Inhaltskontrolle von Eheverträgen
Leitsatz
Zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen.
Orientierungssatz
Zitierungen: Ergänzung BGH, 24. April 1985, IVb ZR 17/84, FamRZ 1985, 787 und BGH, 28. November 1990, XII ZR 16/90, FamRZ 1991, 303; vergleiche BVerfG, 6. Februar, 1 BvR 12/92, NJW 2001, 957 und BVerfG, 29. März 2001, 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248.
Tenor
Auf die Revision des Antragstellers wird das Urteil des 4. Zivilsenats - zugleich Familien- senat - des Oberlandesgerichts München, Zivilsenate in Augsburg, vom 1. Oktober 2002 hinsichtlich der Nummern I. 2. und II. des Entscheidungssatzes insgesamt und hinsicht- lich der Nummer I. 1. des Entscheidungssatzes insoweit aufgehoben, als der Antragstel- ler zu Unterhaltszahlungen von mehr als 1.278,23 € monatlich verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Oberlandesgericht zurückverwie- sen.
Wert: 235.365 €.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1. 1 Die rechtskräftig geschiedenen Parteien streiten über nachehelichen Unterhalt und Aus- gleich des Zugewinns.
2. 2 Der 1948 geborene Antragsteller und die 1955 geborene Antragsgegnerin haben am 22. November 1985 miteinander die Ehe geschlossen, aus der die am 24. März 1986 und am 21. Mai 1989 geborenen Kinder M. und V. hervorgegangen sind.
3. 3 Der Antragsteller ist seit 1985 als Unternehmensberater tätig. Die Antragsgegnerin, die in den Fächern alte Geschichte, Kunstgeschichte und Germanistik das Magisterexamen bestanden hat, leitete 1984 und 1985 archäologische Ausgrabungen, gab diese Tätigkeit aber wegen ihrer Schwangerschaft auf. Ihre Absicht, den Doktorgrad zu erwerben, ver- folgte sie auf Wunsch ihres Mannes nicht weiter; sie widmete sich dem Haushalt und der Erziehung der Kinder.
4. 4 Am 17. Februar 1988 schlossen die Parteien einen notariellen Ehevertrag. Darin verzich- teten sie "für den Fall der Scheidung ... gegenseitig auf jegliche ... nacheheliche Unter- haltsansprüche, mit Ausnahme des Unterhaltsanspruchs der Ehefrau wegen Kindesbe- treuung". Außerdem vereinbarten sie für die Zukunft Gütertrennung. Sie erklärten, daß ein Zugewinn bisher nicht entstanden sei; vorsorglich verzichteten sie wechselseitig auf etwaige bisher entstandene Zugewinnausgleichsansprüche. Den Versorgungsausgleich schlossen sie aus. Den Verzicht der Antragsgegnerin stellten sie dabei unter die Bedin- gung, daß der Antragsteller spätestens ab Juni 1988 für die Antragsgegnerin eine priva- te Kapitallebensversicherung mit einer Versicherungssumme in Höhe von 80.000 DM auf den Zeitpunkt der Vollendung ihres sechzigsten Lebensjahres mit Rentenwahlrecht ab- schließen und die Beiträge hierauf während des Bestehens der Ehe laufend zahlen sollte. Im Falle der Scheidung sollte er ihr den dreifachen Jahresbeitrag zu dieser Versicherung in einer Summe als Abfindung bezahlen. Weitere Zahlungen sollte er dann nicht mehr schulden.
5. 5 Am 27. April 1988 wurde für die Antragsgegnerin bei der P.L. eine Kapitallebensversiche- rung über 80.000 DM abgeschlossen, auf die der Antragsteller in der Folge Zahlungen leistete. Am 13. November 2001, in der Scheidungsverhandlung vor dem Amtsgericht, verpflichtete er sich in Abweichung vom ursprünglichen Vertrag, die Raten fortlaufend bis zum Ablauf der Versicherung am 1. Mai 2015 zu zahlen.
6. 6 Der Antragsteller erzielte nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts "in den letz- ten Jahren" ein monatliches Einkommen von durchschnittlich 27.000 DM netto aus ab- hängiger und selbständiger Arbeit. Die Antragsgegnerin betreibt seit 1994 an ihrem Wohnort einen "alternativen" Spielwarenladen, zuletzt zusammen mit einer Postagentur. Ihr monatliches Einkommen aus dieser Tätigkeit beläuft sich - nach ihren Angaben - auf 1.084 DM vor Steuern. Die Parteien bewohnten ein Haus in A. mit einer Wohnfläche von 200 m2 auf einem Grundstück von ca. 1.200 bis 1.300 m2, das die Parteien vom Bruder des Antragstellers für eine monatliche Gesamtmiete von 2.548 DM gemietet hatten. Die Antragsgegnerin erhielt vom Antragsteller ein monatliches Wirtschaftsgeld von 2.692 DM sowie einen Ausgleich für ihre Mitarbeit in seinem häuslichen Büro von monatlich 500 DM. Im übrigen war der Zuschnitt der ehelichen Lebensverhältnisse, was Kleidung, Ein- richtung und sonstige Ausstattung anbelangt, nach den Feststellungen des Oberlandes- gerichts bescheiden.
7. 7 Die Parteien leben seit Februar 1999 dauernd getrennt. Die Kinder haben nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei der Antrags- gegnerin; der Antragsteller zahlt für sie Unterhalt nach der höchsten Stufe der Düssel- dorfer Tabelle.
8. 8 Das Amtsgericht hat mit Verbundurteil die Ehe der Parteien geschieden und festgestellt, daß ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Außerdem hat es den Antragsteller ver- urteilt, an die Antragsgegnerin 3.671 DM Elementarunterhalt und 1.081 DM Altersvorsor- geunterhalt zu zahlen; die auf weitergehenden Unterhalt sowie die im Rahmen einer Stu- fenklage auf Auskunft und Zahlung eines Zugewinnausgleichs gerichteten Anträge der Antragsgegnerin hat es abgewiesen. Hinsichtlich des Ausspruchs über die Scheidung und über den Versorgungsausgleich ist das Urteil des Amtsgerichts seit dem 13. April 2002 rechtskräftig.
9. 9 Auf die Berufung der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht den Antragsteller ver- urteilt, an die Antragsgegnerin monatlich im voraus Elementarunterhalt in Höhe von 2.897 € sowie Vorsorgeunterhalt in Höhe von 952 € zu zahlen; im übrigen hat es ihre Berufung hinsichtlich des Unterhaltsbegehrens zurückgewiesen. Ebenso hat es die An- schlußberufung des Antragstellers, mit der er sich gegen die 2.500 DM (= 1.278,23 €) monatlich übersteigende Verurteilung zur Unterhaltszahlung wehrte, zurückgewiesen. Hinsichtlich des Zugewinnausgleichs hat es ihn verurteilt, über sein Endvermögen Aus- kunft zu erteilen, und die Sache im übrigen an das Amtsgericht zurückverwiesen. Mit der zugelassenen Revision wendet sich der Antragsteller gegen das Berufungsurteil, soweit es ihn beschwert.
Entscheidungsgründe
10. 10 Das Rechtsmittel führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zu- rückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
I.
11. 11 Nach Auffassung des Oberlandesgerichts, dessen Entscheidung in FamRZ 2003, 35 (m.Anm. Bergschneider 39) veröffentlicht ist, steht der Klägerin neben dem Betreuungs- unterhalt ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt sowie auf Auskunftserteilung zum Zwecke des Zugewinnausgleichs zu. Der notarielle Vertrag der Parteien vom 17. Februar 1988 schließe diese Ansprüche nicht aus, da er - gemessen an den vom Bundesverfas- sungsgericht in seinen Entscheidungen vom 6. Februar 2001 (FamRZ 2001, 343 m.Anm. Schwab 349) und vom 29. März 2001 (FamRZ 2001, 985) genannten Maßstäben - für un- wirksam zu erachten sei.
12. 12 Nach diesem Vertrag hätten die Parteien zwar gegenseitig auf jegliche nachehelichen Unterhaltsansprüche mit Ausnahme des Unterhaltsanspruchs der Ehefrau wegen Kin- desbetreuung verzichtet. Damit habe der Antragsteller jedoch praktisch kein Recht auf- gegeben, da man nicht davon habe ausgehen können, daß er bei einem Vermögen von über einer Million DM und hohen monatlichen Einkünften im Falle der Scheidung unter- haltsbedürftig würde. Die Antragsgegnerin, die demgegenüber über kein Vermögen und - abgesehen von den aus der Bürotätigkeit für den Antragsteller erzielten 500 DM - über kein Einkommen verfügt habe, sei wirtschaftlich völlig vom Antragsteller abhängig ge- wesen. Gemäß seinem Wunsch habe sie sich der Haushaltsführung gewidmet. Wegen der Betreuung der damals noch nicht ganz zweijährigen Tochter M. und der am 21. Mai 1989 geborenen Tochter V. habe sie praktisch auf Jahre hinaus keine Aussicht gehabt, durch eine Erwerbstätigkeit ihren Unterhalt sicherzustellen. Insgesamt sei die Antrags- gegnerin somit durch den weitgehenden Unterhaltsverzicht unangemessen benachtei- ligt worden, weil ihr - gegenüber dem finanziellen Beitrag des Antragstellers zu den ehe- lichen Lebensverhältnissen gleichwertiger - Beitrag in Form von Haushaltsführung und Kindesbetreuung für den Fall der Scheidung unberücksichtigt geblieben sei. Ihr sei nicht nur ohne sachlichen Grund die Teilhabe an den ehelichen Lebensverhältnissen genom- men worden, die durch den - bei dem monatlichen Nettoeinkommen des Antragstellers von 27.000 DM besonders werthaltigen - Aufstockungsunterhalt gewährleistet werden soll. Ihr sei vielmehr auch das alleinige Risiko aufgebürdet worden, im Alter, bei Krank- heit oder bei Arbeitslosigkeit ohne hinreichende Einkünfte auszukommen.
13. 13 Der Ausschluß jeder Unterhaltsberechtigung für diese Fälle sei auch mit dem Wohl der gemeinsamen Kinder nicht vereinbar. Auch wenn der Antragsteller an die Kinder Un- terhalt nach der höchsten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle leiste, bestehe doch die Gefahr, daß die Antragsgegnerin im Falle ihrer Invalidität unter Verhältnissen leben müsse, welche die Entwicklungsmöglichkeit der Kinder weit mehr einschränkten als es den gemeinsamen wirtschaftlichen Verhältnissen entspreche. Die ungenügende Absicherung der Antragsgegnerin für den Fall der Invalidität beruhe insbesondere dar- auf, daß sie mit ihrem Verzicht auf den Versorgungsausgleich nicht nur mögliche Anwart- schaften auf eine Altersrente, sondern auch auf eine Invaliditätsversorgung verloren ha- be. Dieser Nachteil werde durch die vereinbarte Kapitallebensversicherung bei weitem nicht ausgeglichen, zumal bei Durchführung des Versorgungsausgleichs auf die Antrags- gegnerin Rentenanwartschaften in Höhe von 590,94 DM übertragen worden wären. Zur Begründung solcher Rentenanwartschaften im Wege des Einmalbeitrags wäre, bezogen auf den 31. März 2000, ein Betrag von 128.748,74 DM erforderlich gewesen, mithin weit mehr als die für die Antragsgegnerin vereinbarte Versicherungssumme von 80.000 DM. Auch hierin liege eine unangemessene Benachteiligung der Antragsgegnerin, welche den vereinbarten Ausschluß des Versorgungsausgleichs als unwirksam erscheinen lasse, auch wenn die Entscheidung des Amtsgerichts, keinen Versorgungsausgleich durchzu- führen, nicht angefochten sei.
14. 14 Auch der vereinbarte Ausschluß des Zugewinnausgleichs sei unwirksam, weil der Antrag- steller seine dominierende Situation als Inhaber eines Vermögens und Bezieher eines weit überdurchschnittlichen Einkommens gegenüber der vermögens- und praktisch ein- kommenslosen Antragsgegnerin zu deren Nachteil ausgenutzt habe. Der Antragsteller habe sich nicht auf die Sicherung seines ererbten Vermögens beschränkt, was angeblich sein Motiv für den Abschluß des Ehevertrags gewesen sei. Er habe vielmehr die Antrags- gegnerin, auf deren Seite kein Zugewinn zu erwarten gewesen sei, von der Teilhabe an dem gemeinsam Erwirtschafteten ausgeschlossen. Dadurch sei die Antragsgegnerin ins- besondere in ihrer Altersversorgung betroffen worden, da hierfür bei gut verdienenden Personen wie dem Antragsteller erfahrungsgemäß auch mit Hilfe des Vermögens Vorsor- ge getroffen werde.
15. 15 Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. II.
16. 16 Das Gesetz gibt Ehegatten die Möglichkeit, durch während oder vorsorglich schon vor der Ehe getroffene Vereinbarungen für den Fall einer späteren Scheidung den nachehe- lichen Unterhalt oder sonstige versorgungs- und güterrechtliche Angelegenheiten ver- bindlich zu regeln (§ 1408 Abs. 1 und 2, § 1585 c BGB).
17. 17 1. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats bestand für derartige Vereinbarun- gen grundsätzlich volle Vertragsfreiheit. Eine besondere Inhaltskontrolle, ob die Rege- lung angemessen sei, fand - abgesehen von Vereinbarungen nach § 1587 o BGB - nicht statt (Senatsbeschluß vom 2. Oktober 1996 - XII ZB 1/94 - FamRZ 1997, 156, 157; vgl. auch Senatsurteil vom 28. November 1990 - XII ZR 16/90 - FamRZ 1991, 306). Der Ver- zicht auf nachehelichen Unterhalt berühre nicht einen Kernbereich der Ehe (Senatsur- teil vom 24. April 1985 - IVb ZR 22/84 - FamRZ 1985, 788). Auch werde das Wesen der Ehe nicht dadurch mitbestimmt, daß eine "wirtschaftliche Lebensgemeinschaft" entstehe oder daß die Ehegatten bei Auflösung der Ehe an den während ihres Bestehens eingetre- tenen vermögensrechtlichen Veränderungen beteiligt würden (Senatsurteil vom 24. April 1985 aaO 789).
18. 18 Schranken der Gültigkeit einer solchen Vereinbarung ergäben sich allein aus den §§ 134, 138 BGB. Ob eine Vereinbarung im Einzelfall gegen die guten Sitten verstoße, hänge von ihrem aus Inhalt, Beweggründen und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter ab, wo- bei sich aus dem zeitlichen Abstand zu einer nicht beabsichtigten, sondern nur für denk- bar gehaltenen Scheidung zusätzliche Gesichtspunkte ergeben könnten (Senatsurteile vom 24. April 1985 aaO und vom 28. November 1990 aaO 307). Es reiche für sich allein nicht aus, daß die Vereinbarung in dem Bestreben abgeschlossen worden sei, sich von sämtlichen nachteiligen Folgen einer Scheidung freizuzeichnen (Senatsurteil vom 28. No- vember 1990 aaO). Auch genüge nicht, daß sich die Regelung ausschließlich oder über- wiegend zu Lasten eines der beiden Ehegatten auswirken könne (Senatsbeschluß vom 2. Oktober 1996 aaO 157). Schließlich könne die Sittenwidrigkeit der Abrede auch nicht allein aus dem Umstand hergeleitet werden, daß die vertragschließende Frau von dem Mann schwanger gewesen und dieser die Eheschließung mit ihr von dem Abschluß die- ses Vertrags abhängig gemacht habe. Da der Mann, ungeachtet der Schwangerschaft der Frau, von einer Eheschließung hätte absehen und sich auf die rechtlichen Verpflich- tungen eines mit der Mutter nicht verheirateten Vaters zurückziehen können, könne von einer zu mißbilligenden Ausnutzung einer Zwangslage der Frau nicht ausgegangen wer- den (Senatsbeschlüsse vom 18. September 1996 - XII ZB 206/94 - FamRZ 1996, 1536, 1537 und vom 2. Oktober 1996 aaO 157 f.). Allerdings könne ein Unterhaltsverzicht dann den guten Sitten zuwiderlaufen und damit nichtig sein, wenn die Parteien ihre auf der Ehe beruhenden Familienlasten objektiv zum Nachteil der Sozialhilfe geregelt hätten (Se- natsurteile BGHZ 86, 82, 88, vom 24. April 1985 aaO 790 und vom 9. Juli 1992 - XII ZR 57/91 - FamRZ 1992, 1403). Dazu bedürfe es nicht unbedingt eines Bewußtseins der Par- teien, durch ihre Vereinbarung den Träger der Sozialhilfe zu schädigen; vielmehr könne es bereits genügen, daß sie sich einer solchen Erkenntnis grob fahrlässig verschlossen hätten (Senatsurteil vom 24. April 1985 aaO).
19. 19 Auch sei dem auf Unterhalt in Anspruch genommenen geschiedenen Ehegatten die Be- rufung auf einen Unterhaltsverzicht des anderen Ehegatten unter Umständen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt; dies könne namentlich dann der Fall sein, wenn die zur Zeit des Unterhaltsverzichts bestehenden Verhältnisse sich nachträglich so entwi- ckelt hätten, daß überwiegende schutzwürdige Interessen gemeinschaftlicher Kinder der Geltendmachung des Verzichts entgegenstünden (Senatsurteile vom 24. April 1985 - IVb ZR 17/84 - FamRZ 1985, 787 f. und vom 15. Oktober 1986 - IVb ZR 79/85 - Fam- RZ 1987, 46, 47), mögen die Parteien die dann später tatsächlich eingetretene Entwick- lung - nämlich die Scheidung bei fortbestehender Betreuungsbedürftigkeit der Kinder - auch bereits beim Abschluß des Unterhaltsverzichts bedacht haben (Senatsurteil vom 9. Juli 1992 aaO 1404). Die Dauer und Höhe der Unterhaltspflicht sei allerdings in einem solchen Fall insoweit beschränkt, als nicht das Kindeswohl ein Weiterbestehen des Un- terhaltsanspruchs gebiete (Senatsurteil vom 28. November 1990 aaO 307, vom 30. No- vember 1994 - XII ZR 226/93 - FamRZ 1995, 291, 292 und vom 16. April 1997 - XII ZR 293/95 - FamRZ 1997, 873, 874). Der Höhe nach stehe dem betreuenden Ehegatten der Unterhaltsanspruch nur insoweit zu, als er, um seinen Betreuungspflichten nachzukom- men, darauf zur Deckung seines notwendigen eigenen Lebensbedarfs angewiesen sei; nur wenn besondere Gründe des Kindeswohls dies geböten, sei dem betreuenden Ehe- gatten mehr als der notwendige Unterhalt zuzubilligen (Senatsurteile vom 9. Juli 1992 aaO 1405, vom 30. November 1994 aaO 291 f. und vom 16. April 1997 aaO 874 f.).
20. 20 2. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Februar 2001 (aaO) und vom 29. März 2001 (aaO) geben Anlaß, die dargestellte Rechtsprechung zu überprüfen.
21. 21 a) Mit seinem Senatsbeschluß vom 6. Februar 2001 (aaO) hat das Bundesverfassungs- gericht an seine Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Bürgschaftsverträgen (NJW 1994, 36) und zum entschädigungslosen Wettbewerbsverbot von Handelsvertretern (NJW 1990, 1469) angeknüpft und die dort entwickelten Grundsätze auf Eheverträge und Unterhaltsvereinbarungen übertragen:
22. 22 Danach setze die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Privatautonomie voraus, daß die Voraussetzungen der Selbstbestimmung auch tatsächlich gegeben seien. Der im Ver- trag zum Ausdruck gebrachte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien lasse zwar in der Regel auf einen durch den Vertrag hergestellten sachgerechten Interessenaus- gleich schließen, den der Staat grundsätzlich zu respektieren habe. Sei jedoch aufgrund einer einseitigen Aufbürdung von vertraglichen Lasten und einer erheblich ungleichen Verhandlungsposition der Vertragspartner ersichtlich, daß in einem Vertragsverhältnis ein Partner ein solches Gewicht habe, daß er den Vertragsinhalt faktisch einseitig be- stimmen könne, sei es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtspositionen beider Vertragspartner hinzuwirken, um zu verhindern, daß sich für einen Vertragspart- ner die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehre.
23. 23 Dies gelte auch für Eheverträge, mit denen Eheleute ihre höchstpersönlichen Beziehun- gen für die Zeit ihrer Ehe oder danach regelten. Art. 6 Abs. 1 GG gebe ihnen hierbei das Recht, ihre jeweilige Gemeinschaft nach innen in ehelicher und familiärer Verantwort- lichkeit und Rücksicht frei zu gestalten. Verfassungsrechtlich geschützt sei allerdings nur eine Ehe, in der Mann und Frau in gleichberechtigter Partnerschaft zueinander stün- den. Der Staat habe infolgedessen der Freiheit der Ehegatten, ihre ehelichen Beziehun- gen und wechselseitigen Rechte und Pflichten mit Hilfe von Verträgen zu gestalten, dort Grenzen zu setzen, wo der Vertrag nicht Ausdruck gleichberechtigter Lebenspartner- schaft sei, sondern eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehepartners widerspiegele. Dies sei regelmäßig anzunehmen, wenn ei- ne nichtverheiratete schwangere Frau sich vor die Alternative gestellt sehe, in Zukunft entweder allein für das Kind Sorge zu tragen oder durch Eheschließung den Kindesva- ter in die Verantwortung einzubinden, wenn auch um den Preis eines mit ihm zu schlie- ßenden, sie aber stark belastenden Ehevertrags. Ob ein solcher Vertrag die Frau deutlich mehr belaste als den Mann, hänge wesentlich auch davon ab, welche familiäre Konstel- lation die Vertragspartner anstrebten und ihrem Vertrag zugrunde legten. Verzichteten Ehepartner etwa gegenseitig auf nacheheliche gesetzliche Unterhaltsansprüche, liege darin bei Ehen, in denen beide Partner einer etwa gleichwertigen Berufstätigkeit nach- gingen und sich Haus- und Familienarbeit teilten, keine ungleiche Belastung. Sehe die Lebensplanung der Partner jedoch vor, daß sich in der Ehe einer der beiden unter Aufga- be einer Berufstätigkeit im wesentlichen der Kinderbetreuung und Haushaltsführung wid- me, benachteilige der Verzicht auf den nachehelichen Unterhalt denjenigen, der sich der Betreuung des Kindes und der Arbeit im Hause gewidmet habe. Je mehr im Ehevertrag gesetzliche Rechte abbedungen oder zusätzliche Pflichten übernommen würden, desto mehr könne sich dieser Effekt einseitiger Benachteiligung verstärken.
24. 24 Es sei Aufgabe der Gerichte, den Inhalt des Vertrags in Fällen gestörter Vertragsparität einer Kontrolle über die zivilrechtlichen Generalklauseln zu unterziehen und gegebenen- falls zur Wahrung beeinträchtigter Grundrechtspositionen eines Ehevertragspartners zu korrigieren. Die Eheschließungsfreiheit stehe einer solchen Inhaltskontrolle nicht entge- gen, denn sie rechtfertige nicht die Freiheit zu unbegrenzter Ehevertragsgestaltung und insbesondere nicht eine einseitige ehevertragliche Lastenverteilung. Dementsprechend sei ein Teil des Eherechts herkömmlich zwingendes Recht.
25. 25 b) Während die vorgenannte Senatsentscheidung unmittelbar nur die Wirksamkeit ei- ner vor der Eheschließung getroffenen ehevertraglichen Vereinbarung betraf, in der sich eine Schwangere u.a. verpflichtet hatte, den Ehemann und Kindesvater für den Fall der Scheidung von Unterhaltsansprüchen des erwarteten Kindes teilweise freizustellen, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Kammerbeschluß vom 29. März 2001 (aaO) diese Rechtsprechung fortgeführt und eine oberlandesgerichtliche Entscheidung bean- standet, die der Ehefrau nur den notwendigen Betreuungsunterhalt zuerkannt, ihre wei- tergehenden Anträge auf Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich aber zurück- gewiesen hatte. Die Ehegatten hatten vor der Eheschließung nachehelichen Unterhalt sowie Zugewinn- und Versorgungsausgleich vertraglich ausgeschlossen. Das Oberlan- desgericht hätte - so das Bundesverfassungsgericht - die besondere Situation, in der sich die Ehefrau als Schwangere mit schon einem - noch dazu schwerbehinderten - Kind (aus einer anderen Verbindung) bei Vertragsschluß befunden habe und die allein schon ein deutliches Indiz für ihre Unterlegenheit als Vertragspartnerin gewesen sei, zum Anlaß nehmen müssen, den gesamten Vertragsinhalt einer Kontrolle zu unterziehen; dabei hät- te es der Frage nachgehen müssen, ob der Ehevertrag die Ehefrau - zumal in ihrer fami- liären und wirtschaftlich beengten Situation - einseitig und unangemessen belaste.
26. 26 3. Die Frage, welche Konsequenzen sich aus diesen Entscheidungen für die Beurteilung von Eheverträgen allgemein - also auch in Fällen, in denen die Ehefrau bei Vertragsab- schluß nicht schwanger ist - ergeben, wird in der Literatur wie auch in der Fachöffentlich- keit unterschiedlich beantwortet.
27. 27 a) Differenzen bestehen bereits bei der Beurteilung, wann - allgemein - von einer einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall gesprochen werden kann.
28. 28 So soll nach einer Auffassung eine solche einseitige Lastenverteilung jedenfalls dann vorliegen, wenn der "Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgensystems" berührt sei. Dazu sollen zumindest diejenigen Regelungen des nachehelichen Unterhalts zählen, die an eine ehebedingte Bedürftigkeit anknüpfen, möglicherweise auch der Versorgungs- ausgleich, nicht dagegen ohne weiteres auch der Zugewinnausgleich (Dauner-Lieb AcP 200 (2001) 295, 319 f.).
29. 29 Nach einer weiteren Auffassung erfordere das Eheverständnis des BGB keine bestimm- te Zuordnung oder Teilhabe auf der Vermögensebene. Auch die eheliche Solidarität ver- lange keine gegenseitige Vermögensbeteiligung, da diese nicht an Bedarfslagen anknüp- fe und somit keine unterhaltsrechtliche Funktion erfüllen solle. Bedenken bestünden je- doch, sobald die Vereinbarung der Gütertrennung mit weiteren Abreden verbunden werde, welche die Versorgungslage gerade desjenigen Ehegatten gefährdeten, der nach ge- planter oder gelebter Gestaltung der Verhältnisse "ehebedingt" einer sozialen Sicherstellung besonders bedürfe. Auch ohne eine derartige Kumulierung könne eine güterrechtli- che Vereinbarung bedenklich sein, wenn mit ihr nicht nur die künftige Vermögenszuord- nung geregelt, sondern auf schon begründete Rechtspositionen verzichtet werde. Der Versorgungsausgleich stehe, obwohl auch er nicht auf Bedarfslagen rekurriere, dem Un- terhalt näher als dem Zugewinnausgleich; gleichwohl sei anzunehmen, daß er innerhalb der - hier engeren - gesetzlichen Grenzen der ehevertraglichen Gestaltungsfreiheit un- terliege (Schwab DNotZ 2001, 9, 15 ff.).
30. 30 Nach einer dritten Meinung soll die Verantwortung der Ehegatten füreinander (§ 1353 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB) zwingendes Recht sein, das zwar dem Selbstverständnis der Beteiligten, nicht aber ehevertraglicher Gestaltung offenstehe (Goebel FamRZ 2003, 1513, 1516).
31. 31 Auf dem Deutschen Familiengerichtstag 2003 hat der Arbeitskreis "Unterhaltsvereinba- rungen" zwar einen Unterhaltsverzicht grundsätzlich für zulässig erachtet, nicht aber ei- nen vollen Verzicht auf den Betreuungsunterhalt. Nach dem Votum des Arbeitskreises "Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich" soll ein "Globalverzicht" auf Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich zwar grundsätzlich möglich, aber nur dann unpro- blematisch sein, wenn eine hinreichende Absicherung der Alters- und Invaliditätsrisiken bestehe.
32. 32 b) Unterschiedlich wird auch die Bedeutung eingeschätzt, die einem zwischen den Ver- tragspartnern bestehenden Ungleichgewicht zukommen soll. Zum Teil wird gefolgert, daß eine Unterlegenheit der durch einen Ehevertrag benachteiligten Ehefrau jedenfalls dann zu verneinen sei, wenn diese durch einen Notar über den Inhalt des Vertrags be- lehrt worden sei und diesen ohne Zeitdruck abgeschlossen habe (Langenfeld DNotZ 2001, 272, 279). Nach anderer Auffassung soll bei besonders ausgeprägter objektiver Benachteiligung eines Ehegatten durch den Ehevertrag eine tatsächliche Vermutung für die Situation der Unterlegenheit dieses Ehegatten sprechen (Schwab DNotZ aaO 15; ähnlich auch der Arbeitskreis "Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich" des Deut- schen Familiengerichtstags 2003: "widerlegbare Vermutung"). Von dritter Seite wird empfohlen, "sich von der verkrampften Suche nach Ungleichgewichtslagen zu lösen" und die Ehevertragsfreiheit ganz generell im Hinblick auf eine potentielle Einverdienerehe für den Kernbereich des Scheidungsfolgensystems "teleologisch zu reduzieren" (Dauner- Lieb AcP aaO 323; ihr folgend auch Goebel aaO 1518).
33. 33 c) Ausdrücklich offengelassen hat das Bundesverfassungsgericht die Frage, mit wel- chen Instrumentarien die Fachgerichte die ihnen aufgegebene Inhaltskontrolle umset- zen sollen. Hierzu wird in der Literatur eine Sanktionierung erwogen, die zwischen § 138 Abs. 1 und § 242 BGB nach dem Ausmaß der Benachteiligung differenziert (Schwab Fam- RZ 2001, 349, 350; ders. DNotZ aaO 17 f.; Bergschneider FamRZ 2001, 1338, 1340; in diese Richtung auch die obengenannten Arbeitskreise des Deutschen Familiengerichts- tags 2003). Dabei werden die engen Grenzen betont, die dem Korrektiv des § 138 BGB gezogen seien; zugleich wird auf die mangelnde strukturelle Eignung einer Wirksam- keitskontrolle hingewiesen, die auf vorformulierte, allgemeine Regelungen zugeschnit- ten sei (Dauner-Lieb aaO 328). § 138 BGB würde mit seiner Nichtigkeitsfolge auch dem Gebot des geringstmöglichen Eingriffs in die Ehevertragsfreiheit nicht gerecht (Goebel aaO 1519). Soweit die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (etwa Berg- schneider FamRZ 2003, 376, 378) und der ergänzenden Vertragsauslegung in Betracht gezogen werden, besteht Einigkeit, daß diese Instrumente - unbeschadet ihrer Abgren- zung im einzelnen - versagen, wenn die Vertragsparteien die später eingetretene Ent- wicklung auch nur für möglich gehalten und dennoch eine bewußt abschließende Rege- lung getroffen hätten; genau dies werde aber bei ehevertraglich vereinbarten Verzich- ten vielfach der Fall sein (Dauner-Lieb aaO 326 f.). Empfohlen wird deshalb vielfach ei- ne Ausübungskontrolle, die der Bundesgerichtshof schon bisher - wie dargelegt - unter Berufung auf § 242 BGB zur Abmilderung der harten Konsequenzen einer grundsätzlich "vollen Ehevertragsfreiheit" genutzt hat (Goebel aaO 1519 f., Grziwotz FF 2001, 41, 44; Schervier MittBayNot 2001, 213, 214). Dabei wird jedoch zum Teil eine Ausdehnung des Instituts der Ausübungskontrolle gefordert: So solle sich die Ausübungskontrolle auch auf Fallkonstellationen erstrecken, in denen ein Ehevertrag keine Belastung Dritter - et- wa gemeinsamer Kinder - bewirke, sondern nur einen der Ehegatten selbst einseitig und unangemessen benachteilige. Außerdem solle die Ausübungskontrolle auch Benachteili- gungen eines Ehegatten erfassen, die sich aufgrund von Umständen verwirklichten, die bei Vertragsschluß bereits absehbar gewesen seien und - weil vom ursprünglichen Par- teiwillen gedeckt - die Berufung auf die vertragliche Abrede nach bisherigem Verständnis nicht ohne weiteres als rechtsmißbräuchlich erscheinen ließen (Dauner-Lieb aaO 328 f.).
III.
34. 34 Nach Auffassung des Senats läßt sich nicht allgemein und für alle denkbaren Fälle ab- schließend beantworten, unter welchen Voraussetzungen eine Vereinbarung, durch wel- che Ehegatten ihre unterhaltsrechtlichen Verhältnisse oder ihre Vermögensangelegen- heiten für den Scheidungsfall abweichend von den gesetzlichen Vorschriften regeln, un- wirksam ist (§ 138 BGB) oder die Berufung auf alle oder einzelne vertragliche Regelun- gen unzulässig macht (§ 242 BGB). Erforderlich ist vielmehr eine Gesamtschau der ge- troffenen Vereinbarungen, der Gründe und Umstände ihres Zustandekommens sowie der beabsichtigten und verwirklichten Gestaltung des ehelichen Lebens. Dabei ist von fol- genden Grundsätzen auszugehen:
35. 35 1. Die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn und Versor- gungsausgleich unterliegen grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Ehegatten; einen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten kennt das geltende Recht nicht.
36. 36 a) Zwar hat der Gesetzgeber dem in § 1569 BGB verankerten Grundsatz der nachehelichen
unterhaltsrechtlichen Eigenverantwortung eines jeden Ehegatten ein nahezu lü- ckenloses System von Unterhaltsansprüchen gegenübergestellt, die den Schutz des so- zial schwächeren Ehegatten nach der Scheidung sichern und insbesondere ehebeding- te Nachteile ausgleichen sollen, die er um der Ehe oder der Kindererziehung willen in sei- nem eigenen beruflichen Fortkommen und dem Aufbau einer entsprechenden Altersver- sorgung erlitten hat. Andererseits hat er in den §§ 1353, 1356 BGB das - grundgesetz- lich geschützte, vgl. Art. 6 GG - Recht der Ehegatten verbürgt, ihre eheliche Lebensge- meinschaft eigenverantwortlich und frei von gesetzlichen Vorgaben entsprechend ihren individuellen Vorstellungen und Bedürfnissen zu gestalten. Die auf die Scheidungsfol- gen bezogene Vertragsfreiheit ist insoweit eine notwendige Ergänzung dieses verbürg- ten Rechts und entspringt dem legitimen Bedürfnis, Abweichungen von den gesetzlich geregelten Scheidungsfolgen zu vereinbaren, die zu dem individuellen Ehebild der Ehe- gatten besser passen. So können etwa Lebensrisiken eines Partners, wie sie z.B. in einer bereits vor der Ehe zutage getretenen Krankheit oder in einer Ausbildung angelegt sind, die offenkundig keine Erwerbsgrundlage verspricht, von vornherein aus der gemeinsa- men Verantwortung der Ehegatten füreinander herausgenommen werden. Auch der Ge- danke der nicht allein auf die Ehezeit beschränkten ehelichen Solidarität - und zwar auch in der bloß programmatischen und in seinen Konturen unscharfen Ausformung des 1998 mit dem Eheschließungsrecht eingeführten § 1353 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB, der ei-
ne gegenseitige Verantwortung der Ehegatten füreinander vorgibt (vgl. dazu Wagenitz, Festschrift für Rolland 1999, 379, 381 f.) - ist weder dazu bestimmt noch geeignet, un- terhaltsrechtliche Pflichten, in denen sich die nacheheliche Solidarität konkretisiert, als zwingendes, der Disposition der Parteien entzogenes Recht zu statuieren (so aber wohl Goebel aaO S. 1516). § 1585 c BGB enthält dementsprechend auch keine Einschränkung in Richtung eines unverzichtbaren Mindestgehalts an Rechten.
37. 37 b) Der Zugewinnausgleich ist weniger Ausfluß nachehelicher Solidarität als Ausdruck einer Teilhabegerechtigkeit, die zwar im Einzelfall ehebedingte Nachteile ausgleichen kann, in ihrer Typisierung aber weit über dieses Ziel hinausgreift und nicht zuletzt des- halb von § 1408 Abs. 1 BGB der Disposition der Ehegatten unterstellt ist. Das Bundes- verfassungsgericht hat zwar in anderem Zusammenhang verdeutlicht, daß Leistungen, die Ehegatten im gemeinsamen Unterhaltsverband für die eheliche Gemeinschaft erbrin- gen, unabhängig von ihrer ökonomischen Bewertung gleichgewichtig sind und daß des- halb beide Ehegatten grundsätzlich auch Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten haben (BVerfG FamRZ 2002, 527, 529). Diese fiktive Gleichgewichtung schließt jedoch die Möglichkeit der Ehegatten, ihrer individuell vereinbarten Arbeitstei- lung oder einer evident unterschiedlichen ökonomischen Bewertung ihrer Beiträge in der Ehe durch eine vom Gesetz abweichende einvernehmliche Regelung angemessen Rech- nung zu tragen, nicht aus. Auch bleibt es ihnen unbenommen, im Einzelfall als unbillig empfundenen Ergebnissen des gesetzlichen Güterstandes - etwa im Hinblick auf Wert- steigerungen des Anfangsvermögens - durch die vom Gesetz eröffnete Wahl der Gütertrennung zu begegnen.