustande nicht in der Lage, die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung und einer Entziehungskur einzusehen. Im nicht intoxizierten Zustande habe sie zwar, was ihre Bemühungen um ärztliche Hilfe belegten, die Notwendigkeit einer Entziehungs- und Entwöhnungsbehandlung einzusehen vermocht; jedoch sei sie wegen der bei ihr vorliegenden Persönlichkeitsstörung und der daraus resultierenden Einschränkung ihrer Steuerungsfähigkeit und wegen ihrer Willensschwäche nicht in der Lage gewesen, nach dieser Einsicht zu handeln. Hier lägen auch die Gründe dafür, daß die ihr gebotenen und selbst die in Angriff genommenen Maßnahmen, von der Sucht loszukommen, letztlich gescheitert seien.
21 b) Diese Feststellungen tragen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Ehefrau habe ihre Bedürftigkeit nicht im Sinne des § 1579 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. (vgl. Senatsurteil vom 14. Januar 1987 - IVb ZR 65/85 - FamRZ 1987, 356, 357) mutwillig herbeigeführt. "Mutwilligkeit" verlangt zwar kein vorsätzliches, auf die Herbeiführung der Bedürftigkeit gerichtetes Verhalten. Andererseits reicht einfaches Verschulden nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine zumindest leichtfertige Herbeiführung der Bedürftigkeit. Die Mutwilligkeit muß unterhaltsbezogen sein; die Vorstellungen und Antriebe, die dem zu beurteilenden Verhalten zugrunde liegen, müssen sich also (auch) auf die Bedürftigkeit als Folge des Verhaltens erstrecken. Diese insbesondere in dem Urteil vom 8. Juli 1981 (IVb ZR 593/80 - FamRZ 1981, 1042, 1044f.) entwickelten Grundsätze hat der Senat in jener Entscheidung für den Fall einer wegen Alkoholabhängigkeit erwerbsunfähigen Ehefrau dahingehend konkretisiert, daß es darauf ankommt, ob sie zu einer Zeit, als ihre Einsicht und die Fähigkeit, danach zu handeln, dies noch zuließen, eine ihr angeratene Entziehungskur unterlassen hatte und sich der Möglichkeit bewußt war, sie werde infolgedessen im Falle einer Trennung der Eheleute außerstande sein, eine Berufstätigkeit aufzunehmen und ihren Unterhalt selbst zu verdienen (aaO S. 1045). Von diesem Grundgedanken ist auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen.
22 Mit der Feststellung, die Ehefrau habe zwar im nicht intoxizierten Zustand die Notwendigkeit einer Entziehungs- und Entwöhnungsbehandlung einsehen können, aber infolge ihrer Persönlichkeitsstörung und der daraus resultierenden Einschränkung ihrer Steuerungsfähigkeit sowie wegen ihrer Willensschwäche nicht nach dieser Einsicht zu handeln vermocht, hat das Berufungsgericht danach eine mutwillige Herbeiführung der Bedürftigkeit rechtlich unangreifbar verneint.
23 Die Beanstandung der Revision, die auf sachverständiger Beratung beruhenden Feststellungen seien in sich widersprüchlich, greift nicht durch. Entgegen der Darstellung der Revision hat das Berufungsgericht deutlich auseinandergehalten, daß die Ehefrau im intoxizierten Zustande die Behandlungsbedürftigkeit nicht eingesehen, sie hingegen im nicht intoxizierten Zustande zwar eingesehen, aber nicht nach dieser Einsicht hat handeln können. Letzteres ist ersichtlich in dem Sinne zu verstehen, daß die Ehefrau nicht auf Dauer in hinreichendem Maße einsichtsgemäß zu handeln vermochte; denn so erklärt das Berufungsgericht, dem Sachverständigen folgend, den Mißerfolg auch selbst in Angriff genommener, also zunächst auf einsichtsgemäßem Verhalten beruhender therapeutischer Maßnahmen.
24 Die Revision wendet sich weiterhin dagegen, daß das Berufungsgericht entsprechend der Beurteilung durch den zugezogenen Sachverständigen die Möglichkeit einsichtsgemäßen Verhaltens verneint hat. Sie meint zu Unrecht, die in diesem Zusammenhang genannte Willensschwäche müsse als Kriterium ausscheiden. Wieso die tatrichterlich festgestellte Willensschwäche der Ehefrau für das Durchstehenkönnen einer Entziehungsbehandlung irrelevant sein soll, ist nicht ersichtlich. Auch der Angriff auf die Feststellung einer insoweit vom Berufungsgericht ebenfalls für kausal gehaltenen Persönlichkeitsstörung verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Diese Feststellung beruht auf der tatrichterlichen Überzeugung von der Richtigkeit der Beurteilung durch den Sachverständigen, der in seinem Gutachten das Bild einer kindlichen, neurotisch gestörten, speziell "Ich-schwachen" Persönlichkeit ohne Durchhaltevermögen gezeichnet hat, die in der Anspruchszeit nicht in der Lage war, nach vorhandener Krankheitseinsicht zu handeln.