Unterhaltsklage des geschiedenen Ehegatten: Notwendige Fest- stellungen zur Annahme der Sittenwidrigkeit eines Ehever- trags; Anpassung eines vereinbarten Ausschlusses von Unterhalt und Versorgungsausgleich im Rahmen der Ausübungskontrolle
1. Ein Ehevertrag kann sich in einer Gesamtwürdigung nur dann als sittenwidrig und daher als insgesamt nichtig erweisen, wenn konkrete Feststellungen zu einer unterlegenen Verhand- lungsposition des benachteiligten Ehegatten getroffen worden sind. Allein aus der Unausge- wogenheit des Vertragsinhalts ergibt sich die Sittenwidrigkeit des gesamten Ehevertrages re- gelmäßig noch nicht.(Rn.17) (Rn.24)
2. Zur Anpassung des ehevertraglichen Ausschlusses von Unterhalt und Versorgungsausgleich an geänderte Verhältnisse im Rahmen der Ausübungskontrolle, wenn ein Ehegatte eine Er- werbsminderungsrente bezieht und ehebedingt entstandene Nachteile beim Aufbau seiner Versorgungsanwartschaften erlitten hat (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 6. Oktober 2004, XII ZB 57/03, FamRZ 2005, 185).(Rn.35)
Auf die Revision des Antragsgegners wird das Urteil des 3. Zivilsenats - 2. Senat für Fa- miliensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 29. September 2010 im Kosten- punkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Antragsgegners erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1. 1 Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt.
2. 2 Die 1949 geborene Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) und der ebenfalls 1949 gebo- rene Antragsgegner (im Folgenden: Ehemann) heirateten am 5. August 1977, nachdem sie zuvor fünf Jahre lang zusammengelebt hatten. Vor der Eheschließung hatten die Par- teien am 25. Juli 1977 einen notariell beurkundeten Ehevertrag geschlossen, durch den sie den Versorgungsausgleich ausschlossen, gleichwohl den Güterstand der Zugewinn- gemeinschaft vereinbarten und für den Fall der Scheidung wechselseitig auf jegliche Un- terhaltsansprüche verzichteten. Aus der Ehe der Parteien sind zwei mittlerweile volljähri- ge, in den Jahren 1979 und 1982 geborene Kinder hervorgegangen.
3. 3 Der Ehemann befand sich im Zeitpunkt der Eheschließung noch als Rechtspraktikant in der einphasigen Juristenausbildung an der Universität B. Die Ehefrau war seit 1973 als Stationsschwester in einem evangelischen Krankenhaus in O. vollschichtig berufstätig.
4. 4 Der Ehemann legte im Jahre 1980 das juristische Staatsexamen ab und trat im gleichen Jahre als Verwaltungsrat mit der Besoldungsgruppe A 13 in den höheren Dienst einer Landesversicherungsanstalt ein. Nach der Geburt des zweiten Kindes im Jahre 1982 re- duzierte die Ehefrau den Umfang ihrer Beschäftigung als Krankenschwester auf eine Halbtagstätigkeit; sie war danach auch nicht mehr als Stationsschwester tätig. In der Fol- gezeit versorgte die Ehefrau den Haushalt und die Kinder weitgehend allein. Im Jahre 1991 wechselte der Ehemann in den Dienst des Landes Sachsen-Anhalt, wo er derzeit als Ministerialrat nach der Besoldungsgruppe B 2 besoldet wird.
5. 5 Die Parteien trennten sich im Jahre 2005. Die Ehefrau übte ihre Teilzeitbeschäftigung als Krankenschwester im evangelischen Krankenhaus O. in unverändertem Umfang bis zu einer Erkrankung im Frühjahr 2007 aus. Seit dem Jahr 2009 bezieht die Ehefrau - rück- wirkend seit Mai 2008 - Erwerbsminderungsrenten der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Evangelischen Zusatzversorgungskasse (früher: Kirchliche Zusatzversor- gungskasse Darmstadt). Aus der Teilung des Erlöses für den Verkauf des ehemaligen Familienheimes in O. erhielt die Ehefrau 76.000 €; daneben zahlte ihr der Ehemann im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung einen Betrag in Höhe von 12.500 €. Ferner flossen der Ehefrau nach der Trennung aus einer Erbschaft weitere 5.000 € zu.
6. 6 Das Amtsgericht hat die Ehe der Parteien auf einen im Mai 2008 zugestellten Schei- dungsantrag durch Urteil vom 18. November 2009 geschieden und den Versorgungs- ausgleich in einem beschränkten und - nach seiner Ansicht - zum Ausgleich ehebeding- ter Versorgungsnachteile erforderlichen Umfange durchgeführt, indem es im Wege des Quasi-Splittings zu Lasten der Beamtenversorgung des Ehemannes monatliche und auf das Ende der Ehezeit am 30. April 2008 bezogene Rentenanwartschaften der gesetzli- chen Rentenversicherung in Höhe von 417,98 € auf dem Versicherungskonto der Ehe- frau begründet hat. Den im Verbund gestellten Antrag der Ehefrau auf Zahlung nachehe- lichen Unterhalts hat das Amtsgericht abgewiesen. Gegen die Entscheidung zum Unter- halt hat sich die Ehefrau mit ihrer Berufung gewendet, mit der sie weiterhin die Zahlung eines nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessenen nachehelichen Unterhalts in Höhe von monatlich 919 € begehrt hat. Das Oberlandesgericht hat die angefochtene Entscheidung insoweit teilweise abgeändert und den Ehemann zur Zahlung eines Nach- scheidungsunterhalts in Höhe von monatlich 330 € verurteilt.
7. 7 Hiergegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision des Ehemannes, der die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstrebt.
Entscheidungsgründe
8. 8 Die zulässige Revision hat Erfolg.
9. 9 Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis zum 31. August 2009 geltende Prozessrecht anzuwenden, weil das Verfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2010, 100 Rn. 10).
I.
10. 10 1. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, dass der am 25. Juli 1977 ge- schlossene Ehevertrag der Parteien einer Inhaltskontrolle am Maßstab des § 138 BGB standhalte und zur Begründung das Folgende ausgeführt:
11. 11 Die Vereinbarung habe im Zeitpunkt ihres Zustandekommens nicht zu einer derart ein- seitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall geführt, dass ihr - losgelöst von der zu- künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise ver- sagt werden müsse. Zwar seien durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts ganz oder zu erheblichen Teilen abbedungen worden, ohne dass dies durch anderweitige Vorteile kompensiert worden sei. Dies sei aber durch die beson- deren Verhältnisse der Ehegatten gerechtfertigt gewesen.
12. 12 In der Vorausschau hätten auf beiden Seiten Chancen und Risiken bestanden. Es sei bei Vertragsschluss in der Mitte des Jahres 1977 noch nicht sicher gewesen, dass der Ehe- mann seine erst zu etwa 2/3 abgeschlossene Hochschulausbildung erfolgreich absolvie- ren und sich daran eine Laufbahn als Jurist im Beamtenverhältnis anschließen würde; erst recht seien die beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten, die sich für den Ehemann durch die Wiedervereinigung in den neuen Bundesländern ergeben sollten, nicht vorhersehbar gewesen. Für den Fall, dass das Studium des Ehemannes misslungen oder auf dem Ar- beitsmarkt für ihn keine gut bezahlten Stellen zu finden gewesen wären, hätte sich der Ehevertrag auch für die Ehefrau günstig auswirken können.
13. 13 Die Geburt des ersten Kindes im Jahre 1979 lasse nicht darauf schließen, dass schon bei Abschluss des Ehevertrages im Jahre 1977 geplant gewesen sei, dass die Ehefrau ihre Erwerbstätigkeit wegen der Kinderbetreuung einschränken würde, denn auch danach sei die Ehefrau noch bis zur Geburt des zweiten Kindes im Jahre 1982 vollschichtig berufs- tätig geblieben. Es könne auch sonst nicht festgestellt werden, dass eine der Vertrags- parteien subjektiv unterlegen gewesen sei. Beide Parteien seien bei Vertragsschluss et- wa gleich alt gewesen und hätten bereits seit 1972 nichtehelich zusammengelebt. Die Ehefrau habe als Krankenschwester berufliche Erfolge aufzuweisen gehabt. Zwar möge es naheliegen, dass der Ehemann als angehender Jurist eine deutlichere Vorstellung vom Inhalt und von der Tragweite des kurz zuvor in Kraft getretenen neuen Eherechts gehabt habe; aufgrund der auch für juristische Laien eindeutigen Formulierungen des Ehever- trages habe sich auch die Ehefrau aber nicht der Erkenntnis verschließen können, dass für den Fall der Scheidung "jegliche Unterhaltsansprüche" ausgeschlossen sein würden. Nach der Belehrung durch den Notar hätte die Ehefrau auch eine ungefähre Vorstellung davon haben müssen, was der Verzicht auf den Versorgungsausgleich bedeute.
14. 14 Einen Sachverhalt, aus dem sich sachlich schlüssig eine - wie immer geartete - Zwangs- lage für die Ehefrau ergeben könnte, sei von ihr nicht dargelegt worden. Es sei nicht er- sichtlich, warum die Ablehnung des Vertragsschlusses zwangsläufig zu einer Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft geführt hätte. Auch erschließe sich nicht, worin der Verlust der sozialen Achtung für die Ehefrau gelegen haben sollte, wenn die Parteien ihr nichteheliches Zusammenleben ohne Vertragsschluss und ohne Eheschließung fort- gesetzt hätten.
15. 15 Diese - der Revision günstigen - Ausführungen des Berufungsgerichts halten der mit der Revisionserwiderung erhobenen Gegenrüge der Ehefrau stand.
16. 16 2. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 604 ff.) darf die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragli- che Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Das wäre der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensver- hältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den be- lasteten Ehegatten - bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehe- gatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede - bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint.
17. 17 Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle hat der Tatrichter zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Las- tenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr - und zwar losgelöst von der künfti- gen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Fol- ge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB). Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnis- se beim Vertragsschluss abstellt, insbesondere also auf die Einkommens- und Vermö- gensverhältnisse, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und auf die Kinder. Subjektiv sind die von den Ehe- gatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berück- sichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertragli- chen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen (Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 606; vgl. zu- letzt Senatsurteil vom 18. März 2009 - XII ZR 94/06 - FamRZ 2009, 2124 Rn. 13). Diese Gesamtwürdigung hat das Berufungsgericht ohne revisionsrechtlich bedeutsame Fehler vorgenommen.
18. 18 a) Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, dass der objektive Vertragsinhalt erheblich in den Kernbereich der Scheidungsfolgen eingreift, soweit es den vollständigen Verzicht auf Betreuungs-, Alters- und Krankenunterhalt sowie den Verzicht auf den Versorgungs- ausgleich betrifft. Bei gesonderter Betrachtung begegnen diese Einzelregelungen aller- dings unter dem Gesichtspunkt des § 138 Abs. 1 BGB noch keinen Bedenken.
19. 19 aa) Der Anspruch auf Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB) ist zwar einer Disposition der Parteien am wenigsten zugänglich, weil er dem anspruchsberechtigten Ehegatten im In- teresse gemeinsamer Kinder gewährt wird. Dies schließt allerdings eine vertragliche Mo- difikation dieses Anspruches - bis hin zu dessen gänzlichen Ausschluss - nicht schlecht- hin aus. Ein Verzicht auf Betreuungsunterhalt ist unter dem Gesichtspunkt des § 138 Abs. 1 BGB jedenfalls dann unbedenklich, wenn kein gemeinsamer Kinderwunsch der Ehegatten besteht und auch sonst für deren Absicht, eine Familie mit Kindern zu gründen, nichts ersichtlich ist (vgl. Senatsurteil vom 28. November 2008 - XII ZR 132/05 - FamRZ 2008, 582 Rn. 21). Aber auch dann, wenn der Zuschnitt der Ehe bei jüngeren Ehegatten zunächst auf das Modell der Doppelverdienerehe angelegt und Kinder zwar noch nicht geplant, aber ein späterer Kinderwunsch nicht ausgeschlossen ist, erscheint es zweifelhaft, ob bereits durch den Verzicht auf den Betreuungsunterhalt ein Eingriff in die Vertragsgestaltung im Wege einer richterlichen Wirksamkeitskontrolle veranlasst wird, oder ob für die Ehegatten nicht auch in diesem Falle eine umfassende Freiheit bei der inhaltlichen Gestaltung ihres Ehevertrages besteht, dessen Korrektur gegebenen- falls der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB überlassen werden kann (vgl. Rauscher DNotZ 2004, 524, 537). Anhaltspunkte dafür, dass der Verzicht auf Betreuungsunterhalt für sich genommen objektiv sittenwidrig sein könnte, ergeben sich jedenfalls dann noch nicht, wenn sich bei Abschluss eines Ehevertrages durch berufstätige Ehegatten mit möglichem späteren Kinderwunsch noch keine Tendenz zu einer Alleinverdienerehe ab- zeichnete, weil sie von einer gleichgewichtigen Kinderbetreuung oder davon ausgingen, dass durch die spätere Geburt von gemeinsamen Kindern - etwa wegen einer besonders günstigen Kinderbetreuungssituation - kein Ehegatte seine Erwerbstätigkeit in nennens- werter Weise einschränken muss (vgl. Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 605). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatten die Parteien bei Vertrags- schluss im Jahre 1977 noch nicht geplant, dass sich die Ehefrau bei Geburt eines Kindes aus dem Erwerbsleben zurückziehen sollte, was das Berufungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auch daraus geschlossen hat, dass die Ehefrau noch nach der Geburt des ersten Kindes im Jahre 1979 ihre vollschichtige Tätigkeit als Krankenschwes- ter wieder aufgenommen hatte.
20. 20 bb) Die Unterhaltsansprüche wegen Alters und Krankheit (§§ 1571, 1572 BGB) sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats zwar dem Kernbereich der Scheidungsfolgen zu- zurechnen. Ihr Ausschluss wird allerdings - für sich genommen - unter dem Gesichts- punkt des § 138 Abs. 1 BGB zumeist schon deshalb keinen Bedenken begegnen, weil im Zeitpunkt des Vertragsschlusses regelmäßig noch nicht absehbar ist, ob, wann und un- ter welchen wirtschaftlichen Gegebenheiten ein Ehegatte wegen Alters oder Krankheit unterhaltsbedürftig werden könnte (Senatsurteile vom 12. Januar 2005 - XII ZR 238/03
- FamRZ 2005, 691, 692 und vom 28. November 2007 - XII ZR 132/05 - FamRZ 2008, 582 Rn. 22). Zusätzlich ist hier zu berücksichtigen, dass die Ehefrau im Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung ausübte und nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu jener Zeit keine konkreten Pläne ver- folgt wurden, hieran auch im Hinblick auf einen späteren Kinderwunsch etwas zu ändern. Bei Vertragsschluss im Jahre 1977 ergaben sich daher keine Anhaltspunkte für die An- nahme, dass die Ehefrau, die sowohl Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung als auch in eine Zusatzversorgungseinrichtung einzahlte, nicht selbst in der Lage sein könn- te, für Krankheit und Alter Vorsorge zu treffen.
21. 21 cc) Aus den letztgenannten Gründen hält auch der von den Parteien im Ehevertrag ver- einbarte Ausschluss des - nach seiner Zielrichtung als vorweggenommener Altersunter- halt zu verstehenden - Versorgungsausgleiches für sich genommen einer Wirksamkeits- kontrolle am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB stand (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2004 - XII ZB 57/03 - FamRZ 2005, 185, 186).
22. 22 b) Auch wenn die Einzelregelungen eines Ehevertrages bei jeweils gesonderter Betrach- tung den Vorwurf der objektiven Sittenwidrigkeit nicht zu rechtfertigen vermögen, kann sich der Ehevertrag dennoch bei einer Gesamtwürdigung als insgesamt sittenwidrig er- weisen, wenn das Zusammenwirken aller ehevertraglichen Einzelregelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten abzielt (vgl. dazu Senatsurteile vom 12. Januar 2005 - XII ZR 238/03 - FamRZ 2005, 691, 693 und vom 9. Juli 2008 - XII ZR 6/07 - FamRZ 2008, 2011 Rn. 20 f.). Auch daraus lässt sich hier allerdings eine Sittenwid- rigkeit des Ehevertrages nicht herleiten.
23. 23 aa) Zum einen hat das Berufungsgericht in seine Würdigung zu Recht den Aspekt einbe- zogen, dass der im Ehevertrag vereinbarte Verzicht auf sämtliche Unterhaltsansprüche und auf den Versorgungsausgleich unter bestimmten und nicht völlig fernliegenden Um- ständen - etwa bei einer kurzen Ehedauer und einem beruflichen Scheitern des Eheman- nes - auch zu einer Begünstigung der Ehefrau hätte führen können. Dies gilt insbeson- dere für den Verzicht auf Erwerbslosigkeitsunterhalt (§ 1573 Abs. 1 BGB), der sich nach Lage der Dinge im Jahre 1977 allenfalls zugunsten der Ehefrau hätte auswirken können, weil diese als langjährige Angehörige des öffentlichen Dienstes kein nennenswertes Ar- beitsmarktrisiko mehr getragen haben dürfte.
24. 24 bb) Zum anderen hat der Senat mehrfach betont, dass das Gesetz einen unverzichtba- ren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten nicht kennt (vgl. Senatsurteile BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 604 und vom 28. März 2007 - XII ZR 130/04 - FamRZ 2007, 1309, 1310), so dass auch aus dem objektiven Zusam- menspiel einseitig belastender Regelungen nur dann auf die weiter erforderliche ver- werfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten geschlossen werden kann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt. Eine lediglich auf die Einseitigkeit der Lastenverteilung gegründete tatsächliche Vermutung für die sub- jektive Seite der Sittenwidrigkeit lässt sich bei familienrechtlichen Verträgen nicht auf- stellen (Senatsurteil BGHZ 178, 322 = FamRZ 2009, 198 Rn. 32 f.). Ein unausgewoge- ner Vertragsinhalt mag zwar ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungspo- sition des belasteten Ehegatten sein. Gleichwohl wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit in der Regel nicht gerechtfertigt sein, wenn sonst außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität, insbeson- dere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängig- keit oder intellektueller Unterlegenheit, hindeuten könnten (vgl. OLG Celle NJW-RR 2009, 1302, 1304; Palandt/Brudermüller BGB 71. Aufl. § 1408 Rn. 10; Rauscher, Familienrecht 2. Aufl. Rn. 366 m; Münch DNotZ 2005, 819, 825 f.; Bergschneider FamRZ 2007, 1246). In dieser Hinsicht geht das Berufungsgericht zu Recht davon aus, dass tragfähige An- haltspunkte für eine subjektive Unterlegenheit der Ehefrau im Zeitpunkt des Vertragsschlusses weder von der Ehefrau vorgetragen noch sonst ersichtlich sind.
25 Eine soziale oder wirtschaftliche Abhängigkeit der seinerzeit mit auskömmlichen Einkünf- ten vollschichtig berufstätigen Ehefrau von ihrem noch in der Hochschulausbildung be- findlichen Ehemann lag im Jahre 1977 ersichtlich nicht vor. Auch eine mögliche intellek- tuelle Unterlegenheit der Ehefrau gegenüber dem juristisch versierten Ehemann vermag hier die Annahme ungleicher Verhandlungspositionen beim Abschluss des Ehevertra- ges nicht zu begründen. Das Berufungsgericht geht aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen rechtlich bedenkenfrei davon aus, dass sich die Ehefrau bei Abschluss des Vertrages darüber im Klaren gewesen sein musste, was der im Ehevertrag verein- barte Verzicht auf "jegliche" Unterhaltsansprüche und auf den Versorgungsausgleich be- deutete. Dies ergibt sich im Übrigen auch schon aus dem eigenen Vortrag der Ehefrau, wonach der Ehemann im Hinblick auf die zum 1. Juli 1977 (d.h. durch das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. Juni 1976, BGBl. I, S. 1421) geänderte Rechtslage mehrfach deutlich gemacht haben soll, dass er nur dann eine Ehe schließen werde, wenn er im Falle der Scheidung keinen Unterhalt zahlen müsse und auch seine Rente ihm voll und ganz verbleibe. Danach dürfte es für die Ehefrau bei Vertragsschluss keinen vernünftigen Zweifel an Inhalt und Tragweite der im Ehevertrag enthaltenen Ver- zichtserklärungen mehr gegeben haben.
25. 26 Auch sonstige Umstände, die eine Zwangslage der Ehefrau begründet oder sie gehin- dert hätten, auf Abschluss oder Inhalt des Ehevertrags Einfluss zu nehmen, sind nicht er- sichtlich. Konkrete Anhaltspunkte für eine Überrumpelung der Ehefrau im Zusammen- hang mit der Errichtung der notariellen Urkunde hat das Berufungsgericht nicht feststel- len können. Soweit die Ehefrau das Bestehen einer Zwangslage für sich daraus herleiten will, dass der Ehemann im Falle der Verweigerung eines Vertragsschlusses die Hochzeit abgesagt hätte und die Ehefrau dadurch unter den gesellschaftlichen Verhältnissen des Jahres 1977 einer besonderen sozialen Stigmatisierung und Ächtung ("gefallenes Mäd- chen") anheimgefallen wäre, hat das Berufungsgericht dieses Vorbringen in tatrichter- licher Verantwortung geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Hiergegen sind aus Rechtsgründen Bedenken nicht zu erheben.
II.
26. 27 1. Das Berufungsgericht hat zur weiteren Begründung seiner Entscheidung im Wesentli- chen das Folgende ausgeführt:
27. 28 Auch wenn der Vertrag nicht von Anfang an nichtig sei, müsse die Ausübung der Rechte mit § 242 BGB vereinbar sein. Da beim Abschluss des Vertrages noch nicht festgestan- den habe, wie die Parteien ihre Ehe gestalten würden und die Möglichkeit bestanden ha- be, dass beide voll berufstätig und im Wesentlichen wirtschaftlich selbständig sein wür- den, gäben der tatsächliche Verlauf der Ehe und die dadurch verursachten beruflichen Nachteile der Ehefrau Anlass für eine Einschränkung der Rechte des Ehemannes aus dem Vertrag. Es wäre evident einseitig, wenn nach dem Scheitern der Ehe ein Ehegatte sowohl unter dem Gesichtspunkt des Unterhalts als auch unter dem Gesichtspunkt der Altersvorsorge die durch den tatsächlichen Verlauf der Ehe begründeten Nachteile allein zu tragen hätte. Der Ehemann könne sich daher insoweit nicht auf den Vertrag berufen, als es um den Ausgleich ehebedingter Nachteile gehe.
29. 29 Diese Nachteile bestünden im Wesentlichen darin, dass die Ehefrau nach der Geburt des zweiten Kindes im Jahre 1982 ihre Erwerbstätigkeit als Krankenschwester auf eine Halb- tagstätigkeit reduziert habe und seither nicht mehr als Stationsschwester tätig gewesen sei; zudem sei ihr die Möglichkeit genommen worden, im Krankenhausbetrieb beruflich aufzusteigen. Zur Erfassung solcher ehebedingten Nachteile müsse die tatsächliche La- ge mit derjenigen Lage verglichen werden, in der sie sich ohne Ehe und Kinderbetreuung befinden würde. Da die Antragsgegnerin gegenwärtig eine Rente wegen voller Erwerbs- minderung beziehe und diese Erkrankung nicht ehebedingt sei, könnten sich ihre ehe- bedingten Nachteile aber zur Zeit nur auswirken, wenn und soweit sie nicht schon durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen worden seien.
30. 30 Die Halbteilung der beiderseits in der Ehe erworbenen Anrechte ergäbe einen Ausgleich zu Gunsten der Ehefrau in Höhe von 1.034,20 €. Die Ehefrau könne aber nur den Aus- gleich ehebedingter Nachteile beanspruchen; der vom Amtsgericht vorgenommene Ver- sorgungsausgleich habe diese Nachteile jedoch nicht ausgleichen können. Vielmehr wä- re es zum Ausgleich ehebedingter Nachteile erforderlich gewesen, zu Lasten der Versor- gungsanrechte des Ehemannes zu Gunsten der Ehefrau monatliche und auf das Ende der Ehezeit bezogene Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung im Wert von monatlich 800 € auf ihrem Versicherungskonto zu begründen.
31. 31 Tatsächlich habe die Ehefrau in der Ehezeit Rentenanwartschaften in einer Gesamthö- he von rund 837 € (davon 576 € gesetzliche Rente und 261 € kirchliche Zusatzversor- gung) erworben. Zwar hätte eine vollschichtige Erwerbstätigkeit der Ehefrau als "einfa- che" Krankenschwester nicht zu einer Verdopplung dieser in der Ehezeit erworbenen An- rechte geführt, weil die Ehefrau auch in der Ehezeit noch viereinhalb Jahre vollschichtig tätig war, die tatsächlich von ihr ausgeübte Teilzeitbeschäftigung mit rund 55 % der Re- gelarbeitszeit geringfügig mehr als halbschichtig gewesen sei und ihre tatsächlich erwor- benen Anrechte zudem durch Kindererziehungszeiten erhöht worden seien, die ihr ohne die Geburt der Kinder nicht gutgebracht worden wären. Andererseits wäre die Ehefrau ohne die Einschränkung ihrer Berufstätigkeit auch nicht zur einfachen Krankenschwes- ter zurückgestuft worden. Vielmehr spreche alles dafür, dass sie zumindest die nächs- te Stufe in der Hierarchie des Krankenhausbetriebes erreicht hätte, zumal sie durch die Übertragung der Aufgaben einer Stationsschwester im Alter von 23 Jahren bereits beson- deren Ehrgeiz und besondere Leistungen in ihrem Beruf unter Beweis gestellt habe. Da- nach könne geschätzt werden, dass der Ehefrau durch die Einschränkung ihrer Berufs- tätigkeit in der Ehezeit Versorgungsanwartschaften in Höhe von 800 € entgangen seien. Da das Amtsgericht der Ehefrau lediglich Anrechte in Höhe von 418 € übertragen habe, wäre zum vollständigen Ausgleich ehebedingter Nachteile ein weiterer Ausgleich in Höhe von 382 € erforderlich gewesen.